Quelle: „Energiewende und Versorgungssicherheit – Dunkelflauten erfordern Handeln!“ von Prof. Dr.-Ing. Markus J. Löffler

BtO-Podcast: „Von der Wirklich­keit umzingelt“

bto#264 – Die deutsche Wirtschaft befindet sich im zweiten Jahr der Rezession. Trotzdem hält die Regierung am eingeschlagenen Kurs fest und ignoriert wissenschaftliche Studien, die aufzeigen, dass die angestrebten Ziele nicht zu erreichen sind. So rechnet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vor, dass es immer deutlich günstiger sein wird, Grundstoffe wie Stahl zu importieren, als hierzulande mit Wasserstoff zu produzieren. Würden wir trotzdem versuchen, eine solche Produktion hierzulande aufzubauen, dann arbeiten wir sehenden Auges an Investitionsruinen.

Andere Studien zeigen obendrein auf, dass die Grundannahmen der Energiewende nicht nur unrealistisch, sondern auch unfinanzierbar sind. Statt einen maximalen Anteil Erneuerbarer Energien anzustreben, sollte man auf einen Energiemix setzen, um Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Energiekosten zu erreichen.

Im Gespräch dazu der Energieexperte Dr.-Ing. Markus J. Löffler, emeritierter Professor der Westfälischen Hochschule in Nordrhein-Westfalen.

Zusammenfassung

Deutschlands Stromversorgung soll im Jahr 2045 gemäß aktueller Planung (z.B. EEG 2023) ausschließlich mit Hilfe sog. erneuerbarer Energien geschehen. Hierzu gehören Wind- und Solarkraft und in erheblichst geringerem Maße Biomasse- und Laufwasserkraft.

Bekannt ist, dass die Energiezufuhr aus diesen Energiequellen überwiegend volatil und daher inkompatibel mit dem Strombedarf der Verbraucher ist. Ohne weitere Maßnahmen käme es ständig zu Über- oder Unterversorgungssituationen mit der Folge dauerhafter Blackouts.

Während eine Überversorgung im einfachsten Fall mit dem rechtzeitigen, wenn auch unwirtschaftlichen Abschalten der entsprechenden Energieversorger sehr gut beherrschbar ist – andere Maßnahmen sind die Speicherung der überschüssigen Energie oder deren Export, sofern es das Ausland zulässt –, ist die Darstellung der Versorgungssicherheit im Falle einer Unterversorgung, also die Vermeidung ewiger Blackouts, nur mit Hilfe zusätzlicher aktiv steuerbarer Energiequellen darstellbar. In Frage kommen hierfür nach heutiger Diskussionslage Gas- bzw. H2-Kraftwerke, virtuelle und reale Batterie-Kraftwerke sowie Pumpspeicher-Kraftwerke und Stromimporte. Für den Import muss das Ausland für Deutschland regelbare Kraftwerke vorhalten, die stets dann mit erster Priorität bereitstehen müssen, wenn Deutschland in eine Unterversorgungslage gerät. Diese Möglichkeit erscheint dem Berichter eher spekulativ als gesichert. Die Verwendung deutscher Kernkraftwerke wird heutzutage aus politischen Gründen negiert, während gleichzeitig und widersinnigerweise der Import ausländischen Kernkraftstroms billigend in Kauf genommen wird.

Die vorliegende Studie kommt zu folgenden Ergebnissen:

  1. Innerhalb eines 6-Jahres-Zeitraums können zahlreiche Dunkelflauten auftreten, deren Länge zwischen einer Stunde und 265 Stunden (ca. 11 Tage) variiert. Dabei treten häufig Leistungsdefizite von über 150 GW auf.
  2. Zwischen der 1. bis zur 6. Stunde kann das Leistungsdefizit mit Hilfe von Batterie- und Pumpspeicher-Kraftwerken sehr gut bis zufriedenstellend gedeckt werden. Im leistungsbegrenzten „Streckbetrieb“ ist dies unter günstigen Bedingungen auch bis zu 18 Stunden (<1 Tag) möglich.
  3. Im Falle längerer Leistungsdefizit-Phasen, bis zu 11 Tage, kommen nur noch steuerbare Kraftwerke in Frage, die mit einer abrufbaren Leistung von mindestens 150 GW verfügbar sein müssen. Diese Kraftwerke sind entweder im Inland oder im Ausland vorzuhalten.
  4. Die Auslastung dieser steuerbaren Kraftwerke beträgt im Durchschnitt knapp 500 Volllaststunden pro Jahr. Sie müssten innerhalb eines 6-Jahres-Zeitraums 1.300-mal für maximal 10 Stunden, 750-mal für maximal 20 Stunden, 70-mal für maximal 30 Stunden usw. bis einmal für etwa 250 Stunden in Betrieb genommen werden.
  5. Private Investitionen in steuerbare Kraftwerke sind bei derart geringfügigen Auslastungen wirtschaftlich nicht darstellbar. Mit Stromgestehungskosten von knapp 730 €/MWhel ist zu rechnen. Insbesondere auch dann, wenn es sich um Kraftwerke mit Wasserstoffversorgung unbekannter Provenienz, Lieferzuverlässigkeit und Wasserstoff-Handelspreise handeln sollte. Derartige Backup-Kraftwerke werden somit unabhängig von ihren Betriebsmitteln (also Erdgas, Wasserstoff und ggfs. Kernkraft) so lange nicht gebaut werden, bis sich ihre Betriebsbedingungen, also ihre Volllaststundenzahlen, ändern. Anderenfalls dürfte der Strompreis „ins Unermessliche“ steigen und wäre bestenfalls noch über Haushaltsmittel des Bundes oder der Länder und somit über Steuern finanzierbar, Stichwort Kapazitätsmarkt. Ein solcher Weg wird derzeit negiert und erscheint auch nicht unmittelbar sinnhaft. Schwer vorstellbar ist hierbei, dass ersatzweise das Ausland diese Kraftwerke für Deutschland aufbaut, da dann vergleichbare Probleme auftreten dürften. Erst recht dann, wenn das Ausland sich in ähnlichen und synchron ablaufenden EE-Mangelsituationen befindet wie Deutschland.
  6. Können also unter den bisherigen staatlichen Vorgaben zur Energiewende steuerbare Kraftwerke der erforderlichen Leistung nicht gebaut werden, kann die Versorgung grundsätzlich nicht gesichert werden. Aufgrund dieses Befundes ist die Energiewende heutiger Ausprägung als gescheitert zu betrachten.
  7. Abhilfe geschaffen werden kann dann, wenn die steuerbaren Kraftwerke mit deutlich längeren Laufzeiten, vergleichbar den heutigen Laufzeiten, versehen werden.
  8. Aus Sicht des Berichters macht es somit Sinn, steuerbare Kraftwerke für einen Dauerbetrieb zuzüglich steuerbarer Kraftwerke zum Ausgleich von Last- und Versorgungsschwankungen zu installieren bei gleichzeitig erheblicher Reduzierung des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren-Kraftwerke.
  9. Eine gleichzeitige erhebliche Reduzierung der Erneuerbaren-Kraftwerke führt allerdings dazu, dass auch die hiermit einhergehenden hohen Überschussenergien erheblich reduziert werden. Eine Selbstversorgung Deutschlands aus mit Elektrolyseuren (derzeit sind noch nach Auffassung des Berichters unrealistische 80 GW mit 3.000 Volllaststunden pro Jahr geplant, Quelle: Bundesnetzagentur) erzeugtem Wasserstoff für entsprechende Wasserstoff-Kraftwerke ist dann nicht mehr möglich. Der fehlende Wasserstoff müsste aus unbekannten Quellen (Europa, Ausland) beschafft werden. Da sich Deutschland in Sachen Energiewende als Vorbild für die Welt sieht, dürfte der größte Teil des Auslands allerdings die gleichen Probleme haben, sollte dieses Deutschlands Energiewende-Bemühungen tatsächlich nachahmen wollen. (Entsprechende Hinweise fehlen bisher.)

Weitere Zitate

Die Differenz aus den jährlichen Energieüberschüssen und -defiziten erklärt sich durch Wärmeverluste bei der Elektrolyse von Wasserstoff (160 TWh/a Wasserstofferzeugung bei 80 TWh/a Wärmeverlusten; diese Wärmeverluste entsprechen den Wärmeverlusten von etwa vierzig 1-GW-Kernkraftwerken) und den ebenfalls hohen Verlusten (≈60 %) der Wasserstoff-Kraftwerke, die aufgrund ihrer kurzen Laufzeiten, siehe unten, nur teilweise für direkt abzweigbare Fernwärmezwecke einsetzbar sind. Da die Elektrolyse-Anlagen überwiegend im Sommer bei PV-Überangebot arbeiten, dürften diese ebenfalls kaum für direkt abzweigbare Fernwärmezwecke geeignet sein. Ließe sich die Verlustwärme allerdings für ca. ein halbes Jahr in Wärmespeichern unterbringen, ergäbe sich, abgesehen vom wirtschaftlichen Mehraufwand, aus technischer Sicht ein anderes Bild.

Bild 8 stellt das Leistungsdefizit aufgrund der in Bild 6 rot markierten EE-Unterversorgung dar. Dies ist der Betrag des negativen Teils der sogenannten Residualleistung, also der Differenz zwischen EE-Stromerzeugung und elektrischer Last.

 

In den Jahren 2016 bis 2021 wäre gemäß dem Bild mit Fehlenergien von 123 bis 180 TWh zu rechnen gewesen, rote Zahlen. Dabei wären insbesondere zu Beginn dieser Jahre regelmäßig Leistungsdefizite von 135 bis 160 GW aufgetreten. Diese haben eine Dauer von 150 bis 270 Stunden bzw. von 6 bis 11 Tagen. Diese Leistungsdefizite wären grundsätzlich mit Leistungsbeiträgen aus Backup-Kraftwerken, z.B. Pumpspeicherkraftwerken, virtuellen oder realen Batterie-Kraftwerken6, Gaskraftwerken oder Kraftwerken der europäischen Anrainerstaaten zu decken gewesen. Bei Gaskraftwerken würde es sich nach heutiger Lesart um Wasserstoff-Kraftwerke handeln; Kernkraftwerke oder fossile Kraftwerke sind aufgrund derzeit gültiger politischer Weisungen ausgeschlossen. Stromimporte hingen von der Stromexportwilligkeit und -fähigkeit der Anrainerstaaten ab.

Speicher-Kraftwerke tragen in der Gesamtschau länger andauernder Dunkelflauten also nur einen marginalen energetischen Teil zur Versorgungssicherheit bei. Selbst wenn man von ihnen als anfängliche Instantan-Reserve absieht und ihre Energie insbesondere zu Zeiten maximalen Leistungsbedarfs einsetzt, können Sie lediglich als Not-, nicht aber als Hauptreserve zur Darstellung der Versorgungssicherheit dienen. Inwieweit Stromimporte aus den europäischen Anrainerstaaten bei den dargestellten Leistungen und Energien eine tragende Rolle spielen können, bleibt dem Berichter unklar. Diese müssten aber ebenso aus regelbaren Kraftwerken bereitgestellt werden, da im Winter mit großräumig minimaler Sonneneinstrahlung und bei großräumigen Windflauten, die die entsprechenden Länder ebenfalls erfassen, kaum damit zu rechnen ist, dass eine ausreichende regelbare EE-Versorgung aus Europa zur Verfügung steht. Zudem ist damit zu rechnen, dass die entsprechenden Anrainerstaaten ihre eigenen Kraftwerke zu diesen Zeiten selbst benötigen und nicht einfach im Handelswettbewerb vollständig auf Deutschland umschalten können, um dann im eigenen Land bei der Versorgungssicherstellung zu fehlen. Der Berichter geht daher davon aus, dass Deutschland sich seinen Backup-Kraftwerkspark prinzipiell schon selbst installieren muss und dies nicht einfach auf das Ausland abschieben darf. Beim Ausgleich üblicher Leistungsschwankungen kann dann dennoch, wie bisher, wechselseitig auf die jeweiligen steuerbaren Kraftwerke zugegriffen werden.

Aus Speicher-Kraftwerken werden Leistungen bis zu 130 GW bei Laufzeiten von bis zu 19 Stunden bei entsprechend geringeren Leistungsabrufen abgerufen. Danach sind die Speicher leergelaufen und werden durch regelbare Backup-Kraftwerke abgelöst; diese müssen Leistungen bis zu 160 GW für Dauern bis zu 265 Stunden bzw. 11 Tagen bereitstellen. Die Leistungsanforderungen sind dabei schwankend.

Der regelbare Kraftwerkspark muss also Leistungen bis 160 GW bereitstellen. Geht man von 85 % Verfügbarkeit dieser Kraftwerke aus, müsste der gesamte Kraftwerkspark eine installierte Leistung von knapp 190 GW aufweisen. Ohne Kenntnis entsprechender Daten soll daher salvatorisch angenommen werden, dass lediglich 150 GW installierter Kraftwerksleistung benötigt werden und die fehlenden 40 GW „irgendwo anders“ her bezogen werden können.