Derzeit sorgen widersprüchliche Prognosen über mögliche Stromausfälle rund um Ostern und Pfingsten für Verunsicherung. Die einen warnen vor der Katastrophe, die anderen spielen das Problem herunter. Doch wie lassen sich diese Gegensätze erklären – und worauf kommt es wirklich an?

50,2-Hertz-Problem: Vergangenheit oder unterschätzte Gefahr?

Der Bundesverband Solarwirtschaft betont, dass moderne Wechselrichter heute „systemdienlich“ sind und automatische Netzabschaltungen bei Frequenzschwankungen verhindern. Tatsächlich gilt die frühere Gefahr, dass sich Solaranlagen bei Überschreiten der 50,2-Hertz-Marke massenhaft abschalteten, in Deutschland als weitgehend gebannt. Doch die Unsicherheit bleibt: In ganz Europa sind noch hunderttausende Altanlagen aus der Zeit vor 2012 in Betrieb, als bereits 70 Gigawatt PV-Leistung installiert waren. Niemand weiß genau, wie viele davon nachgerüstet wurden. Schon wenige Gigawatt aus nicht angepassten Anlagen könnten an sonnigen Tagen das Stromnetz ins Wanken bringen. Doch der Praxistest steht noch aus – erst dann wird sich zeigen, wie robust das System wirklich ist.

Weitere Herausforderungen für das Stromnetz

Neben dem 50,2-Hertz-Problem gibt es weitere Risiken:

  • Momentanreserve: Dieser rein physikalisch funktionierende Energiepuffer aus konventionellen Kraftwerken ist für die Systemstabilität von zentraler Bedeutung. An Tagen mit hoher PV-Einspeisung könnte eine unzureichende Reserve daher zu einem Problem für die Systemstabilität werden.
  • Schnell regelfähige Kraftwerke: An Feiertagen sinkt die Verfügbarkeit konventioneller Kraftwerke, insbesondere der schnell regelbaren, aber teureren Gaskraftwerke, da deren Vorhaltung in diesen Zeiten nicht wirtschaftlich ist. Bei unerwarteten Ausfällen oder größeren Prognoseabweichungen kann es daher zu kritischen Systemzuständen kommen.
  • Abendrampe: Der starke Anstieg der Last am Abend, wenn die Sonne untergeht, muss durch flexible Kraftwerke ausgeglichen werden. Ein aktuelles Beispiel aus Ungarn zeigt, wie kritisch dies werden kann, wenn große Kraftwerke wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abgeschaltet bleiben.
  • Dezentralisierung und Speichermangel: Trotz angekündigter Speicherinitiativen fehlen systemdienliche Lösungen. Viele Heimspeicher verstärken durch ungünstige Ladezeiten sogar die Mittagsspitze der PV-Erzeugung, da sie zu dieser Zeit bereits vollgeladen sind.

Solar-Gesetz und Speicher: Keine schnellen Lösungen

Mit dem kürzlich beschlossenen „Solarspitzen-Gesetz“ sollen Überschüsse künftig besser abgeregelt werden können. Doch die Umsetzung dauert – und birgt mit einer zentralen Steuerung eigene Risiken. Die systemdienliche Integration von Speichersystemen ist deutlich komplexer, als viele sich das vorstellen können. Insbesondere fehlen sektorübergreifende Energiemanagementsysteme und Strukturen wie dezentrale Funktionseinheiten („Energiezellensystem“). Anders wird die zunehmende Komplexität jedoch nicht beherrschbar bleiben, es sei denn, wir hebeln die Naturgesetze und Erkenntnisse der Evolution aus.

Flickenteppich statt Systemlösung

Die derzeitige Energiewende gleicht einem Flickenteppich unkoordinierter Maßnahmen, was zunehmend gefährlich wird. Ein funktionierendes System ist mehr als die Summe seiner Einzelteile. Einzelmaßnahmen ohne systemische Integration erhöhen das Risiko von Störungen. Ein robustes Energiesystem braucht mehr als den Ausbau erneuerbarer Energien – es braucht abgestimmte Strategien für Speicher, Netzmanagement, Reservekapazitäten und vor allem ein sektorübergreifendes Energiemanagement.

Fazit: Vorsorge statt Panik – aber Handeln ist nötig

Ob für die kommenden Feiertage Entwarnung gegeben werden kann, ist fraglich. Die grundsätzlichen Probleme nehmen jedoch deutlich zu. Irgendwann werden absehbar physikalische Grenzen überschritten, mit gravierenden Folgen. Deshalb ist Vorsorge wichtig, auch wenn wir hoffen, sie nicht zu brauchen. Besser vorbereitet sein als böse überrascht zu werden. Denn eines ist sicher: Wer die Warnsignale ignoriert, wird früher oder später die Folgen zu spüren bekommen.

Empfehlung: Vorsorge bleibt sinnvoll und wichtig – nicht aus Panik, sondern aus Verantwortung für sich und seine Familie vor möglichen Überraschungen in einer zunehmend volatilen Energielandschaft.