Letzte Aktualisierung am 07. März 2019.

Die gesamt Studie

Im Rahmen des KIRAS-Sicherheitsforschungsprojektes „Risiko‐ und Krisenmanagement für die Ernährungsvorsorge in Österreich (EV‐A)“ wurde der Ist-Zustand erhoben und Handlungsoptionen und Maßnahmen zur Sicherstellung der Nahrungsmittelversorgung im Krisenfall ausgearbeitet. Dabei wurden auch wichtige Erkenntnisse für das Szenario „Blackout“ gewonnen, auf die hier im speziellen näher eingegangen wird.

Als eines der Hauptprobleme wurde die „Klärung der offiziellen Zuständigkeiten“ identifiziert, was sich mit den Erkenntnissen im Sicherheitsforschungsprojekt „Blackouts in Österreich 2“ (BlackÖ.2) deckt.

Zum anderen lässt sich der Schluss ziehen, dass wir im Falle eines realistischen Blackouts (siehe Stromnetze an der Belastungsgrenze) auf einen völlig unkontrollierten Zustand zusteuern, wenn etwa 60 % der Unternehmen (nicht nur in der Lebensmittelversorgungskette) scheinbar kein konkretes Risiko- und Krisenmanagement implementiert haben, um im Falle eines längeren Strom- und Infrastrukturausfalls ihre Produktionsanlagen in einen sicheren Zustand herunterfahren zu können, um danach wieder möglichst rasch hochfahren zu können. Wenn gleichzeitig 87 % der selben Unternehmen davon ausgehen, dass sie innerhalb von 8 Stunden einen Normalbetrieb vollständig wiederherstellen können, dann hat das wohl mit dem fehlenden Wissen/Sicherheitskommunikation und einer bekannten Selbstüberschätzung zu tun (siehe Großkatastrophe Stromausfall: Deutsche wiegen sich in Sicherheit).

Ganz abgesehen davon, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung in einer Selbsteinschätzung angab, dass sie spätestens am 4. Tag nur mehr sehr eingeschränkt selbstversorgungsfähig ist. In diesem Fall kann wohl angenommen werden, dass auf einer reduzierten Komfortebene durchaus etwas mehr Reserven vorhanden sein werden. Die Frage ist, wie man damit umgehen kann, was zusätzlich durch die fehlende Sicherheitskommunikation erschwert wird.

Natürlich handelt es sich hier um keine absoluten Zahlen … aber die Größenordnungen sind trotzdem besorgniserregend. Hier passen auch zwei sicherheitspolitische Zitate vom 3. DACH-Sicherheitsforum Österreich dazu:

„Das Einzige wovor wir wirklich Angst haben müssen, ist die Angst selbst.“

„Eine Gesellschaft die sich eine tödliche Bedrohung nicht mehr vorstellen kann, ist nicht überlebensfähig.“

Zusammenfassung in Hinblick auf das Szenario „Blackout“

EV-A - Vorratshaltung-Vergleichsstudien

Mit dieser Studie liegt erstmals eine konkrete wissenschaftliche Untersuchung über die Ernährungsvorsorge in Österreich vor. Die Selbstversorgungsfähigkeit der österreichischen Bevölkerung scheint etwas besser zu sein, als die der deutschen – respektive Berliner – Bevölkerung (vgl. Katastrophenschutz-Leuchttürme Berlin).

Befragung

  • 1849 Haushalte haben den Fragebogen retourniert; es gibt rund 3,8 Millionen Haushalte in Österreich (2014)
  • Szenario 1: Keine Einkaufsmöglichkeit, Strom und Wasser vorhanden -> 190.000 Haushalte haben ab dem 4. Tag
    keine Vorräte mehr
  • Szenario 2: Keine Einkaufsmöglichkeit, kein Strom, kein Wasser (z.B. Blackout!) -> 1.4 Millionen Haushalte (rund 3 Millionen Menschen) können sich ab dem 4. Tag nur mehr sehr eingeschränkt selbst versorgen bzw. sind auf Hilfe von außen angewießen.
    Anmerkung: Ein Blackout über vier Tage ist für Österreich eher nicht zu erwarten. Jedoch wird es Tage wenn nicht Wochen dauern, bis die Lebensmittelversorgung nach einen Blackout wieder normal funktioniert! Zudem gibt es massive internationale Abhängigkeiten.
  • Wasservorrat pro Kopf: 11-26% der befragten Haushalte (rund 1-2 Millionen Menschen) verfügen über KEINE Wasservorräte!! (Anmerkung: Der Prozentsatz unterscheidet sich in Gemeinden unterschiedlicher Größe – Die Wassereigenbevorratung ist derzeit generell ziemlich gering ausgeprägt und wird wohl zu einer der größten Herausforderungen bei/nach einem Blackout! Siehe Stromausfall brachte auch Probleme mit der Trinkwasserversorgung bzw. die Studie Energy blackouts and water outages.
  • 51% der Haushalte haben eine Kochmöglichkeit bei Stromausfall – aber – nur 37% haben eine Kochmöglichkeit für geschlossene Räume
  • 6% aller Haushalte haben eine Notstromversorgung (Anmerkung: Man muss zwischen Netzersatzanlagen (NEA), die für den Dauerbetrieb ausgelegt sind, und Notstromaggregaten (NSA) unterschieden, die NICHT für den Dauerbetrieb ausgelegt sind!)
  • 14.4% der Haushalte benötigen spezielle oder diätetische Lebensmittel
  • 65 Unternehmen aus der Lebensmittelversorgungskette haben den Fragebogen beantwortet
  • 30% haben noch keine Vorsorge getroffen bzw. keine Überlegungen angestellt!
  • Nur 26% der Unternehmen haben eine Notstromversorgung zur Aufrechterhaltung des Normalbetriebs (Anmerkung: Ob damit wirklich ein Normalbetrieb aufrechterhalten werden kann, muss sehr bezweifelt werden)
  • Erdgas ist für 60% der Unternehmen, vor allem für die Produktion, dringend erforderlich (siehe auch Wie sicher ist unsere Erdgasversorgung wirklich?)

Wasservorrat pro Kopf nach Gemeindegröße

 

Reichweite der Lebensmittelvorräte

bb_achtungrGefahrenfelder

  • Geringe „Awareness“ hinsichtlich Krisen/Katastrophen
  • Zuständigkeiten und Abläufe unklar
  • Große Ungewissheit / Unsicherheit bezüglich Blackout
  • Geringe Lagerhaltung in Unternehmen -> Just-in-Time

Handlungsoptionen und Maßnahmen

  • Einbindung der Bevölkerung unverzichtbar!
  • Private Bevorratung und Vorsorge
  • Klärung der Zuständigkeit
  • Steigerung der Resilienz im Ernährungssektor

Selbsteinschätzung & Vorbereitung Unternehmen

EV-A - Welche Vorsorge wurde für den Fall eines Stromausfalls getroffen

Nur 38 % der Unternehmen können demnach ihren Betrieb kontrolliert herunterfahren … was es bedeuten könnte, wenn 62 % der Unternehmen das nicht können, ist kaum auszumalen!

EV-A - Risiko- und Sicherheitsmanagement (implementiert oder zertifiziert)

Auch diese Zahlen sprechen für sich. Wir können in keinster Weise abschätzen, welche Auswirkungen ein mögliches Blackout auf die Versorgung haben wird. 

Kurzfassung

Laufend versorgen uns die Medien mit erschreckenden Berichten über Krisenfälle und Katastrophen. Unweigerlich stellt sich die Frage: Wie würde es uns selbst in einer solchen Situation ergehen? Neben der medizinischen Erstversorgung ist die Verfügbarkeit und Verteilung von ausreichend Nahrungsmitteln in Krisensituationen die größte Herausforderung. Die Bemühungen und Maßnahmen, die einzelne Staaten unternehmen, damit im Notfall die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gewährleistet ist, sind unterschiedlich.

In Österreich stellt das Bundesgesetz über Lenkungsmaßnahmen zur Sicherung der Produktion und der Versorgung mit Lebensmitteln (Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz 1997) die gesetzliche Basis dar. Darin ist allerdings keine konkrete Beschreibung der Maßnahmen, die in Notsituationen zu ergreifen sind, enthalten. Den Bedarfsträgern dieser Studie fehlen wesentliche Voraussetzungen und Informationen für die Erarbeitung von Maßnahmen- und Krisenplänen sowie entsprechender gesetzlicher Regelungen.

Zielsetzung des vorliegenden Projekts war es deshalb, einen Überblick über den Status quo im Bereich der privaten Vorsorge und hinsichtlich der derzeitigen Situation in den Unternehmen entlang der Lebensmittelversorgungskette zu geben. Eine weitere wesentliche Aufgabe dieser Studie lag in der Ausarbeitung von Handlungsempfehlungen – auch als Basis für weiterführende Aktivitäten dienend –, die Verantwortungsträger, Unternehmen und Bevölkerung bei der Vorbereitung auf mögliche Krisen, sowie in der Krisensituation selbst, unterstützen können.

Nach einer Definition der wichtigsten Begriffe und einer Beschreibung der Grundlagen wird das Thema Lebensmittelversorgung durch die Aufarbeitung der Ziele und Inhalte der gemeinsamen Agrarpolitik der EU im europäischen Kontext betrachtet, die seit dem EU-Beitritt Österreichs 1995 starken Einfluss auf die heimische Agrarpolitik nimmt.

Eine wichtige Basis für die Erhebung des Status quo in den Unternehmen der Lebensmittelversorgungskette waren die Ausarbeitung der Wertschöpfungskette und die Darstellung der Versorgungsströme für Lebensmittel in Österreich. Vom vorgelagerten Bereich der landwirtschaftlichen Erzeugung (Dünge-, Pflanzenschutz-, Futtermittel, Saatgut) über Primärproduktion, Verarbeitung und Lebensmittelindustrie, Verpackung sowie Transport bis hin zu Groß- und Einzelhandel wurden entsprechende Unternehmen identifiziert und die einzelnen Bereiche hinsichtlich ihrer Strukturen, Selbstversorgungsgrade und Importanteile analysiert. Besonders hohe Importabhängigkeiten wurden bei Soja als Basis für Futtermittel sowie bei Lebensmitteln wie Reis, Fisch, Bananen und pflanzlichen Fetten festgestellt.

Anhand potenzieller Risikofaktoren wurden Gefahrenquellen und Krisen- bzw. Katastrophenszenarien abgeleitet, welche für die österreichische Ernährungssicherheit von Relevanz sind. Im Rahmen einer Risikoanalyse erfolgte eine Reihung nach Gefahrenpotenzial, wobei die drei Szenarien „Großflächiger Stromausfall (Blackout)“, „Ausfall von fossilen Brennstoffen“, und „Überregionaler Ernteausfall“ als besonders weitreichend identifiziert wurden.

Wie gut sind die Unternehmen der Lebensmittelkette auf Krisen vorbereitet?

Unter Berücksichtigung dieser Szenarien wurde in ausgewählten Unternehmen der Lebensmittelversorgungskette eine Online-Erhebung durchgeführt. Mit dem Krisenszenario eines Blackout hat sich zwar die überwiegende Mehrheit der befragten Unternehmen schon auseinandergesetzt, jedoch verfügt nur etwa ein Viertel über eine Notstromversorgung, die auf eine Aufrechterhaltung des Normalbetriebs ausgerichtet ist. Doch selbst bei diesen Unternehmen ist nicht davon auszugehen, dass alle wesentlichen betrieblichen Abläufe über einen längeren Zeitraum adäquat versorgt werden können.

Speziell die Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels werden, aufgrund fehlender Notstromversorgung in den Filialen, bei einem Blackout durch den Ausfall von Kassen- und Kühlsystemen vor große Probleme gestellt. Da der Transport bzw. die Verteilung von Lebensmitteln fast überwiegend mittels LKW erfolgt, sind diese Logistikprozesse in hohem Ausmaß von fossilen Treibstoffen abhängig. Den Unternehmen scheint dies als Gefahr bewusst, Lösungsansätze zur Reduktion dieser Abhängigkeit werden aber kaum gesehen. So wünschen sich zwei Drittel der befragten Unternehmen als staatliche Maßnahme eine Bevorzugung von Lebensmitteltransporten bei Treibstoffknappheit. Aus den Ergebnissen der Unternehmensbefragung wird auch deutlich, dass sich die Unternehmen eine Einbindung in staatliche Krisen- und Maßnahmenpläne wünschen. Um in Krisensituationen möglichst schnell richtige Entscheidungen treffen zu können, wird von einem großen Prozentsatz der Unternehmen zudem die Einberufung von Expertenteams vorgeschlagen.

Bevorratung und Vorsorge in privaten Haushalten

Die Haushaltsbefragung ergab, dass sich die Bevorratungssituation der privaten Haushalte vor allem im urbanen Raum als unzureichend darstellt. Für eine längerfristige Versorgung ohne Einkaufsmöglichkeit sind nur die wenigsten Haushalte gerüstet und im Fall eines Blackouts gehen die Vorräte in vielen Haushalten bereits nach wenigen Tagen zur Neige. Ein weiteres wesentliches Ergebnis ist die geringe Wasserbevorratung. In einem Durchschnittshaushalt erreichen die Pro-Kopf-Lagermengen an abgefülltem Wasser bei weitem nicht die vom Zivilschutzverband vorgeschlagene Menge von 14 Litern. Auch in Bezug auf die privaten Haushalte ist das Blackout-Szenario hervorzuheben: Stromunabhängige Kochmöglichkeiten sind nur in gut der Hälfte der Haushalte vorhanden und im urbanen Bereich deutlich weniger verbreitet als in ländlichen Gebieten. Als Gefahrenfeld in diesem Zusammenhang ist in jedem Fall ein mangelndes Bewusstsein der Bevölkerung hinsichtlich der Gefahr eines Blackouts, aber auch gegenüber Krisensituationen im Allgemeinen zu nennen.

Das sollte getan werden – Handlungsempfehlungen und Maßnahmen

Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wurden fünf Themenfelder mit konkretem Handlungsbedarf für Österreich ermittelt, die als Hilfestellung für die Erarbeitung von darauf aufbauenden konkreten Maßnahmenplänen dienen. Die Handlungsempfehlungen umfassen sowohl präventive Aktivitäten im Sinne des Risikomanagements als auch Maßnahmen, die zum Krisenmanagement zu zählen sind.

Im Handlungsfeld der administrativen und legislativen Basis sind vordringlich die Inhalte des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes zu diskutieren und gegebenenfalls anzupassen. Um einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern des Bundeslenkungsausschusses nach dem Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz (BLA) zu fördern und ein effizientes Handeln im Krisenfall sicherzustellen, sind Zusammenkünfte des BLA in festgelegten Zeitabständen zu empfehlen. Als weitere erforderliche Maßnahmen sind die Klärung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für bestimmte relevante Krisen- und Katastrophenszenarien sowie die Ausarbeitung einer klar geregelten Krisenkommunikation zwischen den Behörden, den Medien, der Bevölkerung und auch den Unternehmen zu sehen.

Das zweite Themenfeld betrifft die Einbindung der Bevölkerung. Um die Einsatzorganisationen durch korrektes Verhalten der Bevölkerung im Ernstfall zu unterstützen, existieren bereits Notfallpläne und Handlungsanweisungen zu diversen Gefahrenszenarien, die jedoch der Bevölkerung nur unzureichend bekannt sind. Der Ausbau von bewusstseinsbildenden Maßnahmen und die Intensivierung des Dialogs mit der Bevölkerung sind daher unbedingt als Handlungsempfehlungen zu nennen. Die Zuständigkeit für diese Aufgabe sowie die geeigneten Instrumente (öffentliche Medien, Bildungseinrichtungen, Multiplikatoren auf Gemeindeebene, …) sind dabei zu klären und klar zwischen den Kompetenzträgern zu kommunizieren.

Im dritten Handlungsfeld geht es um die Einbindung der Unternehmen und die Stärkung der Kommunikation zwischen Unternehmen und Staat. Unternehmen sollten in öffentliche Gremien wie den BLA und in die Erarbeitung von präventiven staatlichen Maßnahmen zur Risikoverminderung eingebunden werden. Zudem wird eine stärkere Integration von Unternehmen in das SKKM-Konzept, konkret in Aktionspläne für den Krisenfall und in überregionale Katastrophenschutzübungen, empfohlen.

Da sich im Zuge der Projektbearbeitung hinsichtlich des Blackout-Szenarios beträchtlicher Handlungsbedarf herauskristallisierte, ist diesem Thema ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Neben verstärkter Bewusstseinsbildung in landwirtschaftlichen Betrieben, Unternehmen und in der Bevölkerung sowie der Forcierung betrieblicher Präventionsmaßnahmen ist auch hier eine Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Ministerien, Behörden und Unternehmen, unter Einbindung von Expertenteams, zu empfehlen. Zudem ist ein politischer Dialog zur Klärung der Rolle und Verantwortlichkeiten des Lebensmittelhandels in dieser speziellen Krisensituation vonnöten.

Das letzte Handlungsfeld betrifft die Förderung weiterer Studien und Projekte zum Thema Steigerung der Resilienz im Ernährungssektor. Hier ist festzustellen, dass die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer staatlichen und/oder privaten Lagerhaltung von Lebensmitteln nur durch eine entsprechende Effizienzanalyse zu beantworten ist. Die Installation eines Frühwarnsystems für die Versorgungssicherheit sowie die Beurteilung der Resilienz von Unternehmen des Ernährungssektors mittels geeigneter Indikatoren ist ebenso zu empfehlen wie Studien zum Wassermanagement in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelindustrie.

 

Handlungsoptionen und Maßnahmen für das Risiko- und Krisenmanagement in der Lebensmittelversorgung

Eine klare administrative Struktur der Zuständigkeiten bei der Prävention und auch im Ernstfall ist für ein funktionierendes Krisen- und Katastrophenmanagement unerlässlich.

Auf nationaler Ebene werden die Inhalte des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes insofern als diskussionswürdig erachtet, als Aktualität und Relevanz der dort betrachteten Krisenszenarien zu hinterfragen und diese gegebenenfalls anzupassen sind. Ebenso erscheint eine kritische Beleuchtung der Handlungsspielräume Österreichs bei Lenkungsmaßnahmen in Bezug auf die Einbettung in die gesamteuropäischen Märkte und die gemeinsame Agrarpolitik sinnvoll. Um einen regelmäßigen Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern des Bundeslenkungsausschusses (BLA) nach dem Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz zu fördern und ein effizientes Handeln im Krisenfall sicherzustellen, wären Zusammenkünfte des BLA in festgelegten Zeitabständen wünschenswert. Als weitere erforderliche Maßnahmen sind die Erstellung von Notversorgungsplänen sowie die Klärung und Definition von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für bestimmte relevante Krisen- und Katastrophenszenarien zu sehen. Speziell im Krisenfall ist eine klar geregelte Kommunikation zwischen den Behörden, den Medien, der Bevölkerung und auch den Unternehmen von großer Bedeutung.

Einbindung der Bevölkerung

Bei der Einbindung der Bevölkerung ist zwischen Bewusstseinsbildung im Vorfeld und Information der Öffentlichkeit beim tatsächlichen Eintritt einer Krise zu unterscheiden. Im Bereich der Krisenprävention spielt die Aufklärung der Bevölkerung eine wichtige Rolle. Erkenntnisse aus den Workshops sowie Haushalts- und Unternehmensbefragungen zeigen dies auf. Dieser Punkt ist zudem ein zentraler gemeinsamer Nenner internationaler Krisenprävention.

Vorbereitete Haushalte können sich durch Vorräte länger selbständig versorgen, was im Ernstfall den Druck der Einsatzorganisationen reduzieren kann. Die Ergebnisse der Haushaltsbefragung zeigen vor allem bei der Bevorratung und Vorbereitung im Hinblick auf einen länger andauernden Stromausfall Schwächen auf. Es wäre daher ratsam, in der Bevölkerung Bewusstsein für die potenziellen Gefahren mangelnder Bevorratung und Vorbereitung zu schaffen und insbesondere realistische Krisenszenarien, die eine Gefährdung der Lebensmittelversorgung bewirken können, darzustellen und zu kommunizieren.

Die Stellung des Katastrophenschutzes auf Gemeindeebene differiert sehr stark. Es lässt sich erkennen, dass jene Gemeinden, die bereits von Schadensereignissen betroffen waren, auch eher Vorsorgemaßnahmen getroffen haben. Diese Gemeinden nutzen Katastrophenereignisse als Entwicklungsschub; Katastrophen- und Krisenmanagement sind hier oft gut in die Gemeindepolitik integriert. In Regionen, welche bisher nicht betroffen waren, spielt das Staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement (SKKM, vgl. Kapitel 6) jedoch oft nur eine untergeordnete Rolle. Eine klare Kommunikation der Relevanz dieses Bereichs kann die Resilienz1 weiter stärken (Pfurtscheller, 2014).

Korrektes Verhalten der Bevölkerung im Ernstfall kann Einsatzorganisationen unterstützen. Zu diesem Zweck existieren bereits zahlreiche Notfallpläne und Handlungsanweisungen zu diversen Gefahrenszenarien, die jedoch der Bevölkerung nur unzureichend bekannt sind.

In Bezug auf die Kompetenzverteilung besteht in Österreich Handlungsbedarf. Auf operativer Ebene sowie bei der Koordination von Einsatzorganisationen ist eine ausgeprägte Struktur vorhanden, geht es jedoch um die Zuständigkeit für die Bewusstseinsbildung und Kommunikation mit der zivilen Bevölkerung, so sind die Kompetenzen unklar. Eine wichtige Rolle bei der Information der Bevölkerung insbesondere über Selbstschutz in Krisen- oder Katastrophenfällen übernimmt der Zivilschutzverband, der einerseits vom Innenministerium und andererseits von den Bundesländern gefördert wird. Allerdings zeigt auch die Auswertung der Workshop-Ergebnisse, dass bei diesen Fragestellungen Unsicherheit über die Zuständigkeit herrscht. Einigkeit besteht jedoch beim Wunsch nach verstärkter Sensibilisierung der Bevölkerung.

Ausbau von bewusstseinsbildenden (Awareness-)Maßnahmen und Intensivierung des Dialogs mit der Bevölkerung sind daher unbedingt als Handlungsempfehlung zu nennen. Die Zuständigkeit für diese Aufgabe sowie die geeigneten Instrumente (öffentliche Medien, Bildungseinrichtungen, Multiplikatoren auf Gemeindeebene, …) sind dabei zu klären und klar zwischen den Kompetenzträgern zu kommunizieren.

Auf die Krisenkommunikation im Allgemeinen wurde schon in Abschnitt 12.1 eingegangen und eine Handlungsempfehlung zur Erstellung von Plänen und Checklisten zur Krisenkommunikation formuliert. Speziell bei der Information der Öffentlichkeit und Kommunikation mit der Bevölkerung im Krisenfall ist für angemessene und gesicherte Inhalte zu sorgen. Durch die Verbreitung von wenig abgesicherten, oft falschen Meldungen über Krisensituationen in sozialen Netzwerken besteht die Gefahr der Verunsicherung der Bevölkerung bis hin zur Entstehung von Panik. Initiativen zur Erarbeitung von innovativen und zuverlässigen Kommunikationsstrategien für die Information der Bevölkerung im Krisenfall, wie beispielsweise die Zivilschutz-SMS des Zivilschutzverbandes Oberösterreich, sind zu begrüßen und sollten mit speziellem Fokus auf die Lebensmittelversorgung weiter forciert werden.

Handlungsempfehlung Bevölkerung

Einbindung von Unternehmen

Praxisnahe Bedarfsplanung ist ein wichtiges Element für ein ganzheitliches SKKM-Konzept. Die Einbindung von Wirtschaftsführenden und Medienvertretern stellt daher eine wertvolle Möglichkeit für eine verbesserte Krisenprävention dar. Schon jetzt sind im SKKM-Koordinationsausschuss unter Vorsitz des Generaldirektors für die öffentliche Sicherheit neben den Bundesministerien, Bundesländern und Einsatzorganisationen auch Medien vertreten.

Nach den Ergebnissen der Unternehmensbefragung wünschen sich 65 Prozent der Befragten eine Einbindung von Unternehmen in die staatliche Krisenplanung und 60 Prozent eine Verbesserung der Anreizsysteme für innerbetriebliche Krisenpräventionsmaßnahmen. Die deutsche Studie „Extremereignisse – eine unkontrollierbare Gefahr?“ (Zentes et al., 2012) untersuchte Instrumente, die produzierenden Unternehmen besonders effektiv bei der Bewältigung von Extremereignissen helfen sollen. Zu ausgeprägte Just-in-Time-Produktion wird als sehr störungsanfällig beurteilt und die Reduktion von Lagermengen kritischer Produkte aus Kostengründen als besonders risikoreich erachtet.

Die Teilnehmer der Workshops im Rahmen des vorliegenden Projekts äußerten den starken Wunsch nach Einbindung von Wirtschaftstreibenden und Medienvertretern in öffentliche Gremien wie z.B. den Bundeslenkungsausschuss. Die frühzeitige Einbindung von Medien in präventive oder vorbereitende Maßnahmen erscheint aus zwei Gründen sinnvoll und zielführend. Zum einen stellen Medien in vielen Krisenszenarien eine unverzichtbare Informationsquelle dar, die einen wichtigen Beitrag zum SKKM-Konzept leistet. Zum anderen wird die Stimmung in der Bevölkerung in Krisensituationen stark von der Art der Berichterstattung der Medien beeinflusst.

Auch Katastrophenschutzübungen wie beispielsweise die deutsche Übungsserie LÜKEX liefern Erkenntnisse über die Relevanz dieser Vernetzung. Ein zentrales Motto dieser Sicherheitsübungen war „In der Krise Köpfe kennen“. Die Kooperation zwischen Kompetenzträgern sowie Wirtschafts- und Medienvertretern erwies sich demnach nicht nur bei der Übungsgestaltung hilfreich, Vernetzungen dieser Art können auch im Ernstfall nützlich sein. Es ist daher zu empfehlen, österreichische Unternehmen sowohl stärker in Präventionsmaßnahmen im Sinne des Risikomanagements als auch in das SKKM-Konzept zu integrieren. Besonders die Kommunikation zwischen Unternehmen der kritischen Infrastruktur, Medienvertretern und Kompetenzträgern des Staates sollte hierbei gestärkt werden.

Katastrophenschutzübungen sind ein wirksames Instrument, um die Vorbereitung auf einen Krisen- oder Katastrophenfall zu überprüfen. Sie helfen, Schwächen aufzudecken, zeigen aber auch Kompetenzen und Stärken auf. Sie bieten auch ein fruchtbares Umfeld, um Netzwerke zwischen Kompetenzträgern und privaten Betroffenen aufzubauen, von welchen im Ernstfall profitiert werden kann. Aus den deutschen Katastrophenschutzübungen LÜKEX sowie der Schweizer Sicherheitsverbundsübung 2014 konnten zwei zentrale Erkenntnisse gewonnen werden. Zum einen sorgt die Beteiligung der Unternehmen für eine erweiterte Perspektive, da diese in Krisenfällen (wie beispielsweise einem Blackout) selbst die Seite der Betroffenen darstellen und umgekehrt Ergebnisse aus dem betriebsinternen Krisenmanagement ein wichtiger Schritt zu einem ganzheitlichen Krisen- und Katastrophenmanagementkonzept sind (BBK, 2014). Zum anderen konnte gezeigt werden, dass die Bedeutung der kritischen Infrastruktur nicht flächendeckend bekannt ist. Eine stärkere Integration in das SKKM Konzept sei daher zwingend notwendig (Eidgenössisches Department VBS, 2014.)

In Österreich kann auf eine Vielzahl von weitreichenden Katastrophenschutzübungen zurückgeblickt werden, Ernährungsvorsorge spielte dabei jedoch keine zentrale Rolle. Der Fokus der Katastrophenschutzübungen lag auf der Zusammenarbeit der einzelnen Einsatzorganisationen und Stabstellen sowie auf Kommunikation und Information. Neben Einsatzorganisationen waren oft auch Vertreter von Telekommunikationsunternehmen sowie Energieversorger involviert, die Seite der Unternehmen wurde dabei aber im Vergleich zu anderen Ländern wenig berücksichtigt. Es wird daher empfohlen, Unternehmen, die als kritische Infrastruktur identifiziert wurden, stärker in zukünftige Katastrophenschutzübungen zu integrieren. Zudem sollten zukünftige Übungen verstärkt überregionale Krisen- und Katastrophenszenarien behandeln und auch zentrale Elemente der Ernährungsvorsorge wie etwa Distribution und Versorgung mit Lebensmitteln fokussieren. 2014).

Handlungsempfehlung Unternehmen

Möglichkeiten der Lebensmittelversorgung im Falle eines Blackouts

Im Zuge der Projektbearbeitung und insbesondere im Rahmen der durchgeführten Experten- Workshops kristallisierte sich speziell hinsichtlich desBlackout Szenarios beträchtlicher Bedarf für weitere Maßnahmen und Aktivitäten heraus.

Die zuverlässige Versorgung mit elektrischer Energie ist unerlässlich für die heimische Wirtschaft, die Funktionsfähigkeit aller Stufen der Wertschöpfungskette ist davon abhängig. Insbesondere Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sind in hohem Maße von der Energieversorgung abhängig. Kommt es zu einem Ausfall der IKT, sind zahlreiche Betriebe lenkungsunfähig und betriebliche Abläufe gestört: Kassensysteme, Lagerlogistik, Kraftstoffpumpen, aber auch versorgungsrelevante Systeme in der Landwirtschaft wie etwa Stallbelüftungen kämen zum Erliegen, mit teilweise katastrophalen Folgen.

Aus der Unternehmensbefragung geht hervor, dass ca. zwei Drittel der Unternehmen über eine Notstromversorgung verfügen. Diese dient jedoch oft nur zur Überbrückung kurzzeitiger Netzschwankungen oder kann, bei ca. der Hälfte der Unternehmen, ein geordnetes Herunterfahren gewährleisten. Diese dient jedoch oft nur zur Überbrückung kurzzeitiger Netzschwankungen oder kann, bei ca. der Hälfte der Unternehmen, ein geordnetes Herunterfahren gewährleisten. Nur ein Viertel der Unternehmen sind im Fall eines länger andauernden Stromausfalls über Notstromaggregate abgesichert, die auf eine Aufrechterhaltung des Normalbetriebs ausgelegt sind. Es ist daher davon auszugehen, dass sämtliche Prozesse der Produktion innerhalb eines Tages zusammenbrechen würden. Etwa die Hälfte der befragten Unternehmen sprechen sich für eine Verbesserung der Anreizsysteme für innerbetriebliche Notstromlösungen aus. Daraus lässt sich schließen, dass die Installation einer angemessenen Notstromversorgung für viele Unternehmen auch eine Kostenfrage ist. Aus diesem Grund kann im Hinblick auf das Risiko und die unternehmensspezifischen (finanziellen) Folgen eines Blackouts ein Bedarf an Aufklärung und Beratung geortet werden.

Im Bereich der Lagerlogistik ergeben sich bei einem Ausfall der Energieversorgung Probleme beim Zugriff auf die gelagerten Produkte, da hier zunehmend die dynamische oder „chaotische“ Lagerhaltung verfolgt wird. Diese Art der Lagerhaltung ermöglicht zwar eine Optimierung der Nutzung der Lagerflächen und der Wege, im Falle eines Blackouts ist der Zugriff auf die Produkte jedoch beinahe unmöglich. Zum einen fehlt die Information über die Positionierung der Produkte (manuelle Aufzeichnungen sind oft nicht vorhanden), zum anderen sind in großer Höhe gelagerte Produkte aufgrund der fehlenden Stromversorgung unzugänglich.

Im Fall eines Blackouts sind die Kühlketten innerhalb kürzester Zeit unterbrochen, die Haltbarkeitsdauer der gelagerten Produkte würde sehr schnell sinken. Ein weiteres zentrales Problem ergibt sich dadurch, dass Produkte, deren Kühlkette unterbrochen war, aufgrund von Hygienebestimmungen nicht in Verkehr gebracht werden dürfen, ein Sachverhalt, der dazu beitragen kann, die Engpasssituation noch zu verschlimmern. Auch private Haushalte sind vom Ausfall der Kühlsysteme betroffen und sollten gekühlte Lebensmittelvorräte daher schnellstmöglich verarbeiten und verzehren. Die Ergebnisse der Haushaltsbefragung zeigen, dass nur etwa die Hälfte der Haushalte über alternative, von Strom unabhängige, Kochmöglichkeiten verfügt.

Handlungsempfehlung Blackout Handlungsempfehlung Blackout2

Förderung weiterer Studien und Projekte zum Thema Steigerung der Resilienz im Ernährungssektor

Die Einführung von Pflichtlagerstätten für Lebensmittel, Futtermittel und landwirtschaftliche Betriebsmittel ist ein viel diskutiertes und umstrittenes Thema. Einige europäische Länder verfügen über Lebensmittelnotfalllager, auf welche im Ernstfall zurückgegriffen werden kann, die Lagerhaltung von Seiten der Öffentlichkeit ist jedoch aus Kosten‐ und Effizienzgründen umstritten. Pflichtlagerhaltung auf Vertragsbasis, wie sie etwa in der Schweiz praktiziert wird, ist eine weitere versorgungspolitische Alternative. Das Land Tirol unterhielt bis 2007 ähnliche Arrangements mit Betrieben des Lebensmittelgroßhandels, diese wurden jedoch aus Effizienzgründen eingestellt. In den Workshops sprachen sich einige Teilnehmer für diese Art von Versorgungsinstrumenten aus. Bei den Unternehmen zeigte sich im Zuge der Unternehmensbefragung keine ausgeprägte Zustimmung zu Maßnahmen der Lagerhaltung. Die Errichtung von geeigneten Lagerstätten, Lagerhaltung von Produkten, die im Notfall zur Versorgung weiterverarbeitet werden und Lagerung von Lebensmitteln, die direkt an die Bevölkerung weitergegeben werden können, wird jeweils nur von ca. einem Drittel der Unternehmen befürwortet.

Gerade in der Nähe von Ballungszentren sind Lebensmittelnotfalllager dennoch ein wirkungsvolles Instrument für die Ernährungsvorsorge im Krisenfall. Eine Effizienzanalyse zu dieser Thematik ist daher auf jeden Fall empfehlenswert.

Handlungsempfehlung Resilienz

Die gesamt Studie