Das Buch „Komplexe neue Welt und wie wir lernen, damit klarzukommen“ von Marco Wehr bietet wieder interessante Betrachtungen zum Thema Komplexität und mögliche Komplexitätsfallen, aber auch zu historischen Ereignissen, die wir wiederum als „schwache Signale“ verstehen sollten und die zeigen, wie disruptive Ereignisse den Lauf der Welt drastisch verändern können. Heute in unserer globalisierten und interdependenten Welt wahrscheinlich noch viel mehr als in der Vergangenheit. Deshalb hier wieder einmal einige für mich besonders relevante Zitate aus dem Buch:

Zitate

Wir haben es leider mit einer chaotischen Dynamik zu tun, der durch den Lauf der Erde um die Sonne, ihre Rotation um sich selbst und eine präzessierende Erdachse periodische Zyklen unterlegt sind. Das hat allerdings zur Konsequenz, dass sich vergangene Entwicklungen nicht mit Selbstverständlichkeit in die Zukunft extrapolieren lassen! Dieser Sachverhalt spiegelt sich in frappierender Weise in einer historisch gut belegten Begebenheit: Im Jahr 1431 veränderte sich das Wetter ohne jeden äußeren Grund in kurzer Zeit.

Als »Grund« der Klimaanomalie werden von den Forschern besagte Oszillationen eines im Kern chaotischen Systems angegeben, eine Tatsache, die vor dem Hintergrund der Arbeiten von Sitnikov und Lorenz nicht überraschend ist. Die Simulationen der Wissenschaftler zeigten, dass sich über einen Zeitraum von zehn Jahren Regenfluten, aber auch extreme Dürren sowie lang anhaltende Kälteperioden ereignen können. Es wird von ihnen ausdrücklich betont, dass solche Schwankungen jederzeit wieder auftauchen können. Zur humanitären Katastrophe kam es in den Jahren nach 1431, weil die Winter extrem lange dauerten, während die Sommer zwar warm waren, es aber pausenlos regnete. Das war die perfekte Mixtur, um die Ernten zu zerstören. Die Kälte im Winter war übrigens so beißend, dass alle großen Flüsse Europas bis auf den Boden gefroren waren.

Vor diesem Hintergrund wäre es also extrem leichtsinnig, die Speicherkapazität auf der Grundlage von Dunkelflauten zu konfektionieren, die gerade einmal ein paar Jahrzehnte dokumentiert werden, vor allen Dingen, wenn man berücksichtigt, was auf dem Spiel steht. Aber wie soll man dann vorgehen? Das ist eine ziemlich schwierige Frage, und es ist nach meinem Dafürhalten nicht klar, ob es für dieses anspruchsvolle Problem überhaupt eine realistische Lösung gibt. Auf alle Fälle ist es zu kurz gesprungen, einfach eine Dunkelflaute von x Tagen in Betracht zu ziehen, die Anzahl der Tage mit dem durchschnittlichen Energiebedarf zu multiplizieren, um dann zu prüfen, ob der erhaltene Wert kleiner ist als die Kapazität des geplanten Speichers. Selbst wenn man ein seltenes, aber doch mögliches Ereignis wie die Klimaanomalie von 1431 einmal außer Betracht lässt, darf man einen wesentlichen Punkt nicht vergessen: Wir sprechen über eine volatile (!) Speicherarchitektur! Das hat Konsequenzen. Sie hat immer einen bestimmten Ladezustand. Woraus ergibt sich aber der Ladezustand zu Beginn einer Dunkelflaute? Dieser ist das Ergebnis eines komplizierten und bisweilen erratischen Zusammenspiels von Tagen mit Unter- und Überdeckung. Permanent füllen und leeren sich die Speicher, und eigentlich müsste bei allen nur denkbaren möglichen Kombinationen von Tagen mit Über- und Unterdeckung gesichert sein, dass im Fall einer Dunkelflaute, deren tatsächliche Länge wie gesehen mit einer Unsicherheit behaftet ist, immer genug Energie zur Verfügung steht! Ist dieses Problem tatsächlich verlässlich zu lösen?

Unser Ausgangspunkt waren aber exogene Schocks – Ausbrüche von großen Vulkanen, die Klimaanomalien nach sich ziehen und mit einer Wahrscheinlichkeit von sechs Prozent in den nächsten drei Jahrzehnten auftauchen können. Hier koppeln zwei chaotische Systeme, Vulkanismus und Wetter, und treffen auf eine komplizierte sowie störungsanfällige, vom Menschen geschaffene Infrastruktur. Das ist ein echtes Komplexitätsmonster. Doch wir haben in Deutschland die Gefahren, die durch solcherart bedingte Klimaanomalien auftauchen könnten, nicht auf dem Schirm. Um gerüstet zu sein, bräuchten wir eine breit aufgestellte Energieversorgung und müssen uns Gedanken machen, wie in diesem Rahmen die CO2-Emissionen minimiert werden können. Außerdem muss über die Lagerhaltung von Lebensmitteln nachgedacht werden.

Potenzielle Nahrungsmittelengpässe und der denkbare Zusammenbruch der Energieversorgung in einem Industrieland wie Deutschland würden viele Menschen in ausweglose Situationen bringen.

Die Kunst, mit dem Unberechenbaren zu rechnen, hat eine lange Tradition. Und sie hat mindestens zwei wichtige Facetten: Vorhersagbarkeit im Rahmen des Möglichen und die Gelegenheit, Vorsorge zu treffen.

Um das Bedrohungspotenzial zu verkleinern, sind deshalb an vorderster Stelle zwei Dinge notwendig: Als Erstes muss akzeptiert werden, dass es sich bei den beschriebenen Gefahren nicht um Hirngespinste handelt. Im nächsten Schritt ist abzuwägen, welche Möglichkeiten existieren, um vorzusorgen und zu reagieren.

Fragil sind solche, die unter Belastung zerstört werden. Robuste Systeme halten der Belastung stand, während antifragile sogar von dieser profitieren. Robustheit ist seiner Meinung nach die Mindestanforderung, Antifragilität dagegen das anzustrebende Optimum. 

Diese von Länderinteressen getriebene Gegenwartsfixierung ist wohl verantwortlich für die Tatsache, dass man sich wenig bis gar nicht mit vergangenen Katastrophen auseinandersetzt. Ein geschmeidig funktionierender Verdrängungsmechanismus, der zu einer kollektiven Amnesie führt.

Mittel der Wahl wären in diesem Zusammenhang vor allen Dingen Redundanz und Modularisierung. Das Prinzip der Redundanz ist nicht nur in der Natur verbreitet. Menschen haben zwei Hände, zwei Augen oder zwei Ohren. In vergleichbarer Weise werden in sicherheitskritischen Systemen wesentliche Komponenten und Funktionskreise mindestens gedoppelt. Fällt bei der automatischen Steuerung eines Flugzeugs der Computer aus, übernimmt ein Zweiter, der im Hintergrund läuft. In vergleichbarer Weise müsste überlegt werden, wie man lebenswichtige Infrastruktur so einrichtet, dass beim Ausfall eines Systems ein anderes »einspringen« kann. Und natürlich gehört in diesen Zusammenhang auch eine überlegte Bevorratung, sei es von Nahrungsmitteln, Energie oder von lebenswichtigen Gütern. Mit Modularisierung ist gemeint, dass bei Störung des Gesamtsystems Untersysteme autonom laufen können und Aufgaben übernehmen.

»Traue denen, die die Wahrheit suchen, nicht denen, die vorgeben, sie gefunden zu haben«, sagte der Schriftsteller André Gide. Das gerade metaphorisch umschriebene Prinzip nenne ich den Darwin-Code. Dieses Prinzip ist eine effiziente Methode, mit Unwissen umzugehen, und hat in der Natur viele Vorbilder. Es ist nicht die Königin, die den Bienen vorschreibt, wo sie die Blumen auf der Wiese zu suchen haben, wenn der Nektar knapp wird. Es bleibt den ausschwärmenden Bienen selbst überlassen, auf den verschiedensten Wegen Futter zu finden. Für die Gemeinschaft entscheidend ist dann die komplexe Kommunikation der Bienen. Mit dem Bienentanz können sie den anderen nicht nur von ihrem Erfolg »erzählen«, sondern sie auch an ihm teilhaben zu lassen, was im Endeffekt dem gesamten Bienenvolk zugutekommt. In vergleichbarer Weise funktioniert auch unser Immunsystem, das eine Vielzahl von Antikörpern bereithält, die auf verschiedenste Antigene reagieren können. Verbindet sich dann ein spezieller Antikörper mit den Antigenen eines Eindringlings, gibt es eine Rückmeldung, die dazu führt, dass die Produktion genau dieses Antikörpers drastisch hochgefahren wird, um die Infektion in den Griff zu bekommen. Es ist ratsam, sich an solchen evolutionär bewährten Strategien zu orientieren. Die Natur ist nämlich die Meisterin darin, mit dem Zufall zurechtzukommen.

Ein Staat wie Deutschland mit rigiden bürokratischen Regeln war mit Corona, einer hybriden Komplexitätsfalle, überfordert. Das galt in gleicher Weise für die übergeordnete Europäische Union sowie große Teile der globalen Gemeinschaft.

Die nächste Pandemie kommt bestimmt. Bleibt zu hoffen, dass sich bis dahin die Kommunikationsinfrastruktur den Erfordernissen der Gegenwart anpasst.

Wenn ein schwieriges Problem noch keine Lösung hat, dann hat das schwierige Problem noch keine Lösung! Solange sich die Lösung nicht abzeichnet, ergibt es wenig Sinn, Gedanken und Ideen auszusortieren, die angeblich »nichts zur Lösung beitragen«! Das wäre ein Widerspruch in sich, da ein Auswahlkriterium zur Anwendung gebracht würde, das an dieser Stelle des Prozesses noch gar nicht zur Verfügung stünde.

Die Verbohrten, die vorgeben, Teil der Lösung zu sein, sind eigentlich Teil des Problems. Der kollektive kreative Prozess, der notwendig ist, um komplizierte Probleme Schritt für Schritt zu lösen, wird von solchen Menschen gleich in mehrfacher Weise unterminiert. Da nicht sein kann, was nicht sein darf, werden gedankliche Alternativen zur vorherrschenden Meinung schon im Vorfeld sanktioniert. Sollten sie trotz starker Widerstände »das Licht der Welt erblicken«, ist es verboten, sie mit der kategorisch vertretenen Lehrmeinung in Beziehung zu setzen und eine Wertung zu vollziehen. Im Resultat führt das zu einer lähmenden Diskursverweigerung, in der immer nur der Status quo bestätigt wird.

In nicht wenigen Bereichen, die gesellschaftlich von großer Relevanz sind, gibt es Bestrebungen, Andersdenkende vom Diskurs auszuschließen. Veranstaltungen werden im Vorfeld verhindert oder massiv gestört.

Selbst wenn die Kritiker recht hätten und die Wahrscheinlichkeit für einen anthropogenen Einfluss kleiner wäre als angenommen, ist es trotzdem ein Gebot der Vernunft, entschlossen zu handeln! Nehmen wir an, die Wahrscheinlichkeit für den menschengemachten Klimawandel läge bei nur 16,6 Prozent und nicht wie kolportiert bei 95 Prozent. Könnte man in diesem Fall alles so lassen, wie es ist? Sicher nicht. Die Gefahr einer globalen Katastrophe, die mit der Wahrscheinlichkeit von 16,6 Prozent eintritt, ist viel zu groß, um sie zu vernachlässigen. Erinnern sie sich an das Beispiel mit dem Trommelrevolver? Ein Sechstel ist dasselbe wie 16,6 Prozent. Wer würde sich einen Revolver an die Schläfe halten, in dessen Trommel mit sechs Kammern eine Patrone steckte? Aus diesem Grund gehen wir hier davon aus, dass es eine vernünftige Entscheidung ist, die Emission von Klimagasen weltweit zu reduzieren. Dann stellt sich im nächsten Schritt die Frage, wie man das am besten macht.

Zuerst gilt es zu akzeptieren, dass auch bei der Lösung dringlichster Probleme das eingesetzte Kapital immer endlich ist.

Es ist eine weitere unverrückbare Wahrheit, dass Geld, das für ein bestimmtes Projekt eingesetzt wird, nicht mehr für ein anderes ausgegeben werden kann.

Das zur Verfügung stehende Kapital muss so investiert werden, dass der gewünschte ökologische Effekt so groß wie möglich ist! Das eingesetzte Geld braucht also einen »optimalen Hebel«. Wird viel Geld verschwendet, ohne dass sich der CO2-Ausstoß verringert, wird die Umwelt nicht wirksam geschützt, da Chancen vertan werden. Der gerade genannten Maxime, die das Ziel jeder rationalen und damit effizienten Umweltpolitik sein muss, lässt sich aber nur genügen, wenn priorisiert wird.

In Afrika und Asien leben heute noch etwa drei Milliarden Menschen, deren Gesamtenergieverbrauch dem von Frankreich und Deutschland in der Mitte des 19. Jahrhunderts entspricht (Smil 2023)! Wenn diesen Menschen zugestanden wird, sich in Richtung eines bescheidenen Wohlstands zu entwickeln, wird bald extrem viel Energie vonnöten sein! Man muss kein Hellseher sein, dass bei diesem Wachstum vor allen Dingen auf billige fossile Brennstoffe zurückgegriffen werden wird. Im schlimmsten Fall werden Urwälder gefällt.

Man erinnere sich in diesem Zusammenhang daran, dass ein reiches und vergleichsweise gut organisiertes Land wie Deutschland es in 20 Jahren nicht geschafft hat, ein leistungsfähiges Leitungsnetz fertigzustellen, das den windreichen Norden des Landes mit dem energiehungrigen Süden verbindet. Dass solche Netze in Afrika und Asien, wo zehnmal größere Entfernungen überbrückt werden müssten, in 20 bis 30 Jahren gebaut werden, ist unwahrscheinlich.

Zu dem Energiehunger der Menschen, die nach bescheidenem Wohlstand streben werden, kommen noch die hinzu, die in den nächsten 30 Jahren auf die Welt kommen werden. Glaubt man demografischen Schätzungen, werden wir weitere zwei Milliarden neue Erdenbürger begrüßen dürfen, die dasselbe Recht zu leben haben wie die Bürger der Industrienationen.

Wenn man jetzt über den Daumen peilt, welche Mengen von Treibhausgasen dort in Zukunft erzeugt werden, dann handelt es sich ohne jeden Zweifel um eine »klimatische Zeitbombe« mit gewaltiger Sprengkraft. Es sind in diesen Regionen etwa 1000 Mal mehr fossile Kraftwerke zu erwarten, als wir in Deutschland vom Netz nehmen werden!

Gemäß der ökologischen Maxime sollte das Geld dort investiert werden, wo es den größten Nutzen hat. Obwohl dieser Punkt offensichtlich ist, straucheln wir diesbezüglich in Deutschland schon auf der Startlinie. Die alles entscheidende Frage, wie priorisiert werden sollte, wird nämlich im öffentlichen Diskurs gar nicht gestellt.

Der Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat dargestellt, wie verführerisch es ist, ein kompliziertes Problem in ein einfacheres zu verwandeln, das sich intellektuell besser beherrschen lässt (Kahneman 2011, 127). Doch die damit einhergehende Kompetenzillusion hat ihren Preis. Die eigentlichen Schwierigkeiten werden verdrängt und bleiben deshalb unerledigt.

Prinzipiell besteht die Möglichkeit, auch durch Investitionen im Ausland die Kohlendioxidbilanz eines europäischen Landes zu verbessern. Das ist ein vielversprechender Ansatz, weil auf diese Weise global und nicht nur regional gehandelt werden kann. Die Schweiz hat sich in jüngerer Zeit entschieden, in Ghana die Herstellung kleiner Öfen zu fördern. Das hört sich im ersten Moment läppisch an. Der ökologische Hebel des eingesetzten Kapitals ist aber im Vergleich zur Stadtbahn hoch. In Ghana wird bevorzugt mit Holzkohle gekocht. Um diese herzustellen, müssen die heimischen Urwälder, die eigentlich viel CO₂ binden, abgeholzt werden. Da viel mehr Kohle gebraucht wird, als an Holz nachwächst, schwindet der Waldbestand mit großer Geschwindigkeit.

Doch das ist nicht das einzige Problem. Das traditionelle Kochen mit Holzkohle in einem einfachen Blechtopf ist energetisch ineffizient. Aus diesem Grund verbrennt im Mittel jeder Einwohner Ghanas 180 Kilogramm Holzkohle pro Jahr! Das ist nicht nur schlecht für das Klima, sondern auch für die Gesundheit. Alle Menschen, die sich in den Hütten aufhalten, in denen in dieser rudimentären Art gekocht wird, inhalieren so viele Schadstoffe, als würden sie täglich zwei Schachteln Zigaretten rauchen. Die sogenannten Gyapa – Öfen besitzen nun eine spezielle Brennkammer aus Keramik und können nicht nur mit Holzkohle betrieben werden, sondern etwa auch mit Strauchschnitt. Es müssen deshalb nicht zwangsweise große Bäume gefällt werden. Darüber hinaus sind die Öfen, die von heimischen Handwerkern hergestellt werden, wegen ihrer besonderen Brennkammer nicht nur um 50 Prozent effizienter, sie entwickeln beim Kochen auch deutlich weniger Schadstoffe. Das ergibt unterm Strich eine eindrucksvolle Bilanz. Die letzten bedrohten Urwälder in Ghana werden geschont und können weiterhin als potente CO₂-Speicher fungieren. Gleichzeitig werden beim Kochen deutlich weniger Treibhausgase produziert. Die örtlichen Handwerker bekommen Arbeit, und gleichzeitig werden die Bewohner weniger durch gesundheitsschädliche Schadstoffe belastet.

Diese Tatsache darf aber nicht dazu führen, sich in einem Entwicklungsland preiswert freizukaufen und sich nur auf diese Weise seiner auferlegten Pflichten zu entledigen. Der passende Weg muss in der Mitte liegen.

Wir stehen also im übertragenden Sinne vor dem großen Moor und suchen einen Weg in unbekanntem Terrain. Und obwohl noch nicht klar ist, wo sich dieser befindet, ist doch offensichtlich, was man unter keinen Umständen tun darf: Wissen zu heucheln, kann in die Irre führen! Den Raum des Denkbaren und des Machbaren zu beschneiden, ist deshalb gefährlich. Stattdessen brauchen wir Ergebnisoffenheit, eine exzellent funktionierende Kommunikation sowie Erfinder und Erfinderinnen, die verschiedenste Technologien entwickeln und dann Gelegenheiten haben, diese auszuprobieren, um zu schauen, ob sie zum Ziel führen. Deshalb müssen von der Politik Ziele vorgegeben werden und keine Wege.

In Deutschland, aber auch der EU dominieren die einfachen »Wahrheiten«: Alle fossilen Kraftwerke sollen schnellstmöglich vom Netz. Dasselbe gilt für die Atomkraft. Die Erneuerbaren müssen maximal hochgefahren werden, koste es, was es wolle. Wie schon weiter vorne ausgeführt ist in diesem »Konzept« nicht klar, woher die fehlende Energie kommen soll, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Bis zu diesem Moment ist in keiner Weise geklärt, wie eine valide Speicherarchitektur finanziert und gebaut werden könnte und ob das in näherer Zukunft überhaupt möglich ist. Damit steht die Energiesicherheit eines Industrielands wie Deutschland auf dem Spiel.

Woher kommen diese gefährlichen Überzeugungen? Man wähnt sich im Recht, da der Strom mittlerweile zu circa 50 Prozent aus Wind und Sonne gewonnen wird. Das klingt gut. Nur noch 50 weitere Prozent, dann haben wir es geschafft! Doch leider ist dieser Wert nicht maßgeblich. Entscheidend ist wie angedeutet die notwendige Gesamtenergie. Der Anteil des Stroms an der Gesamtenergie beträgt aber nur etwa 20 Prozent. Jetzt erscheint der Status quo in einem anderen Licht. Nur etwas mehr als zehn Prozent dieser Energie werden im Moment durch Wind, Sonne und Wasser erzeugt. Etwa 90 Prozent müssen immer noch durch das Verfeuern fossiler Brennstoffe zur Verfügung gestellt oder dadurch, dass Atom – und Kohlestrom importiert werden! Und dieser hohe Wert ist bisher trotz aller Bemühungen nur um wenige Prozentpunkte gefallen!

Zuerst muss akzeptiert werden, dass wir in die Irre gehen. Dann benötigen wir offene Diskursräume, in denen die verschiedensten Anschauungen aufeinanderprallen, um die bestmöglichen Lösungen zu finden. Wir brauchen einen kreativen Wettstreit der Ideen, um zu erfahren, welche Technologien uns am besten zum Ziel bringen. Wir brauchen planbare und verlässliche Investitionsbedingungen, damit die guten Ideen »hochskaliert« und somit marktfähig werden können.

Die Tendenz ist jedoch offenkundig: Anstatt konsequent über Anreizsysteme wie CO2-Steuern oder Emissionszertifikate den Ideenreichtum einer Volkswirtschaft zu stimulieren, wird der kollektive kreative Prozess von den politischen Entscheidern abgeregelt. So werden Wege vorgeschrieben, anstatt Ziele zu artikulieren. Das ist Ausdruck intellektueller Hybris. Denken wir noch einmal an den Bienenstock: Dieser Superorganismus wäre dem Untergang geweiht, wenn die Königin den Bienen vorschriebe, wo sie den Nektar zu finden hätten.

Deutschland wird das globale Problem aber regional »verschrumpft«, und die ergriffenen Maßnahmen sind wenig effektiv. Außerdem wird Kompetenz vorgespielt, wo intellektuelle Demut gefordert wäre. Viele Aspekte des Klimawandels sind in ihren komplexen Wechselwirkungen noch nicht verstanden. Das muss offen diskutiert werden, und es muss die Möglichkeit geben, verschiedenste technische Möglichkeiten auszuprobieren, die sich aber an konkreten und für die Wirtschaft nachvollziehbaren ökologischen Zielvorgaben zu orientieren haben.

Wissenschaftler mit alternativen Sichtweisen werden gerne als »Klimaleugner« gebrandmarkt, um die eigenen Standpunkte nicht hinterfragen zu müssen.

Während Versorgungssicherheit im Energiebereich durch Diversifikation entsteht, um auf diese Weise gegen die verschiedensten Unwägbarkeiten abgesichert zu sein, setzen wir einseitig auf die Verstromung auf der Basis regenerativer Energien, die zudem auf volatile Speicher zurückgreifen soll.

Auch darf man nicht vergessen, dass es in komplexen Systemen durchaus Menschen gibt, die von Unübersichtlichkeit profitieren. Auf der gesetzgeberischen Seite denke man an Spezialisten, die sich unverzichtbar machen, da sie sich in dem Durcheinander, das sie selbst erzeugen, gut auskennen. In diesem selbstreferenziellen System zementieren sie als Fachleute ihre eigenen Positionen.

Will man die gerade in Deutschland verbreitete Regulierungswut in Zahlen fassen, bietet es sich an, einmal die Länge eines Bauantrags in den Blick zu nehmen: Während dieser in den 80er – Jahren des letzten Jahrhunderts etwa 30 bis 40 Seiten umfasste, hat sich dessen Volumen bis heute fast verzehnfacht!

Der Wunsch, alles und jedes regeln zu wollen, führt dann dazu, dass sich die Gesetzgebung ad absurdum führt und ihre praktische Anwendbarkeit verliert. Nun sind Widersprüche nur der größte anzunehmende Unfall. Auch Lücken sind ärgerlich und können den Steuerzahler große Beträge kosten. Diese werden nämlich gerne von Komplexitätsgewinnern ausgenutzt, die für ihren solventen Klienten extrem komplizierte Steuermodelle konstruieren, die im Zwielicht von Recht und Unrecht existieren und vom Gesetzgeber wegen der gerade thematisierten Komplexität nicht vorhergesehen wurden. In diesem Zusammenhang sei an den Cum-Ex-Skandal erinnert. 

Da wäre an erster Stelle das Gesetz des italienischen Informatikers Alberto Brandolini zu nennen. Dieses lautet in seiner populären Version: »Die Widerlegung von Schwachsinn erfordert eine Zehnerpotenz mehr Energie als dessen Produktion.« In seiner ursprünglichen Form bezieht es sich auf von Menschen produzierte Fake News und nimmt die Tatsache in den Blick, dass wissenschaftlicher Nonsens, einmal veröffentlicht, auch durch Richtigstellungen kaum noch aus der Welt zu bekommen ist und eine unheimliche Eigendynamik entwickeln kann.

KI: Führt man den Gedanken zu Ende, zitieren sich die Maschinen irgendwann nur noch selbst, da sie auf die Summe der Trainingsdaten angewiesen sind, die digital verfügbar sind. Wenn diese dann hauptsächlich aus Texten bestehen, die schon von Maschinen erzeugt worden sind, ist der Attraktor dieses an das Entropiegesetz erinnernden Vorgangs die selbst erschaffene Bedeutungslosigkeit. Dann hätte sich das Projekt des Internets in letzter Konsequenz selbst ad absurdum geführt. Um die Möglichkeit dieser Dystopie zu unterbinden, sollten Texte oder bald auch Bilder und Filme von Chatbots so etwas wie ein digitales Wasserzeichen enthalten, damit es mit geringer Mühe möglich wäre, das Menschengemachte vom Maschinengenerierten zu unterscheiden. Auch in diesem Kontext wäre der Staat als Gesetzgeber gefordert, um einen notwendigen Ordnungsrahmen zu schaffen.

Diese Schieflage kann man sich am Beispiel der systemrelevanten Banken klarmachen. Diese werden auch als Too-Big-To-Fail-Banken (TBTF-Banken) bezeichnet. Bei diesen Großbanken geht man davon aus, dass die Kosten, die eine Gesellschaft aufbringen muss, um kriselnde Kreditinstitute bei Konkursgefahr mit Steuergeldern zu retten, geringer sind als das Kapital, das verloren ginge, wenn es zu einer globalen Finanzkatastrophe käme, da die miteinander verbandelten Banken wie in einem Dominospiel eine nach der anderen fielen. Die beklagte Asymmetrie kommt zustande, weil Gewinne privatisiert werden. Die Verluste aber werden sozialisiert! Sie werden von der Gesamtbevölkerung getragen, die noch nicht einmal mittelbar mit den teils windigen Investitionsgeschäften der Banken zu tun haben. Dabei können, wie beschrieben, die finanziellen Dimensionen die Vorstellungen sprengen. Nachdem 2008 die Traditionsbank Lehman Brothers kollabierte und in der Folge andere Geldinstitute zu wanken begannen, wurden von den G-10-Staaten unvorstellbare 5 Billionen Euro an Steuergeldern zur Rettung dieser Institute aufgebracht. Der Verschuldungsgrad dieser Länder stieg im Schnitt um 34 Prozent! Und hinter diesen nackten Zahlen verbergen sich Millionen privater Schicksale, Menschen, die in die Privatinsolvenz gingen, ihre Wohnungen und Häuser verloren und ihre Krankenversicherungen nicht mehr bezahlen konnten.

Die grundlegende Gefahr, die von der Existenz von TBTF-Banken ausgeht, bleibt bis heute ungelöst, wobei sich gerade die Banken sträuben, eine solidere Finanzierung zu etablieren. Schließlich ist es für sie extrem verlockend, den TBTF – Status zu erreichen. Wenn nämlich der Totalverlust ausgeschlossen ist, da der Staat im Krisenfall mit Steuergeldern einspringt, lässt sich leicht an der Risikoschraube drehen. Die Aussichten auf sprudelnde Gewinne sind fast unwiderstehlich.

Die Forderungen einer internationalen Kooperation zur Abwehr globaler Katastrophen oder der Wunsch, dass Staaten Komplexität konsequent reduzieren, indem sie etwa TBTF-Banken wirksam regulieren und das Gefährdungspotenzial der Schattenmathematik begrenzen, sind wohlfeil. In der Realität werden diese Prozesse, wenn deren Notwendigkeit überhaupt eingesehen wird, Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte brauchen. Deshalb ist, realistisch gesehen, mit einer schnellen Verbesserung der aktuellen Situation nicht zu rechnen. Damit stellt sich zum Schluss die Frage, was jeder einzelne Mensch selbst tun kann. Sind wir den Komplexitätsfallen der unterschiedlichsten Art hilflos ausgeliefert? Oder haben wir es zumindest ein Stück weit in der Hand, angemessen zu reagieren?

Diese Wahrnehmung der persönlichen Situation erinnert an ein berühmtes Experiment des Psychologen Martin Seligman. Der Wissenschaftler verglich zwei Gruppen von Hunden, die zuerst in unterschiedlich funktionierenden Käfigen untergebracht waren (Seligman 1975). Den Käfigen war gemeinsam, dass man den Hunden über den Boden einen leichten Stromschlag zufügen konnte. In dem einen Käfig existierte jedoch eine Apparatur, mit der die Hunde den Strom ausschalten konnten, was sie schnell lernten. In dem anderen Käfig gab es diesen Mechanismus nicht. Die Hunde, die in dieser Art von Käfig eingesperrt waren, fühlten sich also »einer unberechenbaren Schicksalsmacht« ausgeliefert, die sie nach Gutdünken bestrafte, wobei es keine Beziehung zwischen ihrem Verhalten und dem Stromschlag gab. Die unterschiedlichen Versuchsbedingungen führten in der Folge zu sehr unterschiedlichen Verhaltensantworten im zweiten Durchgang des Versuchs. Jetzt wurde eine Seitenwand so weit erniedrigt, dass die Hunde mühelos in einen benachbarten Käfig springen konnten, in dem keine Gefahr drohte. Den Abschaltmechanismus gab es allerdings nicht mehr. Die Hunde, die vorher gelernt hatten, mit ihren eigenen Handlungen etwas zu bewirken, sprangen, als die Stromschläge einsetzten, einfach in den »sicheren« Käfig. Die anderen aber legten sich auf den Boden und ertrugen apathisch ihr Schicksal. Dieses Verhalten wurde als erlernte Hilflosigkeit bezeichnet. Auch wenn es zu einfach ist, nur auf der Grundlage solcher Ergebnisse Niedergeschlagenheit und Depression zu erklären, ist doch aus der Psychologie bekannt, dass es auch für Menschen belastend ist, wenn sie sich ausgeliefert fühlen, in das Walten der Dinge keinen rechten Sinn hineinzuinterpretieren wissen und glauben, nichts bewirken zu können. Wie erörtert gibt es ein tiefliegendes menschliches Bedürfnis, die Wechselwendigkeit der Welt in nachvollziehbaren mentalen Konstruktionen zu interpretieren und dem Gefühl, einem unberechenbaren Zufall ausgeliefert zu sein, den Schrecken zu nehmen. In uns wirkt ein starker Antrieb, die Welt zu entschlüsseln, Hypothesen über Ursachen zu bilden, um durch unser Verhalten Chancen in berechenbarer Weise zu nutzen und Risiken zu vermeiden.

Die Antwort, weshalb paradiesische Lebensumstände so wenig Wertschätzung erfahren, setzt sich aus mehreren Teilen zu zusammen. An erster Stelle steht der beklagenswerte Umstand, dass Wertschätzung und Dankbarkeit Charaktereigenschaften sind, die sich mehr und mehr aus der modernen Lebenswelt stehlen. An ihre Stelle tritt eine wenig reflektierte Anspruchshaltung. Des Weiteren wäre ein psychologischer Mechanismus zu nennen: Menschen gewöhnen sich an Umstände, im Guten wie im Schlechten. Es ist bekannt, dass viele Menschen, die sich schwer verletzen und anschließend gezwungen sind, ihr Leben im Rollstuhl zu verbringen, im Verlauf eines Jahres ein Zufriedenheitsniveau erreichen, das mit der Durchschnittsbevölkerung vergleichbar ist. Das gilt sogar für die genannten Patienten, die für Außenstehende ein albtraumartiges Schicksal erleiden.

Genauso, wie es Charaktereigenschaften gibt, die zwangsweise eine verdrießliche Stimmung zur Folge haben, man denke an Neid und Missgunst, bewirkt Dankbarkeit das Gegenteil. Neidische und missgünstige Menschen argwöhnen die ganze Zeit, vom Leben nicht gerecht behandelt zu werden. Warum die oder der und nicht ich? Dankbare dagegen fühlen sich beschenkt.

Weniger offensichtlich ist der Umstand, dass Dankbarkeit dazu führt, nicht immer nach dem Optimum zu gieren, sondern sich mit dem Genügenden zu bescheiden. Das hat überraschende Konsequenzen. Auf diese Weise gelingt es nämlich, vielen Komplexitätsfallen des Alltags den Stachel ziehen. Diese haben häufig ihren Ursprung in einer übersteigerten, zuweilen ins Extrem getriebenen Anspruchshaltung.

Viele unserer alltäglichen Probleme haben mit einem Überangebot an Informationen zu tun, die wir zwar einfordern, an deren zielgerechten Verarbeitung wir aber scheitern.

Experimentelle Untersuchungen der Verhaltensökonomik sprechen aber eine andere Sprache. Sie belegen, dass das Bewusste und das Unterbewusste bei vielen Menschen »mit verschiedener Zunge« reden. Betrachten wir ein Experiment: Kunden in einem Supermarkt durften an einem Probierstand unterschiedliche Marmeladen kosten. Einmal wurden lediglich sechs angeboten, das andere Mal 30. Bei welchem Angebot würden die Kunden die Produkte wirklich kaufen? Im Gegensatz zu den Verlautbarungen, ein größeres Angebot zu schätzen, kauften sie von diesem fast nichts! Bei der begrenzten Auswahl wurde aber kräftig zugeschlagen (Schwartz 2004, 28).

Berlin unterschied zwischen der »Freiheit von« und der »Freiheit zu«. Ohne Zweifel ist es erstrebenswert, in einer Welt zu leben, die frei ist von willkürlicher Machtausübung oder Hunger. Es kann aber zum Gegenteil von Freiheit werden, wenn die Freiheit zu entscheiden zur Lähmung führt

Wir befinden uns in der Welt der Komplexitätsfallen zweiter Art. Diesen zieht man den Stachel, indem man sich die Freiheit nimmt, seine Freiheit zu beschneiden. Das bedeutet, sich ganz bewusst von der Illusion zu verabschieden, in einem so unübersichtlichen Kontext das Optimum zu erreichen. Stattdessen nimmt man die Möglichkeit der Wahl dankbar zur Kenntnis und strebt ein gutes oder auch sehr gutes Ergebnis an. Aber unter keinen Umständen das beste! Ein derartiger Einstellungswechsel bewirkt eine spürbare Veränderung in der Lebensqualität.

Der Maximizer verbeißt sich hartnäckig in die 100 Prozent, der Satisficer begnügt sich mit immer noch guten 80 Prozent. Warum hat diese marginal erscheinende Differenz so extreme Konsequenzen für das Wohlergehen? Weil diese Differenz viele komplexe Entscheidungsprobleme von unlösbaren in lösbare Probleme verwandelt! Und das gilt nicht nur für den Alltag, sondern sogar für komplexe Optimierungsprobleme in der Mathematik, die handhabbar werden, wenn man nicht nach absoluter Perfektion strebt

Auch Satisficer sind Maximizer, aber sie agieren auf einer anderen Erkenntnisebene. Sie nehmen das Leben als Ganzes in den Fokus. Ihnen ist klar, dass der Maximizer für sein graduell besseres Ergebnis negative Konsequenzen in Kauf nehmen muss. Er investiert viel Zeit und Mühe in seine Recherche, wobei er sich gleichzeitig aus unterschiedlichsten Gründen ärgert. Es sorgt für steten Verdruss, wenn das Ergebnis den eigenen Erwartungen nicht genügt. Außerdem ist der ganze Entscheidungsprozess mit negativen Gefühlen aufgeladen. Vor der Entscheidung trübt vor allen Dingen die sogenannte antizipierte Reue die Stimmung: »Was wäre es für ein Ärger, wenn ich jetzt eine Entscheidung träfe und diese sich nicht als optimal herausstellen würde?!« Und auch rückblickend gibt es Grund zum Verzweifeln. Das nennt man in der Psychologie den Omission Bias: »Hätte ich mich doch nur anderes entschieden, dann würde es mir bessergehen!«

Es sei noch einmal betont, dass der Glaube, etwa eine optimale Anlageentscheidung zu treffen, Ausdruck einer Kompetenzillusion ist. Aktienmärkte lassen sich nicht vorhersehen, und prinzipiell überschreitet die schiere Fülle an Informationen, die berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden müssten, alle menschlichen Möglichkeiten. Dem reflektierten Satificer sind diese Umstände bewusst. Deshalb betrachtet er sein Leben aus einer anderen Perspektive, nämlich von oben. Zeit und Mühe sind für ihn Opportunitätskosten. Anstatt sich mit Verbriefungen und Hebelpapieren herumzuschlagen, ließe sich die Zeit auch nutzen, mit Freunden oder der Familie zu kochen und eine gute Flasche Wein zu trinken. Der Satisficer bemüht sich also, seine gesamte Lebenssituation zu optimieren, wobei die Geldanlage ein notwendiger, aber nicht der zentrale Teil dieser Aufgabe ist. Diese Sichtweise ist klug und findet ihren Niederschlag im Lebensgefühl. Im direkten Vergleich hat sich gezeigt, dass Maximizer ein hohes Risiko haben, depressiv zu werden. Wenn man seine Ideale so hoch ansetzt, dass man sie fast zwangsläufig verfehlt, wird das als permanentes Scheitern erlebt.

Betrachtet man diese beiden verschiedenen Typen auf einer etwas abstrakteren Ebene, dann tendieren Maximizer dazu, das Leben zu objektivieren, während Satisficer es subjektivieren. Der Maximizer will das wirklich angesagte Auto, das optimale Liebesleben, den perfekten Partner, ein hohes gesellschaftliches Ansehen, den unvergleichlichen Urlaub, den optimalen Körperfettanteil, die totale Fitness. Der Satisficer schenkt Besitz, Gesundheit und Anerkennung auch Beachtung. Maximiert wird aber die Balance, die ein möglichst zufriedenes Leben gewährleisten soll.

Lebenslehrer aller Länder und Epochen seit jeher eindringlich davor gewarnt haben, das persönliche Lebensglück davon abhängig zu machen, wie man im Vergleich mit anderen Menschen abschneidet.

Durch den Vergleich mit anderen findet man sein Glück nicht mehr in sich selbst. Man wird abhängig, da man mit dem Erreichten nicht zufrieden ist, und es besteht die Gefahr, neidisch und missgünstig zu werden, in letzter Konsequenz auch niedergeschlagen, da es immer jemanden gibt, der begüterter, schöner, fitter, klüger oder erfolgreicher ist als man selbst.

Die Glücklichen stellten menschliche Beziehungen in den Mittelpunkt ihres Lebens. Die Unglücklichen, bisweilen auch Verzweifelten, vernachlässigten diese. Sie setzten andere Schwerpunkte und verfolgten andere Ziele, bevorzugt solche, die gesellschaftlich geadelt sind, da sie gemeinhin mit »Erfolg« assoziiert werden.

Bleiben die Komplexitätsfallen, die die Grenzen des Begreifbaren sprengen. Hier bleibt uns nur eine Möglichkeit: vorzusorgen. Ansonsten sollten wir dem Unberechenbaren mit Gelassenheit begegnen, so wie es die alten Stoiker schon immer taten. Mehr können wir nicht tun.

Komplexe Algorithmen, für Außenstehende der Inbegriff von Planbarkeit und Berechenbarkeit, beinhalten unter Umständen also ein gerütteltes Maß an Unvorhersehbarkeit. Das kann für unsere Welt Folgen haben, vor allen Dingen, wenn diese Algorithmen im Verborgenen arbeiten und weder deren genaue Funktionsweise noch ihre komplizierten Interdependenzen bekannt sind.