Letzte Aktualisierung am 04. März 2015.
Dieser Beitrag (PDF) basiert auf der Stellungnahme
von Franz Hein zum Grünbuch des BMWi
Mit diesem Beitrag soll erreicht werden, dass die Energiewende gelingt. Dies ist ohne Energiebevorratung nicht möglich. Die Physik des Energiesystems und das Verhalten der Menschen müssen beachtet werden. Deshalb wird mit einer Verantwortungszuordnung auf Netznutzer und Netzbetreiber sowie einer Versicherungslösung eine netz- und marktdienliche Gestaltung der Beziehungen zwischen allen Marktbeteiligten samt ihren Einrichtungen vorgeschlagen.
Verantwortung für das Gelingen der Energiewende
Das Gelingen der Energiewende setzt eine ausreichende Energiebevorratung voraus. Das gilt für eine langfristige Bevorratung, um längere Perioden mit wenig Wind und zugleich lichtschwachen Zeitbereichen überbrücken zu können. Bei den Pumpspeicherwerken gehören dazu die Jahresspeicher. Deren Bewirtschaftung richtet sich nach den Jahreszeiten. Auch Urlaubs- und Ferienzeiten spielen da eine größere Rolle. Eine Bevorratung ist aber auch für den Energieausgleich über den Tag und über die Wochentage, besonders auch über Feiertage, hinweg nötig. Für die Zeitbereiche darunter gilt es, die Schwankungen beim Energiezufluss von der Sonne sowie bei den davon abhängigen Windeinspeisungen und dem Wasserdargebot auszugleichen. In noch kürzeren Zeitbereichen sind Energiebevorratungen mehr zum Puffern der Energie im Rahmen der verschiedenen Regelaufgaben von Vorteil.
Bekannt sind die Pumpspeicherwerke mit Ober- und Unterbecken. Das sind „mechanische“ Speicher, weil die potentielle Energie des aufgestauten Wassers aufgrund des Höhenunterschieds zwischen Ober- und Unterbecken wie auch die Durchflussmenge die Leistung und damit den Energieumsatz bestimmen. Eine weitere wesentliche Kenngröße ist der nutzbare Energieinhalt aufgrund der Größe des Oberbeckens. Die „mechanischen“ Energiespeicher nach den Ideen von Prof. Heindl sind dem vergleichbar, nur dass hier die hydraulisch bewegten Massen, z. B. aus Felsgestein, zusammen mit dem Hub den nutzbaren Energieinhalt bestimmen. Beide „mechanische“ Speicher sind unabhängig von der Größe der Anlage prinzipiell geeignet, die Bevorratung an Energie vornehmen zu können.
Es gibt weitere Energiespeicherungsmöglichkeiten. Das ist zum einen die Wärmespeicherung, bei der die Bevorratung von Warmwasser gebräuchlich ist. Kältespeicher sind genauso möglich (z. B. in Tiefkühlhäusern, Gefriertruhen und Kühlschränken). Mehr und mehr spielen inzwischen Batteriespeicher mit ihrer Energiespeicherung in chemischer Form eine Rolle. Eine weitere Form chemischer Speicherung ist die Energiebevorratung als Gas, das zuvor mittels Elektrolyse und ggf. weiteren Prozess- schritten mittels elektrischen Energie erzeugt worden ist. Die Speicherung in Form von Druckluft gibt es zwar, sie wird jedoch auch in Zukunft nur eine sehr eingeschränkte Rolle spielen.
Verantwortung für Versorgungssicherheit, Netzsicherheit und Netzstabilität
Grundsätzlich könnten alle vorgenannten Speichermedien, ggf. in verschiedenen Größenordnungen und Bauformen in ganz unterschiedlichen Bereichen der Energiebevorratung genutzt werden. Diese werden nachfolgend erläutert und dabei wird speziell auf die online-Regelungsaufgaben in den Zeitbereichen unterhalb weniger Minuten näher eingegangen. Für Zeitbereiche über Minuten hinaus wird eine neue Art des Miteinanders von Netznutzern und Netzbetreibern beschrieben. Der in dieser Ausarbeitung gemachte Vorschlag sichert über alle Zeitbereiche hinweg die Einhaltung der Netzstabilität. Er ordnet dazu konsequent die Verantwortung für die Versorgungssicherheit den Netznutzern zu, während die Netzbetreiber die Verantwortung für die Netzsicherheit und Netzstabilität zu übernehmen haben. Das hat eindeutige Verantwortungsübergänge zur Folge, bei denen ein näher beschriebener Datenaustausch sicherstellt, dass den Verantwortungen auch jede der beiden Seiten gerecht werden kann. Ohne eine Unterstützung durch Techniken ist dies aber nicht möglich.
Extrem kurzfristige Energiepufferung im Zeitbereich von Millisekunden bis Sekunden
Für diesen Zeitbereich ist eine Unterstützung der inhärenten, in der Momentanreserve sich drehender Synchrongeneratoren steckenden mechanischen Energie der Drehbewegung von Vorteil. Die Momentanreserve in dieser „analogen“ Form ist unverzichtbar, da damit im Wechselstromsystem die Kenngröße „Frequenz“ entsteht. Die Drehzahl der Synchrongeneratoren ist unmittelbar mit der Größe „Frequenz“ verknüpft. Die Drehzahl ist „identisch“ mit der Frequenz und diese ist essentiell wichtig als Indikator für das momentane Leistungsgleichgewicht. An der überall im zusammengeschalteten Wechselstromsystem an jeder Stelle messbaren Frequenz ist somit ohne jede weitere Informationsübertragung oder komplexe Informationsverarbeitung erkennbar, ob momentan Leistungsüberschuss oder Leistungsmangel herrscht.
Aufgrund des Energieerhaltungssatzes erfolgen ausgleichende Energieströmungen, um fehlende Leistung durch langsameres Drehen und überschüssige Leistung durch schnelleres Drehen in mechanisch gespeicherte Energie „umzuformen“. Das ist nichts anderes als eine Wandlung der Energieform und eine Verschiebung von Energie über das gesamte Netz hinweg. Diese Vorgänge sind eigentlich „Bewegungen“ im elektromagnetischen Feld, welches durch Leitungen und Transformatoren „nur“ topologisch geführt wird. Der Energietransport erfolgt innerhalb des elektromagnetischen Feldes und damit für uns Menschen quasi „sofort“ (aber real natürlich nie schneller als mit Lichtgeschwindigkeit).
Die Dimensionierungen der Momentanreserve und deren Unterstützung durch anderweitige Einrichtungen wie Energieassistenzsysteme in allen Energiezellen und auch in allen Netzebenen gehören zum Verantwortungsbereich der Netznutzer, da sie allein für die Energiebereitstellung und für die Energienutzung Verantwortung tragen. Bei Investitionsentscheidungen kommt es zudem darauf an, dass auch genügend Kurzschlussleistung immer bereit steht, damit die Schutzeinrichtungen genügend selektiv ansprechen können, um so erkannte Gefährdungen für Menschen und Einrichtungen der Energieinfrastruktur rechtzeitig eliminieren zu können. Den Netzbetreibern kommt die Verantwortung zu, die passenden Schutzeinrichtungen vorzusehen und deren korrekte Wirkungsweise immer wieder zu überprüfen.
Energietransport zum Ausgleich regionaler Unterschiede
Energietransport zum Ausgleich regionaler UnterschiedeBei allen Energietransporten wirkt das Netz immer als Einheit. Auch eine Trennung in Energie und Leistung ist nicht möglich, denn der Energieumsatz ist das Integral über den Leistungsverlauf innerhalb eines zeitlich begrenzten Intervalls. In den metallischen Leitern werden durch die elektromagnetischen Felder Elektronen bewegt, was wir dann als „Strom(fluss)“ bezeichnen. Diese Bewegung setzt Potentialunterschiede, also Spannung voraus. Das führt zum Energietransport vom Ort höherer zum Ort niederer Spannung. Die Leistung ist das Produkt von Spannung und Strom. Die Bewegung der Elektronen verursacht Verluste, da dabei Wärme entsteht und diese Energie wird dem Energietransport in den elektromagnetischen Feldern entzogen. Verlustloser Energietransport ist nicht möglich.
In gewisser Weise bildet die Supraleitung eine Ausnahme. Dafür sind aber wiederum energieaufwendige Kühlungen und erhebliche Isolierungen erforderlich, so dass die Supraleitung keine grundsätzliche „Befreiung“ von Verlusten beim Energietransport darstellt. Der Übergang von und zur Supraleitung ist ein Phasenübergang, der temperaturabhängig erfolgt. Das ist mit dem Risiko verbunden, dass so auch sehr plötzlich die Supraleitung wieder in den normalen Stromtransport übergeht und sich die Impedanzverhältnisse in dem davon betroffenen Netz schlagartig verändern. Auf solche Veränderungen ist der heutige Netzbetrieb in keinster Weise vorbereitet. Es erscheint derzeit als unmöglich, diese sprungförmigen Veränderungen technisch in einer sinnvollen Weise beherrschen zu können. Dabei stellt der Energiebedarf für die notwendige Kühlung (genauso wie bei den Kernkraftwerken) ein immer vorhandenes Risikopotenzial dar, welches bei einem (länger andauernden) Blackout berücksichtigt werden muss. Ein System mit einem solchen innewohnenden Risiko ist nicht inhärent sicher und damit potenziell gefährlich. Zum Verantwortungsbereich der Netzbetreiber gehört die Überwachung der Netzsicherheit, die für den Energietransport unverzichtbar ist. Dazu in folgenden Abschnitten mehr.
Kurzfristige Energiepufferung im Zeitbereich von Sekunden
Heute sind (fast nur an konventionellen Erzeugungseinheiten) Regler eingebaut, welche anhand der Frequenzänderung erkennen, ob momentan Leistungsüberschuss oder Leistungsmangel herrscht. Daraufhin wird die Energiezufuhr aus anderen, lokal gespeicherten Energieformen (Dampf in Wärmekraftwerken und/oder Wasser in Wasserkraftwerken – oft speziell in Pumpspeicherwerken) erniedrigt oder erhöht, um die Auslenkung aus dem Leistungsgleichgewicht wieder zurückzuführen. Dieses muss ständig angestrebt werden.
Diese „Primärregelung“ ist ein aktiver Eingriff in das Energiesystem und setzt voraus, dass die von außen kommende Energiezufuhr in Einrichtungen für die Energieumwandlung beeinflusst werden kann. Die elektrische Energieversorgung beruht also auf einem dynamischen Gleichgewicht und ist demnach nicht inhärent stabil. Es ist eine ständige Regelung unerlässlich. Die Regelgeschwindigkeit ist natürlich immer nur endlich groß. Sie hängt von der Frequenzmessung, von der Regeleinrichtung und vom Durchgriff auf lokal gespeicherter Energie sowie der Form der Energieumwandlung abhängig. Rasche Leistungsänderungen im Netz erfordern zum Ausgleich hohe Regelgeschwindigkeiten. Abhängig von den Fluktuationen (bei Erzeugung und Nutzung) sind also genügend viele primär geregelte Einheiten im Netz erforderlich. Diese müssen zwangsläufig über automatisch wirkende Regeleinrichtungen verfügen, die rund um die Uhr ständig eingreifen können und dies auch mit hoher Verlässlichkeit tun. Es ist absolut sinnlos, dafür ein menschliches Eingreifen vorsehen zu wollen.
Die Menge der im Netz tatsächlich wirkenden Primärregelungen sind für die gesamthafte Stabilität des Netzbetriebes von essentieller Bedeutung. Zu hohe Fluktuationen oder eine zu geringe Menge primär geregelter Einheiten bringen das Gesamtsystem zu sehr aus dem Gleichgewicht und das führt dann augenblicklich zum Ausfall, großflächig zum Blackout. Besonders problematisch sind dabei gleichzeitig im Gesamtsystem verursachte und auch noch gleichgerichtete Leistungsänderungen. Dies wird mit dem Begriff „Gleichzeitigkeitsfaktor“ bezeichnet. Ein zu hoher Gleichzeitigkeitsfaktor überfordert das Regelvermögen und ist strikt zu vermeiden. Bei normalen Einspeisefluktuationen und normaler Netznutzung kann davon ausgegangen werden, dass die damit einhergehenden Leistungsänderungen, weil jeweils für sich autonom erfolgend, als stochastisch, damit ausregelbar betrachtet werden können. Selbst Sonnenfinsternisse können die Netzregelung nicht überstrapazieren, weil dabei die Leistungsänderungen nicht plötzlich und (noch) nicht zu groß sind. Anders könnte es bei einem Sonnensturm sein, wenn damit gleichzeitig auch noch elektromagnetische Einwirkungen auf das Netz und auf alle informationstechnischen Komponenten auftreten.
Da die beschriebene Form der Regelung auf Frequenzmessungen beruht, kann jede Form der regelbaren Energiebevorratung für die Primärregelung herangezogen werden. Dazu sind keineswegs nur Erzeugungseinheiten in der Lage. Genauso können auch „Lasten“ mit regelbarem Energiebedarf zur Primärregelung beitragen. Wenn „hinter den Lasten“ wiederum Energiespeicher im Einsatz sind und bei diesen Einheiten eine entsprechende Regelung unproblematisch erfolgen kann, können Lasten geradezu ideal für eine Primärregelung verwendet werden. Das kann in einem Netz die Menge der primärgeregelten Einheiten wirksam erhöhen. Das Vorhandensein einer Primärregelung und deren ausreichende Dimensionierung gehört zum Verantwortungsbereich der Netznutzer. Dazu ist allerdings in der Planung mit großem Vorlauf eine enge Abstimmung mit den Netzbetreibern unerlässlich.
Mittelfristige Energiepufferung im Zeitbereich von Minuten
Während die Primärregelung nur wieder das Leistungsgleichgewicht bei einer sich daraufhin einstellenden neuen Frequenz herstellt, stellt die Sekundärregelung wieder die Sollfrequenz her. Dazu müssen alle Synchrongeneratoren durch bewusst herbeigeführten Leistungsüberschuss „angetrieben“ werden, wenn sie zuvor wegen Mangel an Leistung langsamer geworden sind. Umgekehrt müssen sie durch ebenfalls bewusst herbeigeführten Leistungsentzug „abgebremst“ werden, wenn die Frequenz höher als die Sollfrequenz ist.
Dieses Nachfahren der Frequenz auf den Sollwert erfordert also ein Regeln der Leistungen. Das ist bei Einspeisungen regenerativen Energien entweder nicht möglich (die Sonne hat keinen Regler, der Wind auch nicht – ein „Mehr“ an Leistung ist schlicht nicht machbar) oder es bedingt einen gewissen Verzicht an der Nutzung des eben nicht regelbaren Energiezuflusses (also bei den Einspeisungen ein „Abregeln“). Weniger Leistung bedingt aber einen Verlust bei der Energie“ernte“, deshalb müssten solche Einsenkungen vermieden werden.
Bei den Lasten ist das Regeln auch nur bedingt möglich, wenn die damit verbundenen Prozesse oder die Systemkomponenten dies nicht zulassen. Wohl aber sind Energiespeichereinrichtungen in aller Regel in der Lage mehr oder weniger einzuspeichern. Einige, aber keineswegs alle Energiespeicher, können mittels Energieumwandlung wieder elektrische Energie erzeugen und somit die vorgenannten Regelungsaufgaben erfüllen. Damit wird die Netzfrequenz immer wieder auf den Sollwert zurückgeführt. Auch für diese Sekundärregelung sind weitestgehend automatisch ablaufende Prozesse nötig. Genauso wie bei der Primärregelung ist ein menschliches Eingreifen schon aufgrund der Zeitanforderungen und der ständig notwendigen Sicherstellung sinnlos. Dynamische Tarife, die dann Menschen beachten sollen, sind deshalb für diese Art der Regelung unbrauchbar. Die Stabilität und Qualität der Energieversorgung ist jedoch immer zu gewährleisten. Zur Qualität gehört unter anderem auch das Einhalten eines Toleranzbereiches bei der Netzfrequenz. Das ist Teil des Verantwortungsbereichs der Netzbetreiber. Für die beschriebenen und bewusst herbeizuführenden Leistungsveränderungen im Rahmen der Sekundärregelung müssen sich die Netzbetreiber Zusagen (Flexibilitäten) besorgen und die Bereitstellung von Regelungs“hüben“ honorieren.
Jede Frequenzänderung hat Rückwirkungen auf die Zeitführung in Synchronuhren. Damit auch die Synchronität der Zeitführung immer wieder hergestellt wird, muss mittels zeitweiser Verstellung der Sollfrequenz die Zeit nachgeführt (Sollfrequenz höher als 50 Hz) oder zurückgeführt werden (Sollfrequenz niedriger als 50 Hz). Dieses Verstellen der Sollfrequenz kann nur gesamthaft überall im Netz erfolgen und braucht deshalb eine „Zentrale“ im Netz (bei einem der Netzbetreiber), die das anweist. Diese Regelungsart hat ihre ursprüngliche Bedeutung ziemlich verloren, weil inzwischen die Zeitführung immer weniger auf Synchronuhren beruht. Quarzuhren und die Uhrzeitführung mittels Sender haben die Synchronuhren weitgehend überflüssig gemacht.
Mittelfristige Energiepufferung im Zeitbereich von Stunden
Energieeinspeisung und Energienutzung wechseln ständig und haben unterschiedliche Verläufe über den Tag hinweg. Nachts scheint keine Sonne. Tagsüber können Bedeckungen oder auch Wolken und Schattenwirkungen die Einspeisung der Photovoltaik deutlich verändern. Der Wind weht immer wieder stark unterschiedlich. Die Energienutzung hängt von der Lebensführung und von den geschäftlichen Aktivitäten ab. Damit treten über den Tag hinweg erhebliche Leistungsungleichgewichte auf. Diese sollten künftig nach Möglichkeit über eine mittelfristige Energiepufferung im Bereich von Stunden ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich ist nicht mehr Aufgabe der Sekundärregelung, da sonst die Frequenzabweichungen nicht im Toleranzband gehalten werden können. Vielmehr müssen bereits in der Planung des Energiemanagements anhand von Prognosen der Einspeisung und der Energienutzung dafür Sollwerte in der Form von Fahrplänen festgelegt werden. Darin gehen gewollte Energieeinspeicherungen wie auch Rückspeicherungen elektrischer Energie in Netz ein. Dazu dienen demnach die mittelfristigen Energiepufferungen im Zeitbereich von mehreren Stunden.
Die Fahrpläne sind Leistungsangaben, welche über Zeitbereiche von Stunden (ggf. auch Viertelstunden) konstant sind. Über die „Breite“ dieser Zeitintervalle muss letztlich Einigkeit zwischen Netznutzer und Netzbetreiber hergestellt werden. Kürzere Zeitintervalle als Viertelstunden würden nicht mehr zur Abgrenzung zur Sekundärreglung passen. Auch wären die vom Netzbetreiber durchzuführende Prüfungen der (n-1)-Sicherheit kurzzyklischer nicht mehr sinnvoll und verlässlich vorzunehmen. Ohne solche Prüfungen können die Netzbetreiber ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Die gegenwärtigen an den Intervallgrenzen auftretenden Leistungsangaben ändern sich sprungförmig. Das beeinträchtigt in immer größerem Maß die Einhaltung der Netzstabilität. Deshalb ist dringend zu vereinbaren, dass sich die Fahrpläne künftig nur noch rampenförmig und dabei auch nur mit einer begrenzten Steilheit ändern dürfen.
Verantwortungsübergang im Rahmen der Planung des Energieaustausches
Die Fahrpläne sind den Netzbetreibern zu übermitteln, damit diese ihrer Verantwortung für die Einhaltung der (n-1)-Sicherheit nachkommen können. Die Netzbetreiber müssen Fahrpläne ablehnen und deren Abänderung verlangen, wenn die (n-1)-Sicherheit nicht mehr zu gewährleisten wäre. Über Berechnungsverfahren, deren Verlässlichkeit und die Dokumentation der Ergebnisse der Berechnungen zur Bestimmung der (n-1)-Sicherheit ist Einigkeit herzustellen. Die letztlich vom Netzbetreiber akzeptierten Fahrpläne sind dann vereinbarte Sollwerte für die Fahrweise. Sie dienen nach dem abgelaufenen Tag als Abrechnungsgrundlage. Für alle Fahrpläne gilt, dass damit die Energiebilanz für den betreffenden Tag in jedem Zeitintervall planerisch vollständig ausgeglichen sein muss.
Gegenwärtig sind die Fahrpläne innerhalb einer Stunde (zum Teil auch innerhalb einer Viertelstunde konstant. Künftig sollten sie an den Intervallgrenzen einen rampenförmigen Verlauf aufweisen. Das stimmt mit dem tatsächlich auftretenden Leistungsverlauf natürlich nicht zusammen. Den Unterschied muss die Netzregelung beherrschen können. Auch dafür liegt die Verantwortung bei den Netzbetreibern. Sie müssen die Netzstabilität garantieren können. Dazu müssen sie sich zum Ausregeln deshalb genügend „Flexibilität“ besorgen. Das sind Zusagen, dass die tatsächlich auftretende Leistung innerhalb eines Regelungshubs gewollt anhand übermittelter Anforderungssignale und/oder Regelungsvorgaben verändert wird. Es wird damit nur eine Veränderung angefordert.
Verantwortung für die Netzstabilität
Damit die Besorgungen der Flexibilitäten erfolgen können, müssen die Netzbetreiber abschätzen können, in welchem Umfang die Netzregelung voraussichtlich beansprucht wird. Dazu ist es aber nötig, dass die Netznutzer ihrerseits angeben, mit welchen Abweichungen von den Fahrplänen im tatsächlichen Verlauf des zur Planung anstehenden Tages zu rechnen ist. Dies sind dann Angaben von Toleranzfeldern rund um den als Fahrplan übermittelten und so vereinbarten Sollwert. Prognosen sind aufgrund begrenzter Genauigkeit und Verlässlichkeit der verfügbaren Daten nie die Wirklichkeit. Die Abschätzungen der möglichen Abweichungen bei den Planungen für die Sollwerte sind wiederum Grundlagen für die Planungen der Netzbetreiber, mit welchen Flexibilitäten sie sich eindecken sollten. Die Einschätzungen dafür hängen sicher auch noch von den Größenordnungen der Fluktuationen bei der Einspeisung wie auch bei der Energienutzung ab.
Dieses Einschätzen und Eindecken mit Flexibilitäten sind die Voraussetzung dafür, dass die Netzbetreiber die Einhaltung der Netzstabilität wie eine Versicherungsleistung anbieten können. Dazu müssen wie bei der Kraftfahrzeugversicherung mit versicherungsmathematischen Methoden zum Einsatz kommen. Anhand der Summe über alle Toleranzfelder sind Einschätzungen der wahrscheinlichen Abweichung in Summe über alle Netznutzer im Gebiet des Netzbetreibers zu erstellen. Wie bei der Kraftfahrzeugversicherung auch muss nicht der schlimmste Fall angenommen werden, dass alle Toleranzfelder „gebraucht“ werden, sondern nur ein Teil. Im online-Netzbetrieb wird so eine Bandbreite an Abweichungen insgesamt abzudecken sein. Dies bestimmt die Höhe einer Versicherungs“prämie“, welche die Netznutzer für die angemeldeten Toleranzfelder an die Netzbetreiber zu zahlen haben.
Naturalausgleich für tatsächlich aufgetretene Abweichungen
Während die Sollwerte unverändert bleiben und so auch in die Abrechnung des Energieaustausches eingehen, sind die tatsächlichen Fahrweisen variabel. Damit entstehen in der Abrechnung des tatsächlichen Energieaustausches Energiemengen, welche auf die tatsächlichen Abweichungen zurückzuführen sind. Dies ist ein „ungewollter“ Austausch. Der ist einfach unvermeidbar, da keine Planung mit der Wirklichkeit übereinstimmen kann. Damit aber nicht bewusst fehlerhafte und spekulative Planungen vorgenommen werden, ist der „ungewollte“ Austausch in der folgenden Planungsphase vollständig wieder durch entsprechende Zusätze zu den Planungen auszugleichen.
Naturalausgleich mindert Spekulationen mit der Regelenergie
Dieses Verfahren mit einem sofort wieder fälligen Naturalausgleich minimiert ein unzureichendes oder gar bewusst falsches Planen durch die Netznutzer. Es dürfte auch weitgehend jede Art von Spekulationen aufgrund der Energiekosten eher mindern, da unterschiedliche Preise für die Energiemengen innerhalb so kurzer Zeiträume kaum relevant sind und Anreiz für Spekulationen bieten. Selbst die verschiedenen Tagestypen spielen hier im Gegensatz zu früher bei dem bereits in der UCPTE verwendeten Verfahren kaum mehr eine große Rolle, da der Übergang auf erneuerbare Energien den Einfluss der Tagestypen stark zurückdrängt.
Höhe der Versicherungsprämie für die Sicherung der Netzstabilität
Die (Leistungs-)Breite des übermittelten Toleranzfeldes der vom Netznutzer abgeschätzten Abweichungen und deren Lage zum Sollwert in jedem Zeitintervall ist Basis für die Höhe der an den Netzbetreiber zu zahlenden „Versicherungs“-Prämie. Mit diesen Zahlungen sind vom Netzbetreiber die Kosten der besorgten „Flexibilitäten“ zu begleichen. Von Vorteil wäre, wenn auf diese Weise bei den Netzbetreibern die eingenommenen Versicherungsprämien und die durch die Besorgungen der „Flexibilitäten“ auftretenden Kosten sich in Summe (einigermaßen) ausgleichen würden. Damit würden auch Übertreibungen bei den Kosten für „Flexibilitäten“ durch die Rückwirkungen auf die Versicherungsprämien sich „automatisch“ auf einen vernünftigen Umfang einpendeln. Eine Überwachung der Einhaltung dieser Zielsetzung einer Art von Kostenneutralität der Versicherungsprämien bei den Netzbetreibern und Regelhubkosten bei den Netznutzern durch staatliche Stellen erscheint sinnvoll.
Es erscheint zweckmäßig zu sein, dass die Versicherungsprämien für Abweichungen nach höherer Leistung und die nach geringerer Leistung als der Sollwert unterschiedlich bepreist werden. Das gilt sicherlich auch für die zu besorgenden „Flexibilitäten“. Das Bereitstellen von mehr Leistung und das Vermindern von Leistung dürfte unterschiedlich realisiert werden. Das wird sich zwangsläufig auf die Preisfindung auswirken. Deshalb der Vorschlag für unterschiedliche Konditionen.
Handhabung von Pönalen und von Rabatten bei der Versicherungsprämie
Die von den einzelnen Netznutzern angegebenen Toleranzfelder der möglichen Abweichungen vom Sollwert sind bei der Dokumentation der tatsächlichen Fahrweise daraufhin zu überprüfen, wie sie eingehalten worden sind. Bei einem Netznutzer, dessen Energieaustausch innerhalb des von ihm angegebenen Toleranzfeld geblieben ist, kann angenommen werden, dass der Netzbetreiber für ihn keine Zusatzaufwendungen hatte. Setzt sich das über mehrere Perioden fort, sind also die Prognosen und Planungen immer zutreffend, dann sind Rabatte bei der Versicherungsprämie zu gewähren (vergleichbar mit dem Schadensfreiheitrabatt bei der KFZ-Versicherung). Hingegen ist eine Pönale dann fällig, wenn der tatsächliche Energieaustausch sich außerhalb des angegebenen Toleranzfeldes befindet. Das Überschreiten der oberen Grenze sollte gegenüber dem Unterschreiten der unteren Grenze zu Pönalen in unterschiedlicher Höhe führen. Siehe dazu die Ausführung im vorangegangenen Abschnitt.
Auch hier wäre zumindest über größere Zeitbereiche anzustreben, dass insgesamt die Mehreinnahmen durch Pönalen sich mit den gewährten Rabatten ausgleichen und eine Überwachung dieser Handhabungen durch staatliche Stellen erfolgt. Aufgrund der Höhe der Mehroder Minderzahlungen bei den Versicherungsprämien ergibt sich ein natürlicher Trend bei den Netznutzern, die Prognose fortlaufend zu verbessern. Das wiederum erleichtert auf Dauer die Sicherung der Netzstabilität bei den Netzbetreibern. Beides wären positive Effekte der Versicherungslösung für die Sicherung der Netzstabilität. Hier können monetäre Überlegungen durchaus von Nutzen sein.
Energiebevorratung im Zeitbereich von Tagen und darüber hinaus
In dieser Zeitebene macht es Sinn, dass die Netznutzer besonders auf die Effizienz der Energiebevorratung wie auch auf die Preisentwicklungen achten. Messtechnisch erfolgende und somit nachweisbare wie auch in die Energiebilanz eingehende Beteiligungen an außerhalb der eigenen Energiezelle gelegenen Einrichtungen für die Energiebevorratung sind dafür ideal. Diese Verfahrensweise wird „Istwertaufschaltung“ genannt und ist in der Verbundebene schon über Jahrzehnte vorteilhaft in Gebrauch. Genauso wie das eigene Geld auf einem Konto einer Bank zu einer dort verwalteten Gesamtanlage gehört, kann auch der Energiespeicherinhalt eines an der entsprechenden Energiebevorratung sich beteiligenden Netznutzers wie auf einem „Konto“ gehandhabt werden. Damit sind Einspeicherungen und Entnahmen mit jeweiligen Transporten über das Netz und somit auch Umspeicherungen in lokal wie auch sonst wo sich befindlichen Energiespeicher möglich.
Näheres zur Istwertaufschaltung kann dem am 05.10.2010 gehaltenen Vortrag entnommen werden, der über diesen Link zu erreichen ist (nachzulesen auf den Seiten 19 – 22): http://www.esslingerenergiegespraeche.de/files/downloads/veranstaltungen/20101005/Vortrag_Hein.pdf
In der ausführlichen Dokumentation des Vortrages sind noch etliche weitere für das Gelingen der Energiewende nützliche Hinweise enthalten.
Der Beitrag zur ETG-Fachtagung 2011 (08 – 09.11.2011) in Würzburg „Umbruch im Energiemarkt als das Erklimmen einer neuen Kulturstufe“ (F. Hein, Paper 2.6) geht auf die Idee der Energiezellen und die Verwendung von Energieassistenzsystemen beim künftig „mündigen“ Energienutzer ein. Diese werden damit künftig befähigt werden müssen, dass sie sich mit ihren Energiezellen netzdienlich verhalten und die Energie effizient wie auch kostengünstig nutzen. Energiezellen gibt es in jeder Netzebene. Sie sind alle selbstähnlich aufgebaut und tragen in ihrer Gesamtheit infolge des netzdienlichen Verhaltens zur Netzstabilität bei.
Siehe weiters „Orchestrierung statt Steuerung von außen“
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