Quelle: www.deutschlandfunkkultur.de

Keine E-Mails, keine Notrufe, kein Strom, kein Trinkwasser: Ein längerer Totalausfall des Internets könnte die Welt ins Chaos stürzen. Wie gut wären wir auf einen solchen Fall vorbereitet? Und wie realistisch ist die Gefahr eines globalen Internetcrashs?

Es gibt also viele unzählige Knotenpunkte. Fallen drei Knotenpunkte aus, die üblicherweise funktioniert hätten, ist der vierte in der Lage zu helfen. So geht es weiter, bis mein Datenpaket am Ziel angekommen ist. Vorausgesetzt, es gibt genügend funktionierende Knotenpunkte.

„Nichtsdestotrotz gibt es im Internet natürlich auch neuralgische Punkte, wenn die wegfallen, ist natürlich nicht sofort das ganze Internet weg, aber Sie haben dann vielleicht das Problem, dass das Internet sich anfängt zu partitionieren. Wenn Sie davon ein paar Punkte, nicht nur einen, sondern mehrere dann auf einmal attackieren, können Sie es schon schaffen, dass ganze Städte abgehängt werden.“

Und das hätte Folgen…

„Überlegen Sie sich, wie heute Güter durch die Gegend verteilt werden. Dann ist das alles Just-In-Time. Keiner lagert mehr etwas. Das kostet alles viel zu viel Geld. Bei Bedarf werden die Güter geliefert. Die Koordinierung dessen basiert auf dem Internet. Wenn das Internet nicht geht, kann ich nicht mehr ohne Weiteres meine Güter von A nach B liefern. “ 

In der Schweiz gab es vor einigen Jahren Berechnungen, wonach durch einen Totalausfall 25 Prozent der Unternehmen Insolvenz anmelden müssten, sollte der Schaden nicht binnen kürzester Zeit behoben werden. Eine Bank hätte eine Überlebensdauer von zwei, ein Handelsunternehmen von drei Tagen.

Auch die Trinkwasserversorgung hängt am Internet

Wolfram Geier: „Die Trinkwasserversorgung ja, die reguläre Trinkwasserversorgung. Die Nottrinkwasserversorgung nicht. Aber die Trinkwasserversorgung ja. Es gibt eben internetbasierte Kontrolldienste und die laufen auch automatisch ab. Da ist jetzt in den Leitwarten zum Teil auch kein Mensch mehr. Das ist alles voll automatisiert. Und wenn es dort zu einem Internetausfall käme, wäre die Versorgungsleistung als solche zunächst nicht betroffen, aber zum Beispiel das Kontrollsystem würde für eine gewisse Zeit dann ausfallen können. Das wäre natürlich dann ein Problem, wenn es dann in der Zeit zu einer Verunreinigung käme.“

„Wir sind gewohnt, dass wir unseren Lichtschalter betätigen und es hell wird. Wir sind gewohnt, dass wir unseren Computer einschalten und eben eine E-Mail schreiben können. Viele Menschen sind schon sauer, wenn eben mal eine Stunde der E-Mail-Verkehr gestört ist. So. Wenn es jetzt tatsächlich zu einem langen, flächendeckenden Ausfall käme, hätte das so viele Wechselwirkungen in hochkomplexen, sehr sicheren Gesellschaften, auf die die Öffentlichkeit, der Bürger eben nicht eingestellt ist. Das führt dann dazu, dass möglicherweise eine Katastrophe überhaupt erst entsteht, weil eben die Bevölkerung mit so einer Situation nicht umgehen kann.“

Know-how der Offline-Ära reaktivieren

„Momentan werden all diese Dinge über das Internet gesteuert. Aber es gibt immer Wege, sie auch ohne das Internet zu steuern. Eine Sache, um die meine Kollegen und ich uns sorgen, ist, dass die Leute, die am besten wissen, wie man die Systeme ohne das Internet bedient, die Leute sind, die sich schon in den 1980er-Jahren darum gekümmert haben. Vor der Automatisierung. Gerade gehen viele von ihnen in den Ruhestand. Wir ermutigen Unternehmen mit kritischer Infrastruktur Schulungen zu institutionalisieren, die den Verantwortlichen erklären, wie man Systeme mit Zuhilfenahme von weniger Hightech bedient.“ 

Kommentar

Es mag zwar unwahrscheinlich sein, dass das gesamt Internet ausfällt, weil zumindest das Grunddesign ja genau das verhindern soll, jedoch reicht es auch, wenn nach einem Blackout in Europa für zumindest mehrere Tage
kein Internet mehr funktioniert. Denn es reicht dann nicht, einfach einen Schalter zu betätigen und alles ist wieder da. Ganz im Gegenteil. Gerade im IT-Umfeld gibt es sehr viele unterschätzte Unsicherheiten und Nebenwirkungen, was den Wiederanlauf deutlich schwieriger machen dürfte, als bisher angenommen wird. Der Faktor Personal wurde etwa im Artikel angesprochen. Man kann die Situation mit dem Fliegen vergleichen. Im Normalbetrieb sind wir seit Jahrzehnten in der Luft. Einmal gibt es mehr, einmal weniger Turbulenzen, wobei generell ein Anstieg zu beobachten ist. Ein System nach einem Crash aber wieder hochzufahren, ist wie ein Flugzeug zu starten. Das erfordert andere Fähigkeiten und Voraussetzungen, wofür es aber kein Training gibt. Zum anderen braucht man dazu Kommunikationsmöglichkeiten, um sich synchronisieren zu können, wo es Probleme gibt. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Daher wird auch dieses Szenario deutlich unterschätzt. Unsere vernetzten Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten sind enorm. Und wir sind nicht darauf vorbereitet, mit solchen möglichen Störungen umzugehen. 

Fliegen und Starten sind zwei völlig unterschiedliche Dinge!