Das Buch „All in!: Energie und Wohlstand für eine wachsende Welt“ von Franz Josef Radermacher und Bert Beyers bietet wieder einige interessante Blickwinkel auf die notwendige Energiewende. Hier wieder einige Zitate daraus.
Zusammenfassung
Globale Zusammenarbeit ist entscheidend:
- Die Energiewende und die Lösung des Klimaproblems können nicht im Alleingang von einzelnen Nationen oder Kontinenten bewältigt werden. Schwellenländer wie China, Indien und Afrika spielen eine entscheidende Rolle.
- Klimanationalismus führt nicht weiter; es bedarf globaler Kooperation und eines fairen Rahmens mit ökologischen und sozialen Leitplanken auf den Weltmärkten.
Energiewende und Wohlstand:
- Energie ist der Schlüssel zu Wohlstand und Entwicklung. Die Vision ist ein weltweiter Energiewohlstand durch Innovation und Markt, anstelle von Energieknappheit.
- Es geht nicht um die Verwaltung von Energieknappheit, sondern um die Schaffung von Energiewohlstand durch Innovation und Markt.
Fossile Energieträger und Emissionen:
- Nicht fossile Energieträger sind das Problem, sondern fossile Emissionen. Fossile Depots machen immer noch den größten Teil der globalen Primärenergie aus.
- Der Einsatz von fossilen Energieträgern hat seit 1990 zugenommen, da die weltweite Nachfrage nach Energie gestiegen ist.
Klimaschutzmaßnahmen:
- Der Erhalt der tropischen Regenwälder ist eine der schnellsten und wirkungsvollsten Methoden des Klimaschutzes. Für jeden Hektar, der erhalten bleibt, sollten Gelder fließen, kontrolliert durch Satellitentechnik.
- Methan-Emissionen tragen erheblich zu den globalen Klimagas-Emissionen bei. Ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Reduktion von Klimagasen ist die Vermeidung technischer Methan-Leckagen.
- Neben dem Erhalt der Wälder ist die Stärkung der Absorptionsfähigkeit der Natur notwendig, beispielsweise durch Aufforstung und Anreicherung von Böden mit Kohlenstoff.
Globale Finanzierung und Gerechtigkeit:
- Reiche Länder sollten für Leistungen des globalen Südens zur Stabilisierung der ökologischen und sozialen Systeme zahlen. Dies ist keine Wohltätigkeit, sondern eine Investition in die eigene Zukunft.
- Finanzielle Mittel, die im globalen Süden eingesetzt werden, können mehr für den Klimaschutz bewirken als Maßnahmen im eigenen Land.
Technologische Aspekte und Realismus:
- Eine vollständige Elektrifizierung der globalen Fahrzeugflotte ist eine Illusion; klimaneutrale Treibstoffe werden weiterhin benötigt.
- Carbon Capture ist eine wichtige Maßnahme zur Senkung der Emissionen bei der Betonherstellung. Allerdings sind die Wirkungsgradverluste beim Einsatz von CCS erheblich.
- Eine globale Klimaneutralität bis 2050 ist wenig realistisch, da China und Indien später Net-Zero anstreben.
Herausforderungen und Visionen:
- Das Streben nach Wohlstand in den Entwicklungs- und Schwellenländern führt zu steigenden Emissionen. Es ist wichtig, diesen Ländern keinen Armutsregime aufzuzwingen.
- Es gibt drei mögliche Zukunftsvisionen: Kollaps, Ökodiktatur oder eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft. Innovation und Technologie sind notwendig für Wohlstand und Wachstum.
- Der Weg zu einer klimaneutralen Energieversorgung muss wirtschaftlich tragbar sein und Energiesicherheit gewährleisten.
Schlussfolgerung:
- Es gibt keine einfache Lösung für die Klimafrage. Es bedarf globaler Kooperation, finanzieller Unterstützung für Entwicklungsländer und des Einsatzes aller sinnvollen Instrumente.
- Entscheidend sind Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitigem Erreichen globaler Klimaneutralität ermöglichen.
- Ein Umdenken ist erforderlich, weg von nationalen Denkmustern hin zu globaler Kooperation und gemeinsamen Maßnahmen.
Zitate
Die Lösung liegt nicht in den Händen einzelner Nationen oder Kontinente. Weder Europa noch die USA stehen im Zentrum der Lösung des Klimaproblems. Es sind die Schwellenländer China, Indien und die Länder in Afrika, die die Energiewende entscheidend mitgestalten werden.
Energie ist der Schlüssel für Wohlstand und Entwicklung.
Als es gelang, geronnene Sonnenenergie, die seit Millionen Jahren in der Erdkruste lagerte, in großen Mengen zu erschließen, hatten die Menschen zum ersten Mal Energie im Überfluss zur Verfügung. In den vielen Tausend Jahren zuvor war der Alltag der großen Mehrheit von Mangel, Armut und Hunger geprägt.
Die Vision von ALL IN! umfasst die Entschärfung des Klimaproblems für ein Leben in Freiheit, mit auskömmlichem Wohlstand, in sozialer Balance und im Frieden mit der Natur für 10 Milliarden Menschen.
Die Leitidee ist die Schaffung eines weltweiten Energiewohlstands durch Innovation und Markt anstelle der Verwaltung von Energieknappheit.
Viele reiche Länder kümmern sich heute vorrangig um die Lösung der Energie- und Klimaprobleme im eigenen Land und sind damit auf einem falschen Kurs, denn der Klimanationalismus bringt uns nicht weiter. Eine Entschärfung des Problems gelingt nur global – oder gar nicht.
Die Umsetzung von All Electric geht unvermeidbar mit viel Moral und Verzicht einher, weil Energie knapp wird.
Ein globales Energiesystem lässt sich nicht im Hauruckverfahren umstellen. Die gesamte Technikgeschichte kennt nur Transformationen, die Schritt für Schritt und über Jahrzehnte erfolgten.
Genau genommen sind nicht fossile Energieträger das Problem, sondern fossile Emissionen.
ALL IN! setzt auf globale Kooperation. Dafür braucht die Weltwirtschaft einen fairen Rahmen: weltweite Märkte mit ökologischen und sozialen Leitplanken. Wettbewerb sorgt für hohe (Kosten -) Effizienz der wirtschaftlichen Prozesse.
ALL IN! setzt auf alle Staaten dieser Welt, denn die Klimafrage entscheidet sich nicht in Deutschland oder Europa, nicht einmal in den Vereinigten Staaten, sondern in China, Indien und Afrika.
Immerhin wird etwa ein Drittel der von Menschen verursachten Emissionen von der Natur aufgenommen.
Eine der schnellsten und wirkungsvollsten Methoden des Klimaschutzes ist der Erhalt der tropischen Regenwälder. Für jeden Hektar, der stehen bleibt, müssen Gelder fließen, Jahr für Jahr. Kontrolle mittels Satellitentechnik sichert den Erfolg.
Methan-Emissionen machen alleine 16 Prozent der globalen Klimagas-Emissionen aus und sind ein wesentlicher Ansatzpunkt zur Reduktion von Klimagasen.
Große Teile der Mittel müssen als verlorene Zuschüsse bewilligt werden, das Geld muss also nicht zurückgezahlt werden. Warum sollten die reichen Länder so etwas tun? Die Gelder des Globalen Nordens sind keine wohltätige Spende oder Charity, vielmehr zahlen die reichen Länder für Leistungen des Globalen Südens zur Stabilisierung der ökologischen und sozialen Systeme. Sie zahlen zum Beispiel dafür, dass die Regenwälder stehen bleiben und die Menschheit von ihrer Artenvielfalt weiter profitieren kann. Der Globale Norden zahlt dafür, dass die Entwicklungsländer große Flächen zur Verfügung stellen, auf denen aufgeforstet wird, wodurch Humus entsteht, der CO₂ aus der Atmosphäre aufnimmt. Die Gelder dienen dazu, dass Armut und Hunger ein Ende finden und die Migrationsströme abnehmen.
Verglichen mit der terrestrischen Biosphäre und mit der Atmosphäre haben die Ozeane das mit Abstand größte Potenzial, Kohlenstoff aufzunehmen. In Landpflanzen sind nur 7 Prozent des im Ozean enthaltenen anorganischen Kohlenstoffs gespeichert. CO₂ wird in Wasser gelöst, und je kälter das Wasser ist, desto höher ist die Löslichkeit. Wir kennen das von CO₂-haltigen Getränken, warmes Bier wird schnell schal.
Kohlendioxid macht derzeit „nur“ 0,04 Prozent der Atmosphäre aus. Das klingt nicht viel. Um die Dinge zu verstehen, muss man es jedoch umgekehrt sehen: Gerade weil diese Substanzen schon bei einem so geringen Anteil an unserer Lufthülle klimawirksam sind, hat der Mensch einen „großen Hebel“, den Strahlungshaushalt der Erde zu verändern. Auf der Venus wäre das kaum möglich, denn ihre Atmosphäre besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid. Auf unserem Planeten hingegen hat eine vergleichbar geringe Steigerung von 280 auf 420 ppm CO₂ erhebliche Auswirkungen. Dies ist die wichtigste Ursache der vom Menschen verursachten globalen Erwärmung.
Marco Wehr gibt in seinem Buch „Komplexe neue Welt“ die Wahrscheinlichkeit, dass ein Supervulkan wie der Tambora innerhalb der nächsten 30 Jahre ausbrechen könnte, mit etwa 6 Prozent an. Das ist erheblich. Ähnlich wie das Wettergeschehen ist der Vulkanismus ein komplexes System. Aber während Wettervorhersagen, jedenfalls über relativ kurze Prognosezeiträume, immer besser werden, sind Vorhersagen von Vulkanausbrüchen nahezu unmöglich. Käme es zu einem großen Ausbruch, würden sich die Eilmeldungen überschlagen. Sofort würden Experten in den Medien zu Wort kommen, die versuchen würden, die Lage einzuschätzen. Die Folgen für die moderne Welt wären verheerend. Der Flugverkehr wäre massiv betroffen – viel stärker als beim Ausbruch des isländischen Eyjafjallajökull 2010. Die globalen Lieferketten würden massiv gestört werden, Kommunikations- und Energiesysteme würden kollabieren. Es käme zu Blackouts. Die Aktienmärkte würden zusammenbrechen. Infolge der gewaltigen Aschemengen in der Atmosphäre wären auch die Ernten weltweit massiv betroffen. Wir würden erleben, wie verhältnismäßig unbedeutend der menschliche Einfluss auf die Atmosphäre ist. Wie die heutige verletzliche Zivilisation einen solchen Schlag verkraften würde, darüber kann man nur mutmaßen.
Die Natur hilft. Eine ihrer wichtigsten „Dienstleistungen“ ist die Absorption von CO₂. Deshalb muss und sollte das Ziel guter Klimapolitik nicht Absolute Zero sein, also der komplette Stopp von CO₂-Emissionen, sondern Net Zero. Das heißt, die Kalkulation der CO₂-Emissionen sollte auch die Senken der Natur berücksichtigen. Das Ziel dabei sollte sein, dass die Konzentration von CO₂ und anderer Klimagase in der Atmosphäre nicht weiter zu -, sondern abnimmt – aber nicht gegen Null, da es sonst zu einem massiven Einbruch aller biologischen Prozesse kommen würde.
Schwer ist der Erhalt des tropischen Regenwaldes dennoch. Schaut man sich die Lage in betroffenen Staaten wie Brasilien, Demokratischen Republik Kongo oder Indonesien an, wird schnell deutlich, dass eine entscheidende Voraussetzung für den Erhalt der kostbaren Ökosysteme nicht gegeben ist: das nötige Geld. Wir sind der Ansicht, dass diese finanziellen Mittel von reichen Ländern und ihren Bewohnern aufgebracht werden sollten, gemäß dem Verursacher- und Leistungsfähigkeitsprinzip. Die Finanzierung des Regenwaldschutzes ist keine Wohltätigkeit. Vielmehr sollte der Globale Norden für die ökologischen Systemdienstleistungen des Globalen Südens, etwa bei Klima und Biodiversität, diese Mittel im eigenen Interesse aufbringen. Für jeden Hektar tropischen Regenwaldes, der stehen bleibt, sollten Gelder fließen, Jahr für Jahr. Eine Kontrolle des Erhalts des Waldes und seiner Qualität mittels Satellitentechnik würde den Erfolg sichern. Der Grundsatz lautet: Geld gegen Leistung. Bereits dieses Beispiel zeigt, dass man mit finanziellen Mitteln, die im Globalen Süden eingesetzt werden, sehr viel mehr für den Klimaschutz tun kann als mit heimischen Maßnahmen. Die CO₂-Vermeidungskosten sind dramatisch günstiger als in Industrieländern wie Deutschland. Mit dem Erhalt der tropischen Regenwälder – und natürlich auch der borealen Wälder auf der Nordhalbkugel – ist es jedoch nicht getan. Als ein weiterer Schritt ist die Stärkung der Absorptionsfähigkeit der Natur notwendig. Ein Baustein dabei ist die Aufforstung degradierter Flächen in den Tropen, ein anderer die Anreicherung von Böden mit Kohlenstoff.
Entscheidend für die Klimawirkung ist, dass das Holz aus diesem Aufforstungsprogramm nicht verbrannt, sondern stofflich genutzt und am Ende seines Lebenszyklus zu Biokohle pyrolysiert und in die Böden eingebracht wird. Pyrolyse ist ein chemischer Prozess, bei dem organische Verbindungen unter weitgehendem Ausschluss von Sauerstoff zersetzt werden. Die Pyrolyse von Biomasse kann außerdem zur Erzeugung von Wärme dienen. Die entstandene Biokohle sollte dann in die Erde eingearbeitet werden, sie stellt damit eine CO₂-Senke dar, im Unterschied zur Verbrennung von Holzkohle. Die Biokohle fördert die Humusbildung, dient als Bodenverbesserer und ist auch geologisch und physikalisch stabil. Das ist besonders wichtig für ausgelaugte Böden, deren Erträge so wieder steigen. Das Potenzial ist riesig, ist doch weltweit ein Drittel der Böden degradiert.
Gas abfacken: Vereinigten Staaten, um nur einige Länder zu nennen. Das massenhafte Verbrennen „überflüssigen“ Gases gehört zum Alltag der Erdöl- und Erdgasgewinnung. Weltweit gibt es etwa 10.000 solcher Fackeln mit einer jährlichen Abgasmenge von 144 Milliarden Kubikmetern. Das entspricht den Emissionen von 200 Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor.
Da die Fackelgase etwa 95 Prozent Methan enthalten, sind die Klimaauswirkungen dieser Praxis erheblich, denn Methan ist in seiner Klimawirkung um ein Vielfaches schädlicher als CO₂, obwohl seine Verweilzeit in der Atmosphäre geringer ist. Deshalb ist es ein Skandal, wenn die Fackelgase nicht einmal verbrannt werden.
In CO₂-Äquivalenten gerechnet, verursachen die Methan-Emissionen etwa 16 Prozent der Klimawandelphänomene, die wir derzeit erleben.
Wie bei Kohlendioxid gibt es bei Methan natürliche und zusätzliche, vom Menschen verursachte Emissionen – das Verhältnis liegt heute bei etwa 40 Prozent (natürlich) und 60 Prozent (anthropogen).
Förderung und Nutzung von fossilen Energieträgern, die etwa für ein Viertel der weltweiten Methan-Emissionen verantwortlich sind.
In den Vereinigten Staaten zum Beispiel gibt es Abertausende Erdgas- und Erdölbohrungen, die Methan ausgasen. Viele davon sind verlassen.
Im Laufe dieses Jahrzehnts könnten mit verfügbarer Technik mehr als die Hälfte der Methan-Emissionen vermieden werden – ein Viertel davon ohne zusätzliche Kosten, allein durch die Erhöhung der Wirkungsgrade, das Schließen von Leckagen und die Rückgewinnung von Methan.
Während des Schiffstransports verdampft ein Teil des LNG, wobei das sogenannte Boil-off-Gas entsteht. Dieser Prozess ist physikalisch nicht zu verhindern. Kurz: Der zunehmende Einsatz von LNG führt über die gesamte Versorgungskette zu Verlusten von Methan, sei es durch Leckagen, Spülvorgänge oder ein unvollständiges Abfackeln des Boil-off-Gases.
Stickoxide, insbesondere Lachgas (N2O), stellen nach CO₂ und Methan das drittwichtigste (langlebige) Klimagas dar.
Mehr als 40 Prozent dieser Emissionen sind vom Menschen verursacht, insbesondere durch den Einsatz anorganischer und organischer Stickstoffdünger in der Landwirtschaft.
Im 5. Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wird angenommen, dass nach 1.000 Jahren lediglich 60 bis 85 Prozent des eingetragenen anthropogenen CO₂ wieder aus der Atmosphäre verschwunden sind.
Auch heute machen die fossilen Depots mit mehr als 80 Prozent den Löwenanteil bei der globalen Primärenergie aus. 14 Prozent kommen derzeit aus Erneuerbaren, davon alleine 6 Prozent aus Wasserkraft. Hinzu kommen 4 Prozent der Primärenergie aus Nuklearenergie
Energiewohlstand ist der Schlüssel für Entwicklung. Ohne die Innovationen des Industriezeitalters wäre die Menschheit in dem Engpass der Energiearmut stecken geblieben.
Im Jahr 1990 war der Anteil mit 88 Prozent noch höher. In der Zwischenzeit begann unter anderem der Ausbau der Erneuerbaren. Sind deshalb in den vergangenen gut 30 Jahren weniger fossile Energieträger gefördert worden? Nein, im Gegenteil. Seit 1990 hat der Einsatz von Fossilen noch einmal um 20 Prozent zugenommen, weil die Nachfrage nach Energie weltweit größer geworden ist
Auch bei der globalen Stromproduktion sind die Verhältnisse eindeutig: Kohle ist mit über 30 Prozent noch immer die wichtigste Ressource, gefolgt von Gas mit rund 20 Prozent. Die Nuklearenergie steht bei 10 Prozent. Bei den Erneuerbaren ist es die Wasserkraft, die etwa so viel zur globalen Stromproduktion beiträgt wie alle volatilen Erneuerbaren (Solar und Wind) und andere Erneuerbare (Biomasse, Geothermie) zusammen.
Nach einem Bericht der Internationalen Energieagentur werden für eine moderne Photovoltaikanlage doppelt so viele, für eine Onshore-Windkraftanlage sogar fast fünfmal so viele Metalle wie für ein Kohlekraftwerk gleicher Leistung benötigt. Der Aufbau regenerativer Energieleistung ist also deutlich ressourcenintensiver.
In den nächsten 20 Jahren soll sich der jährliche Kupferverbrauch auf das Eineinhalbfache erhöhen, der Verbrauch von Nickel verdreifachen, von Kobalt verfünffachen und der von Lithium soll 15-mal so hoch sein wie heute.
[siehe auch zu den Nebenwirkungen das Buch Zeitalter der Ängste: Aber fürchten wir uns vor dem Richtigen?]
Der bisher größte Batterie-Stromspeicher ist das Edwards & Sanborn Solar and Energy Storage Project in Kalifornien, das eine Kapazität von 3,3 Gigawattstunden aufweist und im Januar 2024 in Betrieb genommen wurde. Es speichert etwa zwei Tausendstel der notwendigen Energie, die benötigt wird, um Deutschland einen Tag lang mit Strom zu versorgen. Aber es geht noch größer. Für Ende der 2020er-Jahre ist in Marokko eine 20 Gigawattstunden-Batterie geplant. Das Morocco-UK Power Project ist mit einer 10,5 Gigawatt Wind- und Photovoltaik-Anlage kombiniert. Der Strom ist für den Export ins Vereinigte Königreich gedacht. Dafür wird ein leistungsfähiges Unterwasserkabel mit einer Länge von 3.800 Kilometern geplant. Die riesige Batterie soll sicherstellen, dass für mindestens 20 Stunden am Tag Strom geliefert werden kann. Die Investitionskosten alleine für den Stromspeicher liegen bei mindestens 3 Milliarden Euro. Dabei gehen wir von den heute (2024) günstigsten Batteriekosten aus, nämlich 150 Euro pro Kilowattstunde.
Heutzutage sind rund um den Globus mehr als 27.000 Großflugzeuge unterwegs. Sie tanken im Jahr etwa 300 Millionen Tonnen Treibstoff
Rund 90 Prozent des globalen Warentransports werden per Schiff abgewickelt. Auch hier gibt es zu flüssigen Treibstoffen gegenwärtig keine Alternative.
Allein der erwartete Anstieg von Lkw-Transporten in Afrika ist gigantisch. Die Fahrzeuge werden benötigt, um all die erforderlichen neuen Häuser, Städte und Straßen zu bauen und die Bevölkerung zu versorgen, die von 1,4 Milliarden Menschen im Jahr 2024 auf etwa 2,5 Milliarden 2050 anwachsen wird. Die Beispiele Flug- und Seeverkehr zeigen: Mit Strom (Elektronen) alleine ist die weltweite Energiewende nicht zu schaffen, gebraucht werden auch klimaneutrale Treibstoffe (Moleküle), und zwar in großen Mengen, nicht nur für Flugzeuge und Schiffe, sondern auch für Pkw und Lkw. Eine vollständige Elektrifizierung der globalen Fahrzeugflotte – derzeit 1,6 Milliarden, Tendenz steigend – ist eine Illusion. Von den Emissionen im Transportsektor gehen rund drei Viertel auf das Konto von Lkw und Pkw. Deshalb sind klimafreundliche Lösungen im Straßenverkehr so wichtig. Der Flug- wie auch der Schiffsverkehr verursacht weltweit jeweils etwa 10 Prozent der Emissionen im Mobilitätsbereich. Der Bahnverkehr liegt bei 1 Prozent.
Eine All-Electric-Welt ist – wie auch die vernetzte digitale Welt – sehr störanfällig und kann komplett lahmgelegt werden.
Definierte Beimischungsquoten von klimafreundlichen Bio- oder E-Fuels zu fossilen Treibstoffen sind dabei ein wichtiger und schnell wirkender Hebel, denn die Infrastruktur für Verbrennerfahrzeuge ist in wesentlichen Teilen vorhanden. Als Ersatz für fossile Treibstoffe wird man sich idealerweise auf leicht handhabbare Strategien verständigen, die möglichst geringe Anpassungen der Motorentechnik, der Raffineriestruktur und der Logistik erfordern.
Die Kalk- und Zementindustrie trägt 7 bis 8 Prozent zu den weltweiten Emissionen bei. Weltweit wurden im Jahr 2022 etwa 4,1 Milliarden Tonnen Zement produziert. Das ist etwa dreimal so viel wie im Jahr 1995, als es etwa 1,4 Milliarden Tonnen waren. In nur zwei Jahren – 2018 und 2019 – produzierte China allein so viel Zement wie die Vereinigten Staaten im gesamten 20. Jahrhundert.
Innerhalb von 40 Jahren stieg der Anteil der Stadtbevölkerung Chinas von 18 auf fast 60 Prozent. Hunderte Millionen zogen vom Land in die Stadt, es ist die größte und schnellste Urbanisierung in der Geschichte.
Schätzungen gehen dahin, dass während jedem der nächsten drei Jahrzehnte in Afrika so viele Gebäude und Infrastrukturen errichtet werden wie in Europa im ganzen letzten Jahrhundert, und das meiste davon wird nicht aus Holz gebaut werden, sondern aus Stein, Stahl und Beton.
Selbstverständlich kann man so den Betonbau ressourceneffizienter gestalten. Und trotzdem: Die CO₂-Emissionen von etwa 600 Kilogramm CO₂ pro Tonne Zement, die bei der Betonproduktion anfallen, sind zum überwiegenden Teil unvermeidbar, weil prozessbedingt. Deshalb führt an Carbon Capture kein Weg vorbei. CO₂ abscheiden und entsorgen oder weiter nutzen ist die wichtigste Maßnahme, um bei der Herstellung von Beton die Emissionen zu senken.
Vaclav Smil führt in seinem Buch „Wie die Welt wirklich funktioniert“ die vier bezüglich ihres Volumens wichtigsten Materialien auf, ohne die die moderne Zivilisation nicht möglich wäre. Alle vier benötigen sehr viel Energie, nicht nur elektrische in Form von Elektronen, sondern auch chemisch gebundene Energie in Molekülform. Beton mit rund 4 Milliarden Tonnen Jahresproduktion steht dabei an erster Stelle. Es folgen Stahl mit fast 2 Milliarden Tonnen, Kunststoffe mit etwa 850 Millionen Tonnen und Ammoniak mit rund 350 Millionen Tonnen.
Ohne synthetisch produziertes Ammoniak und damit Kunstdünger könnte man die Hälfte der heute lebenden 8 Milliarden Menschen nicht mit Nahrungsmitteln versorgen, betont Smil. Er spricht vom „Gas, das die Welt ernährt“. Wobei heute mehr als die Hälfte des Kunstdüngers nach Asien geht, ein Viertel nach Europa und Nordamerika, nur 5 Prozent werden in Afrika eingesetzt, dem Kontinent mit der am schnellsten wachsenden Bevölkerung.
Carbon Capture keine neue Erfindung. Rund 30 Projekte sind weltweit in Betrieb. Die mit Abstand meisten befinden sich in den Vereinigten Staaten und Kanada. Seit Jahrzehnten wird dort CO₂ in großen Mengen gewonnen und in Lagerstätten von Öl und Gas verpresst, um sie besser auszunutzen (Enhanced Oil / Gas Recovery).
Carbon Capture setzt allerdings große Industrieanlagen und eine ausreichende Infrastruktur voraus
Vattenfall nahm 2008 die erste CO₂-Abscheideanlage im Industriepark Schwarze Pumpe in Brandenburg in Betrieb. Deutschland war damals in der Technologie führend. Bis 2020 sollte die Technik serienreif sein. Im selben Jahr plante RWE, CCS in einem Kohlekraftwerk in Hürth bei Köln einzusetzen. Über eine Pipeline sollte das Gas nach Schleswig-Holstein transportiert und dort verpresst werden. Aber die deutschen Pioniere wurden von Klimaaktivisten ausgebremst. Das Argument: Durch CCS werde die Kohleförderung nur verlängert (Lockin-Effekt).
Das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz von 2012 machte die Endlagerung von CO₂ auf deutschem Boden – auch auf dem Meeresboden – praktisch unmöglich. Auch der CO₂-Transport wurde verboten. Das Know-how in Deutschland ging verloren und wanderte ins Ausland ab, vor allem nach Skandinavien.
Derzeit werden weltweit rund 40 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr abgeschieden. Im Verhältnis zu den vielen Milliarden CO₂-Emissionen jährlich, die nicht von Wäldern oder Ozeanen absorbiert werden, ist der abgeschiedene Anteil allerdings verschwindend gering.
Viele Menschen denken, dass die Energiewende einen vollständigen Ausstieg aus Kohle, Gas und Öl bedeutet und die Erneuerbaren, vor allem Solar- und Windenergie, Schritt für Schritt die Energieversorgung übernehmen werden, allein und endgültig. Das ist für die absehbare Zukunft eine Illusion. Vor allem, weil 80 Prozent der weltweit genutzten Primärenergie noch immer aus fossilen Quellen stammen. Eine globale Energiewende, die diese 80 Prozent in kurzer Zeit durch Wind- und Sonnenenergie ersetzen und die steigende Energienachfrage decken könnte, ist undenkbar.
Vaclav Smil weist immer wieder darauf hin, dass es viele Jahrzehnte gedauert hat, in denen sich die Prozesse der Energiewirtschaft sowie die Produktions- und Lieferketten der Massengüter wie Beton, Stahl und Chemie auf Grundlage von Kohle, Gas und Öl entwickelt haben – und dass es ebenfalls lange Zeit brauchen wird, um die Kraftwerke, die Industrieanlagen, die Transport- und Logistiksysteme letzten Endes klimaneutral zu stellen.
Die Wirkungsgradverluste beim Einsatz von CCS sind jedoch erheblich. Im kanadischen Bundesstaat Saskatchewan steht das 530-Megawatt-Kohlekraftwerk Boundary Dam. Im Jahr 2014 wurde einer der Kraftwerksblöcke (120 Megawatt) mit einer Carbon-Capture-Anlage ausgestattet – eine große Investition, ausgelöst durch verschärfte kanadische Umweltgesetze. Mittlerweile werden 90 Prozent des Klimagases an diesem Block abgefangen. Seit Inbetriebnahme sind es mehr als 4 Millionen Tonnen CO₂. Carbon Capture kostet allerdings Energie. Von den 120 Megawatt Gesamtleistung erfordern die Gaswäsche, die Regeneration des Absorptionsmittels und die Kompression des abgefangenen CO₂ rund 35 Megawatt. Also etwas mehr als 25 Prozent der Leistung. Der Transport und die Verpressung des Klimagases sind dabei noch nicht eingerechnet. Das CO₂ geht anschließend in kanadische Ölfelder, um die Produktion zu unterstützen. Die Wirkungsgradverluste sind bei Gaskraftwerken übrigens deutlich geringer. Bei gleicher Leistung emittiert ein Gaskraftwerk nur etwa halb so viel CO₂ wie ein Kohlekraftwerk. Folglich muss weniger CO₂ abgefangen, abtransportiert und gespeichert werden.
Konventionelle Kraftwerke haben einen Wirkungsgrad zwischen 35 und in der Spitze 60 Prozent. Durch das Abfangen von CO₂ sinkt er um 5 bis 10 Prozentpunkte.
Um dieselbe Leistung, die vom Kraftwerk ins Netz abgegeben wird, zu erzeugen, müssen mit Carbon Capture mehr fossile Energieträger verbrannt werden als ohne, sofern der zusätzliche Energiebedarf nicht über erneuerbare Energien abgedeckt werden kann.
CO₂ kann per Pipeline, Lkw, Bahn oder Schiff transportiert werden. Bis zu einer Entfernung von etwa 1.800 Kilometern ist der Bau von Pipelines trotz anfänglich hoher Investitionskosten günstiger als der Schiffstransport. Bei Schiffen ist der Transportraum begrenzt, das CO₂ wird stärker komprimiert und schließlich verflüssigt. Der Seetransport kann auf die Anforderungen des Marktes jedoch flexibler reagieren als ein fest verbautes Pipelinenetz. Anders als bei Erdgas gibt es beim Transport von CO₂ keine Risiken, die durch Feuer oder Explosionen auftreten können. Bislang ist eine CO₂-Transportinfrastruktur kaum vorhanden, Ausnahmen bilden die Vereinigten Staaten und Kanada. Hier gibt es ein CO₂-Pipelinenetz von über 8.000 Kilometern Länge.
Die G7-Länder haben sich darauf verständigt, bis 2035 aus der Kohle auszusteigen. Weltweit nimmt die Kohlenutzung aber zu: Laut Global Energy Monitor wurden 2023 an Kohlekraftwerkskapazitäten 69,5 Gigawatt in Betrieb genommen, 21 Gigawatt stillgelegt. Die meisten neuen Kohlekraftwerke wurden in China gebaut
Weltweit sind aktuell 2.130 Gigawatt installierte Leistung in Betrieb. Weitere 578 Gigawatt sind in Entwicklung.
Der Anstieg der fossilen CO₂-Emissionen wird also weitergehen, wenn nicht neue technologische Lösungen so eingesetzt werden, dass die Kraftwerke emissionsfrei betrieben werden. Dies gilt umso mehr, als ein Großteil der heute installierten Kapazitäten zwischen null und 19 Jahren alt ist und angesichts der üblichen Laufzeit der Kraftwerke von mindestens 40 Jahren noch Jahrzehnte in Betrieb sein wird.
Kohle deckt etwa 40 Prozent des Energiebedarfs der Industrie. Vor allem in der Metallurgie, insbesondere bei der Stahlproduktion. Neben der Rolle als Energielieferant hat Kohle beziehungsweise der daraus gewonnene Koks eine weitere wichtige Funktion, nämlich während der Herstellung von Roheisen Sauerstoff zu entfernen. Wo wirtschaftliches Wachstum durch den Ausbau der Infrastruktur getrieben wird und in der Folge eine erhöhte Nachfrage nach Energie entsteht, wächst der Einsatz von Kohle besonders stark.
Die weltweit ausgestoßenen CO₂-Mengen aus dem energienahen Bereich betragen etwa 39 Milliarden Tonnen pro Jahr. Hinzu kommen etwa 14 Milliarden Tonnen CO₂ eq anderer Treibhausgase wie Methan. Natürliche Puffer wie Ozeane oder Wälder speichern zugleich rund 20 Milliarden Tonnen CO₂ pro Jahr und helfen uns so bei der Bekämpfung des Klimaproblems. Von den 39 Milliarden Tonnen im energienahen Bereich wird derzeit nur etwas über 1 Prozent abgeschieden und eingelagert. Bei den Schwergewichten der globalen Emissionen liegen die Kohlekraftwerke, und hier vor allem die Anlagen in China und Indien weit vorne – sie sind der Elefant im Raum (über den man nicht spricht).
Der Weg folgt dem Motto „Umbau statt Abriss“, so wie es in der Technikgeschichte immer war. Eine Transformation, in der ein ganz neues Energiesystem aus dem Boden gestampft wurde, hat es noch nie gegeben.
Würde man die gesamte fossile Energie für Europa (17.100 Terawattstunden) mit Windenergie bereitstellen, müssten 2,6 Millionen Windräder mit einer Kapazität von 2,5 Megawatt gebaut werden. Würde man diese Energie mit Photovoltaik gewinnen, benötigte man die Fläche Rumäniens.
Wenn Wind- und Sonnenenergie mehr als 50 Prozent im Stromnetz abdecken, wird das Handling der Volatilität immer kritischer – und vor allem wird es immer teurer. Ein Stromsystem auf zwei Säulen, sowohl mit volatilen Erneuerbaren als auch mit zuverlässig steuerbaren Elementen, ist die viel klügere Wahl.
Das eigentliche Thema ist eine klimaneutrale (oder CO₂-arme) Energiebereitstellung zu erträglichen Kosten und bei ausreichender Energiesicherheit.
Häufig geht es darum, die eigenen wirtschaftlichen Ziele zu erreichen und den eigenen Vorteil zu maximieren. Das gilt für existierende genauso wie für aufstrebende Wirtschaftssektoren und die jeweils involvierten Akteure.
Sustainable Development Goals (SDG 7) „Bezahlbare und saubere Energie“, setzt dort an.
Die All-Electric-Philosophie hat vor allem in Deutschland viele Anhänger gefunden. Ihre Verbreitung wird orchestriert von Stiftungen und Thinktanks wie der Stiftung Klimaneutralität, der Agora Energiewende und der Agora Verkehrswende. Der ZEIT-Journalist Claas Tatje hat recherchiert, wie Aktivisten im Zusammenspiel mit milliardenschweren Stiftungen, etwa der US-amerikanischen Hewlett Foundation, über Jahre ein Netzwerk aufgebaut haben, das in Deutschland zur Gründung der Agora Energiewende geführt hat. Der Thinktank hat direkten Einfluss auf das Bundesumwelt- und das Bundeswirtschaftsministerium, die Verbindungen sind teilweise so eng, dass das Personal zwischen den Organisationen hin und her wechselt.
Der einzig mögliche Weg ist die chemische Speicherung von Strom unter Zuhilfenahme von Wasserstoff, einschließlich seiner Derivate: flüssige Energieträger wie Methanol oder Ammoniak (Power to X). Der Weg ist zwar ineffizient – rund zwei Drittel der eingesetzten Energie gehen dabei verloren –, aber er ist möglich. Wenn die Produktionsanlagen an günstigen Standorten stehen, etwa in den Wüsten dieser Welt, relativiert sich das Effizienzproblem. Letztlich kommt es darauf an, ob die Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen auf dem Markt angeboten werden kann.
Pro Kilogramm liefert Wasserstoff beispielsweise mehr als doppelt so viel Energie wie Methan (gravimetrische Energiedichte). Weil er aber so leicht ist, ist die Energieausbeute bei normalem Druck pro Kubikmeter sehr gering (volumetrische Energiedichte).
Im Jahr 2023 wurden weltweit Wasser-Elektrolyseure mit einer Kapazität von deutlich weniger als einem Gigawatt Leistung betrieben und nur deutlich weniger als ein Promille des weltweit erzeugten Wasserstoffs mit dieser Technologie erzeugt.
Der Flaschenhals bei der Massenproduktion von grünem Wasserstoff liegt damit bei der Elektrolyse. Bisher werden Elektrolyseure noch weitgehend per Hand montiert, das ist mühsam und langwierig. Eine automatisierte Fertigungstechnik muss in weiten Teilen noch entwickelt werden.
Derzeit beträgt die weltweite Produktionskapazität zur Herstellung von neuen Elektrolyseanlagen etwa 6 bis 8 Gigawatt Elektrolyseleistung pro Jahr. Verschiedene Staaten nennen Ziele für den Aufbau von Wasserstoff-Elektrolyseleistung. Die Europäische Union erwartet 20 Gigawatt installierte Leistung bis 2030, davon 10 Gigawatt in Deutschland.
Das Angebot an Elektrolyse-Wasserstoff wird bis 2050 viel zu knapp sein, um ein weltweites, vollständig strombasiertes Energiesystem zu ermöglichen. Anders ausgedrückt: Der Weg zu Net-Zero allein auf Basis von Sonnen- und Windenergie sowie Elektrolyse-Wasserstoff ist für die absehbare Zukunft nicht gangbar. All Electric funktioniert nicht, schon allein aus technischen Gründen.
Aus Sicht der ärmeren Länder stellt sich die Sache so dar: Wohlstandsentwicklung ist das vordringliche Ziel, Umweltfragen kommen später. Was das bedeutet, zeigt exemplarisch der rasante Aufstieg Chinas. Innerhalb weniger Jahrzehnte hat das Land viele 100 Millionen Chinesen aus der Armut geführt und baut nun seinen Status als Supermacht weiter aus. Fossile Energieträger, vor allem Kohle, waren und sind die energetische Grundlage für diese Entwicklung. In der Folge ist China weltweit zum größten CO₂-Emittenten geworden.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Industrieländer viele technische und zivilisatorische Errungenschaften geschaffen haben, die die Entwicklungs- und Schwellenländer heute wie selbstverständlich nutzen.
Rechtlich unverbindliche 17 Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG): Leider ist die Weltgemeinschaft meilenweit davon entfernt, die Nachhaltigkeitsziele Realität werden zu lassen. Bei Lichte betrachtet, wird die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit immer größer. Eine der Ursachen ist die wachsende Weltbevölkerung. Auch das nachvollziehbare weltweite Streben nach Wohlstand verschärft die Schwierigkeiten auf der Umwelt- und Klimaseite. Ein weiterer Grund für die sich abzeichnende Nichtumsetzung der Agenda 2030 ist der unzureichende Technologietransfer von Nord nach Süd.
Vielfach wird so getan, als könne man die formulierten Ziele – etwa das 2-Grad-Ziel – als Ersatz für bindende Handlungszusagen verwenden. Mit der Realität hat das leider wenig zu tun. Das Pariser Abkommen ist völkerrechtlich in keiner Weise bindend. Werden Zusagen nicht eingehalten, hat das keinerlei Konsequenzen. Es ist sogar möglich, aus dem Abkommen auszutreten, wie unter US-Präsident Donald Trump geschehen, um später wieder beizutreten, wie es sein Amtsnachfolger Joe Biden entschied.
Hinzu kommt, dass selbst dann, wenn alle freiwilligen Zusagen der Staaten eingehalten würden, das 2-Grad-Ziel nicht erreicht werden könnte, geschweige denn das 1,5-Grad-Ziel. Die Zusagen sind dafür nicht ausreichend, ihre Einhaltung würde gemäß Weltklimarat (IPPC) zu einer Erwärmung von bis zu 2,8 ° C führen.
In Summe sind die Einsparungen in den Industrieländern kleiner als die Zuwächse in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Betrachtet man die Nationally Determined Contributions (NDCs), der Entwicklungsländer, ist ein Ende dieser Entwicklung bestenfalls 2030 zu erwarten. Außerdem sind die NDCs der Entwicklungsländer an finanzielle Bedingungen geknüpft. Alleine Kenia fordert gut 50 Milliarden US-Dollar externe Finanzierung, wenn es seinen NDC-Beitrag einhalten soll.
Weil die Bevölkerung in den armen Ländern wächst, wächst dort auch die Wirtschaft. Es entstehen neue Städte, neue Straßen und eine neue Infrastruktur. Vordringliches Ziel der Länder ist Wohlstandsaufbau, nicht die Vermeidung von CO₂-Emissionen.
Wir haben die Staaten der Welt modellhaft in drei Gruppen eingeteilt:
- Die erste Gruppe nennen wir „Challenge-Gruppe“. Mit 128 Staaten steht sie für die Entwicklungs- und Schwellenländer, darunter auch die ärmsten Staaten der Welt. „Challenge“ bezieht sich auf alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit: die Ökologie, die Ökonomie und den sozialen Bereich.
- Die zweite Gruppe nennen wir „China-Club“. Zu ihr gehören aufstrebende Länder, die einen zentralen Einfluss auf die Zukunft der Welt haben. Dazu zählt vor allem China, aber auch Russland und Saudi-Arabien gehören dazu. In Summe sind es zehn Staaten.
- Die dritte Gruppe besteht aus der wohlhabenden OECD mit ihren 38 Mitgliedsstaaten und weiteren Länder mit ähnlichen Gegebenheiten. Diese Staaten bilden die von uns „erweiterte OECD“ genannte Gruppe. Insgesamt umfasst diese Gruppe 47 Staaten.
Hinzu kommen weitere Staaten, die ebenfalls reich an Kohle, Gas und Öl sind und für die diese Energieträger eine zentrale Grundlage ihrer Existenz und Finanzierung darstellen. Diese staatlichen Einheiten sind Bahrain, Hongkong (gehört zu China), Kuwait, Macao (gehört zu China), Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie bilden im Rahmen der Referenzlösung den sogenannten China-Club.
Ohne Kooperation mit den Staaten des China-Clubs werden die Klima- und Energieprobleme der Welt nicht zu lösen sein. Diese Staaten vertreten vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlich-kulturellen Vorstellungen und ihrer Zukunftspläne im Energiebereich häufig andere Positionen als Teile der erweiterten OECD. Die Länder des China-Clubs werden ihre eigenen Entscheidungen treffen, das gilt auch für Energie- und Klimafragen.
4R Framework steht: „Reduce, Reuse, Recycle and Remove“.
China ist der größte Energieverbraucher der Welt und beansprucht parallel dazu weiter seinen Status als Entwicklungsland. Dies erlaubt dem Land, seine CO₂-Emissionen noch bis 2030 zu steigern, wovon es Gebrauch machen wird. China verfolgt im Klimabereich viele parallele Ansätze, ist aber zugleich mit großem Abstand der größte Verbraucher und Produzent von Kohle, gefolgt von Indien. Zusammen nutzen beide Länder etwa 80 Prozent der weltweit eingesetzten Kohle.
China und Russland, an denen sich aktuell weite Teile der Welt orientieren, werden bei der Wahl ihrer Mittel kaum Vorschriften des Westens akzeptieren. Wie auch im Fall der erweiterten OECD ist damit die Einflussmöglichkeit in Form von Vorgaben jeglicher Art in diesen Ländern eher gering.
In Afrika ist die Lage besonders dramatisch. In 30 Jahren wird sich die dortige Bevölkerung von 1,2 Milliarden auf 2,4 Milliarden verdoppeln. In jedem der nächsten drei Jahrzehnte wird in Afrika so viel gebaut werden wie in Europa im letzten Jahrhundert.
Dabei geht es in der Challenge-Gruppe im Jahr 2025 um 5 Milliarden, aus denen bis 2050 7 Milliarden Menschen geworden sein werden. Die reiche Welt und die zwei nicht-westlichen Großmächte, China und Russland, fallen mit einer Gesamtbevölkerung von etwa 3 Milliarden Menschen immer weniger ins Gewicht. Die Zielkonflikte zwischen Ökologie, Ökonomie und dem sozialen Sektor treten besonders dort auf, wo begründet hohe Wohlstandserwartungen für viele Menschen potenziell zu hohen Emissionen und damit zu einem nochmals beschleunigten Klimawandel führen.
Der Eispanzer auf Grönland ist mindestens 18 Millionen Jahren alt und stellenweise 3 Kilometer stark. Sollte er komplett abschmelzen, würde der Meeresspiegel um mehr als 7 Meter steigen, und das ist keine reine Theorie mehr. Die Gletscher verfallen seit Jahren, wobei jede Menge Methan freigesetzt wird.
Durch den Klimawandel wird die Arktis zum geopolitischen Hotspot, denn die Erwärmung verbessert den Zugang zu natürlichen Ressourcen, und für die Schifffahrt tun sich neue Handelsrouten auf.
Das neue Eldorado der Rohstoffjäger aber ist Grönland. Hier lagern Zink, Blei, Kupfer, Gold und ebenfalls Seltene Erden – vieles, was man für die Technik der Erneuerbaren braucht. Sämtliche Anliegerstaaten der Region erwarten steigende Gewinne durch den Abbau dieser Ressourcen.
Die afrikanische Bevölkerung wird sich bis 2050 verdoppeln, von heute 1,2 Milliarden auf dann 2,4 Milliarden, und damit ist das Ende des Wachstums nicht erreicht. Eine Vervierfachung der Bevölkerung auf dem afrikanischen Kontinent bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ist möglich, wenn der Wohlstand weiter auf sich warten lässt. Auch die Zahl der gescheiterten Staaten könnte weiter zunehmen. Für mehr Menschen muss mehr gebaut werden – neue Millionenstädte, Straßen, Eisenbahnlinien, Kraftwerke –, damit gehen große Flächen fruchtbaren Bodens verloren. Nigeria wird in der Mitte des Jahrhunderts mit 400 Millionen Menschen das drittbevölkerungsreichste Land der Welt sein, hinter Indien und China und vor den Vereinigten Staaten. In den Ländern des Globalen Nordens dagegen wird die Anzahl der Menschen ohne Migration im Wesentlichen stagnieren. Die globale Bevölkerung wird sich von heute mehr als 8 Milliarden auf mindestens 10 Milliarden vergrößern, ein Plus von 25 Prozent. Indien hat China im Jahr 2023 als bevölkerungsreichstes Land abgelöst und wird von derzeit 1,4 Milliarden Menschen auf 1,7 Milliarden im Jahr 2050 wachsen. Auch zukünftig werden Milliarden Menschen nach höherem Wohlstand streben. Die globale Mittelschicht wird sich verbreitern. Das zeigt sich vielleicht nirgendwo so deutlich wie im internationalen Flugverkehr. Von einem deutlichen Anstieg der weltweiten Wirtschaftsleistung ist auszugehen und damit auch von einem höheren Energiebedarf. Nicht zuletzt werden auch die CO₂-Emissionen weiter ansteigen, vor allem in den ärmsten Ländern – ganz im Einklang mit der Logik des Pariser Klimaschutzabkommens
Aus grundsätzlichen Überlegungen sind drei Zukunftsvisionen möglich, die wir bereits in früheren Büchern dargestellt haben.
- Die erste ist ein Kollaps, welcher dem Zusammenbruch der ökologischen Trägersysteme entspricht, einschließlich einer Klimakatastrophe. Dies würde wohl nicht zum Untergang der Menschheit führen, dafür ist unsere Gattung zu zäh, aber zu sehr vielen Opfern und zur Zerstörung unserer bisherigen Zivilisation.
- Die zweite Zukunftsvision ist eine Ökodiktatur. Dabei bleiben die ökologischen Systemgrenzen im Wesentlichen stabil, aber zulasten des sozialen Ausgleichs und der Balance der Kulturen. Eine kleine Elite setzt regulierte Märkte durch und mauert sich in Wohlstandsoasen ein, während die breite Masse, auch in den heute entwickelten Ländern, unter mehr oder weniger schwierigen Umständen weiterexistiert. Vermutlich ist dann der Widerstand der Bevölkerung gegenüber dem asymmetrischen Entwicklungsmuster hoch, bis hin zu Bürgerkriegen und Terror.
- Die dritte Zukunftsvision ist ein insgesamt positiver Entwicklungspfad einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft – eines Wirtschaftssystems, das Markt und Wettbewerb sowie Nachhaltigkeitsanliegen vereint.
Innovation und Technologie sind notwendige Voraussetzungen für Wohlstand und Wachstum, das hat die Geschichte eindrucksvoll gezeigt. In einem marktwirtschaftlichen System werden keine technologischen Wege vorgeschrieben, sondern Zielvorgaben formuliert. Zur Erreichung dieser Ziele sollen dann in einem technologieoffenen Wettbewerb die besten Lösungen gefunden werden. Dabei ist nicht garantiert, dass die „richtigen“ Lösungen immer rechtzeitig gefunden werden. Gelingt das nicht, sinkt der Wohlstand – auch im Rahmen einer ökologisch-sozialen Marktwirtschaft. Eine neue Technologie kann jedoch auch neue Schwierigkeiten hervorrufen. Durch unbeabsichtigte Nebenwirkungen können Probleme entstehen, die möglicherweise noch größer sind als die, die durch die Technik gelöst werden sollten – der Rebound-Effekt tritt ein
Realismus ist das Gebot eines jeden seriösen Vorschlags. Dazu zählt auch eine realistische Einschätzung von Zeiträumen. Wenn China, das für fast ein Drittel der weltweiten CO₂-Emissionen verantwortlich ist, Net-Zero bis 2060 angekündigt hat, und wenn Indien als drittgrößter CO₂-Emittent hinter den Vereinigten Staaten Net-Zero für 2070 in Aussicht stellt, dann ist eine globale Klimaneutralität bis 2050 wenig realistisch. Ähnlich ist es mit dem 2-Grad-Ziel. Es ist durchaus möglich, dass es der Welt nicht gelingen wird, dieses Ziel zu erreichen.
Zum Realismus gehören auch umfangreiche Überlegungen zur Finanzierung einer eventuellen Lösung. Sie muss von der Weltgemeinschaft als machbar eingeschätzt werden.
Zahlungen sollten nur dann geleistet werden, wenn die messbaren Leistungen in den Ländern des Globalen Südens nachweislich erbracht und zudem die vereinbarten Wirkungen erzielt werden.
Nicht in Deutschland, nicht in Europa, nicht in den OECD-Ländern, nicht in den Vereinigten Staaten und auch nicht in aufstrebenden Ländern wie China oder Saudi-Arabien wird die Klimafrage entschieden. Die großen Herausforderungen warten in den weiteren Entwicklungs- und Schwellenländern. Falls ihnen kein Armutsregime aufgezwungen wird, werden dort die Wachstumssprünge der nächsten Jahrzehnte stattfinden: demografisch, wirtschaftlich und energetisch.
Der Untergrund von Island besteht überwiegend aus Basaltgestein. Dorthinein wird das CO₂ verpresst, Hunderte Meter tief. Es mineralisiert dort unten und verwandelt sich in wenigen Monaten zu Stein. Die Technik gilt als sehr sicher.
Direct Air Capture (DAC) ist derzeit die mit Abstand teuerste Methode, CO₂ abzufangen, was entscheidend daran liegt, dass das Klimagas in der Atmosphäre in äußerst geringer Konzentration vorliegt, nämlich nur zu 0,04 Prozent (s. Kap. 1.2). Man muss schon viel Luft ansaugen und filtern, um auf größere Mengen CO₂ zu kommen. Der Aufwand ist also hoch, das gilt vor allem für die benötigte Prozessenergie. Zum Vergleich: Im Abgasstrom von Zementwerken liegt der Anteil von CO₂ bei 20 Prozent und mehr – ein Verhältnis von 1: 5000, das ist eine ganz andere Welt.
Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass es eine einfache Lösung für die Klimafrage gibt, eine „Silver Bullet“, ist nicht in Sicht. Vielmehr wird die Menschheit alle sinnvollen Instrumente gleichzeitig benötigen, um der Klimakrise zu begegnen.
International Energy Agency (IEA). Die Agentur wurde nach der Ölkrise 1974 gegründet. Sie hat 31 Mitgliedsländer, unter anderem Deutschland, die Vereinigten Staaten, Frankreich und Japan, allesamt wohlhabende Länder. Hinzu kommen elf assoziierte Länder. Weder Russland noch Länder des Nahen Ostens noch Mitglieder der OPEC gehören dazu.
Eine weitere Vergleichsstudie ist die der International Renewable Energy Agency (IRENA), eine in Abu Dhabi beheimatete Organisation, deren Ziel die Förderung erneuerbarer Energien ist. IRENA hat derzeit 168 Mitgliedsländer und weitere 14 Beitrittskandidaten.
Heute steuert Strom global betrachtet rund 20 Prozent der Endenergie bei. Bis zur Mitte des Jahrhunderts sehen die meisten Modelle eine Steigerung auf rund 50 Prozent vor, das wäre ein großer Schritt.
Der entscheidende Unterschied zwischen dem historischen Marshall-Plan und dem Anschub der Entwicklung im Globalen Süden ist jedoch ein anderer. Deutschland befand sich 1945 – trotz Krieg – bezüglich seiner industriellen Produktionskapazität auf dem Höhepunkt seiner Möglichkeiten. Es gab eine vergleichsweise große, gut ausgebildete Bevölkerung. Erfahrungen mit industriellen Prozessen waren vorhanden, und es war offensichtlich, wie der Wiederaufbau verlaufen sollte. Deswegen sind die großen Erfolge des historischen Marshall-Plans in Deutschland und Westeuropa nicht so überraschend, wie manche meinen. In vielen Entwicklungsländern dagegen sind die Voraussetzungen für eine Industrialisierung heute deutlich schlechter. Das beginnt mit dem eher schwachen Ausbildungsstand der Bevölkerung, außerdem fehlt oft ein funktionierendes Rechtssystem. Zudem gibt es Probleme mit der Governance, da die staatlichen Strukturen häufig zu schwach sind, um Korruption und Nepotismus zu unterbinden. Hinzu kommt die oft schlechte Infrastruktur. Will man in der Zusammenarbeit zwischen Arm und Reich etwas bewirken, ist eine substanzielle Querfinanzierung unabdingbar – anders geht es nicht (s. Kap. 3.2). Bei der deutschen Wiedervereinigung waren die Pro-Kopf-Ausgaben noch deutlich höher als beim historischen Marshall-Plan. Von 1990 bis 2015 beliefen sich die Transferzahlungen von den alten an die neuen Bundesländer in der Summe auf mindestens 1,5 Billionen Euro. Dabei handelte es sich weit überwiegend um Sozialtransferleistungen. Die Investitions- und Aufbaukosten lagen bei „nur“ etwa 300 Milliarden Euro. Jährlich hat jeder Bürger in Ostdeutschland rechnerisch rund 4.000 Euro erhalten – dieser Betrag ist konservativ gerechnet.
- Maßnahmenpaket 1 – der Erhalt der Regenwälder (s. Kap. 1.1): In den letzten Jahren gingen im Mittel 10 Millionen Hektar Wald pro Jahr verloren, 173 darunter etwa 4 Millionen Hektar tropische Regenwälder. Gut 10 Prozent der weltweiten Emissionen gehen auf Entwaldung zurück. Es scheint so zu sein, dass es im Globalen Norden viele „Umweltbewegte“ gibt, die Geldtransfers in den Globalen Süden für den Klimaschutz ablehnen. Sie wollen vielmehr, dass das gesamte Geld im Norden bleibt und für heimische grüne Projekte eingesetzt wird, egal, wie ineffizient sie sind. Wichtiger als die Klimawirkung ist, dass das Geld in die eigenen Taschen fließt. Klimaschutz ist für viele längst ein Geschäftsmodell, das es abzusichern gilt. In Summe erscheint ein Betrag von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr notwendig, wenn alle heute noch existierenden Regenwaldflächen mit der vorgeschlagenen Finanzierungsmethode erhalten werden sollen.
- Maßnahmenpaket 2 – ein Gigaprogramm zur Aufforstung und Restaurierung von Böden in den Tropen: Wir schlagen vor, auf 1 Milliarde Hektar degradierte Böden aufzuforsten.
- Maßnahmenpaket 3 – der Aufbau von Kurzumtriebsplantagen: Diese werden für die Produktion von Holz und Biomasse angelegt. Hier werden schnell wachsende Arten angebaut, die in kurzer Zeit große Erntemengen liefern.
- Maßnahmenpaket 4 – die Beseitigung technischer Methan-Leckagen: Es geht um Emissionen von derzeit jährlich etwa 600 Millionen Tonnen, davon etwa 370 Millionen Tonnen aus anthropogenen Quellen. Die Methan-Emissionen alleine machen 16 Prozent der globalen Treibhausgaswirkung aus. Die geschätzten Vermeidungskosten liegen bei 600 US-Dollar pro Tonne Methan. Wegen der hohen Klimawirksamkeit des Gases ist das relativ preiswert. Unter dem Strich beträgt der Preis für die Vermeidung von Kohlendioxidäquivalenten etwa 20 bis 30 US-Dollar pro Tonne.
- Maßnahmenpaket 5 – die Kofinanzierung transnationaler Energieinfrastrukturen: Mit diesem Programm sollen Pipelines und Übertragungsnetze finanziert werden, die für ein leistungsfähiges Energiesystem notwendig sind.
- Maßnahmenpaket 6 – die Übernahme der Differenzkosten bei Carbon Capture: Unterstellt man, dass der Energiebedarf der Challenge-Länder bis 2050 auf das Zweieinhalbfache steigt und dass ein erheblicher Teil der Energie auch zukünftig fossil gedeckt wird und Carbon Capture erfordert, entsteht ein Gespür für die Größenordnungen: Unsere Kalkulationen gehen im Mittel von zusätzlichen 6 Milliarden Tonnen CO₂ jährlich aus. Pro Tonne fallen etwa 100 US-Dollar an, sei es für Carbon-Capture-Maßnahmen und durch den vermehrten Einsatz von Gas statt Kohle bei der Stromerzeugung.
- Maßnahmenpaket 7 – die Überarbeitung der Klimaschutzziele der Challenge-Länder: Die Länder der Challenge-Gruppe müssen dafür gewonnen werden, ihre CO₂-Emissionen trotz eines erheblichen BIP-Wachstums überschaubar zu halten und auf Dauer deutlich abzusenken.
Stand heute müssen Billionen US-Dollar aus den Industrieländern in die Länder des Globalen Südens fließen, um die Ziele dort zu erreichen. Transaktionen dieses Umfangs sind bisher in der internationalen Zusammenarbeit noch nie gelungen. Sollte es bei diesem Status quo bleiben, werden die konditionierten NDCs wegen der Vorbedingungen nicht umgesetzt werden und jegliche Klimaziele unerreichbar bleiben.
Eine falsch aufgesetzte Energiewende in Deutschland und Europa – Klimanationalismus – ist deutlich teurer als globaler Klimaschutz, denn die Vermeidungskosten von CO₂ in industrialisierten Ländern sind um ein Vielfaches höher als im Globalen Süden. Die Schweiz nimmt heute schon einen Teil ihrer Klimasteuer und setze sie in Costa Rica für Aufforstung ein. Arbeitet man international klug zusammen, ist das sehr viel preiswerter als die aktuelle Klimapolitik im Lande – die außerdem das Klimaproblem nicht löst!
In einer Welt im Umbruch wird Vertrauen eine starke Währung sein, gerade weil die Klima- und Energieprobleme sich nur in globaler Kooperation lösen lassen. Das wird schwer genug. Bei aller Unsicherheit ist eines klar: Das Wachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern wird kommen – so oder so. Dafür sorgt allein schon die steigende Anzahl der Menschen.
Mehr Menschen bedeutet mehr Wirtschaftswachstum, und die Ansprüche steigen mit. In (fast) jedem afrikanischen Dorf gibt es mittlerweile Handyempfang. Das steigert Erwartungen und erlaubt Vergleiche. Leider mangelt es sehr vielen jungen Menschen im ländlichen Afrika an einer beruflichen Perspektive. Oft bleibt es dann beim Ziegenhirten, aber auch Ziegenhirten haben heute Handys. Sie wissen also, was gespielt wird in der Welt. Sie sehen es täglich in den Videos der Social Media und den Werbeblöcken der großen Sportereignisse: Anzeigen für luxuriöse Hotels, schnelle Autos und edle Parfüms.
Mittlerweile weiß man auch, wodurch das Fortpflanzungsverhalten der Menschen beeinflusst wird. Zwei Dinge sind entscheidend: materieller Wohlstand und Bildung.
Ob es gelingt, die erforderlichen Mittel zu mobilisieren, wird über die Lösung oder Nicht-Lösung der Klimafrage entscheiden.
Nachhaltigkeit wird nicht ohne massive Querfinanzierung erreicht werden können. Aus systemischen Gründen muss – unter klar vereinbarten Regeln – viel Geld aus den reichen in die armen Länder fließen. Dafür geben die armen Länder ihren vielleicht wichtigsten Wettbewerbsvorteil auf, nämlich das Unterlaufen der Standards der reichen Welt. Die Rodung von Wäldern, die Erhöhung der Emissionen von CO₂ – wozu sie laut Parisvertrag das Recht haben – und die Verschlechterung der sozialen Bedingungen werden in Kauf genommen.
Auf den Punkt gebracht: Es gibt keine Lösung der Klima- und Energiefragen ohne gut durchdachte globale Kooperation – und keine globale Kooperation ohne Kofinanzierung, wobei Gelder vom Globalen Norden in den Globalen Süden fließen.
Die Stromnachfrage in Deutschland wird bis 2035 mit hoher Wahrscheinlichkeit geringer ausfallen, als dies in den letzten Jahren unterstellt wurde. Die Elektrifizierung ist ins Stocken geraten. Das betrifft die Elektromobilität, den Ausbau von Wärmepumpen und von Elektrolyseuren für die Produktion von grünem Wasserstoff. In allen diesen Bereichen kommen die Märkte bisher nicht in Schwung.
Um die Kosten der Volatilität im Stromsystem beherrschbar zu machen, schlagen wir vor, die volatilen Erneuerbaren grundsätzlich und auf Jahresbasis auf etwa 50 Prozent des Stromangebots zu begrenzen. Neben volatilen Erneuerbaren braucht ein stabiles Stromsystem verlässlich steuerbare Energie. Wir sehen in Gaskraftwerken mit Carbon Capture and Storage eine attraktive Lösung, CO₂ wird dabei abgeschieden und entsorgt.
Unter dem Strich rechnen wir über die nächsten 20 Jahre mit Einsparungen bei Investitionen in einer Größenordnung von rund 300 Milliarden Euro gegenüber den Annahmen der Bundesregierung.
Nun ist Deutschland für die Erzeugung von Sonnenenergie nicht besonders geeignet. In sonnenreichen Regionen anderswo auf der Welt kann man mit vergleichbaren PV-Anlagen die doppelte oder dreifache Menge an Energie einfahren.
Im Extremfall führt dies dazu, dass die Betreiber von Pumpspeicherkraftwerken Wasser den Berg hinaufpumpen, um es dann ohne Nutzung der Turbine wieder abzulassen.
Bei einer Länge der Übertragungsnetze von etwa 36.300 Kilometern (Ende 2022) besteht laut Bundesnetzagentur ein Ausbaubedarf von etwa 14.000 Kilometern Hochspannungsleitungen. Dabei müsste für die Umsetzung der im Osterpaket 2022 vorgesehenen Versorgung mit erneuerbarer Energie das Übertragungsnetz zwischen 2026 und 2035 im Durchschnitt um rund 2.100 Kilometer pro Jahr ausgebaut werden. Das entspricht fast einer Verfünffachung der historischen Ausbaurate. Zwischen 2018 und 2022 wurden jährlich 423 Kilometer fertiggestellt.
Ein schleswig-holsteinischer Haushalt mit einem Verbrauch von 3.500 Kilowattstunden zahlt derzeit rund 500 Euro pro Jahr für die Netznutzung, ein Haushalt in München oder Köln 150 Euro pro Jahr.
Die Bundesregierung strebt 44 Gigawatt Batteriespeicherleistung bis 2030 an.
Aus heutiger Sicht erscheint ein Verbrauch von 600 Terawattstunden für 2035 ein realistisches Basisszenario zu sein, maximal vielleicht 650 Terawattstunden.
Für die Abscheidung, den Transport und die Endlagerung von 1 Tonne CO₂ rechnen Forscher mit Kosten von 100 bis 120 Euro. Damit liegt CCS in einem Bereich, der für 2035 und die Folgejahre als CO₂-Preis im Rahmen des europäischen Emissionshandels ETS erwartet wird.
Wir gehen noch einen Schritt weiter und setzen aufgrund der verhaltenen Nachfrage den Strombedarf geringer an. Außerdem halten wir es langfristig für klüger, die volatile Erzeugung von Strom auf 50 Prozent des Gesamtbedarfs zu begrenzen. Dadurch sinken die Investitionen bei Produktion und Transport weiter. Vor allem aber fallen Kosten im System zur Beherrschung der Volatilität weg.
Auf der anderen Seite entstehen in unserem Vorschlag zusätzliche Kosten für Abscheidung, Transport und Entsorgung von CO₂. Für das neue CO₂-Transportnetz rechnen wir maximal mit einer Verdoppelung der bisher prognostizierten Kosten, für das geringer dimensionierte Kernnetz werden 14 Milliarden Euro veranschlagt.
Hier liegt ein Joker für die kommenden Jahrzehnte. Es geht damit in Richtung eines „Ausstiegs aus fossilen Emissionen“, was den „Ausstieg aus fossilen Energien“als Leitidee ersetzt. Dieser Ansatz ist in weltweiter Perspektive konsensfähig und damit friedensstiftend. Es geht einerseits um legitime wirtschaftliche Interessen zentraler Akteure wie China und Russland sowie zahlreicher Staaten der arabischen Welt und der OPEC und andererseits um die Unterstützung des Wohlstandsaufbaus in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Alle genannten Staaten können die Herausforderungen in den Bereichen Entwicklung und Klima nur gemeinsam und in internationaler Kooperation bewältigen und werden dies nur tun, wenn aus ihrer jeweiligen Sicht Vorteile und vor allem Wohlstandseffekte erkennbar sind.
Von essentieller Bedeutung sind die beschriebenen Maßnahmen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, die wirtschaftliche Entwicklung bei gleichzeitigem Erreichen globaler Klimaneutralität ermöglichen: der Erhalt der Regenwälder in Gigaprogramm zur Aufforstung und Restaurierung von Böden der Aufbau von Kurzumtriebsplantagen die Beseitigung technischer Methanleckagen die Kofinanzierung transnationaler Energieinfrastrukturen die Übernahme der Differenzkosten bei Carbon Capture die Überarbeitung der Klimaschutzziele der Challenge-Länder
Es ist noch sehr viel im Bereich Kommunikation und Verständnis zu tun, wozu wir mit diesem Buch beitragen möchten. Letztlich geht es darum, heutige Narrative zu verändern, die fest in Teilen der Gesellschaft verankert sind. Ihre Kernelemente sind ein nationaler Denkrahmen, eine Fokussierung besonders auf volatile erneuerbare Energien, eine weitgehende Elektrifizierung aller Wirtschaftsbereiche und nicht zuletzt eine Überbetonung der individuellen Verantwortung. Der Einzelne kann zwar einiges tun, aber eine Lösung des Klimaproblems gibt es nur global und gemeinsam. Eine Veränderung des Denkrahmens hat heute eine Chance, weil immer mehr Menschen klar wird, dass der aktuell eingeschlagene Weg nicht zum Ziel führt und ein rein nationaler Fokus beim Klimaschutz offensichtlich dem globalen Problem Klimawandel nicht angemessen ist, dafür aber viele Kollateralschäden verursacht. Es gilt zu verstehen, dass sehr viel mehr Kooperation vonnöten ist und koordinierte Maßnahmen überall auf der Welt notwendig sind, um den menschengemachten Klimawandel zu bewältigen.