Quelle: web.de
Die Regierung rät, Nahrung und Medikamente für Notsituationen zu horten. Doch: „Diese Empfehlungen sind sehr allgemein und für viele Menschen nicht umsetzbar“, warnt Katastrophen-Experte Martin Voss. Viel wichtiger sei eine öffentliche Debatte darüber, was im Notfall zu tun sei.
Der Ratgeber empfiehlt Privathaushalten: „Mit einem Vorrat an Lebensmittel und Getränken für zwei Wochen sind Sie für den Notfall gerüstet.“
Die Broschüre empfiehlt, 28 Liter Flüssigkeit für jede Person im Haushalt einzulagern. Denn: „Ein Mensch kann unter Umständen drei Wochen ohne Nahrung auskommen, aber nur vier Tage ohne Flüssigkeit.“
Für den Nahrungsvorrat rät das BBK: „Keine Experimente. Halten Sie vor allem Lebensmittel und Getränke vorrätig, die Sie und Ihre Familie normalweise nutzen.“ Besonders eigne sich Essen, das auch ohne Kühlung lange haltbar sei.
„Diese Empfehlungen sind sehr allgemein und für viele Menschen nicht umsetzbar“, kritisiert Martin Voss, Leiter der Katastrophenforschungsstelle Berlin an der Freien Universität Berlin. Er befasst sich seit 15 Jahren mit dem Thema Katastrophenvorsorge.
Denn: Nicht jeder hat die finanziellen Mittel, Nahrung für zwei Wochen vorab einzukaufen und gerade in den Städten haben viele Menschen auch nicht den Platz, um die Notvorräte zu lagern.
„Selbst die Menschen, die den Platz und das Geld hätten, um die Vorräte anzulegen, tun dies oft nicht, weil die Beschaffung und Pflege der Vorräte so aufwändig sind“, erklärt Voss. Das Ergebnis sei, dass sich nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung an die Empfehlungen halte.
„Wichtig ist eine Debatte in der Öffentlichkeit darüber, was in einer Notsituation zu tun ist, sodass sich die Menschen selbst überlegen, welche Möglichkeiten sie haben, Vorkehrungen zu treffen, aber vor allem damit sichtbar wird, was von der Solidargemeinschaft, also vom Staat, unternommen werden muss“, sagt Voss.
Doch die Behörden mieden die Debatte aus Angst davor, dass sie in der Bevölkerung Panik auslösen würde. Eine unbegründete Sorge laut dem Katastrophenexperten: Die Menschen könnten sich durchaus mit der Gefahr einer Notsituation auseinandersetzten ohne in Panik zu verfallen.
„Menschen mit besonderen Bedürfnissen kommen schnell an ihre Grenzen“, warnt Voss. „Im Katastrophenfall sind sie die ersten die in Bedrängnis kommen – egal, ob sie einen Hamstervorrat haben oder nicht. Diese Menschen benötigen Unterstützung.“
Daher sei es viel wichtiger, dass sie und ihre Angehörigen darüber informiert würden, was sie im Notfall zu tun hätten und wüssten, auf welche Infrastruktur sie in der unmittelbaren Umgebung zurückgreifen könnten.
Aber Antworten auf solche Fragen finden sich nicht im Vorratsrechner, sie müssten in einer Debatte in der Öffentlichkeit gefunden werden.
Kommentar
Es gilt wie immer ein sowohl-als-auch! Wir brauchen beides. Denn wenn die Ausgangslage derart katastrophal ist, wie sie derzeit ist, helfen auch keine organisatorischen Maßnahmen. Zum anderen ist gerade die Nachbarschaftshilfe und die Organisation von Selbsthilfe-Basen ganz wesentlicher Bestandteil einer Blackout-Bewältigung. Die angesprochene Differenzierung für kleinere Ereignisse macht durchaus Sinn. Wobei wenn wir uns auf ein Blackout vorbereiten, wir auch alle anderen Ereignisse damit abdecken.
Die wesentliche Frag ist und bleibt, wie kommen wir in eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, bevor uns die Realität einholt.