Die Bachelorarbeit „Maßnahmen zur Erhaltung der physischen Sicherheit von Krankenhäusern im Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls“ von Dominic Posch beschäftigt sich mit dem Thema Blackout-Vorsorge. Hier einige Auszüge:
6 Darstellung der Ergebnisse
Dieses Kapitel beinhaltet die Darstellung und Interpretation der wichtigsten Aussagen der interviewten Expert*innen zu den jeweiligen Interviewfragen. Auch wenn die Expert*innen in teilweise sehr unterschiedlichen Bereichen tätig sind, ergibt sich doch oftmals eine spannende Einigkeit. Bei den Aussagen der Expert*innen wurde auch in diesem Kapitel darauf geachtet, die Anonymität der Interviewpartner*innen zu gewährleisten. Aus diesem Grund können Aussagen, welche Hinweise auf die Identität der Interviewpartner*innen geben könnten, leicht abgeändert worden sein. Die einzelnen Markierungen werden entsprechend der Transkriptionen als Positionen dargestellt.
Die Einstiegsfrage in das Interview beschäftigt sich mit der Wahrscheinlichkeit eines Blackouts und die begünstigenden Ursachen zum Eintritt eines solchen Szenarios. Sie dient dazu, den Begriff zu definieren und das Szenario für dieses Interview in einen entsprechenden Rahmen zu geben. Dies soll die weiteren Antworten für die Expert*innen erleichtern, da hier klar ist, dass es sich um einen flächendeckenden Stromausfall und nicht wie in Kapitel 2 beschrieben um ein sogenanntes „Brownout“ oder einer temporären Großstörung handelt. Bei der konkreten Frage der Wahrscheinlichkeitseinschätzung zeigt sich eine geteilte Meinung. Person 5, Pos 2. gibt keine exakte Einschätzung, sondern sieht es als ein Ereignis, welches nicht messbar eintreten kann. Person 2, Pos. 12, 3, Pos 4 und Person 4, Pos. 3 sehen eine sehr niedrige Wahrscheinlichkeit, während Person 1, Pos. 6 das Szenario in den nächsten 5 Jahren als sehr wahrscheinlich sieht. Diese Einschätzung deckt die Ansicht aus Kapitel 2, dass der Eintritt schwer bis nicht messbar ist und sehr spontane Ursachen haben kann. Bei der Frage, welche begünstigenden Faktoren die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts erhöhen können, gaben die Expert*innen unterschiedliche Expertisen ab. Neben den Ursachen, welche auch in der Literatur bzw. Kapitel 2 dieser Arbeit beschrieben sind, wird hier auch im Detail auf die Energieversorgung mit Gas durch Person 5, Pos 4. eingegangen. Person 3, Pos. 8 betrachtete auch die Stromnachfrage versus die Stromverfügbarkeit. „(…) einerseits die Stromentnahme nicht mit der Strommenge, die zur Verfügung steht, korrespondiert, so dass das ein ausgeglichenes Verhältnis ist. (…)“ Die Frage 3 handelte von der Rolle des Gesundheitswesens und insbesondere der Kliniken in einem Blackout – Szenario definieren. Diese Frage soll dazu dienen, die entsprechende Kritikalität zu erörtern und eine Einstufung zu geben, wie kritisch die eventuell weniger informierte Bevölkerung eine Klinik in einem solchen Szenario sieht. Hier gibt es eine einheitliche Aussage von 4 interviewten Personen: Kliniken werden in einem solchen Szenario aufgrund ihrer Notstromversorgung Menschen anziehen. (…) die Kliniken haben eine eigene Stromversorgung in dem Fall. (…) Das heißt, sie sind erreichbar, sie sind erkennbar, dass sie erreichbar sind, zumindest vom, von der, vom Licht her. Hauptaufgabe wird sein, also erstens werden wahrscheinlich viele Personen die Antworten suchen, was ist los? Was ist passiert? Wann haben wir wieder Strom? Wie lange wird dieser Zustand dauern? Werden auf jeden Fall in diese belichteten Ballungszentren, wo dann die Kliniken hin sind, hinströmen. Ich glaube, sonst haben sie den Versorgungsauftrag einerseits die Patientinnen und Patient die sie haben zu versorgen, andererseits die Patientenkollektive, die aufgrund des Stromausfalls vermehrt auftreten können, was Wahrscheinlich eher (…) Sturz und Bruchthemen sein könnten, ich vermute food posioning et al weniger, wahrscheinlich toxische Themen wie Alkoholmissbrauch und Drogen könnten vermehrt eine Rolle spielen, und ansonsten geht der Betrieb wahrscheinlich so gut es geht weiter (…) (Person 2, Pos. 36) Ebenso wird von 4 Expert*innen erwähnt, dass die Grundbedürfnisse nach Licht, Wärme, Sicherheit usw. von einer mit Notstrom betriebenen Klinik als gedeckt angesehen werden könnten. Erwähnt wird auch, dass bereits sich in Behandlung befindliche Patient*innen in einem solchen Szenario versorgt werden müssen. In Kombination dazu wurde den Krankenhäusern ein hoher Stellenwert in der Versorgung zugeschrieben. Auch der soziale Aspekt der Versorgungsverpflichtung beziehungsweise des Versorgungsauftrags wird von Person 3, Pos. 12 im Speziellen erwähnt.
Bei den Herausforderungen für Krankenhäuser im Blackout-Fall, wird insbesondere das Selektieren von Personen betrachtet, welche Einlass in die Klinik benötigen oder wollen. (…)ich glaube, die Herausforderung wird sein, die selektive Zugänglichkeit zu gewährleisten. Nämlich für die Leute, die die Klinik brauchen und die Einrichtungen der Klink brauchen und all jene Leute, die diese Einrichtungen nicht primär brauchen, von der Klinik abzuhalten, nämlich, um dort Ressourcen zu sparen und dort Sicherheit zu gewährleisten. (Person 3, Pos. 20)
Ebenfalls zeigt sich ein allgemeiner Konsens nach Ressourcenknappheit und damit einhergehende weitere Herausforderungen. Dass Krankenhäuser offen und relativ ungeschützt sind, wird von einer Expert*in auf physischer Ebene betrachtet. Bei der Frage nach den ethischen und sozialen Verantwortungen, sowie der öffentlichen Wahrnehmung von Krankenhäusern in einem Blackout-Szenario sollte insbesondere die Frage geklärt werden, ob Krankenhäuser für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben, oder diese primär ihre Türen schließen sollten, um die innere Ordnung und die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können. Bei dieser Fragestellung wurde eine absolute Einigkeit aller Interviewpartner*innen erzielt. Kliniken sollen während eines solchen Szenarios für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben. Die befragten Expert*innen erwarteten jedoch im Konsens einen hohen Anteil an Patient*innen in einem solchen Szenario. Person 5 merkte jedoch im Speziellen an, dass diese eher nach und nach eintreffen können und dies zeitlich versetzt stattfinden kann. Daraus wurde in weiterer Folge geschlossen, dass eine gute Krisenkommunikation und entsprechende Maßnahmen vor Ort signifikant dazu beitragen könnte, dass die Lage des Patient*innen-zustroms nicht eskaliert: „(…) Das heißt ich brauche Kräfte, die ziemlich schnell Informieren, Deeskalieren, was auch ein ganz ein riesen-Thema ist, (…)“ (Person 1, Pos. 75). Neben der präventiven und reaktiven Kommunikation wurden auch konkrete Maßnahmen von den interviewten Expert*innen angesprochen: „(…) Was aus meiner Sicht heißt: kleinere Organisationseinheiten, die sich bilden müssen und per se eine Reorganisation im Patientenkollektiv.“ (Person 2, Pos. 109).
Als wichtig wird auch die innere Ordnung und Struktur betont. Im nächsten Frageblock sollten konkrete Maßnahmen zur physischen Sicherheit betrachtet werden. Um dies zu beantworten, sollten zuerst Verhinderungen von Verhaltensmuster einer Massenpanik oder Hysterie erläutert werden, welche sich im Zuge eines Patient*innenzustromes entwickeln könnten. Diese Frage wird von allen Expert*innen einstimmig beantwortet: Kommunikation wird als größter Faktor zur Verhinderung von Entgleisungen und/oder Massenpanik angeführt. Darüber hinaus gibt es eine Uneinigkeit bei dem Einsatz der Exekutive: Während ein/e Expert*in der Meinung ist, Rettungs- und Feuerwehrkräfte wären sinnvoll als vorgelagerte Information und Erst-Anlaufstelle, meinte ein/e andere Expert*in, dass besonders die Exekutive zum subjektiven Sicherheitsgefühl beitragen würde. Dieser Umstand wird in der Interpretation und der Diskussion näher erläutert. Person 1 erwähnt hierbei jedoch auch, dass entsprechende Exekutivkräfte quantitativ ohne vorherige Zusage oder Absprache, vermutlich nicht zur Verfügung stehen werden.
Als konkrete Maßnahme werden verschiedene Punkte genannt: personelle, organisatorische und technische Maßnahmen. Als Konsens kann hier die Kommunikation und die präventive Notfallplanung erwähnt werden, welche alle Expert*innen einstimmig erwähnt haben. Teilweise unterscheiden sich die Ansichten in technischer Hinsicht: Sperren und Barrieren müssten entsprechend von Spezialkräften der Exekutive bewacht werden, um ihre Möglichkeiten voll zu entfachen. „Crowd-Control“ wird im Kontext der Kommunikation in diesem Frageblock ebenfalls erwähnt. Insgesamt lassen sich durch die Meinungen der Expert*innen einige Maßnahmen für die physische Sicherheit von Krankenhäusern ableiten.
Generell lassen sich aus den Daten der Expert*inneninterviews folgende Hauptpunkte ableiten:
- Die Wahrscheinlichkeit eines flächendeckenden Stromausfalles wird, bis auf eine/n Expert*in ähnlich der Literatur, als niedrig eingestuft, die Auswirkungen allerdings umfassend.
- Es werden Vergleiche zu anderen Krisen gezogen. Unter anderem zur COVID 19-Pandemie, zu einem Stromausfall in der Steiermark, sowie zu dem Terroranschlag in Wien.
- Die Auswirkungen des Szenarios können Dominoeffekte haben, welche sich massiv auf die Gesundheitseinrichtungen und vor allem auf Krankenhäuser auswirken können.
- Es wird mit einem unverhältnismäßig hohen Patient*innenaufkommen in einem solchen Szenario gerechnet.
- Gründe dafür sind unter anderem, dass durch die notstrombetriebenen Krankenhäuser vermeintlich die Grundbedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden können.
- Krankenhausinternes, aber auch externes Personal ist stark belastet und es bedarf eines hohen Personalaufwands, um den Betrieb in einem solchen Szenario aufrechterhalten zu können. Externe Kräfte könnten notwendig sein, sind aber eventuell schwer verfügbar.
- Maßnahmen der physischen Sicherheit wie eine Triage oder gute Krisenkommunikation und der Schutz der Einrichtung „Krankenhaus“ über personelle, organisatorische und technische Maßnahmen werden betrachtet und als sinnvoll bzw. notwendig erachtet. Eine vollumfängliche Darstellung der Aussagen inklusive Kodierung und Paraphrasen findet sich im Beiheft dieser Arbeit.
7.1 Zusammenfassung
Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird das Szenario, dessen Ursachen und Eintrittsmöglichkeiten nach der aktuellen Literatur betrachtet und eingeschränkt. Um die Komplexität für das Gesundheitswesen und insbesondere dem System Krankenhaus nachvollziehbar darzustellen, wird in Kapitel 2 der Fokus auf diesen Bereich gelegt. Krankenhäuser haben den Auftrag, verletzte, erkrankte und hilfesuchende Menschen zu behandeln und sind als kritische Infrastruktur essenziell, da diese die letzte Stufe der Versorgung von Menschen darstellt.
Ein flächendeckender Stromausfall in einem Ballungsraum hat massive Auswirkungen auf das Individuum aber auch auf die allgemeine Bevölkerung. Die Auswirkungen eines solchen flächendeckenden Stromausfalls sind jedoch abhängig von sehr vielen Parametern: wann tritt das Szenario ein (Tages-, Wochen-, Jahreszeit), wie lange dauert das Szenario an, welche primären oder sekundären Ursachen gibt es (Naturkatastrophen, Krieg, etc.), wo befindet sich das Individuum und wie gut ist es informiert und vorbereitet. Auch der allgemeine Zustand des Individuums ist entscheidend: ist eine Person bettlägerig oder beispielsweise abhängig von einer chronischen Behandlung (z.B. Dialyse) ist ein Ausfall der Stromversorgung und Transportinfrastruktur prekär. Dies unterstreicht die Komplexität und lässt auf eventuell entstehende Dominoeffekte schließen, welche in Kapitel 4 näher erläutert wurden. Die Literatur, sowie auch die Expert*innen, welche im Zuge dieser Arbeit befragt wurden, gehen von einem Patient*innen-Strom auf Krankenhäuser aus. Diese sind in Österreich gesetzlich verpflichtet, eine Notstromversorgung, sowie Notfallpläne vorzuhalten und im Fall eines flächendeckenden Stromausfalls die Versorgung aufrechtzuerhalten. Doch gerade diese Notstromversorgung und die dadurch beleuchtete Klinik, kann in einem solchen Szenario als „Leuchtturm“ Menschen anziehen. Dies kann, in Kombination mit den Auswirkungen auf das Individuum und der Rettungsdienste, sowie des gesamten Systems eines Ballungsraums, unter bestimmten Voraussetzungen dazu führen, dass eine Vielzahl von Menschen Einlass in ein Krankenhaus benötigt oder dieses aufsucht, um beispielsweise Information zu erhalten. Dies wird in Kapitel 2 ausführlich beschrieben. Bei einem längerfristigen Stromausfall kann es unter Umständen dazu kommen, dass Individuen keine Deckung der Grundbedürfnisse mehr haben. Hier bietet ein Krankenhaus eine vermeintliche Sicherheit, da die Infrastruktur funktionierend erscheint und man unter Umständen Vorräte, Sicherheit und medizinische Versorgung vermuten könnte. Da das Szenario eines (eventuell länger andauernden) flächendeckenden Stromausfalls nicht nur für die innere Struktur, das Personal und die Versorgung von Patient*innen, sondern auch eine große Herausforderung für das Krankenhaus selbst darstellt, ist die Gefahr von „overcrowding“ und die damit einhergehenden Auswirkungen hoch. Dieses „overcrowding“ kann einen Multiplikator der Überlastung des Systems „Krankenhaus“ darstellen und somit die Versorgungssicherheit gefährden. Dieser Umstand wird in Kapitel 4 beschrieben.
Aus diesem Grund erscheint es notwendig, sich als Krankenhaus auch auf diese Eventualität mit entsprechenden Maßnahmen der physischen Sicherheit vorzubereiten. Wie in Kapitel 4 beschrieben, verhindern diese ein ungeprüftes Eintreten in die Klinik und ein eventuelles Überbelasten von Strukturen und Personal. Für die Umsetzung dieser Maßnahmen der physischen Sicherheit sind unter Umständen auch externes Personal oder sogar Exekutivkraft notwendig, obgleich es fraglich ist, ob und in welcher Zahl diese verfügbar sind. Hier ist eine präventive Absprache mit den entsprechenden Behörden und interessierten Parteien wichtig.
Der empirische Teil gibt einen Einblick in das Wissen von Expert*innen, welche diese These stützen. Durch die Erkenntnisse der qualitativen Befragung und der Auswertung des Materials, sowie gestützt durch Literatur und bisherige Forschung, lassen sich einige Maßnahmen ableiten, welche im Zuge der Diskussion betrachtet werden sollen.
7.2 Beantwortung der Forschungsfrage
Die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgt durch die Auswertung der Daten von qualitativen Interviews unter Einbeziehung der vorhandenen Literatur zu dem Thema. „Welche Maßnahmen der physischen Sicherheit können getroffen werden, um die Sicherheit der Klinik, im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls, aufrechtzuerhalten?“
Die Beantwortung der Forschungsfrage kann primär in zwei Unterkategorien aufgeteilt werden: Prävention und Reaktion. Aufgrund der konkreten Forschungsfrage befasst sich der Maßnahmenkatalog im Speziellen mit jenen der physischen Sicherheit. Die dargestellten Maßnahmen leiten sich aus den Expert*inneninterviews ab und sind ebenfalls an Saurugg (2017), sowie Majchrzak et al. (2021) angelehnt, welche Maßnahmen zum Schutz von Kliniken in einem solchen Szenario im allgemeinen und technischen Kontext betrachtet haben.
7.2.1 Präventive Maßnahmen
Präventive Maßnahmen beschreiben all jene Maßnahmen, die vor dem eintreffenden Ereignis geübt, angedacht oder umgesetzt werden können.
Anerkennung der Problematik & Komplexität der Dominoeffekte (organisatorisch)
Auch wenn es bisher keinen großen, längerfristigen Stromausfall oder einen verhältnismäßig großen Massenanfall von Verletzten gab, ist die Identifikation und Anerkennung der Komplexität eines solchen Szenarios wichtig, um die Notfallpläne entsprechend zu adaptieren. Als Krankenhaus ist man in einer gewissen sozialen Verantwortung, welche sich im Regelbetrieb in der Bevölkerung festsetzt. Kommt es nun zu einer Krise, wird diese Struktur unter Umständen als Ankerpunkt angesehen. Saurugg (2017, S. 6) beschreibt dies als „Problematik Lichtinsel-Abstimmungsbedarf.“ Aufgrund der Offenheit und der Bauweise von Krankenhäusern, sind diese relativ leicht zugänglich, technisch eher schwierig abzuriegeln. Das Schaffen von Bewusstsein innerhalb der Planung von Not- und Krisenfällen, sowie des eigenen Personals, kann unter Umständen dafür sorgen, dass in der Krise Strukturen klar sind.
On the other hand, the underestimation of the effects and their severity is mainly due to the too low resolution of the hazard analysis, which does not sufficiently take into account the situational determinants of the severity of long-term power shortages, as well as secondary effects, system effects (e.g., synergies, feedback loops), complex multi-level interactions and crossover interactions, cascades, domino-effects and cumulations of critical disturbances, as well as many other complex causeeffect relationships. (Majchrzak et al., 2021, S. 9)
Information an die Bevölkerung zur Dämpfung der Erwartungshaltung im Krisenfall (organisatorisch)
Eine adäquate Information an die Bevölkerung und eine daraus resultierende Vorbereitung durch diese ist sinnvoll, um eventuelle Patient*innenströme gar nicht erst entstehen zu lassen. Majchrzak et al. (2021, S. 19) fassen dies konkret zusammen: “The public must be informed of expected concerns in good time so that they can prepare adequately for possible emergencies on their own.”
Diese Information kann die Erwartungshaltung an ein notstromversorgtes Krankenhaus dämpfen. In Zusammenarbeit mit präventiver Information zur Selbsthilfe und Vorbereitung auf einen Krisenfall, kann dies dafür sorgen, dass weniger Patient*innen den Weg in ein Krankenhaus suchen. Durch diese Information kann auch vorab aufgeklärt werden, wo sich das Individuum hinwenden kann, wenn es Hilfe benötigt. “However, exaggerated public expectations are associated with the activities of such services, reinforced by political messaging suggesting that administrative security systems are optimally configured and equipped and that they are adequately prepared for any crisis scenario.” (Majchrzak et al., 2021, S. 23) Definition der Schutzbereiche (organisatorisch)
Präventiv empfiehlt sich eine Definition der schützenswerten Bereiche und der jeweiligen Zugangsregelungen. Hochrisiko-Bereiche können sich, je nach Lage und Szenario, flexibel ändern und Bereiche sollten während und in der Krise auf ihre Schutzbedürftigkeit bemessen und evaluiert werden, um entsprechend Ressourcen vorbereiten und leiten zu können. Definition der Zuständigkeiten und Absprache mit Sicherheitskräften (organisatorisch)
Es empfiehlt sich, die physische Sicherheit des Krankenhauses vorab klar zu definieren. Auch wenn der Schutz kritischer Infrastruktur teilweise im Gesetz verankert ist, bedarf es präventiver Absprachen mit den Exekutivkräften und eine klare Verantwortung. Sollten Exekutivkräfte eine Sicherung des Geländes vornehmen, gilt es, eine klare präventive interne sowie externe Kommunikationsstrategie zu etablieren, um Missverständnisse und Eskalationsspiralen zu unterbinden. Die vorher klar definierten verantwortlichen Personen der Einrichtungen Krankenhaus und Exekutiv/Sicherheitskräfte müssen sich austauschen und den Prozess der Sicherheitsherstellung ständig evaluieren. Definition der Verbringung von Patient*innen mit den Rettungsdiensten (organisatorisch)
Eine präventiv definierte Verbringungsstrategie mit den lokal Rettungs- und Krankentransportdiensten sowie eine Verantwortlichkeitsregelung für Notfall und Krankentransporte, kann eine Pulk – artige Verbringung in die Kliniken und damit eine eventuelle punktuelle Überbelastung einzelner Einrichtungen verhindern.
Interne Personalstärke und Personalreserven (organisatorisch/personell)
Das Szenario eines flächendeckenden Stromausfalls ist für die innere Struktur, aber auch allgemein sehr personalintensiv. Neben dem medizinischen, pflegerischen und allgemeinen Krankenhauspersonal bedarf es für die Sicherheit der Einrichtung eine Vielzahl an Ordnungs- bzw. Sicherheitskräften. Um diese Personalstärke in einem solchen Szenario verfügbar zu haben, sind verschiedenste Maßnahmen denkbar: Information über persönliche Bevorratung, Vortragstätigkeit für das eigene Personal, Schaffen von Möglichkeiten für die Versorgung der Familien von Personal, Resilienz und Stromunabhängigkeit von Dienstplänen, sowie vorab Kommunikation von Regelungen rund um den Dienst in einem solchen Szenario.
Das Personal muss dann auch im Krankenhaus versorgt werden können (Verpflegung, Hygiene, Ruhemöglichkeiten). Hier sind nicht verwendete Objekte, wie Kindergarten, Schule, oder sonstige nicht verwendete Objekte, als Notquartier vorzusehen und vorzubereiten. Die Fähigkeit, das Personal im Dienst auch ausreichend versorgen zu können, wird sich maßgeblich auf die Personalverfügbarkeit auswirken. Die getroffenen Vorsorgemaßnahmen müssen auch im Vorfeld kommuniziert werden. (Saurugg, 2017, S. 7)
Auch das präventive Einbinden des extramuralen Bereiches des Krankenhauses erscheint als sinnvoll.
Das Krankenhauspersonal sollte über das „in den Dienst kommen“ bei einem solchen Szenario informiert und aufgeklärt werden. Beispielsweise kann es Sinn machen, dass das Personal das wohnortnächste Krankenhaus selbstständig aufsucht, um sich dort in den Dienst zu melden. Diese Prozesse müssen vorab definiert und beübt werden, um eine zusätzliche Belastung im Szenario-Fall zu verhindern. Patient*innenstromlenkung der lokalen Behörden durch extramurale Einrichtungen (organisatorisch)
Um die Patient*innenzahl zu verringern, kann unter Umständen durch die Behörden eine extramurale Patient*innenstromlenkung umgesetzt werden. Beispielsweise durch Anlaufstellen in den Kommunalcommunitys wie Volkshäusern, Feuerwehreinrichtungen usw. können niederschwellig Grundbedürfnisse, Information und psychischer Beistand durch Behörden organisiert umgesetzt werden. Dies kann Menschen, welche keine primärmedizinische Versorgung benötigen, davon abhalten, für niederschwelligen Bedürfnisse ein Krankenhaus aufzusuchen. Hier bedarf es einer präventiven Klärung und Absprache sowie eine Kommunikation im Falle des Eintritts des Szenarios, damit solche Einrichtungen entsprechend aufgestellt werden können.
Übungen und Bewusstseinsschaffung beim Krankenhauspersonal (organisatorisch)
Übungen und das Schaffen von Bewusstsein zu den Problemen und Maßnahmen rund um das Szenario schaffen eine Basis für die korrekte Reaktion des Personals bei Eintritt. Ebenfalls ermöglichen Übungen eine kontinuierliche Verbesserung und können Fehlerquellen aufdecken.
Autarkie (technisch)
Strom – Autarkie stellt einen wesentlichen Faktor in einem solchen Szenario dar. Stromunabhängige Meldewege, Kommunikationsmittel, Prozesse, Handbücher, Richtlinien, Sicherheitseinrichtungen wie Zäune und dergleichen sollten etabliert, bereitgestellt und regelmäßig gewartet werden.
Ebenso ist eine Anschaffung oder Abstimmung mit entsprechenden Behörden auf den Zugriff von mobilen Notstromaggregaten sinnvoll. Majchrzak et al. (2021, S. 18) haben die Situation um mobile Notstromaggregate beispielhaft für Polen dargestellt: “The limited number of back-up power sources—including high-powered mobile generators—located in state and local government reserve storage facilities allows only localised solutions to be available.”
Breitstellen entsprechender technischer Hilfsmittel (technisch)
Um den Bedarf an Gittern, Zäunen, Beleuchtung und Energie in einem solchen Szenario zu decken, benötigt es präventive Vorbereitung von entsprechenden Materialien.
7.2.2 Reaktive Maßnahmen
Die reaktiven Maßnahmen sind jene, welche bei Eintritt eines solchen Szenarios angedacht werden können. Sie können präventiv vorbereitet werden, treten aber faktisch bei Eintritt des Szenarios in Kraft.
(Krisen)-Kommunikation (technisch/organisatorisch/personell)
Eine bedachte, vorgelagerte Krisenkommunikation durch Behörden präventiv, aber auch am Krankenhausgelände reaktiv kann dafür sorgen, dass der Patient*innenstrom abflacht oder die ankommenden Personen keinen Einlass in die Klinik erlangen wollen. Durch entsprechende Durchsagen, beispielsweise gestützt durch Lautsprechersysteme auf Fahrzeugen der Exekutive, können Informationen an eine größere Anzahl von Personen mitgeteilt werden. Diese Informationen sollten den weiteren Verlauf und die Dauer des Ausfalls – sofern bekannt und gesichert – sowie auch weitere Anlaufstellen für Nahrungsversorgung, Wasserversorgung, Versorgung dringlicher medizinischer Notfälle, Anlaufstellen für andere Notfälle usw. beinhalten. Ebenfalls ist die Kommunikation innerhalb des Krankenhauses, des Gesundheitswesens sowie mit den Behörden durch entsprechende technische Maßnahmen für die Dauer des Stromausfalles und die weitere Phase der Re-mobilisierung zu einem eventuell folgenden Normalbetrieb essenziell. Beschilderung des Eingangbereiches bzw. Leitsystem (technisch)
Eine leicht verständliche, in Form von Piktogrammen, Pfeilen, Farben bzw. auch mehrsprachige Beschilderung sowie, falls verfügbar, kommunikativ geschultes Personal können eintreffende Personen lenken und unter Umständen Notfälle filtern und niederschwellige Grundbedürfnisse entsprechend weiterleiten. Ein Leitsystem inklusive zugehöriger Information kann dafür sorgen, dass Traubenbildung und Fehlleitungen vermieden werden.
Triage/n (organisatorisch/personell/technisch)
Eine vorgelagerte Triage hilft, Patient*innen nach Kritikalität zu selektieren und den Zugang zum Krankenhaus, je nach entsprechend verfügbaren Ressourcen zu beschränken oder zu reduzieren.
Zusätzlich zu der vorgelagerten Triage kann eine davor ausgehende Grobeinteilung durch geschultes Personal auf Sicht oder durch die Patient*innen selbst erfolgen. Hierzu könnten verschiedene Unterteilungen des Zugangs beschildert und kommuniziert werden. Durch Gitter und Absperrungen können diese Linienstrukturen realisiert werden. (beispielsweise eine „fast lane“ für Notfälle nach Selbsteinschätzung).
Spezielle Zugangsregelungen (technisch)
Spezielle Zugangsregelungen können dafür sorgen, dass Engstellen verhindert werden und Patient*innen von Hilfesuchenden, Personal oder Rettungsdiensten zu unterscheiden. Ebenso sind hilfestellende Personen (beispielsweise medizinisches Personal aus dem extramuralen Bereich des Krankenhauses) bestmöglich vorzuselektieren und entsprechend technisch umzuleiten. Hierzu sollten entsprechende Zugangs- und Informationsmöglichkeiten durch Beschilderung und/oder Personal geschaffen werden.
Krankenhausinternes Personal sollte – sofern technisch möglich – durch einen gesonderten Eingang in den Klinikbereich ein- sowie austreten können. Dieser sollte entsprechend personell bewacht werden und dort ankommende Personen durch kommunikativ geschultes Personal bzw. entsprechende Beschilderung zum Haupteingang umgeleitet werden.
Das Krankenhausgelände sowie weitere Eingänge und Zufahrten zum Krankenhaus sollten abgesichert und unter Rücksichtnahme auf Fluchtweg- sowie Evakuierungswegregelungen versperrt werden. Sofern personell möglich sollten diese in regelmäßigen Abständen auf Einbruchsspuren und Funktionalität überprüft werden.
Abtransport von Personen sowie Erstversorgung am Gelände (organisatorisch/personell)
Unter vorhergehenden präventiven Absprachen, erscheint eine Abtransport- bzw. Weitertransportmöglichkeit von Personen via Rettungsdienst oder der Exekutive, je nach Anlassfall, als sinnvoll. Dies gewährleistet einerseits, dass eventuelle einzelne Entgleisungen rasch durch die Exekutive abtransportiert werden können, sowie bei medizinischen Notfällen eine schnellere Versorgung durch ein Rettungsmittel oder ein mobiles Team am Gelände gewährleistet werden kann. Diese Maßnahme verhindert, dass Personen, welche eine lebensnotwendige notfallmedizinische Versorgung am Gelände benötigen, in einer Menschenansammlung übersehen werden und durch beispielsweise Eintreten einer Reanimationsnotwendigkeit in dem Zugangssystem keine Versorgung erhalten.
7.3 Limitationen
Es ist wesentlich, auch für zukünftige Forschungsthemen in diesem Zusammenhang die methodischen Limitationen dieser Bachelorarbeit darzustellen und zu erläutern. Dies ermöglicht es, die gewonnenen Ergebnisse im richtigen Kontext zu sehen und wissenschaftlich zu hinterfragen. Die methodischen Einschränkungen behandeln primär die Datenerhebung durch semi-strukturierte Interviews und deren Abhängigkeit. Die Methodik der semi-strukturierten Interviews erlaubt zwar eine tiefgehende Analyse der Meinung von ausgewählten Expert*innen, kann aber sowohl subjektiv als auch verzerrt sein. Es ist nicht möglich, alle Expert*innen und Wissensträger*innen zu einem Thema zu interviewen und auszuwerten, zumal Meinungen und Wissen sich auch ständig erweitern. Ebenfalls sind die gewonnenen Daten abhängig von der Interpretation der forschenden Person. Auch wenn nach wissenschaftlicher Neutralität gearbeitet und geforscht wurde, sind unterbewusste oder subjektive Interpretationen nie gänzlich auszuschließen.
Als weitere Limitation kann die Verfügbarkeit von Ressourcen angeführt werden. Aufgrund finanzieller und zeitlicher Ressourcen sowie dem Rahmen einer Bachelorarbeit, kann keine vollumfängliche Forschung zu diesem komplexen Thema erfolgen. Für ein fiktives Interviewen aller Expert*innen und Wissensträger*innen zu dem Thema dieser Arbeit gibt es nicht die Ressourcen. Dies könnte Einfluss in die Breite und Tiefe der Bachelorarbeit nehmen, da die Ansichten einiger weniger Expert*innen das Gesamtbild verzerren könnten.
Als zusätzliche Limitation sind die nicht vorhandenen Informationen des Krisenmanagements der Krankenhäuser zu bewerten. Aufgrund des Status der kritischen Infrastruktur sind Notfallpläne von Krankenhäusern nicht öffentlich zugänglich und gewisse Teile dieser Pläne dürfen auch nicht wissenschaftlich öffentlich verarbeitet werden. Aus diesem Grund kann es sein, dass Maßnahmen, welche erwähnt wurden, bereits angedacht oder sogar bereits umgesetzt wurden. Auch wenn die verwendeten Forschungsmethoden die wissenschaftliche Basis in der qualitativen Forschung darstellen, ist nicht ausgeschlossen, dass andere Systeme bessere, exaktere oder umfassendere Ergebnisse darstellen hätten können. Die Nutzung einer theoretischen Methodik schließt allerdings alle anderen Methodiken aus, was eine Limitation darstellt.
Anhand der genannten Limitationen kann für zukünftige Forschungen in diesem Gebiet empfohlen werden, ein quantitativ breiteres Spektrum an Expert*innen und Wissensträger*innen zu befragen und die Daten von weiteren Forschenden betrachten und bewerten zu lassen.
8 Ausblick
Diese Bachelorarbeit befasst sich eingehend mit der physischen Sicherheit von Krankenhäusern im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls. In diesem Zusammenhang wurden die eventuellen beziehungsweise unmittelbaren Herausforderungen als auch Maßnahmen, welche diese Herausforderungen bewältigen können, beleuchtet. Da dieses Thema in der Literatur in diesem speziellen Zusammenhang noch wenig erforscht ist, bietet diese Arbeit eine Grundlage für weitere Forschung und das eventuelle Ableiten von Maßnahmen im Zuge von Notfallplänen. Auch im Kontext der Bewusstseinsbildung kann diese Forschung eine Grundlage sein. Jedoch eröffnen sich durch diese spezialisierte Betrachtung von noch nicht in diesem Kontext tief erforschten Thema weitere Fragen und Forschungsfelder, welche in Zukunft betrachtet werden könnten.
Aufgrund der Limitationen dieser Bachelorarbeit konnten nicht alle Themen rund um dieses Szenario umfassend abgedeckt werden. So wurden beispielsweise technische Aspekte der Resilienz bzw. Stromnetz-Unabhängigkeit wie erneuerbare Technologien, Solarpaneele und dergleichen nicht betrachtet, welche auch eine längerfristige Strom Resilienz bieten könnten. Zusätzlich ist es wichtig, dass das Thema Blackout, obgleich es noch nicht in diesem Ausmaß innerhalb Europas eingetroffen ist, nicht abzuschreiben und regelmäßig die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungen zu monitoren und abzuwägen. Diese Aufmerksamkeitsbildung und Betrachtung des Themas könnte in spezialisierten Notfall- und Krisenpläne einfließen, um die präventive Handlungsfähigkeit zu stärken und Gedankenstöße zur Lösung des in dieser Arbeit betrachteten Problems zu geben. Auch die Erwartungshaltung der Bevölkerung an das Krisenmanagement und die staatlichen Einrichtungen ist hoch, sodass beim Eintritt eines Krisenszenarios sich auf diese verlassen wird und die selbstständige Vorbereitung darunter leiden kann.
Spezielle Simulationen zu diesem Thema könnten Aufschluss geben, wie Patient*innenströme sich entwickeln und welche Ausmaße und Größe dieser Patient*innenströme annehmen können bzw. welche kritischen physischen Eintrittsschwächen bei individuellen Krankenhausbauten entstehen könnten. Ein zusätzlicher wichtiger Aspekt zukünftiger Forschung ist die Betrachtung der psychologischen Belastung für die Bevölkerung bei Eintritt eines flächendeckenden Stromausfalls, sowie die Auswirkungen für das komplette Gesundheitssystem. Angst und Unsicherheit sind prekäre Parameter für irrationale Reaktionen und Entscheidungen. Hier könnten wichtige Erkenntnisse zu den Reaktionen erforscht und dargestellt werden.