Letzte Aktualisierung am 02. September 2024.

Ist es Ihnen wie den meisten Menschen ergangen oder haben Sie mitbekommen, dass es am 21. Juni 2024 nach 1976 und 2003 nunmehr zum dritten Mal in der Geschichte des europäischen Stromverbundsystems zu einem Blackout gekommen ist? Eine Reihe unglücklicher Ereignisse führte zu einem großflächigen Stromausfall, diesmal in mehreren Ländern des Westbalkans.

Ein Ereignis, das viele Akteure immer noch für sehr unwahrscheinlich halten. Glück im Unglück: Und wieder konnte durch internationale Zusammenarbeit die Stromversorgung in diesem peripheren Netz nach rund zwei Stunden wiederhergestellt werden.

Was können oder sollten wir daraus lernen?

Auch unwahrscheinliche Szenarien treten ein! Das haben wir in den letzten fünf Jahren öfter erlebt, als uns lieb ist. Wie die ersten Analysen zeigen, wäre das Ereignis bei entsprechender Sorgfalt wohl vermeidbar gewesen. Wie auch viele andere zuvor. Aber „shit happens“ und hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Ob man daraus ableiten kann, dass die schnelle Wiederherstellung der Stromversorgung auch in einem anderen Kontext funktionieren würde, darf bezweifelt werden.

Aus unserer Sicht sollten wir im Sinne der Vorsorge das bisher kommunizierte Szenario eines mindestens eintägigen Stromausfalls auf jeden Fall weiter im Auge behalten. Und es ist besser auch in Zukunft eher von einem besseren Szenario positiv überrascht zu werden, als auch nur einmal ohne ausreichende Vorsorge mit den absehbar zu erwartenden gravierenden Folgen eines für unwahrscheinlich erachteten Ereignis konfrontiert zu werden. Unsere Einschätzung: Spätestens ab einem überregionalen Stromausfall von mehr als sechs Stunden wird es ernst, und es ist mit erheblichen Schäden zu rechnen, wie auch jüngst der zwölfstündige Stromausfall auf der norddeutschen Ferieninsel Usedom gezeigt hat.

Vielleicht ist Ihnen auch entgangen, wie knapp wir am 19. Juli 2024 an einer großen Katastrophe vorbeigeschrammt sind. Durch ein Software-Update in einer weit verbreiteten Sicherheitssoftware kam es weltweit zu Computerausfällen in Kritischen Infrastrukturen wie Flughäfen, Krankenhäusern, Banken, Behörden etc. Glücklicherweise wurde die Ursache schnell erkannt und eine weitere Ausbreitung konnte schnell verhindert werden. Auch hier ein Ereignis, das häufig als sehr unwahrscheinlich eingestuft wurde und dennoch eingetreten ist.

Ende Juli kam es in Frankreich, Deutschland und Finnland zu Sabotageangriffen auf Kritische Infrastrukturen. In Frankreich waren insbesondere der Schienenverkehr und die Telekommunikation betroffen. Bei uns war das eher eine Randnotiz. Die Welt wird leider nicht sicherer, auch wenn die geschilderten Ereignisse trotz allem verdeutlichen, dass unsere Systeme und eigentlich auch die Gesellschaft doch in gewisser Weise resilient sind. Noch gravierendere Kaskadeneffekte sind trotz allem bisher ausgeblieben.

Aber auch hier stellt sich die Frage, ob wir uns deshalb zurücklehnen können oder ob wir uns im Gegenteil noch intensiver mit dem Thema Vorsorge beschäftigen müssten. Unsere Meinung dazu ist eindeutig. Wenn man sich etwas umschaut, hat man nicht den Eindruck, dass die Botschaften angekommen sind. Es braucht also wohl noch weitaus gravierendere Ereignisse, um einen größeren Teil der Gesellschaft wachzurütteln. Leider.

In Österreich beginnt demnächst die heiße Phase des Nationalratswahlkampfes 2024, was auch bedeutet, dass das Thema Vorsorge derzeit mehr oder weniger ein No-go-Thema ist. Man will damit nicht in den Wahlkampf ziehen, was vielleicht auch besser ist. Aber irgendeinen Grund finden die Verantwortlichen immer, warum es gerade jetzt nicht passt, das Thema anzusprechen. Gleichzeitig verstreicht aber weitere ungenutzte Zeit. Positiv ist in Österreich, dass es von verschiedenen Seiten zumindest eine Absichtserklärung gibt, das Thema dann im Herbst angehen zu wollen. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

Blackout-Vorsorge in Unternehmen und Organisationen 

Ein Thema, das wir bereits vorbereitet und aufbereitet haben, ist das der betrieblichen Blackout-Vorsorge, das wir noch breiter in die Unternehmen tragen wollen. Dazu liegt jetzt der Flyer Blackout-Vorsorge in Unternehmen vor, der nach der Wahl ein Update mit prominenten Unterstützern erhalten wird. Parallel dazu haben wir zu Jahresbeginn den Leitfaden zur Blackout-Vorsorge in Unternehmen aktualisiert und veröffentlicht.

Sandra Kreitner und Christian Haas bieten zudem in Kooperation mit dem Bayerischen Verband für Sicherheit in der Wirtschaft (BVSW) eine mehrtägige Ausbildung zum Resilienzmanager an. Über die GfKV gibt es dann für die Absolventen eine Community of Practice, um den weiteren Austausch auch nach der Ausbildung zu fördern. Ferner hostet die GfKV für die Task-Force-Blackout ein regelmäßiges Online-Meeting für Behörden- und Unternehmensvertreter mit über hundert Teilnehmern.

Es wird inzwischen immer deutlicher, dass viele Aktivitäten nur über die bestehenden Netzwerke wirklich umfassend adressiert werden können.

Daher die Bitte an Sie, liebe Leserinnen und Leser: Nehmen Sie unsere Hilfestellungen zur Hand und bringen Sie diese in Ihre Organisation und stellen Sie diese zur Diskussion. Hinterfragen Sie die aufgezeigten Punkte, inwieweit diese bisher gut vorbereitet sind oder wo noch nachgeschärft werden könnte.

Werden wir das wirklich brauchen?

Natürlich werden Sie oder Ihr Umfeld fragen, brauchen wir das wirklich? Gab es nicht 2022 massive Warnungen, auch von uns, und trotzdem ist nichts passiert? Auch der Winter 2023/24 ist ohne Zwischenfälle vorübergegangen und so wird es doch wohl weitergehen, oder? Wir und niemand weiß es so genau. Dazu ein sehr wichtiges Zitat von Maja Göpel, die sich mit Transformationsforschung und systemischem Denken beschäftigt. Sie beschreibt etwa das Muster des Critical slowing down – einer kritische Verlangsamung:

„Es zeigt sich oft bei Systemen, die kurz vor einem sogenannten Kipppunkt stehen. In dieser Phase brauchen sie immer längere Erholungszeiten, um sich nach einer Störung wieder zu stabilisieren und in ihr altes Gleichgewicht zurückzufinden. (…)

Die Entdeckung, dass Systeme, bevor sie sich radikal verändern, Muster des critical slowing down aufweisen, ist deshalb bedeutend, weil die Anzahl und das Ausmaß an Symptomen wie ein Frühwarnsystem funktionieren: Ballen sich ungewöhnliche Ereignisse, nehmen extreme Ausschläge zu, zeigt das an, dass das System seinem Kipppunkt bereits sehr nahe gekommen ist. Jede weitere Störung des Gleichgewichts kann nun eine enorme Wirkung entfalten. Zu keinem Zeitpunkt ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Dinge unaufhaltsam ins Rollen kommen, größer als jetzt. Auf einmal ist möglich, was kurz davor noch undenkbar zu sein schien. (…)

Wenn Beschleunigung und Vernetzung in einem System an ihre Grenzen stoßen, entsteht Über-Forderung. Überforderung bedeutet, dass mehr erreicht oder verausgabt werden soll als das, wofür ein System ausgelegt ist. Kurzfristig ist das immer möglich, gerade komplexe Systeme sind Weltmeister im Puffern. Wird dem System aber keine Zeit zur Regeneration gegeben, dann führt das zu schwerwiegenden Schäden und Umbrüchen.“

Frühwarnindikatoren erkennen

Im Nachhinein ist es immer einfacher, Muster zu finden als im Vorhinein. Ein solches Muster können im Stromversorgungssystem etwa Redispatch-Maßnahmen sein: Während in Deutschland vor rund 20 Jahren noch eine einstellige Zahl von Eingriffen im gesamten Jahr notwendig war, um das Netz stabil zu halten, waren es 2022 bereits über 12.000 Eingriffe. Im Jahr 2023 waren es bereits über 15.000 Eingriffe und im Jahr 2024 waren es bis Ende Juli bereits über 9.000 Eingriffe, womit sich ein neuer Rekord abzeichnet.

Oder ein anderes Beispiel: Beim Verteilnetzbetreiber BayernWerk mussten 2022 rund 100.000-mal PV-Anlagen vom Netz genommen werden. Im Jahr 2023 war dies bereits mehr als eine Million Mal nötig, und in diesem Jahr rechnet man mit mehr als drei Millionen Mal.

Bb Achtsamkeit

In Österreich muss mittlerweile an sonnigen Sonntagen ein Großteil der Wasserkraft abgeschaltet oder gedrosselt werden, um die enormen Mengen an PV-Strom im Netz unterbringen zu können. Mittlerweile gibt es in vielen europäischen Ländern ähnliche Probleme und die Liste wird immer länger. Wir sind daher der Meinung, dass der Krug so lange zum Brunnen geht, bis er bricht. Wann genau das sein wird, wissen wir nicht, aber dass es passieren wird, ist sehr wahrscheinlich, auch wenn man diese Einschätzung in verschiedenen Bereichen nur hinter vorgehaltener Hand bestätigt bekommt.

Vorsorge macht krisen- und zukunftsfit!

Unser Ziel ist es allerdings nicht, nur auf ein Szenario vorbereitet zu sein, sondern generell und immer – in der Hoffnung, dass wir diese Vorsorge wie eine Versicherung hoffentlich nie brauchen werden.

Daher noch einmal die Einladung an Sie, unsere Initiativen „Mach mit! Österreich wird krisenfit!“ oder „Schritt für Schritt krisenfit!“ auch in Ihre Organisationen und Ihr Umfeld zu tragen.

Versuchen wir gemeinsam, weiter zu sensibilisieren, auch wenn diese Botschaft nicht immer auf fruchtbaren Boden fällt. Wir erleben doch immer wieder große Dankbarkeit! Suchen Sie also jene Menschen und Akteure, die offen und bereit sind, ebenfalls Verantwortung zu übernehmen. Und vergeuden Sie keine Energie mit jenen, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Verständnis aufbringen (wollen).

Damit steigern Sie Ihre eigene Wirksamkeit und die unserer Gesellschaft. Wichtig ist stets eine gesunde Distanz, damit das Thema nicht zur Überforderung wird oder gar in eine Negativspirale führt. Wir dürfen unser Umfeld nicht ständig mit alarmistischen Informationen überfluten. Wenn wir immer nur über Gefahren reden, erzeugen wir Angst, die lähmt und sinnvolles Handeln unterdrückt. Dazu werden wir in den nächsten Monaten weitere Hilfestellungen erarbeiten, wie Sie Ihre persönliche Resilienz im Umgang mit diesen Themen und Umbrüchen stärken können: sowohl in der akuten Krise als auch ganz allgemein.

Denn wenn man sich ein wenig mit den übergeordneten Umbrüchen beschäftigt, wie z.B. „Die Weltordnung im Wandel“, dann wird einem klar, dass die Turbulenzen in nächster Zeit wohl nicht weniger werden. Hinweise darauf haben wir in diesem Jahr schon mehrfach gesehen. Wir können nur in unserem eigenen Bereich wirklich aktiv etwas tun, in vielen anderen Bereichen müssen wir die Dinge wohl nehmen, wie sie kommen und wie sie sind. Aber jeder hat die Möglichkeit, im Kleinen etwas zur Verbesserung beizutragen. Deshalb noch einmal zwei Zitate von Maja Göpel:

»Handle so, dass dein Gegenüber anschließen kann, gerade weil du das nicht kontrollieren kannst«

Indem wir jeweils den Schritt gehen, der den Beteiligten gerade möglich ist, schaffen wir Veränderungen, die dauerhafter in unseren Systemen zum Ausdruck kommen, in gelebter Praxis und selbst organisierenden Prozessen. Und solange wir uns nach einem Schritt nicht erst einmal lange ausruhen, sondern weiterlaufen, entsteht eine dynamische Praxis, bei der wir uns an das immer wieder Ungewisse anpassen, sich unsere Routinen verändern, Institutionen neu verpackt werden, das Neue normal wird. Verankert, weil so viele Menschen wie möglich mitmachen.

Wie immer gäbe es noch viel mehr zu sagen, aber wir wollen Ihre Zeit auch nicht überstrapazieren. Wenn Sie noch mehr wissen wollen, empfehlen wir Ihnen, einen Blick in den Blog von Herbert Saurugg zu werfen, wo die wichtigsten Themen der letzten Monate gesammelt sind. In diesem Sinne wünschen wir Ihnen weiterhin einen erholsamen Sommer mit möglichst wenigen negativen Überraschungen.

 

Die letzten Monate im Überblick

Stromversorgung

Krisenvorsorge & Erfahrungen

Ereignisse

Bücher