Prognostizierte Kältewelle in der kommenden Woche wird zur Belastungsprobe

Aktuellen Medienberichten zu Folge, wird in Frankreich für die kommende Woche eine ähnliche Kältewelle wie zuletzt 2012 erwartet. Diese könnte aufgrund der aktuell sehr angespannten Eigenversorgungsfähigkeit dazu führen, dass Flächenabschaltungen erforderlich werden, um einen Kollaps des Stromversorgungssystems zu verhindern. Bereits am 7., 8. und 14. November 2016 führte eine erhöhte Stromnachfrage zu enormen Strompreisen. So kostete die MWh zwischen 18 und 19 Uhr rund 850 Euro oder mehr als das 20-fache vom Tagestief! Am 09.02.2012 wurden zwischen 10 und 11 Uhr sogar 2.000 Euro für die MWh bezahlt. Der Maximalpreis an der Strombörse ist mit 3.000 Euro pro MWh limitiert, der damals in einzelnen Regionen auch erreicht wurde. Dabei geht es nicht nur um erhöhte Strompreise, sondern auch um enorme physische Belastungen für Infrastrukturkomponenten.

Derzeitige Windprognosen weisen darauf hin, dass es auch in Deutschland zu keinen großen Windstromproduktionen kommen dürfte, was daher die Importkapazitäten nach Frankreich limitieren dürfte. So lange Frankreich das eigene Stromversorgungssystem rechtzeitig durch Flächenabschaltungen stabilisieren kann, wird alles gut gehen. Sollte aber etwas Unerwartetes dazu kommen, könnte ein europaweiter Dominoeffekt ausgelöst werden – mit verheerenden Folgen. Gerade bei einer Kältewelle werden auch die Schweiz, Großbritannien und Belgien – die als „Notnagel“ angeführt werden – selbst ihren Strom benötigen, da auch diese bereits vor Wochen für den Fall einer Kältewelle massive Probleme angekündigt haben. Dass die Situation angespannt werden dürfte, lässt sich auch bereits an der Strompreisentwicklung erkennen: Der Strompreis klettert in Deutschland/Österreichs am Montag, 16.01.17 zwischen 18-19 Uhr, erstmals seit Februar 2012 (5 Jahre!) deutlich über 100 Euro und erreicht 125 Euro! Hoffen wir, dass dieser Kelch erneut an uns vorübergeht. Nichtsdestotrotz ist Achtsamkeit und Wachsamkeit geboten.

Thementag „Blackout“ im Schweizer Rundfunk

Am 2. Jänner 2017 hat der Schweizer Rundfunk von 13 bis 22 Uhr einen umfassenden Thementag zum Szenario „Blackout“ gestaltet und damit eine sehr aktive Sicherheitskommunikation betrieben (siehe dazu die Artikeln weiter unten). Die einzelnen Beiträge sind weiterhin online abrufbar (www.srf.ch/blackout). Zudem sollte es zu denken geben, wenn der Schweizer Verteidigungsminister wenige Tage später auch ganz klar öffentlich zur Vorsorge aufruft und den potenziellen Schaden alleine für die Schweiz mit 2-4 Milliarden Franken (24 Stunden!) bezeichnet (Blackout-Kosten: 2-4 Milliarden Franken pro Tag – Schweiz soll sich gegen Blackout wappnen). Weiters: „Zentral bleibt, dass Dienstleister – ob Banken, Telekommunikationsfirmen oder Grossverteiler – die Risiken eines Blackouts in ihren Strategien einplanen.“ Auch die Bevölkerung müsse stärker darauf sensibilisiert werden und etwa wieder vermehrt Grundvorräte anlegen.

Unsere Hochachtung vor der Schweizer Politik, die dieses wichtige Thema aufgreift und damit nicht, wie bei uns häufig von verantwortlichen Stellen befürchtet wird, Panik auslöst. Ganz im Gegenteil, das nennt man verantwortungsvolles und vorausschauendes Handeln, statt den Kopf in den Sand zu stecken! Zudem ist die Schweiz genauso föderal organisiert und trotzdem nimmt der Bund die Sache in die Hand! Damit gibt es nun bereits die zweite warnende Stimme von höchster nationaler Stelle.  Im letzten Sommer bezeichnete der deutsche Innenminister ein Blackout als die wahrscheinlichste (Groß)Katastrophe. Einmal mehr daher hier auch der Hinweis, dass wir hier nicht von nationalen Stromversorgungssystemen sondern von einem europäischen Verbundsystem sprechen, das nur im Ganzen funktioniert. Sollte ein Land von einem Blackout betroffen sein – wodurch dieses auch immer ausgelöst wird – dann wird es wahrscheinlich binnen Sekunden weite Teile Europas mitreißen.

Der Blackout-Simulator, der aus einem österreichischen Forschungsprojekt entstanden ist, kommt für Österreich (24h) auf rund eine Milliarde Euro Schaden , wobei es hier nur um die Nicht-Erbringbarkeit von Leistungen, jedoch nicht um absehbare Folgeschäden (Ausfälle in der Infrastruktur/Produktion) geht, was auch kaum erfassbar ist. Diese Summen dürften kumuliert aber ebenfalls in die Milliarden gehen, wenn man Einzelereignisse bzw. Erfahrungen hernimmt und hochrechnet. Es steht hier sehr viel auf dem Spiel, ohne das wir das ausreichend ernst nehmen würden. Daher ist aus unserer Sicht die Berechnung der deutschen Studie heranzuziehen, die zum Schluss kommt, dass die erste Stunde Blackout in Deutschland rund 600 Millionen Euro Schaden verursachen würde und dann eine Berechnung aufgrund der exponentiellen Entwicklung bzw. durch die Kettenreaktionen in den Infrastrukturen nicht mehr seriös möglich ist. Der volkswirtschaftliche Schaden eines solchen realistischen Ereignisses wird daher weiterhin massiv unterschätzt.

Obwohl wir uns mit Sicherheit bereits zu häufig wiederholen: Die Kernbotschaft kommt leider immer noch zu wenig klar an. Wir haben hier keinen Handlungsspielraum, der ein Zuwarten oder Aussitzen zulassen würde. Den LeserInnen dieses Newsletters ist dies wahrscheinlich bereits längst bewusst. Aber wie können wir doch noch gemeinsam eine größere Breitenwirkung erzielen? Haben Sie dazu konkrete Ideen?

Keine Katastrophe ohne Menschen

Hierzu passend einige allgemeingültige Aussagen aus einem Interview mit Vertretern der ETH-Zürich/Center for Security Studies (CSS):

  • In der Schweiz ist der Katastrophenfall meist lokal oder regional gedacht. Was bei extremen Ereignissen mit nationaler oder gar internationaler Bedeutung passieren würde, dafür fehlt schlicht die Erfahrung.
  • Es gibt zwei wichtige Punkte: Es gibt keine Katastrophe ohne Menschen – ein Erdbeben an einem Ort, an dem keine Menschen leben und es keine Infrastruktur gibt, ist nur ein Naturereignis, keine Katastrophe. Deshalb ist für uns die Frage der sozialen Verwundbarkeit, das heißt, wer am stärksten betroffen ist, so wichtig.
  • Zweitens bedeutet der Einfluss der Zivilgesellschaft und der sozialen Medien, dass die Behörden nicht mehr nur top-down kommunizieren können und damit auch ein Stück Deutungshoheit verlieren. In Zukunft werden die Behörden mehr in Dialog mit der Bevölkerung treten müssen.
  • Wichtig ist, dass man die Gefahren kennt und weiß, was im Katastrophenfall zu tun ist.

Natürlich setzen sich bereits Katastrophenschutzverantwortliche und Einsatzorganisationen mit diesem Szenario auseinander, wie etwa auch die Deutsch-Französische-Schweizerische Oberrheinkonferenz (ORK). Aber solange die Bevölkerung = Personal der Einsatzorganisationen nicht so wie in der Schweiz umfassend in die Krisenvorsorge eingebunden werden, besteht kaum eine Chance, dass organisatorischen Maßnahmen greifen. Siehe dazu einmal mehr die Studie „Ernährungsvorsorge in Österreich

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass bei der jährlichen Risikoumfrage bei Unternehmern erneut Betriebsunterbrechungen als das Top-Risiko festgestellt wurde. Wenn man sich aber gleichzeitig ansieht, wie man damit umgeht, dann gibt es hier eine zunehmende (Komplexitäts-)Lücke. Wissen alleine reicht nicht. Man muss auch die notwendigen Konsequenzen daraus ziehen, was bisher noch häufig fehlt.

Gefährliche Eskalation im Cyberspace

Wie bereits im letzten Newsletter berichtet, gibt es derzeit eine gefährliche Eskalation im Cyberspace/Internet, die in den letzten Wochen weiter eskaliert ist, wobei es bisher zum Glück vorwiegend um eine „mediale Schlacht“ geht, wo auch Falschmeldungen nicht fehlen dürfen. So wurde etwa zunächst von russischen Angriffen auf einen Stromversorger berichtet, die sich dann doch als unhaltbar herausstellten. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, dass es ausreichend Potential gibt, damit der Funke von einer verbalen zu einer physischen Eskalation mit weitreichenden Dominoeffekten überspringt.

Schon periodisch warnen offizielle amerikanische Stellen von der Zunahme von Cyberangriffen auf die Energieversorger, wobei dabei oft nicht so klar ist, ob man hier wirklich von qualifizierten Angriffen sprechen kann, oder von Standardangriffen, die alle treffen (können). Nichtsdestotrotz schlummert hier ein Potential für weitreichende Infrastrukturausfälle, das uns alle treffen könnte. Erst Anfang Dezember hatte die Deutsche Telekom wieder mit schweren Störungen zu kämpfen. Daher einmal mehr, es muss nicht immer ein gezielter Angriff sein, der zu Infrastrukturausfällen führt.

Verschiedene Meldungen und Berichte

Analysen und eigene systemische Betrachtungen

Blackout und Sicherheitskommunikation / Thementag „Blackout“ im Schweizer Rundfunk

Krisenmanagement und Krisenvorsorge

Stromversorgung

Gerade Erkenntnisse aus lokalen Stromausfällen sollten unsere Wachsam- und Achtsamkeit erhöhen!

 Cybersicherheit

Blicke auf die Situation im europäischen Stromversorgungssystem

Die angeführten Beispiele stammen rein aus öffentlich verfügbaren Quellen. Sie zeigen die aktuellen Herausforderungen auf und sollten uns an die Truthahn-Illusion erinnern.

Insgesamt ist 2016 gegenüber 2015 deutlich „ruhiger“ und „stabiler“ verlaufen, was vor allem auf die Wetterlage zurückzuführen ist. Eine detaillierte Auswertung, auch der bisherigen Windstromproduktion im Jänner 2017, ist noch ausständig. Diese ist aber durch eine hohe Volatilität gekennzeichnet. Die Produktionsleistungen in Deutschland schwanken in den letzten Wochen zwischen 0,2 und 36 GW (zum Vergleich: das Flusskraftwerk Wien Freudenau kann max. 0,17 GW, die gesamte Donauwasserkraftwerkskette in Österreich rund 2 GW erzeugen). Die theoretische max. Leistung der deutschen Windkraftwerke beträgt aktuell rund 49 GW. Die Energiewende kann unter diesen Rahmenbedingungen nicht gelingen. Hier müssen vor allem im Bereich der Energiebevorratung noch deutlich höhere Anstrengungen und vor allem reale Umsetzungen erfolgen, was derzeit nicht wahrnehmbar ist. Daher hat die Versorgungssicherheit auch zunehmend mit Glück zu tun, nämlich damit, dass die falschen Bedingungen nicht zum gleichen Zeitpunkt zusammentreffen. Keine gute Basis, um die wichtigste Lebensader unserer modernen, stromabhängigen Gesellschaft zu betreiben.

Stromproduktion Deutschland 13.12.2016-13.01.2017

Stromproduktion Deutschland 13.12.2016-13.01.2017