Letzte Aktualisierung am 16. November 2024.
Es gibt inzwischen mehrere Akteure, die vor einem weiteren ungesteuerten und unsystemischen Ausbau der Photovoltaik warnen, und es gibt auch Meldungen aus anderen Ländern, die uns aufhorchen lassen sollten!
Das ganze Problem geht auch mit einem unzureichenden und unsystemischen Speicherausbau einher. Siehe hierzu auch den wichtigen Beitrag „Heimspeicher – Nicht so toll, wie du denkst„.
15.11.24: „Es droht Stress im Stromnetz“
Der Chef der Netzagentur, Klaus Müller, warnt vor Notmaßnahmen wegen zu viel Solarstrom.
Das Problem des zeitweisen Überangebots an Solarstrom im Netz hat für uns eine sehr hohe Priorität. Der Solaranlagenzubau hat wesentlich rascher stattgefunden, als prognostiziert worden ist. Die Zeit drängt hier, es geht um die Stabilität des Stromnetzes. Deshalb wäre es sehr gut, wenn es darüber kurzfristig noch eine politische Einigung im Bundestag gäbe.
Dann müssten die Übertragungsnetzbetreiber im letzten Moment mit Notfallmaßnahmen agieren. Solche Maßnahmen sind per se ein Risiko.
Es droht Stress im Stromnetz, sowohl technisch als auch finanziell für uns alle. Denn die Notfallmaßnahmen treffen dann auch Nutzer, die eigentlich mit dem Problem nicht viel zu tun haben. Darüber hinaus kosten die unwirtschaftlichen Spitzen in der Solarstromerzeugung die Verbraucher viel Geld.
11.11.24: Enpal und 1Komma5° warnen vor Blackout durch ungeregelte Photovoltaik-Anlagen
Zwei Unternehmen, die normalerweise erbitterte Konkurrenten sind, haben im Hinblick auf die vor allem für das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geplanten Gesetzesänderungen einen gemeinsamen Standpunkt gefunden: Enpal und 1Komma5° fordern in einer gemeinsamen Erklärung, die Mitte Oktober von der Bundesregierung veröffentlichten Vorschläge zur „Umsetzung der Wachstumsinitiative im Strombereich“ , auch als „Stromspitzen-Paket“ bekannt, sofort umzusetzen. Dies sei im wahrsten Sinne des Wortes systemrelevant für die deutsche Wirtschaft und müsse trotz des Auseinanderbrechens der Ampel-Koalition und der Ungewissheit zum anstehenden Wahltermin erfolgen.
Wenn aber „nicht jetzt wichtige regulatorische Weichen im Energiemarkt gestellt werden, steht im allerschlimmsten Fall überhaupt kein Strom mehr zur Verfügung“. Grund hierfür ist Enpal und 1Komma5° zufolge die Einspeisung aus ungeregelten Photovoltaik-Anlagen – gemeint sind solche mit weniger als 100 Kilowatt außerhalb der Direktvermarktung. Es werde „immer mehr Strom durch kleine Photovoltaik-Anlagen erzeugt, die die Einspeisevergütung erhalten und nicht gesteuert werden. Im Juli dieses Jahres waren es bereits 60 Gigawatt.“
An einem Tag mit hoher Solarstromerzeugung und geringem Verbrauch – etwa an Ostern, Himmelfahrt oder Pfingsten – könnten Extremwerte für negative Strompreise entstehen, unter Umständen gäbe es trotzdem keine „Markträumung“ – der Strom bliebe also im Netz. Im allerungünstigsten Fall, schreibt etwa Leon Hirth, reicht dann die zwangsweise Abschaltung von Erzeugern nicht mehr aus, und es bliebe nur noch die Abschaltung ganzer Verteilnetze. Zwar bedeute dies „keineswegs automatisch einen flächendeckenden Ausfall des Stromsystems (Blackout), jedoch steigt die Gefahr einer schwerwiegenden Störung in einem derart gestressten System stark an. Dies muss unbedingt vermieden werden.“
24.10.24: Solar-Heimspeicher sind aktuell DRECK für das Netz!
Andreas Schmitz (Der Akku Doktor) erklärt in diesem Video recht gut, warum Speicher alleine keine Lösung sind.
Ganz generell: Finanzielle Anreize sind nicht dazu geeignet, die eskalierenden Echtzeitprobleme zu lösen!
Jegliche Preise sind als Steuerinstrument wenig geeignet, weil die Wirkung nur schwer abschätzbar ist und vor allem keine ausreichende Berücksichtigung der lokalen/regionalen Rahmenbedingungen erfolgen kann. Dass es für ein systemdienliches Verhalten eine Intensivierung geben soll, ist aber wohl trotzdem erforderlich. Nur wir brauchen eine Echtzeitsteuerung, die sich vor allem an der Spannung (lokales Signal) und an der Frequenz (globales Signal) orientieren muss, sprich der Markt muss der Physik folgen und nicht umgekehrt. Dazu sind dezentrale Funktionseinheiten mit einem sektorübergreifenden Energiemanagement („Energiezellensystem„) erforderlich. Denn auch eine zentrale Steuerung über den Preis oder der Eingriff auf viele Kleinanlagen erhöht die (Cyber-)Risiken. Zudem fehlt die Digitalisierung in den VNBs.
22.10.24: Ungeregelte Solarleistung – Wie bekommen wir sie unter Kontrolle?
Wie verlief der Ausbau der Solarenergie in Deutschland in den letzten Jahren? Warum ist ungeregelte Solarleistung heute eine Herausforderung, und wie wirkt sich das auf den Strommarkt aus? Was passiert, wenn zu viel Solarstrom ins Netz eingespeist wird? Und wie können wir Solarenergie in Zukunft systemdienlich gestalten? Lion erklärt, warum kleine Solaranlagen auf Privathäusern (aktuell etwa 60 GW) oft auch dann einspeisen, wenn kein Bedarf besteht, und warum dies problematisch ist. Zudem werfen wir einen Blick darauf, warum Netzbetreiber Großbatterien nur zögerlich anschließen und welche politischen Anpassungen notwendig wären, um diese Herausforderungen zu lösen. Zum Abschluss diskutieren wir, welche Anreizmodelle es braucht, um Solaranlagen systemdienlich zu betreiben, und was wir von anderen Ländern lernen können.
Hier sind die wichtigsten Kernaussagen zusammengefasst:
Das Problem der ungeregelten Einspeisung
- Deutschland hat aktuell etwa 90 GW installierte Solarleistung, davon 60 GW im Einspeisetarif
- An sonnigen Feiertagen mit geringem Verbrauch (ca. 40 GW) kann die ungeregelte Solareinspeisung bis zu 36 GW betragen
- Dies führt zu negativen Strompreisen und Netzinstabilität
Mögliche Lösungsansätze
- Intelligente Steuerung und Abschaltung von Solaranlagen bei Überproduktion
- Anpassung der Einspeisevergütung mit negativen Preisen bei Überangebot
- Wiedereinführung einer Spitzenkappung für Solaranlagen (z.B. bei 70 % der Nennleistung)
- Ausbau von Großspeichern und flexibler Nachfrage
- Einführung lokaler Strompreise (Gebotszonenteilung)
Herausforderungen bei der Umsetzung
- Technische und regulatorische Hürden bei der Steuerung von Kleinanlagen
- Mangelnde Anreize für Anlagenbetreiber zur Abschaltung
- Langsamer Ausbau von Großspeichern und Smart Metern
- Politische Widerstände gegen Reformen des Strommarktes
Eine zeitnahe Lösung ist dringend erforderlich, da der Solarausbau weiter voranschreitet und die Problematik in den kommenden Jahren zunehmen wird. Experten sehen bereits für Ostern 2025 kritische Situationen auf das Stromnetz zukommen.
22.09.24: Warum ungeregelte Solarerzeugung zum Problem wird
von Lion Hirth
Problematik der ungeregelten Solarstromerzeugung
- Der starke Ausbau der Solarenergie führt zunehmend zu Problemen durch ungeregelte Einspeisung.
- Etwa 20 % des Solarstroms wird inzwischen zu negativen Preisen erzeugt, was volkswirtschaftliche Kosten verursacht.
- Die meisten Solaranlagen (ca. 60 %) erhalten eine feste Einspeisevergütung und haben daher keinen Anreiz, bei Überproduktion abzuregeln.
Risiken und Folgen
- Es drohen Stromüberschuss-Situationen, bei denen das Angebot die Nachfrage übersteigt, selbst bei extrem negativen Preisen.
- Dies könnte bereits 2025 erstmals auftreten und die Systemstabilität gefährden.
- Die volkswirtschaftlichen Kosten durch fehlende Abregelung werden für 2024 auf ca. 200 Millionen Euro geschätzt.
Ausblick und Handlungsbedarf
- Bei einem jährlichen Zubau von 15 GW steigt die solare Einspeisespitze um ca. 6 GW pro Jahr.
- Kurzfristig ist keine ausreichende Entlastung durch Nachfragesteigerung, Lastverschiebung oder Speicher zu erwarten.
- Es wird als notwendig erachtet, dass künftig nahezu alle neu installierten Solaranlagen auf Preissignale reagieren und bei Überproduktion abregeln.
- Verschiedene Lösungsansätze werden diskutiert, aber als problematisch in der Umsetzung angesehen.
Der Autor fordert die Solarbranche auf, konstruktive und praktikable Vorschläge zu entwickeln, um eine Reaktion von Solaranlagen auf Strompreise zu erreichen und so den weiteren Ausbau zu ermöglichen.
Quelle: https://background.tagesspiegel.de von Lion Hirth, Professor für Energiepolitik
Der Solarzubau boomt – Deutschland hat sein 2024-Ziel für den PV-Ausbau bereits Mitte Mai erreicht. Die zusätzliche Leistung birgt aber auch Risiken: Die Gefahr von schwerwiegenden Störungen im Stromsystem wachse ebenso wie die Kosten für die Volkswirtschaft, warnt Lion Hirth. Alle neu installierten Solaranlagen müssten daher bei Stromüberschuss abregeln können, fordert der Energieökonom von der Hertie School.
Mit einem Zubau von 14 Gigawatt im Jahr 2023 entfaltet die Solarenergie eine besonders hohe Dynamik, die sich im Jahr 2024 unvermindert fortsetzt. Rund 20 Prozent davon erhalten die gleitende Marktprämie und etwa 10 Prozent gar keine Förderung. Rund 70 Prozent der neu installierten PV-Leistung entfallen auf Dachanlagen kleiner als 100 Kilowatt, die eine feste Einspeisevergütung erhalten. Stand Juli 2024 dürften so rund 60 GW PV-Leistung dem Einspeisetarif unterliegen.
Rund 10 Prozent der neuen Leistung in der Einspeisevergütung sind Volleinspeiser, während rund 90 Prozent einen Teil des erzeugten Stroms zur Deckung des Eigenverbrauchs nutzen. Insbesondere bei Einfamilienhäusern werden bei Eigenverbrauchskonzepten in der Regel Hausspeicher eingesetzt; so werden derzeit rund 80 Prozent aller neuen PV-Anlagen mit einer Batterie ausgestattet.
Die Erzeugung von Strom aus Sonnenenergie kostet im Betrieb nichts. Daher ist es sinnvoll, dass die Anlagen immer so viel Strom wie möglich produzieren – außer wenn der Börsenpreis unter null fällt. Bei negativen Preisen verursacht die Stromproduktion volkswirtschaftliche Kosten, sodass es sinnvoll ist, die PV-Anlage abzuregeln.
Im Gegensatz zu thermischen Kraftwerken können Photovoltaik-Anlagen im Prinzip einfach, schnell und ohne Kosten ab- und zugeschaltet werden. Solaranlagen außerhalb der Förderung tun genau dies, und auch Anlagen in der gleitenden Marktprämie haben einen Anreiz abzuschalten, sobald der Strompreis deutlich negativ wird.
Anlagen im Einspeisetarif zeigen ein solches Verhalten jedoch in der Regel nicht – sie produzieren auch bei negativen Börsenpreisen weiter. Dies liegt auch an den Anreizen der Vergütung: Volleinspeiser erhalten immer den gleichen Einspeisetarif je eingespeister Kilowattstunde, haben also grundsätzlich immer einen Anreiz, in jeder Situation Strom zu erzeugen – unabhängig vom Börsenpreis.
Auch Eigenverbrauchsanlagen haben in aller Regel einen Anreiz zur Stromerzeugung bei negativen Strompreisen, weil sie entweder den Einspeisetarif erhalten (wenn sie einspeisen) oder den Endkunden-Strompreis ersetzen (wenn sie eigenen Verbrauch decken). Einspeisevergütungs-Anlagen sind also blind für Marktpreise.
Mit zunehmender ungeregelter Solarleistung ist ein Stromüberschuss ohne Markträumung bereits im Frühsommer 2025 nicht auszuschließen, zum Beispiel bei sonnigem und windigem Wetter über Ostern oder Pfingsten.
Was passiert, wenn der Markt nicht räumt? In einem solchen Fall würden die Übertragungsnetzbetreiber zunächst Regelleistung aktivieren, von der in Deutschland allerdings nur circa 3 GW vorgehalten werden. Reichen diese Maßnahmen nicht aus, um Stromeinspeisung und -entnahme auszugleichen, würde die Frequenz im europäischen Verbundnetz ansteigen, was die Aktivierung von Primärregelleistung zur Folge hätte, von der europaweit 3 GW vorgehalten werden.
Wenn die Übertragungsnetzbetreiber diese regulären Maßnahmen ausgeschöpft haben und die Netzfrequenz trotzdem weiter ansteigt, werden durch die Überfrequenz automatisch Stromerzeuger vom Netz getrennt. Parallel dazu müssten die Übertragungsnetzbetreiber mit Notfallmaßnahmen reagieren, gegebenenfalls auch mit der Abschaltung solcher Verteilnetze, aus denen viel Strom rückgespeist wird. Diese Situation bedeutet zwar keineswegs automatisch einen flächendeckenden Ausfall des Stromsystems (Blackout), jedoch steigt die Gefahr einer schwerwiegenden Störung in einem derart gestressten System stark an.
Neben den Risiken für die Systemsicherheit verursacht die Stromerzeugung zu negativen Börsenpreisen volkswirtschaftliche Kosten. Ein immer größerer Anteil des Solarstroms wird in Zeiten negativer Preise erzeugt – im laufenden Jahr sind es bereits 20 Prozent.
Noch gravierendere Kosten fallen an, wenn der Markt tatsächlich nicht räumt. Die Verkaufsgebote der ÜNB, die die Erzeugung aus dem Einspeisetarif an der Börse verkaufen, werden dann nur Pro Rata zugeteilt, sodass ein Teil davon als Unterdeckung in der Ausgleichsenergie landet. Hier wären in einer derartigen Situation Preise von -100.000 €/MWh und mehr vorstellbar. Dies könnte Kosten von Hunderten von Millionen Euro verursachen – in einer einzelnen Stunde! [Anmerkung: derzeit ist die Ober-/Untergrenze bei +/- 15.000 €/MWh]
Bei einem Solarzubau von 15 GW pro Jahr, einem Einspeisetarifanteil von 70 Prozent und einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 60 Prozent steigt die Solar-Einspeisespitze um 6 GW pro Jahr an. Eine Verlangsamung des Zubaus oder eine Verlagerung in die Direktvermarktung sind derzeit nicht absehbar.
Ob es zu einem Stromüberschuss kommt, hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren ab, insbesondere von Angebot, Nachfrage, Speichern und Export/Import. Selbst bei günstiger Entwicklung all dieser Faktoren ist es aber bei der aktuellen Lage nur eine Frage von wenigen Jahren, bis die Gefahr von Stromüberschüssen deutlich zunimmt.
05.07.14: Überblick Versorgungssicherheit
Der Vortrag „Überblick Versorgungssicherheit“ von Christoph Maurer vom 4. Juli 2024 bietet einige interessante Einblicke in die aktuelle Situation. Besonders hervorzuheben sind seine kritischen Anmerkungen gegen Schluss, dass auch Kleinvieh Mist macht und zunehmend zur Gefahr für die Versorgungssicherheit wird (ab Minute 54). Der Vortrag startet ab Minute 10:13.
Thema Systemsicherheit ab Minute 51:05.