Letzte Aktualisierung am 31. August 2024.

Das Buch „Morten Freidel: So rettet ihr das Klima nicht! Warum die Energiewende gescheitert ist und was wir jetzt tun müssen. Piper-Verlag, München 2024. 208 Seiten, 22 €“ ist eine sehr gute Zusammenfassung der Widersprüchlichkeiten und Zusammenhänge rund um das Thema (deutsche) Energiewende. 

Ich durfte Morten Freidel dazu interviewen, da das übliche Zitieren aus rechtlichen Gründen nicht möglich war. Weiters kann ich dazu den bto-Podcast vom 25. August 2024 inkl. Gespräch mit ihm sehr empfehlen.

Sehr geehrter Herr Freidel,

vielen Dank, dass Sie sich für ein kurzes Interview zu Ihrem Buch „So rettet ihr das Klima nicht!“ Zeit genommen haben. Vieles, was Sie in Ihrem Buch ansprechen, trifft bei mir auf volle Resonanz, weil ich in den letzten 13 Jahren zu ganz ähnlichen Erkenntnissen gekommen bin, auch wenn meine systemischen Betrachtungen vor allem das Thema Versorgungssicherheit umfassen. Aber um das beurteilen zu können, muss man wie Sie eine systemische Perspektive einnehmen, wo der Grundsatz gilt, nur wer das Ganze kennt und versteht, versteht auch die Details und nicht umgekehrt.

Daher sind wir wohl zu ähnlichen Erkenntnissen gekommen, dass genau dieser systemische Ansatz bei der Energiewende und beim Klimaschutz fast völlig fehlt bzw. nicht erkennbar ist und dass immer häufiger faktenbasiertes Grundlagenwissen (Stichwort: MINT-Fächer) durch Wunschdenken ersetzt wird, was aus systemischer Sicht wohl ins Chaos führen muss, denn die Physik lässt sich damit weder beeindrucken noch überlisten.

Was waren daher Ihre größten Aha-Erlebnisse bei der Recherche und beim Schreiben dieses Buches?

Zum einen, dass der Weg so, wie wir ihn beschreiten, nicht zum Erfolg führen wird. Er mag uns auf lange Sicht klimaneutral machen, aber er gefährdet auch unseren Wohlstand. Zum anderen hatte ich bei meinen Recherchen irgendwann den Eindruck, dass es beim Klimaschutz häufig darum geht, was moralisch richtig ist, weniger darum, was am meisten bewirkt. Ein weiterer wichtiger Punkt, der wenigen Menschen klar ist, war: Wir machen uns mit der Energiewende im höchsten Maße abhängig vom Ausland. Wir brauchen unglaubliche Mengen an seltenen Erden, noch dazu Gas oder Wasserstoff für die Tage, an denen der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint. Mit der Atomkraft wären wir deutlich unabhängiger. Es wird aber das genaue Gegenteil gesagt. Immer wieder heißt es, um unabhängig zu werden, müssten wir einfach mehr Windräder und Solardächer bauen. Das ist falsch.

Für Sie wie für mich ist völlig klar, dass wir bei allen Maßnahmen, die wir heute und in Zukunft ergreifen, vorausgesetzt, es passiert global, trotzdem mit den bereits in Gang gesetzten Veränderungen, etwa mit der Zunahme von Extremwetterereignissen, umgehen müssen. Ich habe nicht den Eindruck, dass das bereits breiter angekommen ist und akzeptiert wird. Wie sehen Sie das?

Wenn der Ausstoß von Treibhausgasen so weiter geht wie bisher, dann ist völlig klar, dass wir das 1,5 Grad-Ziel reißen werden, womöglich sogar das 2-Grad-Ziel. Die Staatengemeinschaft muss sich darauf einstellen, sie muss auch die Anpassung an das veränderte Klima in den Blick nehmen. Das heißt keineswegs, dass sie ihre Bemühungen reduzieren sollte, Treibhausgase einzusparen, wo es geht. Doch man sollte dabei so pragmatisch wie möglich vorgehen, unter Einschluss aller möglichen Technologien: der Atomkraft, der CO₂-Verpressung und des Verbrenners, der mit synthetischen Kraftstoffen fahren kann.

Sie schreiben an einer Stelle: „Wir können die Krise der Moderne nur mit den Mitteln der Moderne lösen“, das gilt auch für den Umgang mit Komplexität, dass es eben nicht ausreicht, sie zu reduzieren, weil sich dann das betrachtete System verändert und wo das meistens auch nicht funktioniert, sondern dass wir unser eigenes Komplexitätsniveau erhöhen müssen. Das wird leider weder in Deutschland noch in Österreich wirklich im Bildungssystem abgebildet, was wahrscheinlich auch der Grund für viele aktuelle Probleme und dieses lineare Entweder-oder-Denken ist. Sie schlagen vor, dem Klimawandel mit Fortschrittsoptimismus zu begegnen. Wie begründen Sie das und was sagen Sie den Kritikern, die sagen, das funktioniert nicht, weil gerade der Fortschritt zu den Problemen geführt hat?

Das Zitat stammt von einem Vordenker der Grünen, Ralf Fücks. Seine Parteifreunde sollten ihm genau zuhören. Sie diskutieren oft mit einem Pessimismus über das Klimathema, der die Leute nur abschreckt. Junge Leute möchten nicht hören, dass die Welt dem Untergang geweiht ist. Sie möchten wissen, wann sie wieder ohne Scham in den Flieger steigen können, um damit klimaschonend ins Ausland zu fliegen. Wir müssen der um sich greifenden pessimistischen Erzählung eine optimistische entgegensetzen. Es geht aber noch um mehr. Wir müssen den Leuten entgegentreten, die behaupten, die Moderne selbst sei das Problem. Das Gegenteil ist wahr. Seit wir in großem Stil Kohle, Öl und Gas verbrennen, hat die Menschheit unglaubliche Fortschritte gemacht. Die Moderne hat Krankheiten ausgerottet, die Lebenserwartung erhöht, Hunger gelindert, Reisen in alle Welt selbst für Menschen mit mittlerem Einkommen ermöglicht. Es stimmt, all das geht oft zulasten der Natur, und ganz besonders des Klimas. Aber wir sollten dieses Problem mit den Mitteln der Moderne lösen, nicht mit Rezepten der Vormoderne. Alles andere wird scheitern. Die Menschheit wird bei einer wirtschaftlichen Schrumpfkur nicht mitmachen, ganz besonders nicht jene Länder, die gerade dabei sind, sich aus den Fängen einer generationenübergreifenden Armut zu befreien. Eher werden sie weiter Kohle, Öl und Gas verbrennen.

Im Buch führten sie auch den Begriff der Energiewende auf seinen Ursprung in den 1980er Jahren zurück, als es eigentlich darum ging, fossile und nukleare Energie durch erneuerbare Energien und Kohle zu ersetzen, was nur wenigen bekannt sein dürfte. Dies lässt auch aktuelle klimaschädliche Entscheidungen wie den deutschen Atomausstieg in einem anderen Licht erscheinen. Wie kommen wir also aus der heutigen destruktiven realen Situation im deutschsprachigen Raum wieder heraus, damit wir sowohl einen globalen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, als auch gleichzeitig unsere wirtschaftliche und soziale Überlebensfähigkeit sichern können. Denn ein Zurückdrehen um ein paar Jahrzehnte, wie es die deutsche „Degrowth“-Bewegung fordert, mag auf den ersten Blick klug klingen, funktioniert aber systemisch nicht, weil es wahrscheinlich zu einer „Schöpferischen Zerstörung“ führt. Und wie können wir den Wachstumszwang, der ja auch systemisch destruktiv ist (Stichwort Krebs), so steuern, dass er gesellschaftlich in eine konstruktive Richtung gelenkt wird?

Ich bin überzeugt, dass Deutschland eine Rückkehr zur Kernkraft braucht. Die Leute reagieren immer genervt, wenn man das sagt, aber ich halte es für unerlässlich. Sonst müssen uns entscheiden: Klimaneutralität oder Industrieland? Beides zusammen wird ohne Atomkraft schwer. Damit eine Rückkehr wahrscheinlicher wird, müsste wohl die alte Riege bei den Grünen abtreten, für die der Kampf gegen die Kernkraft identitätsstiftend war. Und es bräuchte eine mutige Union. Zu ihrer zweiten Frage: Ich glaube, dieses Problem lösen wir mit dem Emissionshandel. Wenn er sektorübergreifend wirken kann, also im Verkehr, in der Energie und im Gebäudesektor, dann sparen die Menschen immer dort Emissionen ein, wo es besonders effizient ist. Der Emissionshandel setzt Leitplanken für den Markt. Innerhalb dieser Grenzen können dann Lösungen gefunden werden. Damit all das aber auch umgesetzt wird, braucht es Bürgerliche, die für einen solchen Klimaschutz streiten. Das Thema wurde viel zu lange den Linken überlassen. Deshalb sind wir jetzt überhaupt erst in dieser schwierigen Lage.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

Zusammenfassung „So rettet ihr das Klima nicht!“ durch perplexity.ai

Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Text zusammengefasst:

Energiewende und Klimaschutz

– Die deutsche Energiewende steht vor großen Herausforderungen und Widersprüchen.
– Ein rein auf erneuerbare Energien setzendes System ist extrem komplex und teuer.
– Der Ausstieg aus Kernkraft und Fracking erschwert den Klimaschutz und die Energiesicherheit.

Technologie und Fortschritt

– Moderne Technologien wie Kernkraft und Gentechnik werden oft irrational abgelehnt.
– Fortschrittsoptimismus und Offenheit für alle Technologien sind nötig für effektiven Klimaschutz.
– Die Ablehnung von Technologien ist oft ein Wohlstandsphänomen.

Globale Perspektive

– Deutschlands Alleingänge beim Klimaschutz sind ineffektiv und wirtschaftlich riskant.
– Ein globaler Ansatz wie ein „Klimaclub“ wäre wirkungsvoller als nationale Alleingänge.
– Aufstrebende Länder wie China werden ihren Energieverbrauch weiter steigern.

Wirtschaft und Klimaschutz

– Wirtschaftswachstum und Klimaschutz müssen vereinbar sein.
– Ein effektiver Emissionshandel ist zentral für kosteneffizienten Klimaschutz.
– Wachstumsverzicht ist keine realistische Option für globalen Klimaschutz.

Politische und gesellschaftliche Aspekte

– Die Grünen haben den Atomausstieg ideologisch vorangetrieben.
– Bürgerinitiativen verhindern oft notwendige Infrastrukturprojekte.
– Demokratische Prozesse können den schnellen Umbau des Energiesystems erschweren.

Zukunftsperspektiven

– Der Klimawandel lässt sich nicht mehr vollständig verhindern, aber begrenzen.
– Technologischer Fortschritt und Innovationen sind entscheidend für erfolgreichen Klimaschutz.
– Eine ausgewogene, faktenbasierte Herangehensweise ist nötig, statt Alarmismus oder Leugnung. 

Zum Thema Atommüll ein paar Darstellungen, da es hier sehr viel Unwissenheit gibt

Atommüll - Aktivität vs. Volumen
Atommüll - Würfel
Nuclear Power Decommission In Germany