Letzte Aktualisierung am 13. Februar 2015.
Quelle: format.at
Die Stromimporte steigen heuer auf ein neues Rekordhoch. Mit Einfuhren wird rund ein Fünftel des heimischen Stromverbrauchs gedeckt.
Die bisher höchste Importleistung gab es am 10. März 2014 um 11:30 Uhr mit rund 5,3 Gigawatt (GW), damals wurden fast zwei Drittel (60 Prozent) des Stromverbrauchs durch Einfuhren gedeckt. Grund für die steigenden Importe ist vor allem, dass Strom am deutschen Großhandelsmarkt – infolge der mit Förderung massiv ausgebauten Erneuerbaren – billiger ist als in Österreich und daher auch in unser Land drängt.
Die hohen Stromimporte und das verstärkte Auftreten von Leistungsspitzen vor allem durch volatile Windstrom-Erzeugung haben zu einem massiven Anstieg bei den zur Netzstabilisierung notwendigen Eingriffen geführt. Die Zahl der sogenannten Intra-Day-Stopps an den österreichischen Grenzen, mit denen der Handel eingeschränkt und damit der freie Markt behindert wird, hat sich verachtfacht. [siehe auch die eigene Auswertung]
Heuer wurden bis 3. Dezember bereits 128 solche Eingriffe getätigt. 2013 waren es im Gesamtjahr nur 83 und 2011 erst 15.
„Ich glaube nicht, dass wir in ein Blackout laufen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Alle uns bekannten Risiken versuchen wir auszuschalten.“
Kommentar
Ein System das immer häufiger an der Belastungsgrenze betrieben werden muss, wird anfälliger gegenüber Störungen. Bei Menschen führt das zum Burnout, beim Stromnetz wahrscheinlich zum Blackout. Wenn, wie am 10. März, 2/3 des benötigten Stroms importiert werden, dann kann das System bei einer Störung wahrscheinlich nicht mehr stabilisiert werden. Rein aus physikalischen Gründen. Das europäische Übertragungsnetz wurde nicht für großräumige Stromtransporte/-handel gebaut, daher führen solche Situationen zu enormen Belastungen der Infrastruktur. Und eine Störung muss auch nicht in Österreich eintreten, durch Dominoeffekte wären wir aber genauso betroffen – und das sollten wir nie vergessene!
Auch wenn die Leute in den Steuerungszentralen eine hervorragen Arbeit leisten, um mit den Herausforderungen fertig zu werden, sollten wir uns nicht in eine falsche Sicherheit wiegen. Es geht um die weitrechenden Konsequenzen, auf die wir nicht vorbereitet sind!
„Alle uns bekannten Risiken“ – das kann sehr trügerisch sein, da wir hier von systemischen Risiken und Schwarzen Schwänen sprechen. Dazu einmal mehr der Hinweis auf einen anderen Sektor, der diese Risiken massiv unterschätzt (hat):
Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich im Juni 2008 zum »Chief Risk Officer Summit« in das Nobelhotel Heiligendamm an der Ostseeküste eingeladen war, um eine Sitzung zum Thema »Systemische Risiken« zu moderieren. Der Hauptsprecher war der oberste Risiko-Manager eines der größten Bankhäuser in Deutschland. Angesprochen auf die globale Bedrohung durch die sich schon abzeichnende Finanzkrise winkte er lächelnd ab. Natürlich seien die auf Immobilien beruhenden Wertpapiere in den USA völlig überbewertet. Aber der Anteil aller Vermögenswerte, die auf Immobilien beruhten, würden an den zurzeit gehandelten strukturierten Produkten weniger als 3% der Gesamtsumme ausmachen. Selbst wenn alle Häuser in den USA nichts mehr wert seien, würde das Finanzsystem damit problemlos umgehen können. Natürlich würde das eine Delle in den Finanzgeschäften bedeuten, aber mehr auch nicht. Die »Weisheit« der strukturierten Produkte bestünde ja gerade darin, dass man riskantere und weniger riskante Werte zusammen gebündelt habe. Durch diesen Portfolioeffekt, der darin bestehe, dass ein Verlust bei einem Teil der strukturierten Produkte durch einen Gewinn bei den anderen ausgeglichen werden könne, wäre eine globale Finanzkrise ausgeschlossen. Wohlgemerkt: Der Bankmanager war noch drei Monate vor dem Platzen der Finanzblase fest davon überzeugt, dass es bis auf die von ihm prognostizierte temporäre Delle keine weiteren Auswirkungen auf den Finanzmarkt geben würde. Was er in seinen Überlegungen völlig übersehen hatte, war der Dominoeffekt von den »faulen« auf die guten Kredite und die psychologische Wirkung von einzelnen Zusammenbrüchen auf die hochvernetzten Wirkungszusammenhänge in allen anderen Finanzbereichen und darüber hinaus. Übrigens ist dieser Finanzmanager heute nicht mehr bei der Bank beschäftigt. Zum Dritten eignen sich viele der systemischen Risiken nicht für eine aufrüttelnde und emotional ansprechende Berichterstattung in den Medien. Globale Vernetzung, Unübersichtlichkeit der kausalen Zusammenhänge, Pluralisierung von Meinungen und Bewertungen sowie ein Vetrauensverlust in Experten und Entscheidungsträger waren dort die entscheidenden Stichworte.
Das Risikoparadox, S. 337, Ortwin Renn
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