Ein sehr interessantes, informatives und empfehlenswertes Gespräch zwischen Eduard Heindl und Walter Rüegg zu verschiedenen Themen rund um Radioaktivität, Ängste, Feinstaub oder Hormesis (bezeichnet das Phänomen, dass geringe Dosen schädlicher oder giftiger Substanzen und stressauslösender Umweltfaktoren eine positive Wirkung auf Organismen haben können).
Dr. Walter Rüegg ist promovierter Kernphysiker, 15 Jahre ETH Zürich und im Schweizerischen Institut für Nuklearforschung auf dem Gebiet der Kern-, Teilchen-, Festkörper- und Biophysik. 25 Jahre ABB-Konzern Mitglied des Konzernforschungsstabes. Chefphysiker in der Schweizer Armee Radioaktivität, Nuklearwaffen, politisch unabhängig. Buch: Zeitalter der Ängste, Aber fürchten wir uns vor dem Richtigen?
- 0:00 Intro
- 3:41 Radioaktive Strahlung
- 17:53 Grenzwerte
- 22:06 Zellschäden
- 45:55 Radon-Bad
- 51:16 Winziges Risiko
- 54:17 Krebsrate
- 1:28:00 Feinstaub
- 1:46:00 Missgeburten
- 1:50:05 German Angst
- 1:59:49 Kupfer
Hier einige Aussagen aus dem Interview
(zusammengefasst mit NotebookLM)
Einblicke in die Welt der Radioaktivität und ihre Risiken
In einem aufschlussreichen Interview mit dem promovierten Kernphysiker Dr. Walter Rüegg, werden verschiedene Aspekte der Radioaktivität beleuchtet. Rüegg, der unter anderem als Chefphysiker der Schweizer Armee tätig war, teilt sein Wissen über die Grundlagen der Radioaktivität, ihre Auswirkungen auf den menschlichen Körper und die damit verbundenen Ängste.
Grundlagen der Radioaktivität
Radioaktive Kerne streben nach einem Gleichgewicht, indem sie Energie oder Kernmaterie in Form von Alpha-, Beta- oder Gammastrahlen aussenden. Diese Strahlen haben unterschiedliche Eigenschaften und Wirkungen auf Materie:
- Alphastrahlen: Schwer und mit geringer Reichweite, schädlich bei Einnahme oder Inhalation.
- Gammastrahlen: Hochenergetisch, durchdringen Materie leicht und können Zellen ionisieren.
Der Mensch besitzt kein Sinnesorgan für Radioaktivität, da die natürliche Strahlung normalerweise nicht schädlich ist. Die Natur hat kein Messsystem für Strahlung entwickelt, da die natürliche Radioaktivität uns nicht schadet, außer in sehr konzentrierter Form wie in einer Uranmine.
Messung und Einheiten
Die Strahlung kann durch Ionisation gemessen werden. Physiker messen die deponierte Energie pro Kilogramm Gewebe in der Einheit Gray (Gy), aber für biologische Effekte wird die Einheit Sievert (Sv) verwendet. Ein Sievert entspricht einem Joule pro Kilogramm Gewebe und berücksichtigt die unterschiedliche Empfindlichkeit verschiedener Gewebe. Eine Dosis von 5 Sv ist tödlich. Zur Veranschaulichung verwendet Rüegg auch humorvolle Vergleiche wie die „Kuh-Einheit“ (MU).
Natürliche vs. künstliche Radioaktivität
Es gibt natürliche und künstliche radioaktive Stoffe. Natürliche Radioaktivität ist allgegenwärtig, sogar im menschlichen Körper, wo etwa 10.000 Zerfälle pro Sekunde stattfinden. Jeder Staubkorn und jeder Tropfen Wasser hat etwa eine Milliarde radioaktiver Atome. Künstliche Radioisotope entstehen in Reaktoren oder bei Atomexplosionen. Interessanterweise ist Tritium die biologisch relevanteste Emission eines Kernreaktors.
Zellschäden und Reparatur
Radioaktive Strahlung kann Zellen durch Volltreffer schädigen, was zu DNA-Schäden führt. Zellen haben jedoch erstaunliche Reparaturmechanismen und entscheiden selbst, ob sie sich reparieren oder absterben. Die Zelle ist ein chaotisches System, das sich ständig erneuert und repariert. Der Körper ist eine riesige Reparaturwerkstatt und ist ständig mit Reparaturen beschäftigt.
Winziges Risiko
Es ist wichtig zu verstehen, dass die meisten DNA-Schäden nicht von Radioaktivität stammen, sondern durch Stoffwechselprozesse im Körper entstehen. Die durch die Umwelt verursachten Strahlenschäden sind im Vergleich zu den internen Schäden eher gering. Die Strahlung durch die Umwelt macht etwa ein Tausendstel oder Zehntausendstel der Schäden aus, die die Zelle ohnehin reparieren muss.
Piloten sind zwar einer höheren Strahlung ausgesetzt, diese spielt jedoch im Vergleich zu anderen Faktoren wie Lebensstil und sozialer Status eine untergeordnete Rolle und scheint keine negativen Auswirkungen auf ihre Lebenserwartung oder die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, zu haben.
Krebsrate und Mutationen
Langfristig kann Strahlung die Mutationsrate erhöhen und so zu Krebs führen. Krebs entsteht jedoch durch eine Anhäufung von Mutationen über viele Jahre hinweg. Die Strahlung ist nur eine von vielen Faktoren, die zur Krebsentstehung beitragen. Es gibt auch viele Gegenmaßnahmen, die man ergreifen kann, wie z.B. eine gesunde Lebensweise.
Radioaktive Abfälle
Dr. Rüegg bewertet radioaktive Abfälle im Interview unter verschiedenen Gesichtspunkten, wobei er insbesondere die psychologischen Aspekte und die tatsächliche Gefahr hervorhebt. Er argumentiert, dass die Problematik oft übertrieben dargestellt wird und die langfristigen Risiken geringer sind als oft befürchtet:
- Psychologische vs. tatsächliche Gefahr: Rüegg betont, dass das größte Problem bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle ein psychologisches ist. Die tatsächliche Gefahr, insbesondere nach einigen Jahrhunderten, ist seiner Meinung nach geringer als oft angenommen wird.
- Kurzlebige Isotope: Er erklärt, dass die kurzlebigen Isotope, wie Cäsium und Strontium, innerhalb von etwa 300 Jahren zerfallen und somit nicht mehr die Hauptgefahr darstellen. Diese Isotope sind wasserlöslich und müssen für diese Zeit sicher aufbewahrt werden, damit sie nicht ins Grundwasser gelangen.
- Langlebige Isotope: Die langlebigen Isotope, wie Plutonium, sind laut Rüegg weniger problematisch, da sie nicht wasserlöslich sind und sich nicht leicht bewegen. Plutonium ist sehr schwer und neigt nicht dazu, sich im Boden zu verteilen oder in den Körper aufgenommen zu werden. Er verweist auf Naturreaktoren in Gabun, die seit fast 2 Milliarden Jahren existieren und in denen die Spaltprodukte weitgehend an Ort und Stelle geblieben sind.
- Vergleich mit natürlichen Reaktoren: Rüegg zieht den Vergleich zu den natürlichen Reaktoren in Gabun, wo Plutonium über 1,8 Milliarden Jahre sicher gelagert wurde. Dies verdeutlicht seiner Meinung nach, dass eine sichere Lagerung möglich ist, wenn die Bedingungen stimmen.
- Endlagerung: Er schlägt vor, die Abfälle in dickwandigen Stahlbehältern und wasserundurchlässigen Tonlagern einige hundert Meter tief zu vergraben. Er ist der Meinung, dass nach 300 Jahren das Cäsium und Strontium weg sind und die verbleibenden Stoffe wenig Probleme verursachen.
- Abbau von Kernkraftwerken: Er kritisiert die Hektik beim Abbau von Kernkraftwerken und schlägt vor, 10 bis 30 Jahre zu warten, bevor mit dem Abbau begonnen wird, um die kurzlebigen Isotope zerfallen zu lassen und die Strahlung zu reduzieren.
- Materialintensität: Rüegg verweist auf die Notwendigkeit, die gesamte Kette der Energieerzeugung zu betrachten. Er kritisiert, dass die Materialintensität bei Solarpanels sehr hoch ist und der Kupferabbau große Mengen an toxischen Abfällen produziert. Im Vergleich dazu sei die Materialintensität bei Kernenergie viel geringer, was er als Pluspunkt für diese Technologie sieht.
Zusammenfassend bewertet Dr. Rüegg radioaktive Abfälle als ein handhabbares Problem, das durch eine sachliche Betrachtung und geeignete Lagerungsmaßnahmen beherrscht werden kann. Er plädiert für eine differenziertere Betrachtung und warnt vor übertriebenen Ängsten, die oft mehr auf psychologischen als auf rationalen Gründen beruhen.
Feinstaub als größere Gefahr
Interessanterweise stellt Feinstaub eine viel größere Gefahr für die Gesundheit dar als Radioaktivität. Feinstaub verkürzt die Lebenserwartung in ähnlichem Maße wie eine hohe Strahlendosis, insbesondere in großen Städten. In Stuttgart zum Beispiel ist die Feinstaubbelastung gesundheitsschädlicher als die Strahlung in der Nähe eines Kernkraftwerks.
Missgeburten
Die Angst vor strahlenbedingten Missgeburten ist unbegründet, da der Mensch eine sehr gute Filterwirkung hat. Es wurden keine erhöhten Missbildungsraten in Tschernobyl oder Hiroshima nachgewiesen. Fehlbildungen treten zwar auf, meistens sind diese harmlos. Die meisten Anomalien bei der Geburt sind auf andere Ursachen zurückzuführen.
Kupfer und die Ökobilanz
Rüegg betont die Notwendigkeit, die gesamte Kette der Energieerzeugung zu betrachten. Kupfer, das für Solarpanels benötigt wird, hat einen großen ökologischen Fußabdruck im Bergbau, mit der Produktion von toxischen Schlämmen. Kupfer ist für den Abbau viel schmutziger als Uran. Solarpanels schneiden in der Ökobilanz schlechter ab als Kernkraft, wenn man alle Abfälle berücksichtigt.
Ressourcenverbrauch
Dr. Rüegg äußert sich im Interview detailliert zum Ressourcenverbrauch im Zusammenhang mit verschiedenen Energieerzeugungsmethoden, wobei er insbesondere die Materialintensität und die damit verbundenen Umweltfolgen hervorhebt. Er argumentiert, dass die öffentliche Diskussion oft nur die unmittelbaren Auswirkungen betrachtet, während die indirekten und langfristigen Effekte vernachlässigt werden. Seine Aussagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Kupfer als kritischer Faktor: Rüegg verwendet Kupfer als Beispiel, um die Problematik der Materialintensität zu veranschaulichen. Er betont, dass Solarpanels im Vergleich zur Kernenergie ein Vielfaches an Kupfer benötigen. Ein Solarpanel benötigt etwa 50-mal mehr Kupfer pro Megawattstunde als die Kernenergie.
- Umweltfolgen des Kupferabbaus: Der Abbau von Kupfer ist laut Rüegg mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden. Pro Kilogramm Kupfer werden 200 bis 400 Kilogramm toxische Schlämme produziert, die mit Säuren oder Laugen behandelt werden müssen, um das Kupfer zu gewinnen. Dabei werden auch giftige Substanzen wie Arsen, Kadmium, Thallium und Quecksilber freigesetzt. Diese Schlämme sind hochgradig sondermüllpflichtig.
- Vergleich mit anderen Materialien: Rüegg erwähnt auch andere Materialien wie Aluminium und Eisen, die ebenfalls in großen Mengen für die Energieerzeugung benötigt werden. Er argumentiert, dass die Materialintensität langfristig eine entscheidende Rolle bei der Bewertung der Nachhaltigkeit spielen wird.
- Fokus auf die gesamte Kette: Rüegg kritisiert, dass bei der Betrachtung von Energiequellen oft nur die unmittelbaren Auswirkungen im eigenen Land berücksichtigt werden. Er fordert, die gesamte Kette der Energieerzeugung zu analysieren, einschließlich der Rohstoffgewinnung, der Produktion und der Entsorgung.
- Solar als vermeintlich sauber: Rüegg weist darauf hin, dass Solarpanels zwar in der Anwendung sauber erscheinen, aber die Produktion mit erheblichen Umweltbelastungen verbunden ist. Er bemängelt, dass die ethischen Kommissionen diese Aspekte oft ausblenden und sich auf die Vorteile im eigenen Land beschränken. Solar schneidet in der Gesamtökobilanz oft schlechter ab als Kernenergie, wenn man alle Aspekte berücksichtigt, selbst wenn man die radioaktiven Abfälle mit einbezieht.
- Materialbedarf von Kernenergie: Im Gegensatz dazu betont Rüegg, dass die Kernenergie aufgrund ihrer hohen Energiedichte einen minimalen Materialbedarf hat. Ein Solarpanel benötigt 50-mal mehr Kupfer pro Megawattstunde als eine Megawattstunde Atomstrom. Der Materialverbrauch ist bei Kernkraft durch die hohe Energiedichte extrem gering.
Zusammenfassend argumentiert Dr. Rüegg, dass bei der Bewertung von Energiequellen der gesamte Lebenszyklus und der Ressourcenverbrauch berücksichtigt werden müssen. Er kritisiert die Fokussierung auf die vermeintlichen Vorteile von Solar und warnt vor den übersehenen ökologischen Kosten des Abbaus von Kupfer und anderen Materialien. Er plädiert für eine differenzierte Betrachtung und betont die Notwendigkeit, alle Aspekte der Energieerzeugung in die Bewertung einzubeziehen.
Fazit
Das Interview mit Dr. Rüegg zeigt, dass unsere Ängste vor Radioaktivität oft übertrieben sind und auf psychologischen und historischen Faktoren beruhen. Viele andere Gefahren, wie Feinstaub, stellen eine weitaus größere Bedrohung für unsere Gesundheit dar. Es ist wichtig, die Fakten zu kennen, um informierte Entscheidungen zu treffen und uns nicht von übertriebenen Ängsten leiten zu lassen.