Letzte Aktualisierung am 04. März 2023.
Diese rechtliche Beurteilung wurde dankenswerterweise vom RA Priv.-Doz. Dr. Bernhard Müller zur Verfügung gestellt.
Hier auszugsweise – gesamter Vortrag (PPT/PDF)
Verfassungsauftrag zur Resilienz
- Souverän ist, wer den Ausnahmezustand beherrscht!
- Der moderne Verfassungsstaat ist auf Dauer angelegt.
- Er muss daher nicht nur in der Normal-, sondern auch in der Ausnahmelage (Krise) bestehen à Verpflichtung zur staatlichen Krisenvorsorge
- Blackout = Versorgungs- und Sicherheitskrise ⇨ Deshalb ist das staatlichen Krisenmanagement gefragt!
Krankenanstaltenpflege als staatliche Pflichtaufgabe im Völkerrecht
- UN-Menschenrechtsschutz:
- Art 25 Abs 1 AEMR
- Art 12 Sozialpakt
- ⇨ Recht auf Zugang zu Gesundheitseinrichtungen à Bestand von Krankenanstalten als spezialisierte Einrichtungen
- WHO-Satzung:
- Genuss des höchsten erreichbaren Gesundheitszustands
- Europäische Sozialcharta:
- Weitgehend unbekannte Konvention des Europarates
- Art 12 und 13 setzen ein System an Gesundheitseinrichtungen einschließlich Krankenanstalten voraus
- Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK):
- Gilt in Österreich im Verfassungsrang
- Art 2: Recht auf Leben à grundrechtliche Gewährleistungsverpflichtungen (auch) zur Sicherstellung der Krankenanstaltenpflege
Haftung für fehlende Vorbereitung?
- Blackout als Ereignis höherer Gewalt à kein Verschulden beim Eintritt?
- Ein etwaiges Verschulden liegt darin, wenn die Grundrechtsverpflichteten nicht die rechtlich gebotenen und ihnen zumutbaren Vorkehrungen zur Aufrechterhaltung eines Notbetriebs getroffen haben
- Kein (allzu) strenger Maßstab und sicherlich KEINE „Erfolgshaftung“?
- Gefordert ist das „Bemühen“ und die „Auseinandersetzung“ mit der Themenstellung:
- Bei vorhersehbaren Gefahren gebietet Art 2 EMRK die entsprechenden Schutzvorkehrungen zu treffen und konkrete Maßnahmen zu setzen:
- Z. B Errichtung von Lawinenschutzbauten
- ⇨ Nichts Anderes kann im Hinblick auf die Blackout-Vorsorge gelten:
- Grundrechte (Art 2 EMRK) sowie Versorgungsauftrag und Betriebspflicht nach KAKuG sind „Schutzgesetze“ iSd § 1311 ABGB:
- Geschädigter muss nur die Übertretung des Schutzgesetzes nachweisen
- Sonst Beweislastumkehr: (widerlegbare!) Vermutung, dass der Schädiger schuldhaft und kausal den Schadenseintritt herbeigeführt hat
Wer haftet?
- Die Länder, weil sie ihren Versorgungsauftrag nicht erfüllt haben:
- Sicherstellung der Krankenanstaltenpflege = Vollziehung der Gesetze
- Schadenersatzanspruch nach dem Amtshaftungsgesetz
- Rechtsträger der Krankenanstalt:
- Haftung nach „normalem“ Zivilrecht
- Es haftet primär der Rechtsträger (Krankenanstaltenbetriebsgesellschaft) und nicht Einzelpersonen
- Zu prüfen: Regressansprüche des Rechtsträgers gegenüber den Organen und unter Umständen auch der kollegialen Führung der Krankenanstalten wegen Organisationsverschulden
Fazit: Welche Verpflichtungen bestehen für wen?
- Aufrechterhaltung des Notbetriebs im Blackout gilt für öffentliche Krankenanstalten ungeachtet der Trägerschaft, d. h. auch private Krankenanstalten mit Öffentlichkeitsrecht
- Rechtfertigung durch Abgangsdeckung und Fondsfinanzierung
- Die Rahmenbedingungen (Koordination) und die Finanzierung dafür ist von den Ländern im Rahmen ihres Versorgungsauftrags sicherzustellen:
- Insbesondere Erarbeitung von Notfallplänen hinsichtlich
- des Betriebs im Blackout
- der Zusammenarbeit von Nachbarkrankenanstalten
- der Zusammenarbeit mit den staatlichen Krisen- und Katastrophenmanagement
- der Sicherstellung der dezentralen Entscheidungsfindung
- Insbesondere Erarbeitung von Notfallplänen hinsichtlich
- Die Umsetzung liegt in der Verantwortung der Rechtsträger bzw. einzelnen öffentlichen Krankenanstalten:
- Schlüsselpersonal und Absicherung deren familiäres Umfeld
- Auseinandersetzung mit dem Szenario in allen Bereichen
- Personenstromregelung
- Katastrophenmedizinische Versorgungsfähigkeit für mindestens 2 Wochen
- Notversorgungsfähigkeit der Patienten und des Personals
- Abstimmung mit den Katastrophenschutzbehörden vor Ort
- Sicherstellung der Wiederaufnahme des Normalbetriebs nach Blackout