Quelle: Bachelorarbeit Roland Kunze, 2017
Behörden setzen sich bereits seit den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts mit dem Schutz Kritischer Infrastruktur auseinander. Darunter fallen all jene für das Leben relevante Infrastrukturen derzeitigen westlichen Gesellschaftsstruktur. In diese Kategorie fällt unter anderem das Gesundheitswesen und somit der Teilbereich der Arzneimittelherstellung, mit dem sich diese Forschungsarbeit beschäftigt. Für die deklarierten Infrastrukturen bestehen mittlerweile einige Anforderungen für Notfallpläne und Vorbeugemaßnahmen, die jedoch oft sehr oberflächlich oder punktuell ausfallen. So findet man in Teilbereichen des Gesundheitswesens Vorkehrungen im Falle eines Stromausfalls vor, beispielsweise für Krankenhäuser oder Apotheken, in anderen wiederum nicht.
Es ist ein sofortiger Einbruch der Leistungsfähigkeit bei einem Blackout zu erwarten. Durch eine zusätzliche Notstromversorgung, in diesem Fall für 12 Stunden, ermöglicht ein Hinauszögern des Schadenseintritts und eine Reduktion des Schadensausmaßes innerhalb der 72 Stunden.
In drei Betrieben sind Notfall- beziehungsweise Krisenpläne und entsprechende Krisenteams vorhanden, die unter anderem auf das Thema Stromausfall eingehen. Dabei wird meist davon ausgegangen, dass nur bestimmte Bereiche nicht funktionieren oder die Struktur außerhalb des Unternehmens intakt ist. Ein totaler Ausfall, wie es bei einem Blackout passieren könnte, wird nicht oder kaum betrachtet. Als besonders wichtig erachten alle Experten die Möglichkeit zur Koordination, wobei in der Regel von einer funktionstüchtigen Telekommunikation ausgegangen wird. Anm.: Damit werden die „kettenreaktionsmäßigen“ Auswirkungen eines Blackouts völlig unterschätzt! Die Telekommunikation wird auch deutlich länger nach dem unmittelbarem Stromausfall nicht funktionieren (Phase 2)!
Die Betrachtung eines Blackouts, bei dem nicht nur das Unternehmen, sondern auch die ganze Umwelt mit ihren Einflussfaktoren betroffen ist, kommt in der Regel nicht vor, da die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses als gering erachtet wird. Anm.: Siehe Truthahn-Illusion
Das Thema Blackout findet nach den Gesprächen mit den Experten und der Expertin keine direkte Betrachtung. Vielmehr wird auf Einzelszenarien eingegangen, unter denen Stromausfall auf betrieblicher oder maximal lokaler Ebene Beachtung findet. Anm.: Siehe vorherige Anmerkung! Diese Szenarien finden sich in Notfall- bzw. Krisenhandbüchern wieder und werden durch technische Maßnahmen ergänzt. Dabei lieferten die erhobenen Informationen, dass sich die Ausrichtung präventiver Maßnahmen beinahe bei fast allen Unternehmen unterscheidet. Die Ausprägungen reichen von minimaler (Produktion nicht berücksichtigt, kein Szenario), über partielle (kritische Systeme beinhaltet, Szenario vorhanden) bis hin zu vollkommener Versorgungssicherheit (24 Stunden und mehr, Szenario vorhanden). In den Interviews konnte herausgefunden werden, dass die vorhandenen Maßnahmen Großteils auf die Produktfelder des Standortes, dessen Position bzw. Verantwortung in der gesamten Organisation und den zu erwartenden Schäden zurückzuführen sind. Es werde aber auch, so einigen Aussagen der Experten zu entnehmen, in Zukunft intensivere Auseinandersetzungen mit dem Thema Blackout geben, um Potenziale weiterer Maßnahmen zu erörtern.
Als einheitlich vernachlässigbar galten die Bereiche Auslieferung, Lagerbestand und Zulieferung. Alle interviewten Personen gaben den in der Medikamentenversorgung vorhandenen Sicherheitsbestand als Grund für diese Einschätzung an. Bezogen auf das 72-stündige Szenario sollten ausreichend Medikamente in Krankenhäusern und Apotheken lagern, um diese Zeit ohne Nachschub überbrücken zu können. Anm.: Auch hier werden wohl die exponentiell eskalierenden Auswirkungen (siehe Made in Germany: Chaos hat die Eigenschaft, nicht linear zu wachsen, sondern exponentiell.) und die Phase 2 deutlich unterschätzt! Wenn der Strom erst nach 72 Stunden wieder verfügbar ist, wird es Wochen dauern, bis sich die Situation in den anderen Sektoren wieder normalisiert!
Zusätzlich zu den bisher angeführten Bereichen gibt es einen Indikator, der während der Interviews nicht eindeutig eingestuft werden konnte. Dabei handelt es sich um die Lebensmittelversorgung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Ort. Ohne bisherige Überlegungen und aufgrund fehlender Informationen konnten diesbezüglich keine klaren Aussagen getätigt werden. Anm.: Damit fehlt wieder einmal die Basis für jegliche andere Überlegungen! Siehe etwas auch im Leitfaden „Mein Krankenhaus auf einen weitreichenden Strom- und Infrastrukturausfall vorbereiten“
Die Erhebung der Einschätzungen zu den Verläufen der prognostizierten Leistungsfähigkeit und Schadensauswirkung innerhalb der betrachteten 72 Stunden ergab unterschiedliche Ansichten.
Dieses Ergebnis begründet sich auf der Beurteilung der Experten, dass bereits in früher Phase ein Großteil der Schadenssumme durch schadhafte Produkte mit hohem Wert verursacht wird.
Da es sich bei Arzneimittelherstellern um eine Kritische Infrastruktur handelt, stehen diese in gewissem Maße mit dem Staat in Kontakt. Inwieweit diese Zusammenarbeit ausgeprägt ist, lässt sich an diesem Punkt nicht darlegen.
Kommentar
Siehe auch Medikamentenversorgung bei Stromausfall in Berlin.
Wie die Arbeit leider wieder einmal aufzeigt, wird auch in diesem Bereich das Szenario „Blackout“ massiv unterschätzt. Vor allem auch die vielschichtigen wechselseitigen Abhängigkeiten zu anderen Infrastrukturen und die persönliche Vorsorge des eigenen Personals!