Weltordnung Im Wandel

Das Buch „Weltordnung im Wandel: Vom Aufstieg und Fall der Nationen“ von Ray Dalio ist etwas schwere Kost, denn die vorgenommene systemische Betrachtung führt zu Erkenntnissen, die auf turbulente Zeiten in naher Zukunft schließen lassen. Alles nicht ganz neu- auch die Überlegungen zur Transformation zur Netzwerkgesellschaft – oder andere Autoren – haben diese Entwicklungen angekündigt. Aber die Überlegungen von Dalio sind sehr konkret und direkt greifbar. Daher wieder eine Reihe von Zitaten, um Zusammenhänge aufzuzeigen und zum Weiterlesen anzuregen.

Siehe auch die zum Buch weiterführende Seite www.economicprinciples.org 

Systemische Kernaussagen

  • Wer das Gesamtbild sehen will, darf sich nicht auf die Details fokussieren.
  • Die Evolution ist die Aufwärtsbewegung hin zu Verbesserungen, die durch Anpassung und Lernprozesse eintreten. Darum herum entwickeln sich Zyklen.
  • Ganz klassisch folgte darauf eine längere Zeit des Friedens und des Wohlstands bis hin zur nächsten Übertreibung, sodass heute – 75 Jahre später – alle Länder wieder vor einer Bewährungsprobe stehen.
  • Meiner Ansicht nach besteht die größte Herausforderung für die Politik darin, ein kapitalistisches Wirtschaftssystem auf die Beine zu stellen, das die Produktivität und den Lebensstandard steigert, ohne Ungleichheit und Instabilität zu vergrößern.
  • De facto waren Verbesserungen in den Sektoren Bildung und Infrastruktur, selbst wenn sie durch Schulden finanziert wurden, wesentliche Bausteine im Aufstieg praktisch aller Imperien. Eine nachlassende Qualität dieser Investitionen trug fast immer zum Niedergang solcher Reiche bei.
  • Die lauteste und klarste Botschaft der Geschichte ist, dass sich kompetente Zusammenarbeit, um produktive Win-win-Beziehungen hervorzubringen, die sowohl Wachstum als auch eine gute Verteilung des Kuchens ermöglichen, damit die meisten Menschen zufrieden sind, weit besser auszahlt und weniger Leid verursacht, als Bürgerkriege, um Wohlstand und Macht auszufechten, die dazu führen, dass eine Seite die andere unterjocht.
  • Bei einem Krieg ist mit ziemlicher Sicherheit von zwei Dingen auszugehen: 1) Er entwickelt sich nicht wie geplant und 2) er wird viel schlimmer als gedacht.
  • Oftmals ist es nicht der beste Weg, sich mit aller Härte durchzusetzen. Der Weg des geringeren Widerstands führt mitunter leichter zum Ziel.
  • Noch einmal: Die Zeitangaben zu diesen Zyklen sind alles andere als präzise. Das ist wie mit einer Wirbelsturm- oder Taifunsaison. Wir wissen, wann ungefähr damit zu rechnen ist, und richten uns darauf ein. Ist es dann so weit, beobachten wir, wie sich die Stürme zusammenbrauen, verfolgen sie genau und versuchen nach Kräften, uns in Sicherheit zu bringen. Wir können nicht genau sagen, wann sie auftreten, und auch nicht, wie heftig sie ausfallen, doch wir wissen, dass der Trend und die Fundamentaldaten dafür sprechen, dass sie stärker werden. Deshalb sollten wir uns auf diese Möglichkeit einstellen.
  • Wenn ich bisher erfolgreich war, dann nicht so sehr aufgrund dessen, was ich weiß, sondern vielmehr, weil es mir gelungen ist, mit dem zurande zu kommen, was ich nicht weiß.

Passend zur aktuellen Situation

  • Ein klassischer Marker für Phase 5, der in Phase 6 noch stärker zutage tritt, ist die Verteufelung der Angehörigen anderer Klassen.
  • Der Verlust der Wahrheit im öffentlichen Raum. Dass man nicht mehr weiß, was wahr ist, weil es von den Medien verzerrt dargestellt wird und die Propaganda zunimmt, kommt immer häufiger vor, wenn Menschen stärker polarisiert, emotionsgesteuert und politisch motiviert sind. In Phase 5 arbeiten die kämpferischen Elemente in aller Regel mit den Medien zusammen, um die Gefühle der Menschen zu manipulieren, sich Rückhalt zu verschaffen und die Opposition auszuschalten. Anders formuliert: Linksorientierte Medienvertreter tun sich in dem schmutzigen Kampf mit dem linken Lager zusammen, rechtsorientierte mit anderen Rechten.
  • Selbst ausgesprochen tüchtige, einflussreiche Menschen haben inzwischen so viel Angst vor den Medien, dass sie sich zu wichtigen Fragen nicht mehr äußern und auch nicht um öffentliche Ämter kandidieren wollen.
  • Regeln werden zunehmend missachtet und es wird mit allen Mitteln gekämpft. 
  • Wenn die Vernunft abhandenkommt und der Leidenschaft weicht, ist das Endstadium von Phase 5 gekommen.
  • Am Ende der Phase 5 kommt es verstärkt zu Demonstrationen, die immer gewalttätiger werden.
  • Die Wahrheit ist: Wenn es passiert, ist fast niemandem klar, dass gerade ein Bürgerkrieg begonnen oder geendet hat.
  • Die Gesamtzahl der Absolventen von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ist in China etwa dreimal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Zum Nachschub an Fachkräften ist zu sagen, dass die Zahl der Absolventen von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technologie), die einen technischen Beruf ergreifen möchten, in China etwa achtmal so hoch ist wie in den USA.
  • Ferner sind sie der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten und die europäischen Länder kulturell zur Missionierung neigen – also dazu, anderen ihre Werte, ihre jüdisch-christlichen Überzeugungen, Moralvorstellungen und Methoden aufzudrängen –, und diese Neigung habe sich über Jahrtausende entwickelt, schon vor den Kreuzzügen.
  • Alle Fragen, die nicht ihre Souveränität betreffen, dürften die Chinesen meiner Ansicht nach eher gewaltlos lösen und einen heißen Krieg vermeiden wollen.
  • Wenn ich mit globalen Spitzenpolitikern spreche, bin ich oftmals schockiert, wie wenig sie in Wirklichkeit darüber wissen, wie die anderen in diesem multidimensionalen Schachspiel eigentlich denken.
  • Das Fazit: Von 1970 bis 2020 nahmen extreme Umweltereignisse von weniger als 50 pro Jahr auf fast 200 pro Jahr zu, Tendenz steigend.
  • Auf der Grundlage meiner Schätzungen ist eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der nächste Abschwung in etwa mit den nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA zusammenfällt.
  • Dass China im Verhältnis zu den USA erstarkt, lässt vermuten, dass wichtige Veränderungen weder allzu bald noch in zu ferner Zukunft eintreten.
  • Es dürfte im Geheimen entwickelte Technologien geben, von denen selbst die bestinformierten Geheimdienste der USA nichts wissen.
  • Bedenken Sie: China ist das Land, dessen Regierung vor 37 Jahren noch von den Taschenrechnern fasziniert war, die ich verschenkte. Wo könnte dieses Land wohl in 37 Jahren stehen?

 


Wesentliche Zitate

Überraschende Naturereignisse wie Seuchen, Hungersnöte und Überschwemmungen müssen unbedingt als Möglichkeiten in Betracht gezogen werden. Solche unerwarteten Naturgewalten kommen zwar nur selten vor, haben aber nach jedem Maßstab größere Auswirkungen als die schlimmsten Depressionen und Kriege.

Sämtliche Imperien und Dynastien, die ich untersucht habe, bewegten sich in einem klassischen großen Zyklus auf und ab. Dieser weist klare Marker auf, an denen wir erkennen können, in welchem Zyklusabschnitt wir uns gerade befinden. So ein großer Zyklus schwankt zwischen 1) friedlichen, florierenden Phasen von hoher Kreativität und Produktivität, die den Lebensstandard enorm heben, und 2) Depression, Revolution und Kriegszeiten, in denen intensiv um Vermögen und Macht gerungen wird und viel Wohlstand, Leben und anderes Wertvolle vernichtet werden.

Mir fiel auf, dass die friedlichen, kreativen Phasen deutlich länger dauerten als die Zeiten der Depression, Revolution und Kriege – im Regelfall im Verhältnis von etwa 5 zu 1. Man könnte daher sagen, dass es sich bei Letzteren um Übergangsphasen zwischen den normalen friedlichen, kreativen Zeiten handelt.

Dass es in einem Zyklus zu Schwankungen von einem Extrem zum anderen kommt, ist die Norm – nicht die Ausnahme.

Weil zwischen den positiven und negativen Extremen so viel Zeit vergeht, dürfte die Zukunft, die uns bevorsteht, ganz anders aussehen, als es die meisten Menschen erwarten.

Aus meinem jahrelangen Ringen mit den Märkten und meinen Versuchen, Prinzipien aufzustellen, die mir dabei zum Erfolg verhalfen, weiß ich, dass es der Einblick in die Ursache-Wirkungs-Gefüge ist, die Veränderungen hervorrufen, der bestimmt, wie gut man die Zukunft vorausahnen und sich darin zurechtfinden kann. Und diese Kausalzusammenhänge kann nur verstehen, wer ihre bisherige Entwicklung analysiert hat.

Meiner Ansicht nach verpassen die Menschen gewöhnlich die großen Momente der Evolution in ihrem Leben, weil sie nur winzige Bruchteile des Geschehens erleben. Wir sind wie die Ameisen, die sich in ihrer kurzen Lebenszeit der Aufgabe widmen, Krümel zu befördern, statt aus breiterer Perspektive auf die Muster und Zyklen zu schauen, die sich im Gesamtbild ergeben – auf die maßgeblichen, verflochtenen Einflüsse, die ihnen zugrunde liegen, und darauf, in welcher Zyklusphase wir uns gerade befinden und was sich vermutlich als Nächstes ereignet.

Die Analyse all dieser Fallbeispiele zu sämtlichen Imperien im Zeitverlauf verriet mir, dass die großen Weltreiche in aller Regel rund 250 Jahre Bestand hatten, plus/minus 150 Jahre. Die großen Wirtschafts-, Kredit- und Politikzyklen innerhalb dieser Epochen währten rund 50 bis 100 Jahre. Man darf auch nicht auf Durchschnittswerte achten, sondern muss Einzelfälle berücksichtigen.

Wir haben es mit Mega-Makrozyklen und Entwicklungen über extrem lange Zeiträume zu tun. Um diese wahrzunehmen, müssen wir uns von der kleinteiligen Betrachtung lösen. Handelt es sich allerdings um wesentliche Details, und das ist oft der Fall, müssen wir genauer fokussieren – vom großen unscharfen auf ein detailliertes Bild.

Ebenso erkannte ich, dass seit jeher und in allen Ländern diejenigen Menschen Wohlstand besitzen, denen die Mittel gehören, ihn hervorzubringen. Um ihren Wohlstand zu wahren oder zu vergrößern, arbeiten sie mit denjenigen zusammen, die über die politische Macht verfügen, um Regeln zu erlassen und durchzusetzen, und stehen in einer symbiotischen Beziehung zu ihnen. Wie mir klar wurde, hatte sich dies in allen Ländern und zu allen Zeiten ganz ähnlich abgespielt.

Ich erkannte, wie diese Dynamik mit der Zeit dazu führte, dass ein sehr kleiner Prozentsatz der Bevölkerung einen außergewöhnlich großen Anteil am gesamten Wohlstand und an der Macht auf sich vereinte. Irgendwann überspannte diese Gruppe dann den Bogen, und es traten schlechte Zeiten ein, die denjenigen am stärksten zusetzten, die über den geringsten Reichtum und Einfluss verfügten. Das führte zu Konflikten, die Revolutionen und / oder Bürgerkriege zur Folge hatten. Waren diese Unruhen vorüber, entstand eine neue Weltordnung, und der Zyklus begann von vorne.

Aus den in diesem Buch geschilderten Gründen glaube ich, dass wir derzeit eine archetypische gewaltige Veränderung des relativen Wohlstands – und Machtgefüges und der Weltordnung erleben, die sich auf alle Länder grundlegend auswirken wird.

Diese Zyklen lösen Pendelbewegungen zwischen den beiden Extremen aus – zwischen Frieden und Krieg, Hochkonjunktur und Rezession, der Machtergreifung der Linken und der Rechten, der Entstehung und Auflösung von Weltreichen und mehr. Diese Pendelbewegungen treten in der Regel auf, weil die Menschen bis zum Äußersten gehen und die Situation aus dem Gleichgewicht bringen. Das wiederum führt zu einem übertriebenen Ausschlag in die Gegenrichtung. Die Ausschläge in die eine Richtung schaffen sozusagen die Voraussetzungen für die Ausschläge in die andere. Diese Zyklen haben sich im Wandel der Zeiten kaum verändert, mehr oder minder aus demselben Grund, aus dem die Grundlagen des menschlichen Lebenszyklus im Zeitverlauf im Großen und Ganzen unverändert geblieben sind: weil sich das Wesen der Menschen mit der Zeit wenig verändert. So sind Grundemotionen wie Angst, Gier, Eifersucht und dergleichen Konstanten mit großem Einfluss auf die Zyklen.

Im Zeitverlauf ist die Erfolgsformel ein System, in dem sich gut ausgebildete Menschen, die zivilisiert miteinander umgehen, Innovationen einfallen lassen, sich über die Kapitalmärkte finanzieren und die Mittel besitzen, durch die ihre Erfindungen Ressourcen produzieren und zuweisen und sich für sie in Form von Gewinn auszahlen. Auf lange Sicht führt der Kapitalismus jedoch zu einem Wohlstands- und Chancengefälle und zur Überschuldung, was wiederum Wirtschaftskrisen, Revolutionen und Kriege zur Folge hat, die die Ordnung im eigenen Land und weltweit verändern.

Wie schlimm solche Phasen ausfallen, hängt nahezu vollständig davon ab, wie stark und wie widerstandsfähig die betroffenen Länder sind.

Länder mit hohen Ersparnissen, niedrigen Schulden und einer starken Reservewährung können Einbrüche des Wirtschafts- und Kreditsystems besser verkraften als andere, die wenig gespart haben, hoch verschuldet sind und nicht über eine starke Reservewährung verfügen.

Länder mit einer starken, fähigen Führung und Zivilbevölkerung lassen sich besser regieren als andere, denen diese Attribute fehlen, und Länder, die erfinderischer sind, können sich besser anpassen als solche, denen es an Erfindungsgeist mangelt.

Den meisten Zyklen in der Geschichte liegen mehr oder minder dieselben Ursachen zugrunde.

Die Geschichte lehrt uns, dass die Mehrheit der Menschen in einer Depression ihren Arbeitsplatz behält, Kampfhandlungen unverletzt übersteht und Naturkatastrophen überlebt.

Manche, die solche schwierigen Zeiten überstanden haben, beschreiben sie sogar als Ursprung maßgeblicher positiver Entwicklungen, weil sie die Menschen zusammenschweißen, Charakterstärke vermitteln, uns beibringen, die einfachen Dinge im Leben zu schätzen, und anderes mehr.

Wir dürfen schließlich nicht vergessen, dass Phasen wirtschaftlicher Zerstörung und Kriegszeiten in der Regel nicht sehr lange andauern – etwa zwei oder drei Jahre.

Solche Revolutions- oder Kriegszeiten gehen zwar in aller Regel mit großem menschlichem Leid einher, doch wir sollten nie – vor allem dann nicht, wenn es am schlimmsten kommt – aus den Augen verlieren, dass man damit auch gut zurechtkommen kann, und dass die Fähigkeit der Menschen, sich anzupassen und schnell wieder ein neues, höheres Niveau des Wohlbefindens zu erreichen, weit größer ist als all das Schlimme, was uns zustoßen kann.

Ich bin zwar ziemlich sicher, dass Sie und ich und die Weltordnung in den nächsten Jahren große Herausforderungen und Veränderungen erleben werden, doch ich bin davon überzeugt, dass die Menschheit auf ganz pragmatische Art und Weise intelligenter und stärker werden wird, sodass wir diese schwierigen Zeiten überstehen und ein neues, höheres Wohlstandsniveau erklimmen werden.

Es lässt sich verfolgen, wie ein höheres Bildungsniveau zu mehr Innovation und Technologie führte, wodurch der Anteil am Welthandel und die militärische Stärke zunahmen, die Wirtschaftsleistung stieg, ein führender globaler Finanzplatz entstand und sich im Nachgang eine Währung als Reservewährung etablierte. Und Sie sehen auch, wie die meisten dieser Faktoren über längere Zeit allesamt stabil blieben und dann in ähnlicher Reihenfolge nachgaben.

Diese Stärken und Schwächen verstärken sich wechselseitig – will heißen, Stärken und Schwächen bei Bildung, Wettbewerbsfähigkeit, Wirtschaftsleistung, Anteil am Welthandel und so weiter tragen logischerweise jeweils dazu bei, dass auch die anderen Faktoren stärker oder schwächer werden.

Der Aufstieg: Unter dem Aufstieg ist die blühende Aufbauphase zu verstehen, die sich anschließt, wenn eine neue Ordnung eingetreten ist. Dann ist ein Land fundamental stark, weil

  1. die Verschuldung vergleichsweise gering ist,
  2. die Kluft bei Wohlstand, Werten und politischen Einstellungen eher gering ist,
  3. die Menschen effektiv zusammenarbeiten, um Erfolg zu haben,
  4. eine gute Bildung und Infrastruktur vorliegen,
  5. eine starke, fähige Führung gegeben ist und
  6. eine friedliche Weltordnung existiert, die von einer oder mehreren dominierenden Weltmächten gelenkt wird.

Das führt zum Höhepunkt: Diese Phase ist durch Exzesse in Form von

  1. hoher Verschuldung,
  2. großen Unterschieden bei Wohlstand, Werten und politischen Überzeugungen,
  3. rückläufiger Bildung und Infrastruktur,
  4. Konflikten zwischen verschiedenen Klassen von Menschen innerhalb einzelner Länder und
  5. Auseinandersetzungen zwischen Ländern geprägt ist, da wackelnde Imperien von neuen Rivalen infrage gestellt werden.

Und das führt zum Niedergang: Dieser bezeichnet die schmerzhafte Phase der Kämpfe und Umstrukturierungen, die zu großen Konflikten und gewaltigen Umwälzungen sowie zur Errichtung einer neuen innen- und außenpolitischen Ordnung führen. Er bereitet den Boden für die nächste neue Weltordnung und eine neue Phase des Wohlstandsaufbaus.

DER AUFSTIEG – Die Aufstiegsphase setzt ein, wenn … die Führung stark und fähig genug ist, um Macht zu erlangen und ein herausragendes System zur Steigerung des Wohlstands und der Macht des Landes zu entwickeln.

DER HÖHEPUNKT – Auf dem Höhepunkt kann das Land die Erfolge, denen es seinen Aufstieg verdankt, aufrechterhalten, doch im Lohn des Erfolgs liegt der Ursprung des Abstiegs begründet. Mit der Zeit wachsen die Verbindlichkeiten und zerstören die sich selbst verstärkenden Rahmenbedingungen, die dem Aufstieg Nahrung gaben.

Werden die Menschen in dem führenden Land reicher, arbeiten sie in aller Regel nicht mehr so hart. Sie gönnen sich mehr Freizeit, widmen sich den schöneren, weniger produktiven Dingen des Lebens und werden im Extremfall dekadent. Während des Aufstiegs an die Spitze verändern sich die Werte von Generation zu Generation – von denjenigen, die um Wohlstand und Macht kämpfen mussten, zu denjenigen, die sie ererbt haben. Die neue Generation ist nicht mehr so kampferprobt, dafür von Luxus verwöhnt und verweichlicht. Wird sie mit Herausforderungen konfrontiert, zeigt sie Schwächen.

Wird viel Kredit aufgenommen und viel Geld ausgegeben, wirkt das Land sehr stark, doch in Wirklichkeit wird seine Finanzkraft geschwächt, weil die Macht des Landes auf Pump aufrechterhalten wird, obwohl dies fundamental nicht mehr gerechtfertigt ist. Mit den Fremdmitteln werden sowohl der übermäßige Konsum im eigenen Land finanziert als auch die internationalen militärischen Konflikte, die ausgetragen werden müssen, damit der Führungsanspruch fortbestehen kann.

DER NIEDERGANG – Die Niedergangsphase geht normalerweise auf interne Konjunkturschwäche im Zusammenspiel mit innenpolitischen Konflikten zurück – oder auf kostspielige außenpolitische Konflikte oder beides. Im Regelfall vollzieht sich der Abstieg eines Landes zunächst allmählich und dann abrupt.

Das führt zu politischem Extremismus, der sich als linker oder rechter Populismus niederschlägt. Die Linken wollen den Reichtum umverteilen, die Rechten dafür sorgen, dass er in den Händen der Reichen bleibt. Dabei handelt es sich um die »antikapitalistische Phase«, in der die Probleme dem Kapitalismus, den Kapitalisten und generell den Eliten angelastet werden.

Liegen alle diese Kräfte gleichzeitig vor – Verschuldung, Bürgerkrieg oder Revolution im eigenen Land, Krieg im Ausland und schwindendes Vertrauen in die Währung –, dann steht gewöhnlich eine Neuordnung der Welt bevor.

Das folgende Diagramm gibt einen Überblick über diese Kräfte und ihren typischen Ablauf.

GROBE QUANTITATIVE WERTUNG DER MESSWERTE NACH ZYKLUSSTADIUM

Die schlimmen Phasen der Zerstörung und Umstrukturierung durch Depression, Revolution und Krieg, die das alte System im Grunde niederreißen und die Voraussetzungen für die Entstehung eines neuen schaffen, nehmen in der Regel rund zehn bis 20 Jahre in Anspruch, manchmal auch wesentlich weniger oder mehr.

Diese friedlichen Phasen dauern etwa 40 bis 80 Jahre, mitunter auch deutlich kürzer oder länger.

Gehen wir alle gut miteinander um, werden wir diese schwierigen Zeiten sicherlich überstehen und in eine neue blühende Periode übergehen, die ganz anders aussieht. Dabei bin ich gleichermaßen sicher, dass es radikale Veränderungen geben wird, die für viele Menschen traumatisch sein werden.

Allem, was bisher passiert ist, und allem, was noch passieren wird, liegen auslösende Determinanten zugrunde. Wenn wir diese Determinanten erkennen, können wir nachvollziehen, wie die Maschinerie funktioniert, und besser einschätzen, was wohl als Nächstes auf uns zukommen wird.

Hätten wir ein perfektes Modell, das alle Kausalzusammenhänge berücksichtigt, könnten wir die Zukunft genau prognostizieren. Im Wege steht uns dabei nur, dass wir nicht in der Lage sind, sämtliche dieser Ursache-Wirkungs-Beziehungen zu modellieren.

Wenn die drei großen Zyklen, die ich in Kapitel 1 beschrieben habe, ungünstig zusammenfallen (also hohe Schuldenlast, während die Zentralbank reichlich Geld druckt, innenpolitische Konflikte, die sich aus Unterschieden bei Wohlstand, Werten und politischen Einstellungen ergeben, und der Aufstieg einer oder mehrerer rivalisierender Mächte), so hat das gewöhnlich den Niedergang eines bestehenden Imperiums zur Folge.

Weil Überlegungen zu diesen Determinanten und ihren Interaktionen so komplex sind, schlage ich vor, dass Sie sich die drei großen Zyklen als wichtigste Faktoren merken, die es zu beachten gilt:

  1. den positiven und negativen Finanzzyklus (zum Beispiel den Kapitalmarktzyklus),
  2. den Zyklus der innenpolitischen Ordnung und Unruhe (aufgrund der graduellen Abstufung der Zusammenarbeit beziehungsweise der Kämpfe um Wohlstand und Macht, die in erster Linie durch ein Wohlstands- und Wertegefälle ausgelöst werden), und
  3. den Zyklus der außenpolitischen Ordnung und Unruhe (infolge der graduell unterschiedlichen Wettbewerbsfähigkeit bestehender Mächte im Kampf um Wohlstand und Macht).
  4. das Tempo der Innovation und der technischen Entwicklung, um Probleme zu lösen und Verbesserungen herbeizuführen, und
  5. Naturereignisse, allen voran Dürreperioden, Überschwemmungen und Krankheiten.

Es gibt aber noch weitere Determinanten wie Geologie / Geografie, Rechtsstaatlichkeit und Infrastruktur, die ebenfalls eine Rolle spielen.

Die vollständige Liste von 18 Faktoren, die in mein Modell einfließen. Eine ausführliche Beschreibung aller 18 Einzelfaktoren können Sie am Ende von Kapitel 14 lesen.

In einer produktiven Gesellschaft zeigt die Mehrheit der Menschen Charakterstärke, Vernunft, Kreativität und Rücksicht.

Sind die Menschen in der Lage, mehr zu erwirtschaften, als sie ausgeben, verfügt die Gesellschaft über positives Humankapital und ist selbstversorgend. Gesellschaften, die nicht über positives Humankapital verfügen, belasten entweder ihre Ressourcen oder machen immer mehr Schulden, die sie am Ende nicht zurückzahlen können, sodass sie früher oder später in Schwierigkeiten geraten.

Es ist das Attribut, das es kleinen Ländern wie den Niederlanden, England, der Schweiz und Singapur ermöglicht hat, großen Wohlstand und in manchen Fällen auch viel Macht zu erlangen.

Die Geschichte lehrt, dass Einzelnen, Organisationen, Ländern oder Imperien, die mehr ausgeben, als sie einnehmen, schwere Zeiten bevorstehen.

Die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen. Darüber verfügen die wenigsten Menschen, was von großem Nachteil ist.

Wem das langfristige Wohl wichtiger ist als das kurzfristige, dem ergeht es in aller Regel besser.

Die Geschichte macht deutlich: Klafften die Wertvorstellungen immer weiter auseinander, vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten, so führte das gewöhnlich zu Perioden mit stärkeren Konflikten.

Aus diesem Grund lassen sich todbringende Kriege am besten vermeiden, indem sich beide Seiten wechselseitig Schutz vor existenziellen Schäden zusichern. Ein beiderseits profitabler Austausch und wechselseitige Abhängigkeit, die unverzichtbar ist, verringern die Konfliktgefahr zusätzlich.

Auf lange Sicht ergeben sich Wohlstand und Kaufkraft daraus, wie produktiv Sie sind. Der Grund dafür: Realvermögen überdauert nicht, und Erbe ebenso wenig. Aus diesem Grund ist es so wichtig, immer produktiv zu sein. Ein Blick auf Gesellschaften, die die Reichen enteignet und versucht haben, von deren Vermögen zu leben, ohne produktiv zu sein (wie Russland nach den Revolutionen von 1917), offenbart, dass sie nach kürzester Zeit verarmen.

Wird Geld für Investitionen und Infrastruktur ausgegeben statt für den Konsum, so führt das übrigens zu höherer Produktivität. Investitionen sind daher ein aussagekräftiger Frühindikator für Wohlstand.

Es gibt keinen Menschen, keine Organisation, kein Land oder Imperium, der, die oder das nach dem Verlust der eigenen Kaufkraft nicht gescheitert wäre. Wer erfolgreich sein will, muss mindestens so viel verdienen, wie er ausgibt. Wer nicht so viel ausgibt und Überschüsse ansammelt, ist nachhaltig erfolgreicher als solche, die viel mehr verdienen, aber im Defizit sind. Die Geschichte beweist, dass Einzelnen, Organisationen, Ländern oder Imperien, die mehr ausgeben, als sie einnehmen, Not und Unruhe bevorsteht. Die Geschichte belegt aber auch, dass Länder, in denen sich mehr Menschen selbst unterhalten können, in aller Regel sozial, politisch und wirtschaftlich stabiler sind.

Der große psychologische Mehrgenerationenzyklus.

Stadium 1: Die Menschen und ihre Länder sind arm und halten sich für arm. In Ländern, die weiterkommen, wird gewöhnlich hart gearbeitet und nach und nach mehr Vermögen angesammelt, als zum Leben notwendig ist. Bis diese Entwicklungsphase durchlaufen ist, dauert es in aller Regel etwa eine Generation.

Stadium 2: Die Menschen und ihre Länder sind reich, halten sich aber immer noch für arm.

Stadium 3: Die Menschen und ihre Länder sind reich und halten sich für reich. Länder in diesem Stadium bezeichne ich als »Länder auf dem Höhepunkt ihrer Gesundheit«. Die Vereinigten Staaten befanden sich von 1950 bis 1965 in dieser Phase. China tritt gerade in dieses Stadium ein.

Stadium 4: Die Menschen und ihre Länder werden ärmer, halten sich aber immer noch für reich. In dieser Phase nimmt die Verschuldung in Relation zum Einkommen zu. Die psychologische Veränderung, die dieser Verschuldung zugrunde liegt, entsteht, weil die Menschen, die die beiden ersten Stadien durchlebt haben, schon verstorben sind oder nichts mehr zu sagen haben, und diejenigen, auf deren Verhalten es in erster Linie ankommt, an das gute Leben gewöhnt sind und keine Angst vor finanzieller Not haben. Weil die Arbeitnehmer in diesen Ländern viel verdienen und viel ausgeben, werden sie teuer, und weil sie teuer sind, steigen ihre Realeinkommen langsamer. Da sie nicht gewillt sind, ihre Ausgaben so einzuschränken, wie es diesen geringeren Einkommenssteigerungen entspräche, sparen sie weniger, machen mehr Schulden und tricksen. Weil sie immer noch viel Geld ausgeben, wirken sie nach wie vor reich, wenngleich sich ihre Bilanzen verschlechtern. Weil nicht mehr so viel Geld in effiziente Infrastrukturinvestitionen, Investitionsgüter und Forschung und Entwicklung gesteckt wird, steigt die Produktivität langsamer. Städte und Infrastruktur veralten und verlieren gegenüber den beiden vorangegangenen Phasen an Effizienz. Die Länder verlassen sich zunehmend auf ihre Reputation statt auf ihre Wettbewerbsfähigkeit, um ihre Defizite zu finanzieren. In den letzten Jahren dieser Phase kommt es häufig zu Blasenbildung. Ob aufgrund von Kriegen oder wegen des Platzens von Finanzblasen oder beidem zeichnet sich dieses Stadium üblicherweise durch einen Schuldenberg aus, der ohne eine Währungsabwertung nicht abtragbar ist. Länder in diesem Stadium bezeichne ich als »Länder im frühen Niedergang«.

Stadium 5: Die Menschen und ihre Länder sind arm und halten sich für arm. Der Grad des Erfindungsreichtums und der Innovation in einer Gesellschaft ist der Haupttreiber ihrer Produktivität. Der Markt ist unglaublich effizient, wenn es darum geht, schlechte Ideen auszusieben und gute auszupreisen.

Gesellschaften, die auf ein möglichst breites Spektrum von Menschen zurückgreifen und diesen nach ihrer Leistung Verantwortung übertragen, nicht aufgrund von Privilegien, sind auf lange Sicht am erfolgreichsten, weil sie

  1. die Menschen ausfindig machen, die für die Erfüllung bestimmter Aufgaben am besten geeignet sind,
  2. über eine Vielfalt von Perspektiven verfügen und
  3. als die gerechtesten wahrgenommen werden, was zu gesellschaftlicher Stabilität beiträgt.

Der typische rechtsorientierte Kapitalist vertritt die Ansicht, dass Eigenständigkeit, Fleiß, Produktivität, begrenzte staatliche Einmischung, eine möglichst geringe Abgabenlast und persönliche Entscheidungen unter moralischen und gesellschaftlichen Gesichtspunkten gut sind. Er ist der Überzeugung, dass die Privatwirtschaft besser funktioniert als die öffentliche Hand, dass der Kapitalismus für die meisten Menschen das beste Ergebnis bringt und dass Selfmade-Milliardäre den größten Beitrag zur Gesellschaft leisten. Was Kapitalisten in der Regel auf die Barrikaden bringt, ist finanzielle Unterstützung für Menschen, die nicht produktiv und rentabel arbeiten. Für sie gilt: Geld verdienen bedeutet produktiv sein und bekommen, was man verdient.

In einem rein kapitalistischen System hat beispielsweise ein herausragendes öffentliches Bildungsangebot keine besondere Priorität, obwohl es eindeutig eine Hauptursache für Produktivitätssteigerungen und Vermögensaufbau in einer Gesellschaft darstellt.

Dem linken/sozialistischen Lager zufolge ist es unter moralischen wie gesellschaftlichen Gesichtspunkten gut, sich gegenseitig zu helfen, den Menschen staatliche Unterstützung zu gewähren und alle an Wohlstand und Chancen teilhaben zu lassen. Dort herrscht die Ansicht, die Privatwirtschaft werde mehr oder minder von gierigen Kapitalisten geführt, während einfache Arbeitnehmer wie Erzieher, Feuerwehrleute und Arbeiter mehr zur Gesellschaft beitragen. Sozialisten und Kommunisten fokussieren sich in der Regel darauf, wie sich der Kuchen am besten verteilen lässt. Darauf, ihn zu vergrößern, verstehen sie sich meist weniger gut. Sie befürworten mehr staatliche Einmischung, weil sie glauben, dass die Regierung fairer ist als die Kapitalisten, die Menschen nur ausbeuten wollen, um noch mehr Geld zu verdienen.

Der große Zyklus der Machtverhältnisse, der den großen Friedens- / Kriegszyklus innerhalb von und zwischen Ländern antreibt.

  1. Schritt 1: Bildung von Allianzen. »Der Feind meines Feindes ist mein Freund.«
  2. Schritt 2: Krieg, um Gewinner und Verlierer zu bestimmen.
  3. Schritt 3: Auseinandersetzungen unter den Gewinnern.
  4. Schritt 4: Es kommt zu Frieden und Wohlstand, was jedoch irgendwann zu Exzessen führt, die in großer Wohlstands- und Chancenungleichheit und Überschuldung münden.
  5. Schritt 5: Zunehmende Konflikte führen zu revolutionären Umwälzungen der innenpolitischen und globalen Ordnung.

Solange die Menschen mehrheitlich in Frieden und Wohlstand leben, was nur der Fall ist, wenn das System gerecht ist und die meisten Menschen Selbstdisziplin beweisen und produktiv sind, dürften weiterhin Frieden und Wohlstand herrschen. Doch wie schon erwähnt, leisten Perioden des Friedens und Wohlstands meist einem großen Wohlstandsgefälle und Schuldenblasen Vorschub, was zu Konflikten führt, wenn der Wohlstand sinkt und weitere Konfliktursachen vorliegen.

Das größte Problem, mit dem wir derzeit alle konfrontiert sind: Die Einnahmen vieler Menschen, Unternehmen, gemeinnütziger Organisationen und Regierungen sind im Verhältnis zu ihren Ausgaben gering, und ihre Schulden und sonstigen Verpflichtungen (etwa für Altersversorgung, Kranken- und andere Versicherungen) im Verhältnis zum Wert ihrer Vermögenswerte ausgesprochen hoch.

Der langfristige Schuldenzyklus läuft in sechs Phasen ab:

  • Phase 1: Sie beginnt, wenn a) wenig oder keine Schulden vorhanden und b) die Währung »hart« ist.
  • Phase 2: Als Nächstes kommen Ansprüche auf harte Währung (das heißt Banknoten oder Papiergeld).
  • Phase 3: Dann steigen die Schulden. Anfangs ist jeder Anspruch auf die »harte Währung« durch den Bestand der Bank gedeckt. Doch dann entdecken die Inhaber der Anspruchspapiere und die Banken das Wunder von Kredit und Schulden. Kritisch wird es, wenn die Einnahmen des Kreditnehmers nicht mehr reichen, um seine Schulden zu bedienen, oder wenn die Menge der Ansprüche, die Menschen in der Erwartung besitzen, sie verkaufen zu können, um mit dem Erlös Waren und Dienstleistungen zu erwerben, so viel schneller ansteigt als die Menge der Waren und Dienstleistungen, dass solche Schuldtitel (zum Beispiel Anleihen) nicht mehr umtauschbar sind. Diese beiden Probleme treten gewöhnlich gleichzeitig auf.
  • Phase 4: Dann folgen Schuldenkrisen, Zahlungsausfälle und Abwertungen, was dazu führt, dass neues Geld gedruckt und von der harten Währung entkoppelt wird.
  • Phase 5: Hier kommt das Fiatgeld ins Spiel, das letztlich zur Geldentwertung führt.

Es spricht nichts dagegen, die Geldmenge zu vergrößern statt Kredit und Schulden zu erhöhen, wenn dieses Geld dann produktiv genutzt wird. Die Gefahr liegt darin, dass das nicht der Fall ist. Wird zu aggressiv Geld gedruckt und dieses dann nicht produktiv eingesetzt, hören die Menschen auf, es als Wertspeicher zu verwenden, und bringen ihr Vermögen lieber woanders unter.

Wir sollten uns nicht darauf verlassen, dass uns der Staat finanziell schützt. Ganz im Gegenteil, wir sollten damit rechnen, dass die meisten Regierungen ihre privilegierte Stellung als Geld- und Kreditschöpfer und -verwender aus denselben Gründen missbrauchen, aus denen Sie das täten, wenn Sie in dieser glücklichen Lage wären.

Wer Geld und Kredit schöpfen und an alle verteilen kann, damit sie zufrieden sind, kann dieser Versuchung nur schwer widerstehen.

Aus diesem Grund drucken die Zentralbanken am Ende immer Geld und werten es ab. Drucken Regierungen viel Geld und kaufen viele Schuldtitel auf, verbilligt sich beides. Das entspricht im Grunde einer Besteuerung der Eigentümer und erleichtert Schuldnern und Kreditnehmern das Leben. Geht das so lange, bis die Besitzer von Geldmarkt- und Schuldinstrumenten merken, was los ist, versuchen diese, ihre Schuldtitel loszuwerden und / oder sich Geld zu leihen, um Schulden zu machen, die sie mit billigem Geld zurückzahlen können. Außerdem schichten sie ihr Vermögen oft in aussichtsreichere Speichermedien wie Gold und bestimmte Aktiengattungen um – oder in andere Länder, die solche Probleme nicht haben. In solchen Zeiten drucken die Zentralbanken in aller Regel weiterhin Geld und kaufen direkt oder indirekt (etwa, indem sie es den Banken überlassen) Schuldtitel auf. Gleichzeitig verbieten sie, Geld in inflationsgeschützte Anlagen, alternative Währungen und andere Länder abzuziehen.

Die meisten Menschen glauben zwar, dass eine Währung etwas Beständiges und »Bargeld« der sicherste Vermögenswert ist, den man halten kann, doch sie irren sich. Alle Währungen werden irgendwann abgewertet und abgeschafft, und wenn das passiert, verlieren Bargeld und Anleihen (die ja ein Versprechen auf den Erhalt von Währung darstellen) an Wert – bis hin zum Totalverlust. Der Grund dafür: Eine Menge Geld zu drucken und Schulden zu entwerten, ist die einfachste Möglichkeit, Schuldenberge zu verringern oder ganz abzubauen.

Es gibt vier Hebel, die Politiker ansetzen können, um das Schulden- und Schuldendienstniveau im Verhältnis zur Höhe der dafür erforderlichen Einnahmen und Zahlungsströme zu senken:

  • Sparprogramme (Ausgaben senken)
  • Zahlungsunfähigkeit und Umschuldung
  • Umverteilung von Geld und Kredit von denjenigen, die mehr haben als nötig, auf diejenigen, die weniger haben, als sie brauchen (also Steuererhöhung)
  • Geld drucken und es abwerten

Phase 6: Die Flucht zurück in harte Währung. Geht die übermäßige Produktion von Fiatwährung zu weit, so löst das Verkäufe von Schuldinstrumenten und die zuvor schon beschriebene »Bank-Run«-Dynamik aus, die letztlich den Wert der Geld- und Kreditmittel verringert, was die Menschen dazu veranlasst, sich aus beidem zurückzuziehen.

Dieser große Zyklus erstreckt sich normalerweise über Zeitspannen von ungefähr 50 bis 75 Jahren. Er endet charakteristisch mit einer Umschuldung und einem Umbau des gesamten Währungssystems. Diese Umstrukturierungen – also die Zeiten mit Schulden- und Währungskrisen – vollziehen sich gewöhnlich schnell und dauern von wenigen Monaten bis zu drei Jahren, je nachdem, wie lange die Regierung braucht, um aktiv zu werden. Ihre Nachwirkungen können jedoch sehr hartnäckig sein – beispielsweise, wenn eine Währung ihren Reservewährungsstatus verliert.

Je kürzer die meisten Menschen vor der Explosion stehen – also zu dem Zeitpunkt, zu dem die ausstehenden Forderungen im Verhältnis zum vorhandenen harten Geld und Realvermögen am höchsten sind –, desto gefährlicher ist zwar die Lage, doch desto sicherer fühlen sich in aller Regel die Menschen. Der Grund dafür: Sie haben lange Zeit Schuldtitel gehalten und gut daran verdient. Und je länger der letzte große Knall zurückliegt, desto blasser werden die Erinnerungen

ALLE WÄHRUNGEN WERDEN FRÜHER ODER SPÄTER ABGEWERTET ODER ABGESCHAFFT

Von den rund 750 Währungen, die es seit 1700 gegeben hat, existieren nur noch rund 20 Prozent. Und sie alle sind schon einmal abgewertet worden.

Mitte der 1950er- Jahre waren der US- Dollar und der Schweizer Franken die einzigen Währungen, die gegenüber dem Kurs von 1850 noch die Hälfte wert waren.

Die USA haben das – von mir als Phase 5 bezeichnete – Stadium erreicht, in dem gleichzeitig eine schlechte Finanzlage und zunehmende Konflikte vorliegen, das führende Imperium aber nach wie vor über andere herausragende Stärken verfügt (zum Beispiel in Bereichen wie Technologie und Militär), die jedoch im Vergleich abnehmen. Diese Phase schließt sich klassisch an Zeiten mit großen Ausgabe- und Schuldenexzessen und einem wachsenden Wohlstandsgefälle sowie zunehmend unterschiedlichen politischen Einstellungen an. Darauf folgen Revolutionen und Bürgerkriege.

DIE SECHS PHASEN DES INNENPOLITISCHEN ZYKLUS

  • Phase 1, in der die neue Ordnung eingeführt wird und die neue Führung ihre Macht konsolidiert, was …
  • Phase 2 zur Folge hat, in der die Systeme zur Allokation von Ressourcen und die staatlichen Verwaltungsapparate aufgebaut und justiert werden, was im Erfolgsfall zu …
  • Phase 3 führt, in der Frieden und Wohlstand herrschen. Darauf folgt …
  • Phase 4, die sich durch große Ausgabe- und Schuldenexzesse und eine Zunahme des Wohlstandsgefälles und der Kluft bei politischen Überzeugungen auszeichnet. Daran schließt sich …
  • Phase 5 an, in der eine ausgesprochen schlechte Finanzlage und heftige Konflikte vorliegen, gefolgt von …
  • Phase 6 mit Bürgerkriegen beziehungsweise Revolutionen, womit wir wieder bei … Phase 1 angekommen wären, die zur Phase 2 führt, und so weiter, sodass sich der gesamte Zyklus wiederholt.

Wie lange die einzelnen Stadien andauern, kann sehr unterschiedlich sein, doch bis sie alle durchlaufen sind, vergehen gewöhnlich grob gerechnet 100 Jahre, wobei es innerhalb des Zyklus zu größeren Wellenbewegungen kommen kann.

Jeder Zyklus setzt sich aus ähnlichen, kürzeren Zyklen zusammen. Ein kurzfristiger Schuldenzyklus beispielsweise, der zu Blasenbildung und Rezessionen führt, findet ungefähr alle acht Jahre statt, und die politischen Zyklen, die für die Verschiebung der politischen Macht zwischen rechtem und linkem Lager sorgen, in etwa mit der gleichen Frequenz, et cetera. Aktuell durchlaufen zwar alle Länder diese Zyklen, befinden sich aber in unterschiedlichen Phasen. So sind China und Indien in einer ganz anderen Phase als die Vereinigten Staaten und die meisten europäischen Länder. In welchem Stadium sich einzelne Länder im internationalen Vergleich jeweils befinden, wirkt sich auf die Beziehungen zwischen den Ländern aus und ist die wichtigste Determinante für die Weltordnung.

Zyklus läuft ab, wie in folgender Grafik dargestellt.

Wir gewinnen daraus aber eine ausgesprochen wertvolle Erkenntnis: Wie bei einer Krankheit zeigen sich eindeutig bestimmte Symptome, an denen die jeweilige Zyklusphase zu erkennen ist. In welcher Zyklusphase man sich befindet, gibt Aufschluss über die Risiken und die zu ergreifenden Maßnahmen, die man unbedingt kennen sollte und die sich von den für andere Phasen verfügbaren unterscheiden. Eine Einstufung in Phase 5 bedeutet beispielsweise, dass bestimmte Bedingungen vorliegen, die einen Eintritt des Zyklus in Phase 6 wahrscheinlicher machen als in Phase 4 mit den entsprechenden Gegebenheiten. Verfügen wir über eindeutige, objektive Marker, um festzustellen, in welcher Phase sich ein einzelnes Land (oder ein Bundesstaat /-land oder eine Kommune) befindet, und verstehen wir die Kausalzusammenhänge, die Veränderungen bewirken, so können wir die Palette der Möglichkeiten besser beurteilen, die wir haben, und uns entsprechend aufstellen. Hundertprozentig richtig liegt man damit aber nie.

Diese Zyklen unterscheide ich vom langfristigen Schuldenzyklus, der sich in aller Regel über 50 bis 75 Jahre erstreckt (und folglich etwa sechs bis zehn kurzfristige Schuldenzyklen umfasst). Weil sich die Krisen, die im Zuge dieser langfristigen Schuldenzyklen auftreten, nur einmal im Leben ereignen, rechnen die meisten Menschen nicht damit. Deshalb kommen sie in aller Regel überraschend und richten viel Schaden an. Der langfristige Schuldenzyklus, der derzeit auf sein Ende zugeht, wurde 1944 in Bretton Woods, New Hampshire, ins Leben gerufen und begann 1945 mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Beginn der vom Dollar und den USA dominierten Weltordnung.

Ich behaupte wohlgemerkt nicht, dass jeder Zyklus immer genau so abläuft – sondern lediglich, dass sich fast alle solchen Zyklen eng an diesem Muster orientieren.

Gestützt auf unsere Erkenntnisse aus der Vergangenheit schätzen wir die Wahrscheinlichkeit, dass ein schwerwiegender innenpolitischer Konflikt eintritt, wenn 60 bis 80 Prozent der Warnzeichen erkennbar sind, auf rund 1 zu 6. Liegen sehr viele der entsprechenden Bedingungen vor (mehr als 80 Prozent), so bewegt sich die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs oder einer Revolution bei 1 zu 3. Das ist zwar nicht sehr hoch, aber dennoch besorgniserregend. Die USA sind aktuell in den Bereich von 60 bis 80 Prozent einzuordnen.

PHASE 1: DIE NEUE ORDNUNG WIRD EINGEFÜHRT UND DIE NEUE FÜHRUNG KONSOLIDIERT IHRE MACHT

Ein Bürgerkrieg oder eine Revolution – auch eine friedliche – ist ein heftiger Konflikt, bei dem eine Seite gewinnt, die andere Seite verliert und das Land Schaden nimmt. Die erste Phase folgt auf einen Krieg. In dieser Zeit greifen die Gewinner nach der Macht und die Verlierer müssen sich unterwerfen. Die Sieger waren zwar offensichtlich stark genug, um den Konflikt für sich zu entscheiden, doch in dieser ersten Phase der neuen Ordnung müssen sie auch die Klugheit beweisen, ihre Macht zu konsolidieren und das Land wiederaufzubauen. Kommt eine neue Führung ans Ruder, räumt sie gewöhnlich mit der verbleibenden Opposition auf und ergeht sich in internen Machtkämpfen. Man könnte sogar sagen, dass Revolutionen gewöhnlich zweigeteilt sind: Der erste Teil besteht im Sturz der etablierten Leitfiguren und Systeme, der zweite Teil in dem Kampf, all jene auszuschalten, die loyal zur bisherigen Führung standen, und im Machtgerangel der Sieger. Diesen zweiten Teil bezeichne ich als »Säuberung«, was in diesem Abschnitt noch näher erklärt wird.

Im schlimmsten Fall brachten diese postrevolutionären Auseinandersetzungen zur Konsolidierung der Macht mehrere der brutalsten Perioden in der Geschichte eines Landes hervor

PHASE 2: DIE SYSTEME ZUR RESSOURCENALLOKATION UND DER STAATSAPPARAT WERDEN AUFGEBAUT UND OPTIMIERT

Diese Phase bezeichne ich als »frühe Blütezeit«, weil sie in aller Regel eine friedliche, gedeihliche Periode einläutet.

Damit ein System Erfolg haben kann, muss es Wohlstand für die meisten Menschen hervorbringen – vor allem für die große Mittelschicht. Wie Aristoteles es in seiner Politik formulierte: »Es ist also klar, … dass diejenigen Staaten geeignet sind, gut regiert zu werden, wo der Mittelstand zahlreich ist und weitaus stärker, als die beiden anderen … wo der Mittelstand zahlreich ist, entstehen unter den Bürgern am wenigsten Zwiste und Aufstände. … Wenn dieser fehlt und die Armen dann durch ihre Menge die stärkeren sind, so tritt eine schlechte Wirthschaft [sic!] ein und der Staat geht schnell zu Grunde.«

Für diese Phase eignen sich gewöhnlich ganz andere Leitfiguren am besten, als diejenigen, die in den Phasen 6 und 1 erfolgreich waren. Ich bezeichne diese als »Staatsarchitekten«. Sie müssen intelligent sein und im Idealfall auch stark und charismatisch, doch vor allem anderen müssen sie das System konzipieren und aufbauen können, das für die meisten Menschen produktiv ist – oder brauchen andere, die das für sie übernehmen.

Die herausragendsten Staatslenker sind solche, die ihre Länder durch Phase 6, 1 und 2 steuern – also durch Bürgerkrieg und Revolution, Konsolidierung der Macht und den Aufbau der Institutionen und Systeme, die auch für die Nachwelt noch sehr gut funktionieren –, und das auch noch im großen Stil.

PHASE 3: ES HERRSCHT FRIEDEN UND WOHLSTAND

Diese Phase bezeichne ich auch als »mittlere Blütezeit«. Sie stellt den optimalen Abschnitt des Zyklus der innenpolitischen Ordnung dar. Dann stehen den Menschen jede Menge Chancen offen, ihre Produktivität zu entfalten. Diese ergreifen sie begeistert, arbeiten gut zusammen, produzieren viel, werden reich und genießen Bewunderung für ihren Erfolg.

Entwicklungen, die in dieser Phase zu beachten sind, weil sie über die großen Risiken Aufschluss geben, die sich naturgemäß entwickeln und die selbsttragenden guten Ergebnisse unterminieren, sind wachsende Unterschiede bei Chancen, Einkommen, Wohlstand und Werten, die mit schlechten und unfairen Bedingungen für die Masse, luxuriösen und ungerechtfertigt privilegierten Positionen für Eliten, nachlassender Produktivität und einer schlechten Finanzsituation einhergehen, in der Überschuldung entsteht. Die großen Imperien und Dynastien, die überdauern konnten, blieben in der Phase 3, weil sie es schafften, diese Risiken zu vermeiden. Gelingt das nicht, tritt die vierte Phase ein – die Phase der Exzesse. In diesem Stadium kann die Versuchung, jedes beliebige Projekt (auch auf Kredit) durchzuziehen, an den Rand des Konflikts führen.

PHASE 4: DIE ZEIT DER EXZESSE

Diese Phase bezeichne ich auch als »Wohlstandsblase«.

Es kommt zur raschen Zunahme kreditfinanzierter Käufe von Waren, Dienstleistungen und Anlagen, sodass die Schulden schneller anwachsen als die künftigen Zahlungsströme für den Schuldendienst. So entstehen Blasen. Es wird auf Pump gekauft, weil Anleger, Wirtschaftslenker, Finanzintermediäre, Einzelne und Politik davon ausgehen, dass die Zukunft der Vergangenheit gleicht. Deshalb schließen sie hohe Wetten auf die Fortsetzung der jeweils aktuellen Trends ab. Sie erliegen dem Irrtum, dass eine Anlage, die stark im Preis gestiegen ist, nicht teuer, sondern hochwertig ist, und leihen sich daher Geld, um sie zu kaufen. Das treibt die Preise nach oben, wodurch sich die Blasenbildung verstärkt. Der Grund dafür: Steigen die Anlagen im Wert, verbessert das die Vermögenslage der Anleger, und das Ausgaben- Einnahmen- Verhältnis steigt. Das erhöht ihre Kreditaufnahmekapazität, was den Verschuldungsprozess anheizt, und so dreht sich die Spirale nach oben, bis die Blase platzt.

Es fließen zunehmend mehr Geld und Zeit in Konsum und Luxusgüter, weniger in rentable Investments. Die geringeren Investitionen in Infrastruktur, Investitionsgüter und Forschung und Entwicklung bremsen die Produktivitätssteigerung des Landes und führen dazu, dass seine Städte und seine Infrastruktur altern und an Effizienz verlieren.

In dieser Phase ist die archetypische ideale Leitfigur der »geerdete, disziplinierte Staatslenker«, der weiß, wie grundsolide Politik aussieht, die Produktivität und Finanzstabilität herbeiführt, und dies auch vermittelt. Jemand, der einschreitet, wenn die Masse über die Stränge schlagen will. Solche Führungspersönlichkeiten sind es, die dafür sorgen, dass die Nation auch weiter einen erheblichen Anteil ihrer Einnahmen und ihrer Zeit in produktive Tätigkeiten investiert, während sie reicher wird.

immer werden Länder (und ihre Regierungen) erst reich und dann dekadent, übernehmen sich, machen Schulden, um Konsumexzesse zu finanzieren, und büßen ihre Wettbewerbsfähigkeit ein.

PHASE 5: DIE FINANZLAGE IST SCHLECHT, DIE KONFLIKTE VERSCHÄRFEN SICH

Phase 5 ist die Zeit, in der sich die Spannungen zwischen den Klassen, die mit der Verschlechterung der Finanzlage einhergehen, zuspitzen. Wie verschiedene Leitfiguren, Politiker und Gruppen mit Konflikt umgehen, wirkt sich wesentlich darauf aus, ob sich die nötigen Veränderungen in einem Land friedlich oder gewaltsam vollziehen.

Der Konjunkturschock kann viele Ursachen haben, unter anderem das Platzen einer Finanzblase, höhere Gewalt (wie Pandemien, Dürren und Überschwemmungen) und Krieg. Er wird zur finanziellen Belastungsprobe.

Ein klassischer Marker für die Phase 5 und ein Frühindikator für den Verlust von Kreditfähigkeit und Kaufkraft – einer der Auslöser für den Übertritt in Phase 6 – sind hohe Staatsdefizite, derentwegen mehr Anleihen aufgelegt werden, als andere Käufer als die eigene Zentralbank des Landes zu kaufen, bereit sind. Dieser Frühindikator wird ausgelöst, wenn eine Regierung, die kein Geld drucken kann, die Steuern erhöhen und die Ausgaben senken muss, oder eine, die Geld drucken kann, große Mengen davon erzeugt und Staatsanleihen in hoher Zahl aufkauft.

Regierungen, die die Option haben, Geld zu drucken, entscheiden sich stets dafür, weil es der deutlich einfachere Weg ist. Das hat jedoch zur Folge, dass Anleger ihr Kapital aus dem Geld und den Schuldtiteln abziehen, die gedruckt werden. Regierungen, die nicht die Druckerpresse anwerfen können, müssen die Steuern erhöhen und ihre Ausgaben zurückfahren. Das wiederum bewirkt, dass Menschen mit viel Geld dem Land (oder dem Bundesstaat oder der Stadt) den Rücken kehren, weil sie es unzumutbar finden, mehr Steuern zu zahlen und weniger Leistungen zu erhalten.

Während ich diese Zeilen schreibe, läuft diese spätzyklische Dynamik gerade in den Vereinigten Staaten ab, und zwar sowohl auf nationaler als auch auf bundesstaatlicher Ebene.

viele Menschen leiden und welche Macht diese haben. Wer Maßnahmen befürwortet, die für das Gesamtergebnis gut sind – wie Freihandel, Globalisierung oder technischer Fortschritt, der Menschen verdrängt –, ohne daran zu denken, was passiert, wenn dieses Gesamtergebnis nicht so aufgeteilt wird, dass es den meisten Menschen zugutekommt, der übersieht, dass dadurch alles in Gefahr gerät. • Eine Gesellschaft, die in Frieden und Wohlstand leben möchte, braucht Produktivität, von der die Mehrheit der Menschen profitiert.

In der Frühphase des Zyklus innenpolitischer Ordnung gibt es nur wenig Bürokratie. In der Spätphase nimmt die Bürokratie dagegen überhand, was vernünftige und nötige Entscheidungen erschwert.

Unruhen und Unzufriedenheit schaffen Rahmenbedingen für Leitfiguren mit starker Persönlichkeit, die antielitär sind und vorgeben, für die einfachen Leute zu kämpfen. Diese werden auch als Populisten bezeichnet. Populismus ist ein politisches und gesellschaftliches Phänomen, welches Normalbürger anspricht, die den Eindruck gewinnen, dass sich die Eliten nicht für ihre Anliegen einsetzen. Es entwickelt sich gewöhnlich, wenn ein Wohlstandsund Chancengefälle vorliegt, die eigene Kultur durch Menschen mit anderen Werten im eigenen Land und im Ausland bedroht erscheint und das »Establishment der Elite« in Machtpositionen für die meisten Menschen nur wenig erreicht. Populisten kommen an die Macht, wenn diese Situation die einfachen Leute in Rage versetzt, die sich wünschen, dass sich Menschen mit politischer Macht für sie stark machen. Populisten können von rechts oder von links kommen, sind weit extremer als gemäßigte Zeitgenossen und sprechen tendenziell die Emotionen des einfachen Volkes an. Gewöhnlich setzen sie eher auf Konfrontation als auf Kooperation und auf Ausschluss statt auf Integration. Das führt zu zahlreichen Auseinandersetzungen zwischen linken und rechten Populisten über unversöhnliche Differenzen.

In Phase 5 werden die Gemäßigten zur Minderheit. In Phase 6 gibt es keine Gemäßigten mehr.

Ein klassischer Marker für Phase 5, der in Phase 6 noch stärker zutage tritt, ist die Verteufelung der Angehörigen anderer Klassen. So entstehen gewöhnlich eine oder mehrere Sündenbockklassen, die gemeinhin als Wurzel allen Übels gelten. So entsteht der Drang, sie auszuschließen, wegzusperren oder zu vernichten, was dann in Phase 6 passiert. Dämonisiert werden häufig ethnische und sozioökonomische Gruppen.

Der Verlust der Wahrheit im öffentlichen Raum. Dass man nicht mehr weiß, was wahr ist, weil es von den Medien verzerrt dargestellt wird und die Propaganda zunimmt, kommt immer häufiger vor, wenn Menschen stärker polarisiert, emotionsgesteuert und politisch motiviert sind. In Phase 5 arbeiten die kämpferischen Elemente in aller Regel mit den Medien zusammen, um die Gefühle der Menschen zu manipulieren, sich Rückhalt zu verschaffen und die Opposition auszuschalten. Anders formuliert: Linksorientierte Medienvertreter tun sich in dem schmutzigen Kampf mit dem linken Lager zusammen, rechtsorientierte mit anderen Rechten.

Selbst ausgesprochen tüchtige, einflussreiche Menschen haben inzwischen so viel Angst vor den Medien, dass sie sich zu wichtigen Fragen nicht mehr äußern und auch nicht um öffentliche Ämter kandidieren wollen.

Regeln werden zunehmend missachtet und es wird mit allen Mitteln gekämpft.  Sind die Anliegen, für die sich Menschen leidenschaftlich einsetzen, diesen wichtiger als das Entscheidungssystem, so ist das System in Gefahr. Regeln und Gesetze greifen nur, wenn sie eindeutig sind und den meisten Menschen so viel an ihrer Einhaltung liegt, dass sie sich bereit zeigen, dafür Kompromisse einzugehen.

Sind die rivalisierenden Parteien nicht bereit, vernünftig miteinander zu sprechen und zivilisiert Entscheidungen zu treffen, um das Beste für alle zu erreichen – Entscheidungen, die von ihnen verlangen, freiwillig zu verzichten, obwohl sie im Kampf Erfolgschancen hätten –, dann bricht eine Art Bürgerkrieg aus, in dem die relative Macht der beteiligten Parteien auf die Probe gestellt wird.

Wenn die Vernunft abhandenkommt und der Leidenschaft weicht, ist das Endstadium von Phase 5 gekommen. Geht es nur noch ums Gewinnen, setzen sich unethische Auseinandersetzungen durch und verstärken sich selbst. Kämpft jeder für seine Anliegen und keiner kann sich mehr auf irgendetwas einigen, so steht

Im Spätstadium der Phase 5 werden Rechts- und Polizeisystem normalerweise von denjenigen, die Einfluss darauf nehmen können, als politische Waffen missbraucht.

Am Ende der Phase 5 kommt es verstärkt zu Demonstrationen, die immer gewalttätiger werden.

Ein klassisches Dilemma entsteht, wenn Demonstrationen zur Revolution ausarten. Demonstrationsfreiheit oder Unterdrückung von Protesten – für die Führung eines Landes sind beide Kurse riskant, da revolutionäre Kräfte dadurch jeweils so erstarken könnten, dass sie das System stürzen.

Im Zweifel aussteigen. Wer nicht in einen Bürgerkrieg oder einen Krieg verwickelt werden möchte, sollte sich absetzen, solange das noch problemlos möglich ist. Das ist gewöhnlich in Phase 5 der Fall. Die Geschichte belegt, dass sich die Tore für Ausreisewillige meist schließen, wenn es richtig ernst wird.

Demokratie erfordert Konsensentscheidungen und Kompromisse. Dafür müssen viele Menschen mit gegenläufigen Ansichten innerhalb des Systems gut zusammenarbeiten. So ist sichergestellt, dass Parteien mit großer Wählerschaft repräsentiert werden können.

Das größte Risiko einer Demokratie besteht darin, dass fragmentierte, antagonistische Entscheidungsprozesse entstehen, die letztlich nicht effektiv sind, was zu schlechten Ergebnissen führt. Dann kommt es zu Revolutionen unter Führung populistischer Autokraten, die große Bevölkerungsgruppen repräsentieren, welche sich einen starken, fähigen Anführer wünschen, der das Chaos in den Griff bekommt und dafür sorgt, dass es ihnen in ihrem Land gut geht.

PHASE 6: ES GIBT BÜRGERKRIEG

Bürgerkriege sind unvermeidlich. Statt also anzunehmen, dass das »bei uns schon nicht passieren wird«, wie es die meisten Menschen in den meisten Ländern tun, wenn genug Zeit ohne Bürgerkrieg verstrichen ist, sollte man besser auf der Hut sein und auf die Anzeichen dafür achten, wie lange er noch auf sich warten lässt.

Bürgerkriege und Revolutionen finden unweigerlich statt, um die innenpolitische Ordnung radikal zu verändern. Sie bringen die vollständige Umstrukturierung von Wohlstand und politischer Macht mit sich, einschließlich der kompletten Umstrukturierung der Schulden, des Finanzeigentums und der politischen Entscheidungsprozesse.

Diese Veränderungen sind die natürliche Folge der Notwendigkeit, maßgebliche Veränderungen vorzunehmen, die innerhalb des bisherigen Systems nicht möglich sind. Sie kommen in fast allen Systemen vor. Der Grund dafür: Fast alle Systeme haben Vorteile für bestimmte Klassen von Menschen, und zwar auf Kosten anderer Klassen, was irgendwann so unerträglich wird, dass ein Kampf um den künftigen Kurs ausbricht. Klaffen große Lücken bei Wohlstand und Werten und die Wirtschaftslage verschlechtert sich, sodass das System für einen hohen Prozentsatz der Bürger nicht mehr funktioniert, greifen die Menschen zu den Waffen, um das System zu verändern. Diejenigen, die wirtschaftlich am stärksten unter Druck stehen, kämpfen, um den anderen, die über Wohlstand und Macht verfügen und vom bestehenden System profitieren, Wohlstand und Macht abzujagen. Naturgemäß möchten die Revolutionäre das System grundlegend verändern, weshalb sie bereit sind, die Gesetze zu brechen, nach denen sie sich richten sollten, wenn es nach den bisherigen Machthabern ginge. Solche revolutionären Veränderungen vollziehen sich gewöhnlich gewaltsam durch Bürgerkriege. Sie können aber, wie bereits beschrieben, auch friedlich und ohne Umsturz erfolgen.

Bürgerkriegszeiten sind gewöhnlich ausgesprochen brutal.

Verstärken sich Kampfhandlungen und Emotionen und beide Seiten sind zu allem bereit, um zu gewinnen, eskaliert die Brutalität von Bürgerkriegen und Revolutionen in Phase 6 de facto so stark, wie es in Phase 5 noch als unvorstellbar gegolten hätte.

Bei den meisten archetypischen Bürgerkriegen und Revolutionen kam es zu einer Machtverschiebung von rechts nach links, bei vielen aber auch zu einer Verlagerung von Wohlstand und Macht nach rechts – weg vom linken Lager.

Wie im Falle der Linken hatte die neue innenpolitische Ordnung nur Bestand, wenn sie für breite wirtschaftliche Erfolge sorgte – sonst nicht. Weil allgemeiner wirtschaftlicher Wohlstand die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg eines neuen Regimes ist, gehen die langfristigen Trends sowohl zu größerem Gesamtwohlstand als auch zu einer breiteren Wohlstandsverteilung (das heißt besseren wirtschaftlichen und gesundheitlichen Bedingungen für den Durchschnittsbürger). Dieses

Angeführt wurden (und werden) Bürgerkriege oder Revolutionen meist von gebildeten Angehörigen der Mittelschicht.

Außerdem waren (und sind) diese Anführer in aller Regel charismatisch, führungsstark und in der Lage, gut mit anderen zusammenzuarbeiten, um große, straff geführte Organisationen aufzubauen, die so mächtig sind, dass sie Revolutionen auslösen können. Wollen Sie wissen, wer die Revolutionäre der Zukunft sind? Dann sollten Sie ein Auge auf Menschen mit diesen Eigenschaften haben. Mit der Zeit entwickeln sie sich gewöhnlich von idealistischen Intellektuellen, die das System gerechter gestalten möchten, zu brutalen Revolutionären, die um jeden Preis gewinnen wollen.

Bei den meisten Revolutionen tun sich die Revolutionäre, die gegen diese verschiedenen Missstände angehen wollen, zusammen, um revolutionären Wandel herbeizuführen. Während der Revolution wirken sie geeint, doch nach dem Sieg entzweien sie sich gewöhnlich in Machtfragen und anderen Themen.

leidet die amtierende Regierung in der Bürgerkriegs-/Revolutionsphase des Zyklus fast immer an akutem Geld-, Kredit- und Kaufkraftmangel. Deshalb versucht sie ja, den Besitzenden Geld abzunehmen, weshalb diese ihr Vermögen an Orte und in Anlagen umschichten, die zugriffssicher sind. Das versucht die Regierung durch Kapitalverkehrskontrollen zu unterbinden – also Kontrollen für Kapitalbewegungen in andere Hoheitsgebiete (Länder), Währungen oder Vermögenswerte, die schwieriger zu besteuern und / oder weniger produktiv sind (wie Gold).

An fast allen Bürgerkriegen war die eine oder andere ausländische Macht beteiligt, um den Ausgang zu ihrem Vorteil zu beeinflussen.

Die Wahrheit ist: Wenn es passiert, ist fast niemandem klar, dass gerade ein Bürgerkrieg begonnen oder geendet hat.

Bürgerkriege und Revolutionen bringen in aller Regel größtes Leid mit sich, führen aber oft zu Umstrukturierungen, die – gut gemacht – die Grundlage für bessere Ergebnisse in der Zukunft bilden können. Wie sich die Zukunft nach dem Bürgerkrieg oder Revolution gestaltet, hängt davon ab, wie die nächsten Schritte gemanagt werden.

Aus meiner Geschichtsforschung weiß ich, dass nichts von Dauer ist – außer der Evolution. Die Evolution verläuft zyklisch, wie Ebbe und Flut, und es ist schwer, diese Zyklen zu verändern oder dagegen anzukämpfen.

Die lauteste und klarste Botschaft der Geschichte ist, dass sich kompetente Zusammenarbeit, um produktive Win-win-Beziehungen hervorzubringen, die sowohl Wachstum als auch eine gute Verteilung des Kuchens ermöglichen, damit die meisten Menschen zufrieden sind, weit besser auszahlt und weniger Leid verursacht, als Bürgerkriege, um Wohlstand und Macht auszufechten, die dazu führen, dass eine Seite die andere unterjocht.

Die internationale Ordnung folgt viel eher dem Gesetz des Dschungels als internationalem Recht. Es gibt fünf maßgebliche Arten von Auseinandersetzungen zwischen Ländern:

  1. Handels- / Wirtschaftskriege,
  2. Technologiekriege,
  3. Kapitalkriege,
  4. geopolitische Kriege und
  5. militärische Kriege.

Große Bürgerkriege oder internationale Kriege erstrecken sich zwar nur über kurze Zeit, stellen aber normalerweise den Höhepunkt langjähriger Konflikte dar, die dazu geführt haben. 

Bei einem Krieg ist mit ziemlicher Sicherheit von zwei Dingen auszugehen: 1) Er entwickelt sich nicht wie geplant und 2) er wird viel schlimmer als gedacht.

Kanonen (militärische Macht) kosten ebenso Geld wie Butter (nötige Sozialausgaben im eigenen Land). Gelingt es einem Land nicht, beides in angemessener Menge bereitzustellen, bietet es Gegnern im In- und Ausland offene Flanken.

Das Risiko eines militärischen Krieges ist dann am größten, wenn beide Parteien 1) über eine ungefähr vergleichbare militärische Stärke verfügen und 2) unversöhnliche, existenzielle Differenzen vorliegen. Während ich an diesem Buch arbeite, ist der potenziell brisanteste Konflikt der zwischen den Vereinigten Staaten und China bezüglich Taiwan.

Um mehr Win-win-Konstellationen hervorzubringen, muss am Verhandlungstisch berücksichtigt werden, was beiden Parteien besonders wichtig ist und wie man am besten zu einem tragfähigen Kompromiss findet.

Gewinnen bedeutet, das zu bekommen, was wirklich wichtig ist, ohne etwas wirklich Wichtiges dafür aufzugeben. Kriege, die weit mehr Todesopfer und Kosten verursachen, als sie Nutzen bringen, sind daher nicht intelligent. Dennoch finden laufend »dumme« Kriege statt

Im Großen und Ganzen wechseln sich Win-win-Beziehungen und Lose-lose-Beziehungen tendenziell zyklisch ab. In guten Zeiten ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Menschen und Imperien kooperative Beziehungen pflegen, in schlechten wird eher gekämpft.

Oftmals ist es nicht der beste Weg, sich mit aller Härte durchzusetzen. Der Weg des geringeren Widerstands führt mitunter leichter zum Ziel.

VEREINIGTE STAATEN: INDEX DER HAUPTDETERMINANTEN

Im Währungssystem der Nachkriegszeit verwendeten Menschen und Unternehmen im eigenen Land staatlich kontrolliertes Papiergeld. Wollten sie etwas von einem anderen Land kaufen, tauschten sie in aller Regel mithilfe ihrer Zentralbank die Papierwährung ihres Landes gegen die Papierwährung des anderen Landes. Die Zentralbank rechnete mit der Zentralbank des anderen Landes in Gold ab. Amerikaner bezahlten in US-Dollar, und die Verkäufer im anderen Land tauschten diese entweder bei ihrer Zentralbank gegen die Landeswährung oder behielten sie, weil sie sie für einen besseren Wertspeicher hielten als ihre eigene Währung. Das Ergebnis: Gold floss aus dem Reservebestand der US-Zentralbank auf die Depots der Zentralbanken anderer Länder ab, während im Ausland US-Dollar gehortet wurden. Eine Folge des Bretton-Woods-Abkommens war, dass der Dollar zur führenden Reservewährung der Welt avancierte. Das war nur folgerichtig, denn die beiden Weltkriege hatten aus den USA das mit Abstand reichste und mächtigste Land werden lassen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die USA so viel Gold / Geld angespart wie nie zuvor – etwa zwei Drittel allen Goldes / Geldes in staatlicher Hand weltweit, was dem Gegenwert der Importe von acht Jahren entsprach. Auch nach dem Krieg verdienten die USA sehr gut am Export. Die Volkswirtschaften Europas und Japans waren durch den Krieg vernichtet worden. Um Abhilfe zu schaffen und die Ausbreitung des Kommunismus zu verhindern, griffen ihnen die USA mit umfangreichen Hilfsprogrammen unter die Arme (mit dem Marshall- und dem Dodge-Plan). Das war a) vorteilhaft für die heruntergewirtschafteten Länder, b) wirtschaftlich vorteilhaft für die USA, weil diese Länder das Geld verwendeten, um US-Produkte zu kaufen, c) vorteilhaft für den geopolitischen Einfluss der USA und d) vorteilhaft, um die Stellung des US-Dollar als dominante Reservewährung der Welt zu zementieren. Geldpolitisch bestimmte von 1933 bis 1951 die US-Notenbank über Geldmenge, Fremdkapitalkosten (also Zinsen) und die Verwendung des Geldes. Dabei hatte sie keine marktwirtschaftlichen Ziele vor Augen, sondern die übergeordneten Ziele ihres Landes. 2 Insbesondere druckte die Fed eine Menge Geld, um Schuldtitel aufzukaufen, deckelte die Zinssätze, die Kreditgeber verlangen konnten, und kontrollierte, wofür das Geld verwendet werden durfte. Auf diese Weise trieb hohe Inflation die Zinsen nicht in untragbare Höhen, und staatliche Vorschriften verhinderten, dass andere Anlageoptionen deutlich attraktiver wurden als die Schuldtitel, in denen die Menschen ihre Ersparnisse anlegen sollten, wenn es nach der Regierung ging. Nach einer kurzen Nachkriegsrezession, die dem Rückgang der Militärausgaben geschuldet war, traten die USA in eine längere Periode des Friedens und Wohlstands ein, wie sie für den Anfang eines neuen großen Zyklus typisch ist. In der Nachkriegsrezession verdoppelte sich die Arbeitslosenquote (auf rund 4 Prozent), da rund 20 Millionen Menschen außerhalb des Militärs und angeschlossener Gewerbe Arbeit finden mussten. Gleichzeitig sorgte die Abschaffung der Rationierungsgesetze, die die Möglichkeiten der Menschen begrenzt hatten, Konsumprodukte zu kaufen, für einen sprunghaften Anstieg der Verbraucherausgaben. Veteranen konnten zinsgünstig Hypotheken aufnehmen, was einen Boom auf dem Immobilienmarkt auslöste. Durch die Wiederaufnahme gewinnorientierter Tätigkeiten stieg die Nachfrage nach Arbeitskräften, sodass sich der Arbeitsmarkt rasch erholte. Das Exportgeschäft florierte, weil Marshall- und Dodge-Plan im Ausland für Nachfrage nach US-Waren sorgten.

1965 verfügten erst 12 US-Banken über Niederlassungen in anderen Ländern. 1970 waren es bereits 79 Banken, 1980 hatte fast jede größere US-Bank mindestens eine ausländische Zweigstelle, und deren Gesamtzahl war auf 787 angewachsen.

Die panische Flucht aus Dollarschuldtiteln löste überdies einen Zinsanstieg aus und trieb den Goldpreis von den 35 US-Dollar, auf die er 1944 fixiert worden war und wo er sich bis 1971 auch offiziell hielt, auf 850 US-Dollar im Jahr 1980.

Wirtschaftslehre und Politik schwanken unterschiedlich stark nach links und rechts, wenn die jeweiligen Übertreibungen unerträglich werden und die Erinnerungen an die Probleme mit dem anderen Extrem verblassen. Das ist wie in der Mode – die Krawattenbreite und die Rocklänge verändern sich mit der Zeit. Steht das eine Extrem hoch im Kurs, ist zu erwarten, dass es nicht mehr lange dauert, bis ein vergleichbarer Ausschlag in die Gegenrichtung folgt.

Ich lernte daraus, dass der Wert von Vermögensgegenständen der Kehrwert von Geld und Kredit ist (will heißen, je billiger Geld und Kredit, desto höher die Vermögenspreise) und dass der Wert des Geldes dem Kehrwert der Bestandsmenge entspricht. Drucken die Zentralbanken viel Geld und geben viel (und billiger) Kredit, ist es eine gute Idee, sich mehr Vermögenswerte anzueignen.

Die politische Spaltung im Land ist tief und unversöhnlich.

Den statistischen Daten meines Modells zufolge haben die USA ihren großen Zyklus zu ungefähr 70 Prozent – plus/minus 10 Prozent – durchlaufen. Die Grenze zu Phase 6 des Bürgerkriegs oder der Revolution, in der zu den Waffen gegriffen wird, ist noch nicht überschritten, doch die innenpolitischen Konflikte sind gewaltig und nehmen zu.

Je stärker die Polarisierung, desto höher entweder a) das Risiko einer politischen Pattsituation, die die Aussichten auf revolutionäre Veränderungen zur Bereinigung von Problemen verringert, oder b) die Gefahr einer Form des Bürgerkriegs oder der Revolution.

Die drei wichtigsten Marker, die ich derzeit im Auge habe, sind: 1) Missachtung von Regeln, 2) emotionale Angriffe beider Seiten gegeneinander und 3) Blutvergießen.

CHINA: INDEX DER HAUPTDETERMINANTEN

Während sich die meisten Amerikaner auf bestimmte Ereignisse konzentrieren (vor allem auf aktuelle Entwicklungen), betrachten die meisten chinesischen Spitzenpolitiker diese im Kontext größerer, evolutionärer Muster.

Das chinesische Denken ist viel stärker durch die chinesische Geschichte und Philosophie – allen voran die konfuzianische, taoistische, legalistische, marxistische – geprägt als das US-amerikanische Denken von der amerikanischen Geschichte und ihren jüdisch-christlich-europäischen Wurzeln.

Der Planungshorizont chinesischer Spitzenpolitiker erstreckt sich weit über ein Jahrhundert, denn so lange hat eine gute Dynastie mindestens Bestand. Die Chinesen wissen, dass der typische Entwicklungsbogen verschiedene Phasen umfasst, die mehrere Jahrzehnte dauern. Und das planen sie ein.

Phase 3, in der auf diese Errungenschaften aufgebaut wird und China sich zu dem entwickelt, was es am 100. Geburtstag der Volksrepublik im Jahr 2049 sein will – nämlich zu einem »modernen sozialistischen Land, das wohlhabend, stark, demokratisch, kulturell fortschrittlich und harmonisch ist« –, erfolgt unter Xi und dessen Nachfolgern. Das oberste Ziel ist, dass die chinesische Wirtschaft doppelt so groß wird wie die US-amerikanische und die positiven Effekte dieses Wachstums vielen zugutekommen.

Chinesische Spitzenpolitiker versuchen nicht nur, ihre Pläne umzusetzen. Sie legen auch klare Kennzahlen fest, um ihre Leistung zu beurteilen, und sie erreichen die meisten ihrer Ziele.

In der westlichen Welt dominieren die jüdisch-christliche, die demokratische und die kapitalistische/sozialistische Philosophie. Jeder Einzelne pickt sich mehr oder minder nach Gutdünken die Mischung heraus, die ihm am besten gefällt.

Der Konfuzianismus strebt nach Harmonie, die dadurch erreicht werden soll, dass jeder seine Rolle in der Hierarchie kennt und weiß, wie er sie gut ausfüllt.

Alle Menschen sollen freundlich, aufrichtig und gerecht sein. Der Konfuzianismus legt Wert auf Harmonie, breit angelegte Bildung und Meritokratie.

Der Legalismus befürwortet die rasche Eroberung und Einigung von »allem unter dem Himmel« durch einen autokratischen Anführer.

Der Taoismus (Daoismus) lehrt, dass es vor allem darauf ankommt, in Einklang mit den Gesetzen der Natur zu leben. Taoisten glauben, die Natur bestehe aus Gegensätzen – Yin und Yang –, und Harmonie entstehe, wenn diese im Gleichgewicht sind.

All diese chinesischen Systeme sind hierarchisch und nicht egalitär.

Den Amerikanern gehe das Individuum über alles, den Chinesen die Familie und das Kollektiv. Amerika wird nach dem Bottom-up-Prinzip geführt (also demokratisch) und mit Blick auf den Einzelnen optimiert. China wird nach dem Top-down-Prinzip geführt und mit Blick auf das Kollektiv optimiert.

Deshalb sind die Chinesen bescheidener und respektvoller und eher bereit, Regeln zu beachten, während die Amerikaner arroganter und egalitärer auftreten und sich ungern an Regeln halten. Meiner Beobachtung nach stellen die Chinesen lieber Fragen und lernen, während die Amerikaner anderen gern erzählen, wie sie die Dinge sehen.

Die traditionelle chinesische Militärphilosophie lehrt, dass man einen Krieg im Idealfall nicht durch Kampf gewinnt, sondern, indem man im Stillen die eigene Macht so ausbaut, dass der Gegner bereits kapituliert, wenn man diese Macht nur demonstriert.

Traditionell pflegten die Chinesen Beziehungen zu Reichen außerhalb ihrer Grenzen eher so, wie man das ausgehend von den zuvor erwähnten Philosophien erwarten würde – also davon geprägt, dass jede Partei ihren Platz kennt und sich entsprechend verhält.

Wie stark diese Zeit die Ansichten chinesischer Spitzenpolitiker geprägt hat, ist leicht erkennbar und erklärt zum Beispiel, warum Mao im Kapitalismus ein System sah, in dem Unternehmen durch Imperialismus nach Gewinnen strebten (also durch die Kontrolle und Ausbeutung von Ländern, wie es die Briten und andere kapitalistische Mächte mit China gemacht hatten), wodurch sich die gierigen Eliten auf Kosten der Arbeitnehmer bereicherten. Mao betrachtete den Kapitalismus so ganz anders als ich, weil er ganz andere Erfahrungen damit hatte. Dabei treffen beide Sichtweisen zu. Der Kapitalismus hat mir und den meisten anderen Menschen, die ich kenne – auch Immigranten aus aller Welt –, ungeahnte Chancen eröffnet. Das Amerika, in dem ich aufgewachsen bin, war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, in dem man etwas lernen und sich einbringen konnte und dafür fair und potenziell unbegrenzt belohnt wurde. Diese Erfahrung, die Dinge von der Warte anderer zu betrachten, machte mir einmal mehr klar, wie wichtig radikale Aufgeschlossenheit und fundierter Widerspruch sind, wenn man die Wahrheit herausfinden will. Mich brachte das dazu, mich stärker mit dem Marxismus auseinanderzusetzen, um zu verstehen, warum er Mao und anderen als Philosophie sinnvoll erschien. Bis dahin hatte ich zu der Ansicht tendiert, ihn im besten Fall für unpraktikabel und im schlimmsten für eine mögliche üble Gefahr zu halten. Dabei wusste ich gar nicht, was Marx eigentlich gesagt hatte.

Ich wusste nicht zu würdigen, dass Marx ein brillanter Kopf war, der ein paar gute Theorien und ein paar scheinbar schlechte aufgestellt hatte, die – wie er vermutlich selbst einräumen würde – von dem von ihm angestoßenen evolutionären System nicht ausreichend erprobt und optimiert waren.

Die Theorie beziehungsweise das System, das für Marx die größte Rolle spielte, wird als »dialektischer Materialismus« bezeichnet. Mit »dialektisch« ist gemeint, wie Gegensätze interagieren, um Veränderungen hervorzurufen, mit »Materialismus«, dass alles, was mit anderen Dingen mechanisch interagiert, einen materiellen (also physischen) Bestand hat. Kurzum: Der dialektische Materialismus ist ein System, das Änderungen hervorbringen soll, indem es die »Widersprüche« der »Gegensätze« beobachtet und beeinflusst, die zu »Kämpfen« führen, deren Beilegung Fortschritt bewirkt. Dieses System wollte Marx auf einfach alles anwenden. Der Konflikt und Kampf zwischen den Klassen, der sich im Konflikt zwischen Kapitalismus und Kommunismus manifestiert, ist nur eines von vielen Beispielen. Für mich hört sich das in vieler Hinsicht richtig an. Ich bin zwar kein Marxismus-Experte, doch der Prozess des dialektischen Materialismus gleicht durchaus dem Prozess, den ich für mich entdeckt und in meinem Buch Die Prinzipien des Erfolgs erläutert habe: den Kampf mit Konflikten, ihre Reflexion, die schriftliche Niederlegung der Grundsätze, die ich daraus ableite, und deren Optimierung – wieder und wieder, auf endlose, evolutionäre Weise, was ich als das »Durchlaufen von Schleifen« bezeichne. Anders formuliert: Ich bin der Überzeugung, dass der beste Ansatz darin besteht, aus Konflikten und Fehlern zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Und wie mir scheint, sah Marx das genauso. Meine Auffassung ist aber auch, dass der Kapitalismus – ein Anreizsystem, das die Einfallsreichsten und Produktivsten honoriert, mit Kapitalmärkten, die gute Kapitalallokationsentscheidungen belohnen und schlechte bestrafen – a) auf lange Sicht zu höherer Produktivität führt (und damit zu einem insgesamt größeren Kuchen), b) zu großen Wohlstandsunterschieden und c) zu Kapitalmärkten (vor allem Fremdkapitalmärkten), die in Schieflage geraten und zusammenbrechen können. Kommt es zu einem solchen Zusammenbruch eines Kapitalmarkts oder einer Wirtschaft, und es liegt gleichzeitig ein großes Wohlstands- und Wertgefälle vor, so führt das voraussichtlich in der einen oder anderen Form zu einer Revolution. Solche Umwälzungen können harmonisch und produktiv ausgehen, doch dem gehen meist heftige Konflikte und Zerstörung voraus. So weit gilt also, dass Marx und ich die Dinge offenbar gar nicht so viel anders sehen, aber …

Wie bereits angesprochen, geht die Präferenz in Zeiten großer Krisen zu autokratischerer, weniger demokratischer Führung.

Die Gesamtzahl der Absolventen von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) ist in China etwa dreimal so hoch wie in den Vereinigten Staaten. Zum Nachschub an Fachkräften ist zu sagen, dass die Zahl der Absolventen von MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technologie), die einen technischen Beruf ergreifen möchten, in China etwa achtmal so hoch ist wie in den USA.

Im Technologiebereich findet derzeit eine Loslösung statt, die Teil einer größeren Abkoppelung zwischen China und den USA ist, und diese wird enorme Auswirkungen darauf haben, wie die Welt in fünf Jahren aussieht.

Würden die Vereinigten Staaten China den Zugang zu grundlegenden Technologien sperren, wäre das ein Alarmsignal für eine potenzielle Eskalationsstufe zum bewaffneten Konflikt. Läuft dagegen alles so weiter wie bisher, dürfte China in fünf bis zehn Jahren technologisch viel unabhängiger und in einer deutlich stärkeren Position sein als die Vereinigten Staaten – und dann dürften sich diese Technologien bereits deutlich abgekoppelt haben. Das Bild verändert sich täglich. Man sollte sich ständig auf dem Laufenden halten.

Wie Sie sich vielleicht vorstellen können, hatten Mao und jede chinesische Regierung bis heute durch das Jahrhundert der Demütigung im 19. Jahrhundert und die Invasionen ausländischer »Barbaren« in dieser Zeit guten Grund, auf Souveränität innerhalb der eigenen Grenzen zu pochen, sich die Teile Chinas zurückzuholen, die ihnen weggenommen wurden (wie Taiwan und Hongkong) und nie wieder so schwach zu sein, dass sie von ausländischen Mächten herumgeschubst werden konnten. Chinas Wunsch nach Souveränität und nach Beibehaltung seiner eigenen Vorgehensweisen (also seiner Kultur) ist der Grund, aus dem die Chinesen Forderungen der Amerikaner ablehnen, die chinesische Innenpolitik anders zu gestalten (demokratischer zu werden, die Tibetaner und die Uiguren anders zu behandeln, anders an das Thema Hongkong oder Taiwan heranzugehen et cetera). Unter vier Augen äußern manche Chinesen, sie würden den Vereinigten Staaten ja auch nicht vorschreiben, wie sie die Menschen innerhalb ihrer Grenzen behandeln sollen.

Ferner sind sie der Ansicht, dass die Vereinigten Staaten und die europäischen Länder kulturell zur Missionierung neigen – also dazu, anderen ihre Werte, ihre jüdisch-christlichen Überzeugungen, Moralvorstellungen und Methoden aufzudrängen –, und diese Neigung habe sich über Jahrtausende entwickelt, schon vor den Kreuzzügen.

Alle Fragen, die nicht ihre Souveränität betreffen, dürften die Chinesen meiner Ansicht nach eher gewaltlos lösen und einen heißen Krieg vermeiden wollen.

Je demonstrativer die USA Taiwan verteidigen, desto größer der Gesichtsverlust bei einem verlorenen Krieg oder einem Rückzug. Das ist besorgniserregend, weil sich die Vereinigten Staaten bisher recht ostentativ für Taiwan starkmachen. Dabei scheint eine baldige Zuspitzung eines direkten Konflikts in den Karten zu stehen. Greifen die USA zu den Waffen, gehe ich davon aus, dass ein Krieg mit China um Taiwan, in dem Amerikaner zu Tode kommen, in den USA sehr unpopulär wäre und dass die USA diesen Kampf vermutlich verlieren würden. Die große Frage ist daher, ob sich dieser Krieg ausweiten würde. Davor haben alle Angst. Es ist zu hoffen, dass die Angst vor diesem großen Krieg und der damit verbundenen Zerstörung ebenso wie die Angst vor der gegenseitigen Vernichtung dies verhindern werden.

Dabei bin ich aufgrund meiner persönlichen Gespräche überzeugt, dass China sehr viel daran liegt, nicht in einen heißen Krieg mit den USA einzutreten oder andere Länder mit Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen (im Unterschied zu dem Wunsch, das Beste aus sich zu machen und die Länder in seiner Region zu beeinflussen). Ich weiß, dass sich die chinesische Führungsspitze der Schrecken eines heißen Krieges bewusst ist und dass sie befürchtet, die Welt könne unbeabsichtigt in einen solchen Krieg hineingeraten, wie es im Ersten Weltkrieg der Fall war. Den Chinesen wäre eine kooperative Beziehung lieber, wenn das möglich wäre. Was ihren Einfluss auf die übrige Welt angeht, so gibt es sowohl für die Vereinigten Staaten als auch für China bestimmte Gebiete, die ihnen jeweils besonders wichtig sind – primär aufgrund ihrer Nähe (die Länder und Regionen, die ihnen geografisch am nächsten liegen, interessieren sie am meisten) und/oder weil sie von dort wesentliche Güter beziehen (auf keinen Fall wollen sie von der Zufuhr unverzichtbarer Mineralien oder Technologien abgeschnitten werden) und in geringerem Maße auch, weil es Märkte sind, in die sie exportieren. Für China sind in erster Linie die Regionen von Bedeutung, die das Land als zu China gehörig erachtet, in zweiter Linie die Anrainerstaaten (im Chinesischen Meer) und Regionen, durch die wichtige Versorgungskanäle verlaufen (Länder der Belt-and-Road-Initiative) oder die China mit wichtigen Importgütern beliefern. An dritter Stelle stehen weitere Länder von wirtschaftlicher oder strategischer Bedeutung für Partnerschaften.

In den nächsten fünf bis zehn Jahren werden wir nicht nur Abkoppelungen in anderen Bereichen erleben, sondern sehen, welche Länder sich auf welche Führungsmacht ausrichten.

Es wird darauf ankommen, wie diese Allianzen aussehen, denn aus der Geschichte wissen wir: Das mächtigste Land wird gewöhnlich durch Bündnisse von Ländern zu Fall gebracht, die für sich genommen nicht so mächtig sind, aber gemeinsam stärker.

Wie historisch belegt, zählt zu den größten Risiken in einem Konflikt, dass einem Land der Zugang zu seinem Geld beziehungsweise Kapital verwehrt wird. Das kann passieren a) durch gegnerisches Handeln und/oder b) durch selbstverschuldetes Vorgehen, das nachteilige Folgen hat (übermäßige Verschuldung und Abwertung der eigenen Währung), weil die Kapitalgeber unter diesen Bedingungen kein Kapital mehr bereitstellen wollen.

Ziel eines Kapitalkriegs ist es, den Feind von der Kapitalversorgung abzuschneiden, denn ohne Geld keine Macht.

Größter Machtfaktor für die Vereinigten Staaten ist, dass sie über die führende Reservewährung der Welt verfügen. Das verleiht den USA enorme Kaufkraft, weil sie in der Lage sind, a) die globale Währung zu drucken und für breite Akzeptanz im Ausland zu sorgen, und b) zu kontrollieren, wer diese Währung bekommt.

Die Vereinigten Staaten laufen Gefahr, ihren Reservewährungsstatus zu verlieren.

Es ist unmöglich, sich ein Bild davon zu machen, wie der nächste größere militärische Krieg ablaufen würde. Vermutlich wäre er aber weit verheerender, als es sich die meisten Menschen vorstellen. Das kommt daher, weil im Geheimen eine Menge Waffen entwickelt wurden und weil die Kreativität und die Kapazität, anderen Leid zuzufügen, bei jeder Art der Kriegsführung stets gewaltig angewachsen sind, seit zuletzt die effektivsten Waffen eingesetzt und in Aktion erlebt wurden.

Ausgehend von dem, was wir sicher wissen, ist festzustellen, dass der geopolitische Krieg der Vereinigten Staaten und Chinas im Ost- und Südchinesischen Meer militärisch eskaliert, weil beide Seiten die Grenzen der anderen austesten. China ist in dieser Region militärisch inzwischen stärker als die Vereinigten Staaten, sodass die USA einen dortigen Krieg vermutlich verlieren würden. Weltweit und insgesamt sind die Vereinigten Staaten aber stärker und würden daher einen größeren Krieg vermutlich »gewinnen«.

Ein ausgewachsener heißer Krieg zwischen den Vereinigten Staaten und China würde sämtliche bisher erwähnten Kriegsarten und andere mehr einschließen und auf die Spitze treiben, denn im Kampf ums Überleben würde jeder alles in die Waagschale werfen, was er hat – wie das andere Länder in der Geschichte vorgemacht haben. Das wäre dann der Dritte Weltkrieg, und dieser wäre weit tödlicher als der Zweite.

Es ist ein günstiger Moment, die Schwäche des Gegners aggressiv auszunutzen, wenn dieser mit heftigen inneren Unruhen im eigenen Land konfrontiert ist.

Die Geschichte hat uns vorgeführt, dass das Risiko einer Offensive dann als erhöht gelten muss, wenn ein Führungswechsel stattfindet und/oder Führungsschwäche vorliegt und gleichzeitig große innenpolitische Konflikte bestehen. Weil die Zeit für China spielt, falls es zu einem Krieg kommen sollte, ist es im Interesse der Chinesen, diesen hinauszuschieben (also noch um fünf bis zehn Jahre, bis sie vermutlich stärker und unabhängiger sind). Aus Sicht der USA sollte er eher früher stattfinden.

Weil Amerikaner und Chinesen unterschiedliche Wertvorstellungen und kulturelle Normen haben, für die sie kämpfen und sterben würden, sollten beide Seiten unbedingt wissen, wie diese aussehen und wie richtig darauf zu reagieren ist, wenn wir unsere Differenzen friedlich lösen wollen.

Das Hauptproblem zwischen Chinesen und Amerikanern besteht darin, dass manche die Werte und Vorgehensweisen der anderen nicht begreifen und nicht nachvollziehen können und einander nicht zugestehen, zu tun, was sie für das Beste halten.

Manche dieser kulturellen Unterschiede sind unwichtig, manche dagegen so bedeutsam, dass viele Menschen ihr Leben dafür geben würden. Die meisten Amerikaner würden zum Beispiel lieber sterben, als ihre Freiheit aufzugeben, während den Chinesen persönliche Freiheit längst nicht so wichtig ist wie kollektive Stabilität.

Die meisten kenntnisreichen Beobachter der Geschichte zu dem Schluss gelangt sind, dass keines dieser Systeme grundsätzlich gut oder grundsätzlich schlecht ist.

Wenn ich mit globalen Spitzenpolitikern spreche, bin ich oftmals schockiert, wie wenig sie in Wirklichkeit darüber wissen, wie die anderen in diesem multidimensionalen Schachspiel eigentlich denken.

Ich verfüge zwar über ausgezeichnete Indikatoren, um einen solchen Niedergang zu erkennen, während er sich vollzieht, und über verschiedene ziemlich brauchbare Frühindikatoren, die kurz vorher Warnsignale geben, doch meine langfristigen Frühindikatoren sind für Timing-Zwecke nur bedingt geeignet.

Weil das alles langfristige Treiber sind, ist auch ziemlich leicht erkennbar, welche Länder und Währungen anfällig sind. Doch genau vorherzusagen, wann der große Einbruch kommt, ist schwierig.

Frieden bringt Gewinn, Krieg ist teuer. Das trifft auf die innen- und außenpolitische Perspektive zu. Arbeiten Parteien gut zusammen, stehen in gesundem Wettbewerb und verschwenden keine Ressourcen für Kämpfe, steigen Produktivität und Lebensstandard. Kämpfen sie, verschwenden sie Ressourcen (manchmal auch Menschenleben), vernichten mehr als sie produzieren, und der Lebensstandard sinkt.

Wer die Macht hat, bestimmt. Wer das ist, geht aus Machtproben hervor.

USA

Wie ich es sehe, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass in den USA in den nächsten zehn Jahren eine Phase-6-Dynamik (mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen) einsetzt, zwar lediglich bei rund 30 Prozent, doch das ist gefährlich hoch. Dennoch gilt es, sich davor zu schützen und die Entwicklungen mithilfe meiner gleich- und vorlaufenden Indikatoren genau im Auge zu behalten.

Ebenso sind die USA derzeit außergewöhnlich polarisiert, wie aus den statistischen Daten hervorgeht. Umfragedaten zur Wählerstimmung zeichnen ein Bild von Polarisierung und Kompromisslosigkeit.

Die verlässlichsten Anzeichen für eine Eskalation zum Bürgerkrieg sind 1) die Missachtung von Regeln, 2) emotionale Angriffe beider Seiten gegeneinander und 3) Blutvergießen.

Die Verwerfungen innerhalb der USA tragen zu Instabilität in anderen Teilen der Welt bei.

Die Geschichte lehrt uns, dass es äußerst schwierig ist, einen solchen Abwärtstrend umzukehren, weil man dafür so viel bereits Geschehenes rückgängig machen müsste. Übersteigen die Ausgaben die Einnahmen und die Verbindlichkeiten die Vermögenswerte, lässt sich das nur umkehren, indem man härter arbeitet oder weniger konsumiert. Die Frage ist, ob die Amerikaner in der Lage sind, sich diesen Herausforderungen ehrlich zu stellen, sich daran anzupassen und sich zu verändern, um sie zu bewältigen.

Während wir nicht mit Bestimmtheit sagen können, ob die Brüche und Konflikte in den USA zunehmen oder zurückgehen werden, wissen wir aber, dass die langfristige Dynamik auf verstärkte Spaltung hinausläuft, und das ist eine ernsthafte Gefahr. Dass die USA gleichzeitig hoch verschuldet sind, ihr internationales Ansehen sinkt und sie schwere Konflikte erleben, sollte Amerikaner und all jene, die von den Amerikanern abhängig sind, durchaus beunruhigen.

Die größten Herausforderungen, vor denen das Land steht, sind innenpolitischer Natur: Kann es auch künftig Stärke und Einigkeit zeigen oder wird es weiterhin zulassen, dass Spaltung und interne Streitigkeiten in den Niedergang führen?

Alles in allem gelangen mein Computer und ich durch unsere gemeinsamen Anstrengungen vorerst zu dem Schluss, dass China und die USA auf absehbare Zeit mächtig genug sind, um einander untragbaren Schaden zuzufügen, sodass die Aussicht auf gesicherte gegenseitige Vernichtung einen militärischen Krieg verhindern sollte – wenngleich es fast sicher zu gefährlichen Scharmützeln kommen wird. Ich gehe davon aus, dass dies so lange gilt, bis ein unerwarteter technischer Durchbruch (etwa ein maßgeblicher Fortschritt im Quantencomputing) einer dieser Mächte einen asymmetrischen Vorteil verschafft, sodass die wechselseitige Zerstörung nicht mehr gesichert ist. Ein weiteres, wenn auch weniger bedeutsames Hindernis für Kampfhandlungen ist, dass das Wohl von Amerikanern und Chinesen in dieser stark vernetzten Welt miteinander verwoben ist.

In der Vergangenheit mussten die Vereinigten Staaten nur andeuten, was sie von anderen Ländern erwarteten, und es wurde prompt geliefert. Inzwischen entscheiden diese unabhängiger.

ist die beste Vorbereitung auf einen Krieg, stark zu werden und dem Gegner die eigene Stärke zu demonstrieren, damit dieser vor einem Kampf zurückschreckt.

In den vergangenen 500 Jahren kam es in zwölf von 16 Fällen zu militärischen Auseinandersetzungen, wenn zwei fast gleich starke Mächte unversöhnliche Differenzen hatten, und massive Aufrüstung führte in 80 bis 90 Prozent der Fälle zu größeren Kriegen.

In der Geschichte haben Dürreperioden, Überschwemmungen, Pandemien und andere schwere Natur- und Umweltkatastrophen den Menschen mehr Schaden zugefügt als die Menschen sich selbst. Sie haben Millionen den Tod gebracht, Volkswirtschaften aus der Bahn geworfen und zum Niedergang vieler Imperien und Dynastien beigetragen.

Das Fazit: Von 1970 bis 2020 nahmen extreme Umweltereignisse von weniger als 50 pro Jahr auf fast 200 pro Jahr zu, Tendenz steigend.

ANFÄLLIGKEIT FÜR KLIMAWANDEL (AUFWÄRTS = ANFÄLLIGER)

Der Erfindungsgeist der Menschen wird vermutlich zu großen Fortschritten führen, während der Schulden-/Konjunkturzyklus, der Zyklus der innenpolitischen Ordnung, der Zyklus der außenpolitischen Ordnung und immer schlimmere Naturkatastrophen mit größter Sicherheit Probleme verursachen werden. Anders formuliert: Es wird einen Kampf geben zwischen der menschlichen Erfindungsgabe und diesen anderen Herausforderungen. Innerhalb und zwischen einzelnen Ländern sind die Verhältnisse sehr unterschiedlich, und danach wird sich richten, welche Länder einen Aufstieg erleben und welche einen Niedergang – und in welcher Hinsicht.

(Z-Wert und Veränderung über 20 Jahre, angegeben durch Pfeile)

China in den meisten anderen maßgeblichen Bereichen nur knapp hinter den USA liegt und bei Infrastruktur und Investitionen, Innovation und Technologie, Bildung, Wettbewerbsfähigkeit bei den Kosten, Wirtschaftsleistung, Handel, militärischer Stärke und Handels-/Kapitalverkehr vergleichsweise stark ist, bei Reservewährungsstatus, Rechtsstaatlichkeit/Korruption und Wohlstandsgefälle dagegen vergleichsweise schwach.

Wenn ein Land

  1. finanziell abdriftet und gleichzeitig
  2. das innenpolitische Konfliktniveau hoch ist (zum Beispiel durch Wohlstandsgefälle und/oder unterschiedliche Wertvorstellungen), während
  3. das Land von einem oder mehreren starken ausländischen Rivalen herausgefordert wird, so führt das, wie bereits beschrieben,
  4. zu einem sich wechselseitig selbst verstärkenden Niedergang. Das liegt daran, weil es die schwächere Finanzlage dem Land unmöglich macht, den heimischen Finanzierungsbedarf zu decken und den Krieg zu finanzieren, was die Lage noch verschlimmert.

Wie aus verschiedenen vorangegangenen Grafiken ersichtlich,

  1. verstärken sich diese Determinanten tendenziell gegenseitig, ob in Stärke (wenn etwa bessere Bildung zu höheren Einkommen führt) oder Schwäche (wenn rückläufiger Handel die Verschuldung erhöht). Daraus ergeben sich zyklische Entwicklungen, die sich zum großen Zyklus zusammenfügen.
  2. Wenn die Determinanten schwach sind und schwächer werden, so gilt das für das gesamte Imperium.10 Zu kräftigen Aufschwüngen kommt es, wenn viele Determinanten stärker werden, zu großen Abschwüngen, wenn viele Determinanten schwächer werden.

Wie schon gesagt, gibt es Zyklen innerhalb von Zyklen, und auch innerhalb dieser Zyklen finden zyklische Entwicklungen statt. Aus den kleineren setzten sich die größeren zusammen. Hinzu kommen noch die nicht zyklischen Dellen, und alles zusammen bestimmt, was passiert.

Die wichtigsten Faktoren für die nächsten zehn Jahre sind der kurzfristige Schulden-/Geld-/Konjunkturzyklus, der innenpolitische Zyklus und die eskalierenden Konflikte und rückläufigen wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den USA und China.

Der kurzfristige Schulden-/Geld-/Konjunkturzyklus nimmt im Regelfall rund acht Jahre in Anspruch, manchmal auch ein paar Jahre mehr oder weniger. Der letzte Zyklus begann im April 2020 mit den kräftigsten fiskal- und geldpolitischen Anreizen aller Zeiten. Ich vermute, dass der nächste Abschwung früher einsetzen dürfte als üblich. Nach meiner Schätzung ist damit etwa vier Jahre nach der Veröffentlichung dieses Buchs (Herbst 2021) zu rechnen – auf ein paar Jahre hin oder her.

Auf der Grundlage meiner Schätzungen ist eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der nächste Abschwung in etwa mit den nächsten Präsidentschaftswahlen in den USA zusammenfällt.

Wie bereits angesprochen, stellen sich die Vereinigten Staaten und China derzeit darauf ein, dass alle fünf Kriegsarten an Intensität zunehmen. Sie legen dabei grobe Fünf-Jahres-Pläne zugrunde, um autarker zu werden und sich besser für jeden dieser Kriege zu rüsten und diese dann besser führen zu können.

Dass China im Verhältnis zu den USA erstarkt, lässt vermuten, dass wichtige Veränderungen weder allzu bald noch in zu ferner Zukunft eintreten.

Noch einmal: Die Zeitangaben zu diesen Zyklen sind alles andere als präzise. Das ist wie mit einer Wirbelsturm- oder Taifunsaison. Wir wissen, wann ungefähr damit zu rechnen ist, und richten uns darauf ein. Ist es dann so weit, beobachten wir, wie sich die Stürme zusammenbrauen, verfolgen sie genau und versuchen nach Kräften, uns in Sicherheit zu bringen. Wir können nicht genau sagen, wann sie auftreten, und auch nicht, wie heftig sie ausfallen, doch wir wissen, dass der Trend und die Fundamentaldaten dafür sprechen, dass sie stärker werden. Deshalb sollten wir uns auf diese Möglichkeit einstellen.

Wenn ich bisher erfolgreich war, dann nicht so sehr aufgrund dessen, was ich weiß, sondern vielmehr, weil es mir gelungen ist, mit dem zurande zu kommen, was ich nicht weiß.

Etwas vermutlich noch Wichtigeres, das ich Ihnen weitergeben möchte, ist aber, wie ich im Leben und an der Börse Entscheidungen auf der Grundlage von Faktoren treffe, die mir unbekannt sind. In kurzen Worten gehe ich folgendermaßen vor:

  • Ich verschaffe mir einen Überblick über sämtliche Möglichkeiten, überlege mir, was im schlimmsten Fall passieren kann, und finde dann Wege, auszuschließen, was für mich absolut unerträglich wäre. Zunächst gilt es, die Worst-Case-Szenarien zu ermitteln und auszuschalten, die absolut unzumutbar wären.
  • Nun denken Sie vielleicht, dass ich dem Ausschalten von Worst-Case-Szenarien so viel Aufmerksamkeit widme, sei deprimierend und halte mich davon ab, Chancen optimal zu nutzen, doch das Gegenteil ist der Fall. Es ist befreiend und spannend, so zu arbeiten, weil das Bewusstsein, für das Schlimmste gerüstet zu sein, mir ein Gefühl der Sicherheit und der Freiheit gibt – und mir ermöglicht, Herausragendes anzustreben.
  • Streuen. Ich stelle nicht nur sicher, dass ich alle Worst-Case-Szenarien berücksichtige, die mir in den Sinn kommen – ich versuche auch, mich gegen solche abzusichern, an die ich nie denken würde, indem ich richtig diversifiziere. Ein chinesisches Sprichwort lautet: »Ein kluges Kaninchen hat drei Baue«, also drei Zufluchtsorte für den Fall, dass einer davon zu gefährlich wird.
  • Wenn Ihnen späterer Nutzen wichtiger ist als unmittelbare Befriedigung, haben Sie die besseren Zukunftsaussichten.
  • Beraten Sie sich mit den klügsten Köpfen, die Sie kennen. Ich suche die Nähe der fähigsten Menschen, die ich finden kann, um meine Überlegungen auf die Probe zu stellen und von ihnen zu lernen.

DIE STÄRKEN UND AUSSICHTEN DER EUROZONE

Den aktuellen Werten der wichtigsten Indikatoren zufolge ist die Eurozone allem Anschein nach eine starke Macht (aktuell auf Platz drei unter den maßgeblichen Ländern) im Seitwärtstrend. Die wesentlichen Stärken der Eurozone sind, wie in der folgenden Tabelle angegeben, ihre Bedeutung für den Welthandel und ihr Reservewährungsstatus. Ihre Schwächen sind die unterdurchschnittliche Arbeitsmoral, die geringe Eigenständigkeit und die vergleichsweise unzulängliche Allokation von Arbeit und Kapital. Die acht Hauptmaßstäbe für Macht zeigen derzeit einigermaßen hohe Werte an, tendieren aber insgesamt seitwärts. In ihrem Wirtschafts- und Finanzzyklus ist die Eurozone in einer mäßig ungünstigen Position

DIE STÄRKEN UND AUSSICHTEN DEUTSCHLANDS

Ein genauerer Blick auf die acht zentralen Machtmaßstäbe ergibt, dass Deutschland insgesamt einigermaßen stark ist. Besondere Stärken oder Schwächen, die ich hier hervorheben würde, gibt es nicht.

DIE STÄRKEN UND AUSSICHTEN DES VEREINIGTEN KÖNIGREICHES 

Für das Vereinigte Königreich liefern die großen Zyklen ein überwiegend ungünstiges Bild. Ein genauerer Blick auf die acht zentralen Machtmaßstäbe ergibt, dass das Vereinigte Königreich insgesamt eher schwach wirkt. Besondere Stärken oder Schwächen, die ich hier hervorheben würde, gibt es nicht. Ein genauerer Blick auf die acht zentralen Machtmaßstäbe ergibt, dass Frankreich insgesamt eher schwach wirkt. Besondere Stärken oder Schwächen, die ich hier hervorheben würde, gibt es nicht.

DIE STÄRKEN UND AUSSICHTEN RUSSLAND

Den aktuellen Werten der wichtigsten Indikatoren zufolge belegt Russland allem Anschein nach eine mäßig hohe Machtposition (aktuell in der unteren Hälfte der maßgeblichen Länder), die sich im Seitwärtstrend befindet. Die wesentlichen Stärken Russlands sind, wie in der folgenden Tabelle angegeben, seine starke Wirtschafts- und Finanzstellung, sein Reichtum an natürlichen Ressourcen und sein relativ starkes Militär. Seine Schwächen sind die verhältnismäßig kleine Volkswirtschaft, Korruption und unbeständige Rechtsstaatlichkeit sowie die vergleichsweise geringe Bedeutung als globales Finanzzentrum.

Ein genauerer Blick auf die acht zentralen Machtmaßstäbe ergibt, dass Russlands Militär vergleichsweise stark ist. Von den globalen Militärausgaben entfällt ein moderater Anteil (von 7 Prozent) auf Russland, und auch sein Anteil an der Anzahl der Soldaten weltweit ist (mit 13 Prozent) moderat.

Dem stellen wir aber die relativ kleine Volkswirtschaft und die vergleichsweise geringe Bedeutung des Landes als globales Finanzzentrum gegenüber. Die russischen Aktienmärkte machen nur einen kleinen Anteil des globalen Gesamtwerts aus (nicht einmal 1 Prozent der Gesamtmarktkapitalisierung und des Volumens).

 


 

Weitere Zitate

Beim Studium der Geschichte erkannte ich, dass diese in aller Regel in relativ klar definierten Lebenszyklen abläuft – ähnlich wie bei Organismen, die sich von einer Generation zur nächsten weiterentwickeln.

So wirkte sich beispielsweise das Bildungsniveau einer Nation auf ihr Produktivitätsniveau aus, und dieses wiederum auf das Niveau des internationalen Handelsverkehrs, was seinerseits Einfluss hatte auf die militärische Stärke, die erforderlich war, um Handelsrouten zu schützen.

Gleichen sich die Zyklen an, dann verschieben sich die tektonischen Platten der Geschichte und das Leben aller Menschen verändert sich grundlegend.

Das Studium von Geld- und Kreditzyklen im historischen Vergleich machte mir die langfristigen Kredit- und Kapitalmarktzyklen bewusst, die in aller Regel etwa 50 bis 100 Jahre andauern. Aus dieser Perspektive konnte ich die aktuellen Geschehnisse in einem ganz anderen Licht betrachten.

Aus »Our Biggest Economic, Social, and Political Issue: The Two Economies – The Top 40 % and the Bottom 60 %« erkannte ich, wie drastisch sich die Situation von »Reichen« und »Armen« unterschied. Dadurch konnte ich besser nachvollziehen, woher die zunehmende Polarität und der Populismus kamen, die ich aufkommen sah.

Wie werden Menschen und Politik miteinander umgehen, wenn der nächste Konjunktureinbruch kommt?

Der außenpolitische Zyklus von Ordnung und Chaos: Zum ersten Mal in meinem Leben erwächst den Vereinigten Staaten echte Konkurrenz um die Macht. (Die Sowjetunion war lediglich ein militärischer, aber nie ein ernstzunehmender wirtschaftlicher Rivale.) China hat sich für die Vereinigten Staaten in fast jeder Hinsicht zur rivalisierenden Macht entwickelt und erstarkt in fast jeder Hinsicht schneller.

Wer beispielsweise auf einen Aktienmarktindex (wie den S & P 500) schaut, nicht auf einzelne Unternehmen, dem entgeht ein maßgeblicher Sachverhalt: dass nämlich die einzelnen Fälle, aus denen sich der Durchschnitt zusammensetzt, fast immer eine Phase der Geburt, eine Phase des Wachstums und eine Phase des Todes aufweisen.

Wir sprechen überwiegend von Ländern. Doch Länder, wie wir sie kennen, gibt es erst seit dem 17. Jahrhundert. [Vgl. die Transformation zur Netzwerkgesellschaft]

Zum jetzigen Zeitpunkt unterhalten die USA Militärstützpunkte in mindestens 70 Ländern.

Zu meinen Privilegien gehört, dass ich mit den führenden Gelehrten der Welt sprechen kann, die die Geschichte gründlich studiert haben, und auch mit den Menschen, die in der Position sind oder waren, Geschichte zu schreiben. Das eröffnete mir Möglichkeiten zur Triangulation, wie sie kaum jemandem zur Verfügung stehen. Zwar verfügte jeder der Experten über fundierte Einschätzungen zu einzelnen Puzzleteilchen, doch keiner über das ganzheitliche Verständnis, das ich brauchte, um alle meine Fragen angemessen zu beantworten.

Dieses Buch ist alltagssprachlich geschrieben und macht im Zweifel lieber Abstriche bei der Genauigkeit als bei der Verständlichkeit. Daher sind manche meiner Formulierungen im Großen und Ganzen zwar zutreffend, aber nicht immer hundertprozentig präzise.

Märkte (die mich besonders interessieren). Die drei wichtigsten Zyklen sind die in der Einleitung angesprochenen: der langfristige Kredit- und Kapitalmarktzyklus sowie der innen- und der außenpolitische Zyklus von Ordnung und Chaos.

Die evolutionären Lernprozesse und Produktivitätssteigerungen sind zwar durchaus bedeutsam, lösen jedoch keine abrupten Veränderungen daran aus, wer über Wohlstand und Macht verfügt. Die heftigen, unvermittelten Brüche ereignen sich durch Auf- und Abschwünge, Revolutionen und Kriege, denen in erster Linie Zyklen zugrunde liegen. Und diese Zyklen werden ihrerseits durch logische Kausalzusammenhänge angetrieben.

GLOBALE TODESFÄLLE NACH KATEGORIE (PRO 100.000 PERSONEN, GLEITENDER 15-JAHRES-DURCHSCHNITT)

Damals wie heute (und wie in den meisten anderen Fällen) war das Wohlstandsgefälle enorm, und es gab jede Menge Konfliktstoff, noch verschärft durch den Zusammenbruch der Kreditmärkte und der Wirtschaft. Dadurch veränderten sich die Sozial- und Wirtschaftsprogramme radikal, und es kam zu gewaltigen Wohlstandstransfers, was sich in verschiedenen Ländern in unterschiedlichen Systemen manifestierte. Darüber, welches dieser Systeme – ob Kapitalismus oder Kommunismus, Demokratie oder Autokratie – am besten war, brachen Streitigkeiten und Kriege aus. Auseinandersetzungen oder Kämpfe zwischen denjenigen, die den Wohlstand groß angelegt umverteilen wollen, und den Gegnern einer solchen Umverteilung sind unvermeidlich.

MACHTPOSITION DER GROSSEN IMPERIEN

ARCHETYPISCHER AUFSTIEG UND FALL NACH DETERMINANTE

Naturereignisse können viele Formen annehmen: Epidemien, Flutkatastrophen und Dürreperioden. In der Geschichte haben sie das Wohlergehen von Ländern und den Verlauf ihrer Entwicklung stärker geprägt als Kriege und Depressionen. Dem Schwarzen Tod fielen in den Jahren um 1350 schätzungsweise 75 bis 200 Millionen Menschen zum Opfer ; die Pocken töteten im 20. Jahrhundert über 300 Millionen Menschen – mehr als doppelt so viele wie Kriege. Dürre und Überschwemmungen lösten gewaltige Hungersnöte aus und forderten viele Todesopfer. Solche Katastrophen treten gewöhnlich unerwartet ein und stellen Bewährungsproben dar, die offenbaren, wie stark oder schwach eine Gesellschaft wirklich ist.

Eigeninteresse ist zwar für die meisten Menschen, Organisationen und Regierungen die wichtigste Motivation, doch dabei kommt es in erster Linie darauf an, welches Eigeninteresse hier die größte Rolle spielt – das des Einzelnen, der Familie, des Stammes (also der Gruppe), der Regionen, des Landes, des Imperiums, der Menschen, aller Lebewesen oder des Universums?

Wofür wären die meisten Menschen in Ihrer Gesellschaft, Sie eingeschlossen, bereit zu sterben?

Sind beispielsweise Menschen bereit, für ihr Land zu sterben, so dürfte dieses Land vermutlich besser geschützt sein, als wenn das Eigeninteresse des Einzelnen wichtiger genommen wird, denn dann würden diese Einzelnen im Kampf für ihr Land kaum ihr Leben aufs Spiel setzen.

So waren beispielsweise vor 1650 Stämme und Einzelstaaten wichtiger als Länder. Die Geschichte beweist, dass sich die Gruppierungen, denen sich die Menschen anschließen und die ihnen am wichtigsten sind, weiterentwickeln.

In den letzten Jahren ist die Welt nicht mehr noch globalistischer geworden, sondern wieder nationalistischer.

Es ist ebenso historisch belegt wie logisch, dass solche Veränderungen der innen- und außenpolitischen Ordnung in aller Regel mit Konflikten einhergehen, weil viel Uneinigkeit darüber herrscht, wie sie vonstattengehen sollten – etwa welche Rechte jeweils auf einzelstaatlicher oder nationaler Ebene bestehen. Weil die meisten Menschen noch keine derartigen Veränderungen erlebt haben, merken sie nicht, worum es sich dabei handelt.

Wohlstand als Kaufkraft bezeichnen – im Unterschied zu Geld und Kredit. Diese Unterscheidung ist wesentlich, weil sich der Wert von Geld und Kredit verändert. Werden beispielsweise viel Geld und Kredit geschaffen, sinkt deren Wert. Wer mehr Geld hat, besitzt daher nicht unbedingt auch mehr Wohlstand oder Kaufkraft.

Wohlstand = Macht. Das liegt an folgendem Umstand: Wer genug Vermögen besitzt, kann sich fast alles kaufen – physische Besitztümer, die Arbeitsleistung und Loyalität anderer, Bildung, Gesundheitsversorgung, Einfluss aller Art (politischer, militärischer et cetera) und vieles mehr. Im Zeitverlauf und länderübergreifend zeigt die Geschichte, dass zwischen den Wohlhabenden und den politisch Einflussreichen eine symbiotische Beziehung besteht und dass ihre Arrangements untereinander die herrschende Ordnung bestimmen. Diese herrschende Ordnung besteht, bis die Herrschenden von anderen gestürzt werden, die Wohlstand und Macht für sich beanspruchen.

Klassenkämpfe. Seit Beginn der Geschichtsschreibung kontrolliert in fast allen Gesellschaften ein sehr kleiner (allerdings unterschiedlicher) Prozentsatz der Bevölkerung (die »herrschenden Klassen« oder »die Eliten«) den größten Teil des Vermögens und der Macht. Wer vom System profitiert und es kontrolliert, der findet es naturgemäß im Großen und Ganzen gut und möchte es gern beibehalten. Weil die Reichen Einfluss auf die Mächtigen nehmen können und umgekehrt, schmieden diese herrschenden Klassen oder Eliten untereinander Bündnisse und wollen die bestehende Ordnung aufrechterhalten.

Wie Aristoteles vor langer Zeit sagte: »Hinzu kommt, dass infolge der Streitigkeiten und Kämpfe zwischen Reich und Arm diejenige Partei, der es gelingt, den Gegner niederzuwerfen, keine Regierung einsetzt, die auf Gemeinsamkeit und Gleichheit beruht, sondern ihr Übergewicht im Staate als Siegespreis betrachtet …«

Im Zeitverlauf finden sich Menschen in allen Ländern (wenn auch in unterschiedlichem Maße) in »Klassen« wieder – entweder, weil sie sich aus eigenem Antrieb zu ähnlichen Menschen gesellen, oder weil andere sie als Teil einer bestimmten Gruppe stereotypisieren. Die Macht teilen sich gewöhnlich drei oder vier Klassen.

Geld ist ein Tauschmittel, das auch zur Wertaufbewahrung verwendet werden kann.

Mit Geld werden Forderungen beglichen – Sie zahlen Ihre Rechnung, und der Fall ist erledigt. Schulden sind ein Versprechen, Geld zu zahlen.

Die meisten Geld- und Kreditmittel (vor allem das von Regierungen ausgegebene Geld, das heute existiert) haben keinen Substanzwert. Es handelt sich dabei lediglich um in einem Buchführungssystem erfasste Einträge, die jederzeit geändert werden können. Zweck dieses Systems ist es, zu einer effizienten Ressourcenzuteilung beizutragen, damit die Produktivität gesteigert werden kann, sodass Kreditgeber und Kreditnehmer daran verdienen. Doch das System bricht regelmäßig zusammen.

Geld und Kredit werden zwar mit Wohlstand assoziiert, sind aber nicht dasselbe. Mit Geld- und Kreditmitteln lässt sich Wohlstand (also Güter und Dienstleistungen) erkaufen. Deshalb sieht es zunächst ganz so aus, als entspräche die Menge der Geld- und Kreditmittel, über die Sie verfügen können, auch der Höhe Ihres Wohlstands. Doch Wohlstand lässt sich nicht einfach erzeugen, indem man mehr Geld druckt oder mehr Kredit vergibt. Dazu ist vielmehr eine Steigerung der Produktivität erforderlich. Die Beziehung zwischen der Geld- und Kreditschöpfung und der Schaffung von Wohlstand bleibt oft im Unklaren, ist jedoch der stärkste Treiber von Konjunkturzyklen.

Es gibt eine Finanzwirtschaft und eine Realwirtschaft. Diese stehen zwar in Zusammenhang, unterscheiden sich aber.

Ähnlich unklar wie die Zusammenhänge zwischen Finanz- und Realwirtschaft ist die Beziehung zwischen dem Preis und dem Wert einer Sache. Weil sie sich im Regelfall im Gleichschritt entwickeln, sind sie leicht verwechselbar. Parallel entwickeln sie sich in aller Regel, weil die Leute, wenn sie mehr Geld und Kredit zur Verfügung haben, eher geneigt sind, mehr auszugeben, und auch mehr ausgeben können. Soweit ihre Ausgaben die Produktionsmenge der Wirtschaft steigern und zur Verteuerung von Waren, Dienstleistungen und finanziellen Vermögenswerten führen, können sie mit erhöhtem Wohlstand gleichgesetzt werden, weil die Menschen, denen diese Vermögenswerte bereits gehören, »reicher« werden – jedenfalls nach den von uns verwendeten Wohlstandsmaßstäben. Dieser Wohlstandszuwachs ist jedoch eher illusorisch als real, und zwar aus zwei Gründen:

  1. Die zusätzlich vergebenen Kredite, die die Preise und die Produktion nach oben treiben, müssen zurückgezahlt werden, was unter sonst gleichen Voraussetzungen den gegenteiligen Effekt hat, wenn das Geld fällig wird.
  2. Der Substanzwert einer Sache steigt nicht, nur weil sich ihr Preis erhöht. Sehen Sie das mal so: Wenn Sie ein Haus besitzen und die Regierung eine Menge Geld- und Kreditmittel zur Verfügung stellt, dann gibt es vielleicht viele interessierte Käufer, die den Preis Ihres Hauses nach oben treiben. Das Haus ist aber immer noch dasselbe. Ihr Vermögen hat sich also nicht tatsächlich vergrößert, sondern nur rechnerisch. Wer den Marktwert als Maßstab für das eigene Vermögen heranzieht, erhält einen illusorischen Eindruck von Veränderungen, die in Wirklichkeit gar nicht existieren.

Geld und Kredit wirken stimulierend, wenn sie verteilt werden, aber deprimierend, wenn sie zurückgezahlt werden müssen. Und deshalb haben Geld, Kredit und Wirtschaftswachstum einen derart zyklischen Charakter.

Geben Märkte und Konjunktur nach, dann setzt sie Geld- und Kreditspritzen, um sie zu beleben. Überhitzen die Märkte und die Konjunktur, verringert sie die Dosierung oder setzt die Injektionen ab. Diese Maßnahmen sorgen für zyklische Auf- und Abwärtsbewegungen der Mengen und Preise von Geld und Kredit – und von Waren, Dienstleistungen und Finanzanlagen. Die Bewegungen erfolgen gewöhnlich in Form kurz- und langfristiger Schuldenzyklen. Die kurzfristigen Auf- und Abwärtszyklen der Verschuldung erstrecken sich normalerweise über plus/minus acht Jahre.

Sie setzen ein, wenn eine zuvor bestehende zu hohe Schuldenlast umstrukturiert worden ist und die Zentralbanken mit ihren stimulierenden Spritzen aus dem Vollen schöpfen können. Sie enden, wenn die Verschuldung hoch ist und das Stimulans zur Neige geht – oder genauer gesagt dann, wenn die Zentralbank nicht mehr in der Lage ist, durch mehr Geld- und Kreditmittel im Wirtschaftssystem reales Wachstum zu erzeugen. Im Lauf der Geschichte haben Nationalregierungen und Zentralbanken durch Geld- und Kreditschöpfung immer wieder ihre eigenen Währungen geschwächt und ihre monetäre Inflation angeheizt, um die Deflation abzufedern, die sich aus deflationärer Kreditpolitik und Kontraktionen der Wirtschaft ergibt. Das passiert gewöhnlich dann, wenn die Schulden auf hohem Niveau sind, die Zinsen nicht entsprechend gesenkt werden können und Geld- und Kreditschöpfung die Preise finanzieller Vermögenswerte stärker in die Höhe treiben als die eigentliche Konjunktur. In solchen Zeiten möchten die Inhaber von Schuldtiteln (das sind die Versprechen anderer, ihnen Geld zu zahlen) diese gern gegen andere werthaltige Vermögensgegenstände tauschen. Sobald Geld- und Schuldinstrumente nicht mehr weithin als solide Wertspeicher angesehen werden, geht der langfristige Schuldenzyklus zu Ende. Dann tritt notgedrungen eine Umstrukturierung des Währungssystems ein.

Ermöglicht die Entschuldung, dass diese Mittel in Produktivität und Unternehmensgewinne umgesetzt werden, so steigen die realen Aktienkurse (also der inflationsbereinigte Wert von Aktien). Schadet die Geldschöpfung aber den tatsächlichen und voraussichtlichen Erträgen von Geldmarkt- und Schuldinstrumenten hinlänglich, so treibt dies Kapital aus solchen Anlagen und in inflationssichere Investments wie Gold, Rohstoffe, inflationsgebundene Anleihen und andere (auch digitale) Währungen. Dies führt zu einem sich selbst verstärkenden Rückgang des Geldwertes.

Je später im langfristigen Schuldenzyklus dies eintritt, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass die Währung und das Währungssystem zusammenbrechen.

Große Abwertungen entwickeln sich nicht allmählich, sondern kommen abrupt und episodenhaft.

Die Geschichte zeigt, dass es hochriskant ist, verzinste Barguthaben als Wertspeicher zu halten – vor allem in der Spätphase von Schuldenzyklen.

Am schlimmsten kommt es, wenn ein Land einen Krieg verliert. Das führt gewöhnlich zu einem Totalzusammenbruch und zur Umstrukturierung von Währung und Volkswirtschaft. Doch auch die Siegermächte, deren Schulden letztlich größer sind als ihre Vermögenswerte und deren Wettbewerbsfähigkeit leidet (wie im Vereinigten Königreich nach den Weltkriegen), verlieren ihren Reservewährungsstatus, wenn auch nicht so abrupt.

Letztlich schwächen die Zölle die Weltwirtschaft zusätzlich, da Zollkriege bewirken, dass die Länder, die Zölle erheben, Exportgeschäft verlieren. Allerdings profitieren die Unternehmen, die dadurch geschützt werden, von den Zöllen, und sie können den Machthabern, die sie verhängen, politische Unterstützung zukommen lassen.

Schwerwiegende Naturereignisse (wie Dürren, Überschwemmungen und Seuchen) lösen häufig Zeiten großer wirtschaftlicher Not aus, die in Verbindung mit weiteren ungünstigen Bedingungen zu Phasen mit starken Konflikten führen.

In Zeiten großer wirtschaftlicher Belastungen und einem hohen Wohlstandsgefälle kommt es in aller Regel zur revolutionär großen Umverteilung von Vermögen.

Einem militärischen Konflikt geht gewöhnlich ein Wirtschaftskrieg voraus.

Bevor ich zum heißen Krieg übergehe, möchte ich die üblichen Taktiken noch etwas näher beleuchten, die eingesetzt werden, wenn Wirtschafts- und Kapitalinstrumente zur Waffe werden. Das waren – und sind noch immer:

  1. Das Einfrieren und Einziehen von Vermögenswerten
  2. Die Sperrung des Zugangs zu den Kapitalmärkten
  3. Embargos/Blockaden

In einem Krieg ist die eigene Leidensfähigkeit noch wichtiger als die Fähigkeit, anderen Leid zuzufügen.

in Kriegszeiten Gold – manchmal auch Silber oder Tauschgeschäfte – die Währung der Wahl.

Die Aktien der Achsenmächte zeigten wenig Bewegung oder gaben nach. Wie ausgewiesen, waren die Börsen in Deutschland und Japan bei Kriegsende geschlossen und öffneten erst rund fünf Jahre später wieder – praktisch mit totalem Wertverlust, während US-Aktien extreme Stärke zeigten. Das eigene Vermögen in Kriegszeiten zu schützen, ist schwer, da die normale Wirtschaftstätigkeit eingeschränkt ist, traditionell sichere Anlagen nicht mehr sicher sind, der Kapitalverkehr begrenzt ist und hohe Steuern verhängt werden, wenn Menschen und Länder um ihr Überleben kämpfen.

Für Investoren gilt: Stoßen Sie alle Schuldtitel ab und kaufen Sie Gold, weil Kriege mit Anleihen und frisch gedrucktem Geld finanziert werden, was beides im Wert sinkt, und weil kreditgestützte Mittel mit Recht nur widerwillig akzeptiert werden.

Doch so muss der Zyklus nicht ablaufen, wenn Länder in reichen, mächtigen Phasen produktiv bleiben, mehr einnehmen als sie ausgeben, dafür sorgen, dass der größte Teil der Bevölkerung vom System profitiert, und Wege finden, mit ihren wichtigsten Rivalen Win-win-Beziehungen einzugehen und aufrechtzuerhalten.

Etliche Imperien und Dynastien konnten sich jahrhundertelang halten, und die Vereinigten Staaten haben sich mit 245 Jahren als eine der langlebigsten Großmächte erwiesen.

In den 35 Jahren vor 1945 wurde in den meisten Ländern praktisch alles Vermögen vernichtet oder konfisziert.

Bis etwa 1350 verboten es Christentum und Islam, Geld zu verleihen und dafür Zinsen zu verlangen (im Judentum war es innerhalb der jüdischen Gemeinde ebenfalls untersagt), weil es so schlimme Folgen hatte.

Die USA, Kanada und Australien waren die einzigen Länder, die keine anhaltenden Verlustphasen erlebten.

Am Ende des Krieges wurde die neue Ordnung im Westfälischen Frieden festgeschrieben. Die größten Durchbrüche, die darin verfügt wurden, waren die Einführung geografischer Grenzen und die Hoheitsrechte der Menschen innerhalb dieser Grenzen, selbst zu bestimmen, was in ihrem Land passierte. Wie meistens nach größeren Kriegen und nach der Einführung einer neuen Ordnung folgte eine längere Periode des Friedens zwischen den Ländern. Die Niederlande gingen aus dem Chaos als führende globale Wirtschaftsmacht hervor.

Die Weltordnung verändert sich, wenn zwei oder mehr Länder (oder Länderbündnisse) von vergleichbarer Macht gegeneinander antreten, eines davon gewinnt und dann so dominant wird, dass es andere Spielregeln festlegt: die neue Weltordnung. Bevor es dazu kommt, muss das aufstrebende Land zunächst eine Position vergleichbarer Stärke mit dem bisher tonangebenden Land erlangen, sodass die Geschichte des Aufstiegs eines mächtigen Landes schon beginnt, lange bevor es zur Großmacht wird. Ebenso setzt sich die Geschichte seines Niedergangs noch fort, wenn es längst keine Großmacht mehr ist.

Die neue Ordnung setzte sich aus Revolutionsführern zusammen, die einander bekämpften und zehn Jahre belastendes Chaos verursachten, sodass ein starker Mann gebraucht wurde, um wieder Ordnung zu schaffen. Das entsprach eins zu eins dem klassischen melodramatischen Ablauf, den es in der Vergangenheit schon so oft gegeben hatte. Wie gerufen trat Napoleon ins Bild – der klassische Held, der seine Chance zu nutzen wusste. Er hatte sich als Feldherr einen ausgezeichneten Ruf erworben, als Frankreich versuchte, sein republikanisches System auf andere europäische Länder auszuweiten, und er erfreute sich großer Beliebtheit. 1799 übernahm er mit einem Staatsstreich die Führung, setzte sich selbst als ersten Konsul und schließlich als Kaiser ein und regierte bis 1814 diktatorisch. Gewappnet mit zentralisierter Macht und breitem Rückhalt, stabilisierte er die Wirtschaft und professionalisierte die Regierung.

Distanziert betrachtet ging das Wirtschaftswachstum Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts im Grunde auf die zweite industrielle Revolution zurück, eine anhaltende Phase der Innovation, in der Wissenschaft und Technik eine maßgebliche Rolle spielten, neue Legierungen entwickelt wurden und die Verwendung neuer Energiequellen wie Petroleum und Strom um sich griff. Damals wurden das Telefon und die Glühbirne erfunden, und nicht viel später das Auto. Verkehr, Kommunikation und Infrastruktur verbesserten sich, und der Siegeszug der kapitalistischen Unternehmen steigerte die Produktivität. Das Ergebnis war ein deutlicher Anstieg der Wirtschaftsleistung pro Arbeitnehmer in den Ländern, denen es gelang, diese Umstellung effizient mitzumachen – allen voran die USA und Deutschland. Das Vereinigte Königreich konnte nicht Schritt halten, obwohl britische Erfindungen vielen dieser neuen Entwicklungen maßgeblich Vorschub leisteten. Dass es dem Vereinigten Königreich nicht gelang, seine Industrie neu zu organisieren, führte zu rückläufiger Wirtschaftsleistung pro Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen führenden Industriemächten.

Die Erträge aus der Industrialisierung verteilten sich im Vereinigten Königreich sehr ungleichmäßig, was zu extremen Ungleichheiten führte. Ende des 19. Jahrhunderts besaß das oberste Prozent der Bevölkerung mehr als 70 Prozent des Gesamtvermögens. Dieses Gefälle war in vergleichbaren Ländern nicht ganz so groß. Den obersten 10 Prozent der Briten gehörten unfassbare 93 Prozent des nationalen Vermögens.

Hatte der Wiener Kongress im Jahr 1815 eine relativ nachhaltige Weltordnung geschaffen, so bewirkten die auf der Pariser Friedenskonferenz formulierten Bedingungen das Gegenteil: Sie machten den nächsten Krieg unvermeidlich, wenngleich das seinerzeit noch nicht abzusehen war. Die Gebiete der Verlierermächte (Deutschland, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien) wurden zerstückelt, und die Länder wurden von den Siegern zu Reparationszahlungen verpflichtet. Die daraus resultierende Schuldenlast trug in Deutschland zu einer inflationären Depression bei, die von 1920 bis 1923 andauerte. Andernorts traten große Teile der Welt in ein Jahrzehnt des Friedens und Wohlstands ein: die goldenen Zwanzigerjahre. Wie üblich bauten sich Schulden und Wohlstandsgefälle auf, bis 1929 die Blase platzte und die Weltwirtschaftskrise auslöste. Diese beiden großen Boom-and-Bust-Zyklen lagen zwar ungewöhnlich nahe beisammen, folgten jedoch dem klassischen Muster.

Bevor ein offener Krieg ausbricht, gibt es im klassischen Verlauf gewöhnlich ein Jahrzehnt der Scharmützel auf wirtschaftlichem, technischem und geopolitischem Gebiet sowie auf den Kapitalmärkten.

Europa hoch verschuldet, seine Wirtschaft krankt an fundamentaler Schwäche, die innenpolitischen Konflikte sind vergleichsweise groß, seine Vitalität und sein Erfindungsgeist eher gering und sein Militär nicht besonders stark. Wohlstands- und Einkommensungleichheit zwischen und innerhalb der Mitgliedstaaten führten zum Aufstieg von Populisten, die vielfach Gegner der Europäischen Union sind und im Falle des Vereinigten Königreichs den Austritt erreichten. Kurz, Europa in seiner Gesamtheit (und damit auch das Vereinigte Königreich) ist von seiner Stellung als vor nicht allzu langer Zeit noch führende Großmacht auf eine sekundäre Machtposition abgesunken.

China

China war nach wie vor extrem arm – sein Pro-Kopf-Einkommen lag unter 200 US-Dollar pro Jahr. Deng wusste, seine Maßnahmen würden China finanziell stärken, wenn sie nicht durch weitaus mächtigere ausländische Kräfte vereitelt würden, die wollten, dass China schwach blieb. Es ging also darum, seine Ziele so zu verfolgen, dass andere davon profitierten und sich nicht bedroht fühlten. 1979 nahm er umfassende diplomatische Beziehungen zu den USA auf. Schon sehr früh entwarf Deng einen 70-Jahres-Plan, der vorsah, a) die Einkommen zu verdoppeln und sicherzustellen, dass die Bevölkerung bis Ende der 1980er-Jahre genügend Nahrung und Kleidung besaß, b) das Pro-Kopf-BIP bis Ende des 20. Jahrhunderts zu vervierfachen (was 1995 erreicht wurde – fünf Jahre vor dem Plan) und c) das Pro-Kopf-BIP bis 2050 (dem 100. Jahrestag der Volksrepublik China) auf ein Niveau zu erhöhen, wie es einem Land auf mittlerem Entwicklungsstand entsprach. Er machte klar, dass China diese Ziele mit einer »sozialistischen Marktwirtschaft« erreichen werde, die er auch als »Sozialismus chinesischer Ausprägung« bezeichnete. Diesen radikalen Schnitt machte er, ohne dabei den Marxismus/Leninismus zu kritisieren. Wie bereits erwähnt, sah er tatsächlich keinen fundamentalen Widerspruch zwischen den beiden Systemen, sondern betrachtete sie durch die Linse des dialektischen Materialismus als auflösbare Gegensätze, die dazu beitragen würden, auf dem langen Entwicklungsbogen hin zum Idealzustand des Kommunismus voranzukommen.

Damals war China ausgesprochen arm und rückständig. Allerdings war mir sofort klar, dass die Menschen dort clever und zivilisiert waren, obwohl die Armut weit verbreitet war. Diesbezüglich unterschied es sich von den meisten anderen unterentwickelten Ländern, in denen ich gewesen war, denn dort schienen die Armen in einer anderen Zeit zu leben. Chinas Rückständigkeit war die Folge des allgemein mangelnden Zugangs zu Dingen, die in anderen Teilen der Welt verfügbar waren, und seines demotivierenden Systems.

Im anschließenden Jahrzehnt wuchs die Wirtschaft kräftig weiter, und die Handels- und anderweitigen Beziehungen zum Westen waren so gut wie nie zuvor. Die einsetzende Globalisierung, die China enorm voranbrachte, ist zeitlich wohl im Jahr 1995 zu verorten, nach der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO). (Diese Epoche endete de facto mit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten im Jahr 2016.) China trat der WTO 2001 bei, und seine Stellung im Welthandel entwickelte sich rasant. In jenem Jahr war das Handelsvolumen der Vereinigten Staaten mit 80 Prozent der WTO-Mitgliedsländer größer als das chinesische. Inzwischen ist China für rund 70 Prozent dieser Länder ein größerer Handelspartner als die Vereinigten Staaten. Im Zeitalter der Globalisierung entstand eine symbiotische Beziehung zwischen China und den USA: Die Chinesen stellten extrem kostengünstig Konsumgüter her und liehen den USA Geld, um sich diese zu kaufen. Für die Amerikaner war das ein fantastisches Geschäft nach dem Motto »Jetzt kaufen, später bezahlen«, und den Chinesen gefiel, dass sie auf diese Weise Ersparnisse in der globalen Reservewährung aufbauen konnten. Ich fand es seltsam, dass die Chinesen, deren Verdienst im Schnitt etwa ein vierzigstel des US-amerikanischen betrug, den Amerikanern Geld liehen. Schließlich sind reiche Leute doch gewöhnlich eher in der Lage, Kredit zu geben, als arme. Die Erkenntnis, wie bereitwillig sich die Amerikaner verschuldeten, um Konsumexzesse zu finanzieren, und wie viel höher der Stellenwert war, den das Sparen bei den Chinesen genoss, war für mich ein Schock. Mir wurde dadurch außerdem bewusst, wie Schwellenländer, die ihre Ersparnisse in den Anleihen oder Schuldtiteln der führenden Reservewährungsländer anlegen, diese Länder in die Überschuldung treiben können.

Käme es zu einer »vierten Taiwanstraßenkrise«, würde mir das große Sorgen bereiten.

Deng starb am 19. Februar 1997. China war kaum wiederzuerkennen. Als er an die Macht gekommen war, lebten 90 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut. Bei seinem Tod war diese Zahl um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Aktuellen Daten zufolge liegt sie inzwischen unter 1 Prozent. Vom Einsetzen seiner Reformen im Jahr 1978 bis zu seinem Tod 1997 wuchs die chinesische Wirtschaft im Durchschnitt um 10 Prozent pro Jahr. Sie versechsfachte ihr Volumen bei einer durchschnittlichen Inflationsrate von nur 8 Prozent. Die Devisenreserven des Landes erhöhten sich von 4 auf beinahe 150 Milliarden US-Dollar (inflationsbereinigt in heutigen Dollar wäre das ein Zuwachs von mehr als 250 Milliarden US-Dollar). Diese Reserven deckten 1978 60 Prozent der jährlichen Importe, 1998 waren es schon über 125 Prozent (und beim Auslandsschuldendienst fast 800 Prozent).

Konkret kam es in China von 1978 bis 2008 zu einer Phase mit rasantem Wachstum, weil 1) sich die Welt noch in der friedlichen, florierenden Phase des großen Zyklus befand, in der Globalisierung und Kapitalismus – also die Überzeugung, dass Waren und Dienstleistungen dort produziert werden sollten, wo es am kostengünstigsten ist, dass fähige Köpfe ohne Ansehen ihrer Nationalität Freizügigkeit genießen sollten, dass Nationalismus schlecht ist und globale Chancengleichheit und gewinnorientierter Kapitalismus begrüßenswert sind – weithin als Weg in eine bessere Welt galten. Gleichzeitig 2) schwenkte Deng Xiaoping von der kommunistischen Abschottungspolitik, die gar nicht funktionierte, auf Marktwirtschaft und Staatskapitalismus und eine Politik der offenen Tür um, die hervorragende Ergebnisse brachte. Dadurch lernte China enorm viel, zog eine Menge ausländisches Kapital an und exportierte und sparte im ganz großen Stil.

Ganz klassisch führen Phasen des durch Schuldenwachstum finanzierten Wohlstands zu Schuldenblasen und großem Wohlstandsgefälle. In den USA platzte diese Blase 2008 (wie schon 1929). Die Weltwirtschaft schrumpfte, und die Mittelschicht in Amerika und anderswo litt darunter (wie von 1929 bis 1932). Die Zinsen wurden auf null gedrückt (wie 1931). Das reichte aber nicht aus, sodass die Zentralbanken nach 2008 (wie 1934) eine Menge Geld druckten und finanzielle Vermögenswerte aufkauften. Das trieb deren Preise in den meisten Ländern ab 2009 in die Höhe (wie 1933 bis 1936). Davon profitierten die Besitzenden (also Menschen mit Finanzvermögen) mehr als die Besitzlosen (ohne Finanzvermögen), sodass das Wohlstandsgefälle noch stärker anwuchs (wie im Zeitraum von 1933 bis 1938). Die Habenichtse, vor allem diejenigen, deren Jobs von Chinesen und Immigranten übernommen worden waren, begannen, sich gegen die Eliten aufzulehnen, die von der Globalisierung profitierten. Wie üblich, wenn wirtschaftlich schlechte Zeiten mit einem großen Wohlstandsgefälle einhergehen, nahmen Populismus und Nationalismus weltweit zu (wie in den 1930er-Jahren). Und in dieser Phase wurde den führenden Mächten immer klarer, welche Bedrohung die aufstrebenden Mächte darstellen. Die Ära des Friedens, des Wohlstands und der Globalisierung ging zu Ende und wich einer Zeit der Konflikte zwischen reichen und armen Ländern und dem aufstrebenden Land (China) und der dominierenden Weltmacht (den USA).

Xi strebt eine Mischung aus Kapitalismus und marxistischem Kommunismus an. Wer sich noch nicht näher damit auseinandergesetzt hat, dass Kapitalismus und Kommunismus durchaus zusammenpassen, wer nicht genau hinschaut und wer nicht aus persönlichen Gesprächen die Lebenswirklichkeit und die Ansichten der Politiker kennt, findet das verständlicherweise verwirrend und kann folglich auch nicht die Übereinstimmungen erkennen, die inmitten dieser scheinbar großen Widersprüche existieren

Sie sehen den Kapitalismus als Weg, den Lebensstandard für die breite Masse zu heben, nicht als Selbstzweck zum Nutzen der Kapitalisten. Ob man diesen Ansatz nun richtig oder falsch findet: Was die Chinesen damit erreicht haben, ist äußerst beeindruckend. Wir sollten daher nicht davon ausgehen, dass die Chinesen ihren Ansatz zugunsten eines amerikanischen oder westlichen aufgeben. Wir sollten ihn vielmehr genauer beleuchten, um herauszufinden, was wir uns davon abschauen können – so wie die Chinesen den westlichen Ansatz studiert und daraus gelernt haben. Wir haben es schließlich mit einem Wettstreit der Ansätze zu tun, und das muss uns klar sein, wenn wir in diesem Wettbewerb erfolgreich sein wollen.

Die Vereinigten Staaten sind also offenbar aus all den klassischen Gründen im Niedergang begriffen, China im Aufstieg. Schicksal und der große Schuldenzyklus bewirken, dass sich die USA inzwischen in der Spätphase des langfristigen Schuldenzyklus befinden, in der sie bereits überschuldet sind und rasch weitere Schuldtitel auflegen müssen, die sie nicht mehr mit harter Währung bedienen können. Daher müssen sie ihre Schulden auf die klassische spätzyklische Weise monetarisieren: indem sie Geld drucken, um Staatsdefizite zu finanzieren. Die Ironie an dieser so typischen Entwicklung: Dass die USA in dieser misslichen Lage sind, ist ihren Erfolgen zuzuschreiben, die zu den Exzessen führten. Zum Beispiel liegt es an den großen globalen Erfolgen der Vereinigten Staaten, dass der US-Dollar zur dominanten Reservewährung der Welt avancierte, was es den Amerikanern ermöglichte, in der übrigen Welt (auch in China) exzessiv Kredit aufzunehmen. Das brachte die USA in die prekäre Situation, anderen Ländern (wie China) eine Menge Geld zu schulden, und diese Länder wiederum in die nicht minder heikle Lage, die Schuldtitel eines überschuldeten Landes zu halten, dessen Verschuldung rasch ansteigt, dessen Schulden monetarisiert werden und dessen Schuldtitel eindeutig negative Realzinsen abwerfen.

Die Geschichte lehrt, dass der Erfolg eines Landes davon abhängt, die Kräfte zu erhalten, die es stärken, ohne die Exzesse hervorzubringen, die zu seinem Niedergang führen. Den wirklich erfolgreichen Ländern ist das im großen Stil über 200 bis 300 Jahre gelungen. Aber noch keinem für immer.

Das hat einen einfachen Grund: Jede kriegführende Partei möchte ihren Leuten vermitteln, dass »wir die Guten und die anderen die Bösen« sind, denn so lässt sich am effektivsten für Unterstützung werben – was manchmal so weit geht, dass Menschen bereit sind, für die Sache zu töten oder zu sterben.

Es gibt geografische und thematische Parallelen. Würden die USA den Import von Öl, anderen benötigten Rohstoffen, Technologien und/oder anderen wichtigen Gütern aus den USA und anderen Ländern nach China verhindern, wäre das ein klares, unmissverständliches Eskalationssignal. Ebenso könnte aber China den Konflikt verschärfen, indem es Unternehmen wie General Motors (das in China mehr Autos verkauft als in den USA) und Apple ausschließt oder den US-Import seltener Erden stoppt, die für die Produktion vieler Hightech-Produkte, Automotoren und Rüstungssysteme benötigt werden.

In den nächsten fünf Jahren sollten wir erleben, wie beide Länder voneinander unabhängiger werden. Das kann China allerdings in den kommenden fünf bis zehn Jahren deutlich schneller schaffen als die Vereinigten Staaten.

Der Technologiekrieg ist viel bedeutsamer als der Handels- oder Wirtschaftskrieg, denn wer ihn gewinnt, dürfte auch die militärischen und alle anderen Kriege für sich entscheiden.

Es dürfte im Geheimen entwickelte Technologien geben, von denen selbst die bestinformierten Geheimdienste der USA nichts wissen.

China wird im Technologiebereich vermutlich weitere Fortschritte erzielen, auch bei der Qualität der dadurch ermöglichten Entscheidungsprozesse, und das schneller als die USA, denn Big Data + große KI + Großrechner = überlegene Entscheidungen.

Rennen, doch sie fallen im Vergleich zurück, weil China seine technische Innovationsfähigkeit deutlich schneller steigert. Bedenken Sie: China ist das Land, dessen Regierung vor 37 Jahren noch von den Taschenrechnern fasziniert war, die ich verschenkte. Wo könnte dieses Land wohl in 37 Jahren stehen?

Geistiges Eigentum wird schon seit Menschengedenken gestohlen, und das war seit jeher schwer zu verhindern.

Wie bereits beschrieben, verlangt die chinesische Kultur von ihren Leitfiguren und der Gesellschaft, Entscheidungen überwiegend hierarchisch zu treffen, legt strenge Anstandsregeln an, stellt das kollektive Interesse vor die Interessen Einzelner und fordert, dass jeder seinen Platz kennen und seine Aufgabe korrekt erfüllen und alle, die in der Hierarchie über ihm stehen, mit dem Respekt eines Kindes für seine Eltern behandeln muss. Die Chinesen streben auch eine »Herrschaft des Proletariats« an, was gemeinhin bedeutet, dass Chancen und Erträge breit gestreut werden. Die amerikanische Kultur schreibt ihren Spitzenpolitikern dagegen vor, das Land von unten nach oben zu regieren, fordert ein hohes Maß an persönlicher Freiheit, stellt Individualismus vor Kollektivismus, bewundert revolutionäres Denken und Verhalten und respektiert Menschen nicht wegen ihrer Stellung, sondern wegen der Qualität ihrer Ideen. Diese zentralen kulturellen Werte liegen den verschiedenen Wirtschafts- und Politiksystemen zugrunde, für die sich die Länder entschieden haben.

Diese Unterschiede zeigen sich auch im täglichen Leben. So regelt beispielsweise die eher paternalistische chinesische Regierung, welche Videospiele Kinder spielen und wie viele Stunden am Tag sie spielen dürfen.

Für die Chinesen sind ihre Werte und ihre Wege, diese Werte zu leben, das Nonplusultra – nicht anders als deren Werte und Way of Life für die Amerikaner.

Ebenso glauben sie – wie schon Plato, und wie es in etlichen Ländern vorgemacht wurde –, dass Demokratien in schlechten Zeiten schnell zu dysfunktionalen Anarchien verkommen, wenn sich die Menschen darüber streiten, was zu tun sei, statt sich hinter einen starken, fähigen Staatslenker zu stellen. Ferner sind sie der Ansicht, dass ihr System zur Besetzung von Spitzenpositionen besseren strategischen Entscheidungen für mehrere Generationen Vorschub leistet, weil die Amtszeit jedes Spitzenpolitikers nur ein kleiner Prozentsatz des erforderlichen Zeitraums ist, um auf dem langfristigen Entwicklungsbogen Fortschritte zu erzielen.

Das chinesische Regierungssystem gleicht eher der typischen Geschäftsleitung eines großen Unternehmens, insbesondere eines über mehrere Generationen geführten Familienbetriebs. Daher verstehen sie nicht, warum es den Amerikanern und anderen Westlern so schwerfällt zu begreifen, wieso sich das chinesische System nach diesem Ansatz richtet, und die Problematik demokratischer Entscheidungsprozesse nicht ebenso klar zu erkennen, wie es die Chinesen tun.

Aus diesen Gründen erscheinen die »linken« oder »rechten« Tendenzen eher als Schwankungen um revolutionäre Trends im großen Zyklus denn als zentrale Werte, die sich herausbilden.

Was am besten funktioniert, richtet sich jeweils a) nach den Umständen und b) danach, wie die Menschen, die diese Systeme einsetzen, miteinander umgehen. Kein System arbeitet auf Dauer gut – oder funktioniert überhaupt –, wenn die Einzelnen, die dazugehören, es nicht mehr respektieren als ihre persönlichen Wünsche, und wenn das System nicht so flexibel ist, dass es sich an andere Zeiten anpasst, ohne zusammenzubrechen.

Zu dem Eklat kam es, weil den Amerikanern die Meinungsfreiheit so wichtig ist und weil sie der Ansicht sind, dass eine Organisation nicht für die Handlungen eines Einzelnen bestraft werden sollte. Die Chinesen ihrerseits finden, dass ein solcher Angriff geahndet werden und die Gruppe dafür geradestehen muss, wie sich einzelne Mitglieder verhalten. Leicht vorstellbar, wie aufgrund derart unterschiedlicher tiefer Überzeugungen dazu, wie Menschen miteinander umgehen sollten, aus schwerwiegenderen Vorfällen größere Konflikte entstehen könnten.

Wenn sich die Chinesen in einer überlegenen Position befinden, legen sie in aller Regel Wert auf a) klare Verhältnisse (die untergeordnete Partei soll wissen, dass sie unterlegen ist), b) Gehorsam der untergeordneten Partei und c) darauf, dass der untergeordneten Partei bewusst ist: Ungehorsam zieht Strafe nach sich.

Seit China auf dem Weltparkett agiert, waren die Regierungschefs (und die Bevölkerungen) etlicher Länder schon dankbar für Chinas Akte der Großzügigkeit, aber auch empört über seine harschen Abstrafungen.

Wie ich in Kapitel 6 erläutert habe, sind dumme Kriege oft die Folge eines Eskalationsprozesse der wechselseitigen Retourkutschen, in dem man auf jede Kleinigkeit reagiert, nur um nicht als schwach wahrgenommen zu werden – vor allem wenn auf beiden Seiten niemand wirklich versteht, was den anderen umtreibt. Die Geschichte lehrt uns, dass das vor allem für Imperien im Niedergang ein Problem darstellt, die ungleich schneller zur Waffe greifen als nachvollziehbar, weil jedes Nachgeben als Niederlage gewertet wird.

Ebenso besteht das Risiko, dass unwahre emotionale Äußerungen in den USA und China in Umlauf geraten und eine Atmosphäre schaffen, die der Eskalation Vorschub leistet.

Letztlich wären Spitzenpolitiker und Bürger beider Länder gut beraten, wenn sie anerkennen würden, dass die USA und China in einem Wettbewerb der Systeme und Fähigkeiten stehen.

Wirklich gut für die Zukunft gerüstet ist, wer 1) wahrnimmt, was passiert, und sich anpasst, auch wenn es nicht vorhersehbar war, 2) Wahrscheinlichkeiten für potenzielle Ereignisse ermittelt und 3) genug über möglicherweise eintretende Entwicklungen weiß, um sich vor dem absolut Untragbaren zu schützen, auch wenn das nicht immer hundertprozentig gelingt.

ist es zwar generell durchaus sinnvoll, aus der Vergangenheit zu extrapolieren, doch man muss auch auf Überraschungen vorbereitet sein, weil die Zukunft ganz anders aussehen könnte, als man es erwartet.

In meiner etwa 50-jährigen Investmentkarriere habe ich oft erlebt, wie sich feste Überzeugungen, die sowohl auf früheren Ereignissen als auch auf zum jeweiligen Zeitpunkt logischen Schlussfolgerungen beruhten, als falsch erwiesen.

Wie bereits angesprochen, sind Innovation und Erfindungsgeist eindeutig die Determinanten, die sich am stärksten auf die Situation eines Landes auswirken.

Ich vertrete daher den Standpunkt, dass Erfindungsgeist und steigender Lebensstandard vermutlich deutlich schneller kräftig zulegen werden – wenn sich die Menschheit nicht vorher selbst auslöscht.

Wie ausgewiesen, liegen die USA bei diesen Kenngrößen an der Spitze, ganz knapp vor China, das den zweiten Platz belegt (was vor allem am US-amerikanischen Anteil an globalen Forschungsgeldern und Forschern sowie an der Führungsposition in anderen Bereichen wie Wagniskapitalfinanzierungen liegt). Doch die Position der USA ist eher statisch, während China rasant aufsteigt. Und Sie wissen ja: Wer den Technologiekrieg gewinnt, gewinnt gewöhnlich auch den wirtschaftlichen und den militärischen Krieg.

Auf der Grundlage meiner Auslegung der Geschichte und der aktuellen Lage sowie meiner Auffassung dazu, wie die Wirtschaftsmaschinerie funktioniert, sind die Zahlungszusagen, die auf globale Reservewährungen lauten, allen voran der US-Dollar, zu hoch und wachsen zu schnell an, um in harter Währung beglichen werden zu können. Anders ausgedrückt: Es besteht in diesen Währungen ein Schuldenüberhang, weshalb vermutlich Geld gedruckt werden dürfte, um Schuldendienst und Schuldenwachstum5 zu ermöglichen, und die Zinsen wohl unterhalb der Inflationsrate und der Wirtschafts- und Einkommenswachstumsrate gehalten werden dürften. Daraus geht hervor, dass sich die großen Reservewährungsländer in der Spätphase ihrer Schulden-/Geld-/Kapitalmarkt-/Konjunkturzyklen befinden und dass Wohlstand vermutlich in der einen oder anderen Form vermehrt umverteilt werden dürften – von den sehr Wohlhabenden auf die Bedürftigeren. Dies dürfte nicht auf jedes Land in gleichem Maße zutreffen, doch vermutlich weltweit stattfinden.

Die große Gefahr ist also nicht, dass die großen Schuldner zahlungsunfähig werden, sondern dass die Gläubiger Vermögenswerte halten, deren Wert herabgesetzt wird – also dass die Erträge aus ihren Positionen in Schuldinstrumenten unter der Inflationsrate liegen werden. Ich gehe davon aus, dass ein gewaltiger Vermögenstransfer von Gläubigern auf Schuldner (wie im alttestamentarischen Jubeljahr, erläutert im dritten Kapitel) auf uns zukommt – und zwar aus denselben Gründen wie schon in der Vergangenheit.

Was heißt das für den Dollar (insbesondere) und die übrigen weniger bedeutenden Reservewährungen? Werden sie abgelöst und durch andere ersetzt? Aller Wahrscheinlichkeit nach werden sie analog zum Niedergang früherer Reservewährungen an Bedeutung verlieren: erst über längere Zeit nur langsam, am Ende dann sehr schnell.

Noch haben die Vereinigten Staaten einen technologischen Vorsprung (der jedoch rasch schrumpft). Infolgedessen sind die Chinesen derzeit stärker von importierten Technologien aus den USA und anderen Ländern abhängig, die unter US-Einfluss stehen. Das ist eine große Schwachstelle Chinas, die den Vereinigten Staaten eine effektive Waffe in die Hand gibt.

Es ist nicht nur historisch belegt, sondern auch logisch, dass die führende Reservewährung nur langsam abgelöst wird – aus denselben Gründen, aus denen die führende Weltsprache nur langsam ersetzt wird: weil sie von so vielen Menschen übernommen wurde und untrennbar mit dem System verflochten ist.

Weil der US-Dollar die dominante Währung im Welthandel, im Kapitalverkehr und für Reservebildung ist, ist er die führende Reservewährung der Welt. Dadurch befinden sich die USA in der beneidenswerten Position, dass sie das Geld der Welt drucken und ihre Gegner mit Sanktionen belegen können. Derzeit verfügen die USA über ein Spektrum an Sanktionen, das ihr am häufigsten verwendetes Waffenarsenal darstellt. 2019 waren rund 8.000 US-Sanktionen gegen natürliche Personen, Unternehmen und Regierungen verhängt.

Doch die Vereinigten Staaten laufen aus verschiedenen Gründen Gefahr, ihre Vormachtstellung als Reservewährungsmacht zu verlieren: Die Mengen auf US-Dollar lautender Schuldtitel in den Portfolios von Ausländern (etwa in Form von Zentralbankreserven oder staatlichen Investitionsfonds) sind nach verschiedenen Maßstäben dafür, wie hoch Reservewährungsbestände sein sollten, unverhältnismäßig hoch. Die US-Regierung und die US-Notenbank erhöhen die Menge auf US-Dollar lautender Schuldtitel und die Geldmenge unglaublich schnell, sodass es schwierig werden dürfte, auf ausreichende Nachfrage nach US-Schuldtiteln zu stoßen, ohne dass die Federal Reserve diese in größerem Umfang monetarisieren muss. Gleichzeitig sind die finanziellen Anreize, diese Schuldtitel zu halten, wenig attraktiv, weil die US-Regierung vernachlässigbare Nominalzinsen zahlt und die Realverzinsung negativ ist. Schuldtitel als Tauschmedium oder Wertspeicher zu halten, ist in Kriegszeiten weniger erstrebenswert als in Friedenszeiten. Würde sich daher ein Krieg abzeichnen, würde der Wert von Schuldtiteln (die ein Versprechen auf den Erhalt von Fiatwährung darstellen) und Fiatwährung im Vergleich zu anderen Vermögenswerten zurückgehen. Derzeit ist das kein Problem, doch das könnte sich ändern, wenn die Kriege eskalieren. Dass China US-Schuldtitel im Wert von circa 1 Billion US-Dollar hält, ist ein Risiko, aber kein unbeherrschbares, da das nur rund 4 Prozent der ausstehenden etwa 28 Billionen US-Dollar entspricht (Stand: Mai 2021). Doch weil anderen Ländern klar wird, dass Maßnahmen, die gegen China ergriffen werden, auch gegen sie ergriffen werden könnten, würde jede solche Maßnahme gegen chinesische Positionen in Dollar-Schuldinstrumenten voraussichtlich die mit solchen Anlagen verbundenen Risiken in den Augen ihrer Inhaber erhöhen – und die Nachfrage nach solchen Anlagen drücken. Das ist derzeit kein Problem, könnte allem Anschein nach aber schon bald eines werden. Die Rolle des US-Dollar als Reservewährung hängt stark davon ab, dass er international frei konvertierbar ist. Sollten die USA seinen Verkehr künftig einschränken und/oder eine Geldpolitik verfolgen, die den Interessen der restlichen Welt entgegensteht, würde das die Attraktivität des Dollar als führende globale Reservewährung verringern. Auch das ist derzeit kein Problem, wird aber dazu werden, wenn potenzielle Devisenverkehrskontrollen ins Spiel gebracht werden, wie das gewöhnlich in der nächsten Zyklusphase der Fall ist. Länder, die unter US-Sanktionen leiden, suchen Wege, diese zu umgehen oder die Befugnis der Vereinigten Staaten zu untergraben, solche Sanktionen zu verhängen. So arbeiten beispielsweise Russland und China – beide Gegenstand solcher Sanktionen und durch schärfere künftige Sanktionen bedroht – gemeinsam an der Entwicklung eines alternativen Zahlungssystems. Die chinesische Zentralbank hat eine digitale Währung aufgelegt, die Chinas Gefährdung durch US-Sanktionen verringert.

Die Geschichte lehrt, dass immer dann, wenn a) Währungen unattraktiv werden und b) es keine attraktiven Alternativwährungen gibt, diese Währungen dennoch abwerten und sich das Kapital Wege in andere Anlagen (zum Beispiel Gold, Rohstoffe, Aktien, Immobilien et cetera) sucht. Infolgedessen muss gar keine starke alternative Währung vorhanden sein, damit es zur Abwertung einer Währung kommen kann.

Ausgehend von dem, was wir sicher wissen, ist festzustellen, dass der geopolitische Krieg der Vereinigten Staaten und Chinas im Ost- und Südchinesischen Meer militärisch eskaliert, weil beide Seiten die Grenzen der anderen austesten. China ist in dieser Region militärisch inzwischen stärker als die Vereinigten Staaten, sodass die USA einen dortigen Krieg vermutlich verlieren würden. Weltweit und insgesamt sind die Vereinigten Staaten aber stärker und würden daher einen größeren Krieg vermutlich »gewinnen«.