Der Podcast „Entscheidend besser“ von Georg Jocham bietet immer inspirierende Gedanken, so auch die Folge #037: Gefangenendilemma Teil 2. Mit Spieltheorie scheinbar dummes Verhalten erklären, welche mich dazu inspiriert hat, auch einen eigenen Beitrag zum Gefangenendilemma in der Energiewende zu verfassen. Hier aber eine Zusammenfassung seiner Gedanken.
Grundkonzept des Gefangenendilemmas
Das Gefangenendilemma beschreibt eine Situation, in der individuell rationales Verhalten zu einem kollektiv schlechten Ergebnis führt. Dies tritt auf, weil jeder Akteur seinen eigenen Vorteil maximiert, was am Ende für alle Beteiligten zu einem negativen Resultat führt. Ein klassisches Beispiel ist der Bankraub, bei dem zwei Bankräuber entweder gestehen oder schweigen können. Obwohl es kollektiv am besten wäre, wenn beide schweigen, werden sie individuell dazu motiviert zu gestehen, was zu einer schlechteren Gesamtsituation führt.
Mehrspieler-Gefangenendilemma
Das Konzept des Gefangenendilemmas lässt sich von zwei auf mehrere Spieler erweitern. In diesem Fall sind mehr als zwei Akteure in das Dilemma eingebunden. Jeder Akteur hat weiterhin die Wahl, entweder zu kooperieren oder nicht, wobei die Entscheidung jedes Einzelnen Auswirkungen auf das gesamte Kollektiv hat. Beispiele hierfür sind die Überfischung der Weltmeere, die Nutzung von Grundwasser und die Silobildung in Unternehmen.
Das Konzept des öffentlichen Guts („Commons“)
Ein öffentliches Gut ist etwas, das jeder nutzen kann, ohne dass andere davon ausgeschlossen werden können (z.B. Luft oder Grundwasser). Beim Mehrspieler-Gefangenendilemma kann die Nutzung eines öffentlichen Guts dazu führen, dass jeder Einzelne versucht, seinen Nutzen zu maximieren, was die Ressource erschöpft und zu einem schlechten Ergebnis für alle führt. Siehe auch die Bauernfabel.
Warum das Dilemma entsteht
Das Dilemma entsteht, weil jeder Akteur den Anreiz hat, sich individuell vorteilhaft zu verhalten, selbst wenn dies dem Gemeinwohl schadet. Dieses Verhalten ist nicht auf mangelnde Information oder ein falsches Mindset zurückzuführen, sondern auf die Anreizstruktur selbst. Die Akteure handeln vernünftig, indem sie ihre eigenen Interessen verfolgen, was jedoch zu einem kollektiv schlechten Ergebnis führt.
Lösungsansätze für das Mehrspieler-Gefangenendilemma
- Veränderung der Anreizstruktur: Der wichtigste Schritt zur Auflösung eines Gefangenendilemmas ist die Änderung der Anreizstruktur. Dies bedeutet, dass man entweder das kooperative Verhalten attraktiver gestalten oder nicht-kooperatives Verhalten weniger attraktiv machen muss. Das kann durch Incentivierung, also das Belohnen von erwünschtem Verhalten, oder durch Bestrafung von unerwünschtem Verhalten geschehen.
- Sozialer Druck: Sozialer Druck kann eine Rolle spielen, insbesondere in Gemeinschaften, in denen soziale Normen und Gruppenzusammenhalt wichtig sind. Dies funktioniert jedoch weniger gut in anonymen Umgebungen.
- Institutionelle Regelungen: Staatliche Regulierungen und Bußgelder können ebenfalls dazu beitragen, das Verhalten zu lenken und die Kooperation zu fördern.
Was wir daraus lernen können
- Die Bedeutung von Anreizen: Das Gefangenendilemma zeigt, dass Menschen nicht immer im Sinne des Kollektivs handeln, wenn ihre individuellen Anreize dem entgegenstehen. Es ist daher entscheidend, die Anreizstrukturen so zu gestalten, dass sie kooperatives Verhalten fördern.
- Die Grenzen von Information und Mindset: Es reicht nicht aus, Menschen über die positiven Aspekte von Kooperation zu informieren oder zu versuchen, ihr Mindset zu ändern. Die Anreizstruktur muss angepasst werden, da individuelle Vernunft oft kollektive Nachteile erzeugt.
- Die Rolle der Führung: Viele der notwendigen Maßnahmen zur Auflösung von Gefangenendilemmata, wie das Setzen von Anreizen, das Etablieren von Normen und das Bestrafen von Fehlverhalten, können nur von Führungskräften oder Entscheidungsträgern umgesetzt werden.
Anwendung auf Unternehmen
- Silos in Unternehmen: Die Bildung von Silos in Unternehmen ist ein typisches Beispiel für ein Mehrspieler-Gefangenendilemma. Jeder Geschäftsbereich optimiert seinen eigenen Profit, was nicht immer im besten Interesse des gesamten Unternehmens ist. Die Lösung liegt hier in der Etablierung einer Unternehmenskultur, die Zusammenarbeit fördert und Anreize für bereichsübergreifende Kooperation schafft.
- Monopolisierung von Know-how: Wenn Mitarbeiter ihr Wissen monopolisieren, um ihre eigene Position zu stärken, schadet dies dem Unternehmen als Ganzes. Hier ist es wichtig, eine Kultur des Wissensteilens zu etablieren und Anreize dafür zu schaffen, Wissen weiterzugeben.
- Machtspiele von Entscheidungsträgern: Wenn Entscheidungsträger Machtspiele spielen, anstatt rasch und verbindlich zu entscheiden, kann dies die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens beeinträchtigen. Hier ist eine Unternehmenskultur gefragt, in der schnelle Entscheidungen gefördert und Machtspiele nicht toleriert werden.
Bessere Gesamtsicht und Kooperation
Um zu einer besseren Gesamtsicht und Kooperation zu gelangen, müssen Anreize geschaffen werden, die das Verhalten in Richtung des Gemeinwohls lenken. Dies kann durch positive Anreize (z. B. Belohnungen für Kooperation) oder negative Anreize (z. B. Bestrafung von nicht-kooperativem Verhalten) geschehen. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass eine bloße Information oder das Appellieren an das „richtige“ Mindset nicht ausreicht, um das Dilemma aufzulösen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Gefangenendilemma ein wichtiges Konzept ist, um viele soziale, wirtschaftliche und ökologische Probleme zu verstehen. Die Lösung liegt in der Gestaltung von Anreizsystemen, die kooperatives Verhalten fördern und individuelles Handeln in Einklang mit dem Gemeinwohl bringen.