Quelle: www.deutschlandfunknova.de
Die Ereignisse und Gefahren, die uns im Leben begegnen, können wir meist nicht beeinflussen. Aber wie wir mit ihnen umgehen, das haben wir größenteils selbst in der Hand, sagt die Resilienzforschung. Ein Vortrag des Psychologen Jurij Ryschka.
Unser Leben wird von großen und kleinen Krisen geprägt: Klimawandel und Krieg, Angst um den Arbeitsplatz oder vielleicht sind wir – ganz banal – so richtig genervt, weil der Computer nicht funktioniert oder wir morgens den Kaffee verschüttet haben.
„Es macht durchaus Sinn, mal zu fragen: Ist das jetzt wirklich so schlimm? Und in den meisten Fällen werden wir sagen: Nein, mein Leben hängt zum Glück nicht daran.“
In der Psychologie kann man all diese großen und kleinen Krisen als „widrige Ereignisse“ bezeichnen. Es sind Dinge, die unsere Pläne stören und uns aus der Bahn werfen können. Dass unser Leben voll von solchen widrigen Ereignissen ist, können wir nicht ändern. Aber, sagt Jurij Ryschka, wir sind ihnen nicht hilflos ausgeliefert.
„Stressaktivierungen machen uns überhaupt nichts aus. Kritisch wird es, wenn wir permanent unter Stress sind, wenn wir gar nicht mehr zur Ruhe kommen.“
Jurij Ryschka ist Psychologe, Coach und Berater. In seinem Vortrag erzählt er, warum wir alle irgendwann an unsere Grenzen kommen und was wir dann tun können, um wieder Tritt zu fassen. Stress, sagt Ryschka, ist eigentlich etwas, das wir gut vertragen. Zum Problem wird Stress erst dann, wenn er nicht mehr aufhört und wir gar nicht mehr zur Ruhe kommen.
Bereit zu Flucht oder Kampf
Zunächst einmal reagieren wir auf Stress mit einem uralten Muster: Wir wenden unsere Aufmerksamkeit einem ungewöhnlichen Ereignis zu – etwa einem Geräusch, das wir nicht erwarten, einer plötzliche Veränderung. Unsere Muskeln spannen sich an, unser Blutdruck steigt, wir sind bereit für Flucht oder Kampf.
„Ich kann mich bewusst instruieren: ‚So, jetzt orientiere dich! Was ist dein Ziel? Was sind die wichtigsten Schritte?‘ Und dann arbeitest du 1., 2., 3., 4. nacheinander ab.“
Diese Reaktion war für unsere Vorfahren lebensrettend, wenn sie zum Beispiel einem Säbelzahntiger gegenüber standen, sagt Ryschka. Für die Formen von widrigen Ereignissen und Stress, die uns heute begegnen, ist sie dagegen eher wenig hilfreich. Doch wir können Techniken entwickeln, wie wir mit solchen Situationen umgehen: kurz innehalten, uns überlegen, was wir eigentlich wollen – und mit welchen Schritten wir dorthin gelangen.
Jurij Ryschka ist Psychologe und Organisationsberater. Er war Professor für Personalentwicklung an der FH Mainz. Sein Vortrag hat den Titel „Resilienz: Wie wir in Krisen handlungsfähig und zuversichtlich bleiben“. Er hat ihn am 23. April 2024 an der Evangelischen Akademie in Frankfurt am Main gehalten. Der Vortrag wurde organisiert vom Arbeitskreis Krisenresilienz der Polytechnischen Gesellschaft Frankfurt am Main.