Quelle: www.amprion.net
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW haben gemeinsam mit der Schluchseewerk AG den Netzwiederaufbau des Stromnetzes in Süddeutschland geprobt. In dem Versuch am 30. April testeten die Unternehmen erfolgreich ihre Konzepte dafür, nach einem Netzzusammenbruch die Stromversorgung in Süddeutschland wiederherzustellen. Durch den Test konnten wertvolle Daten über das Netzverhalten gewonnen werden, die nun wissenschaftlich untersucht werden.
Die Übertragungsnetzbetreiber Amprion und TransnetBW haben in einem gemeinsamen Test mit der Schluchseewerk AG erfolgreich zwei so genannte Hochfahrnetze in Deutschland aufgebaut und diese anschließend zusammengeschaltet, die die technische Grundlage dafür sind, die Versorgung nach einem Netzzusammenbruch wiederherzustellen. „Der erfolgreiche Praxistest ist ein echter Meilenstein für unsere systemrelevante Infrastruktur“, sagte Amprion-CTO, Dr. Hendrik Neumann. Der Versuch zeige, dass die Modelle und Notfallpläne der Netzbetreiber den anspruchsvollen technischen Anforderungen gewachsen seien. „Der Test belegt auch, dass wir im komplexen System des europäischen Übertragungsnetzes effektiv zusammenarbeiten und auf kritische Situationen wie den Netzwiederaufbau vorbereitet sind.“
Bei dem Test am 30. April bewiesen die drei Unternehmen, dass sie dazu in der Lage sind, ein Netz nach einem vollständigen Netzzusammenbruch wiederaufzubauen und die Versorgung damit wiederherzustellen. „Obwohl ein großflächiger Ausfall der Stromübertragungsnetze äußerst unwahrscheinlich ist, ist es Teil unserer Verantwortung, uns darauf vorzubereiten. Nun steht fest: Die Kommunikation und Abläufe funktionieren auch in der Praxis einwandfrei“, stellte TransnetBW-CTO, Michael Jesberger fest.
Training und Tests erfolgten bislang in komplexen Simulationen, die Bedingungen nach einem Netzzusammenbruch darstellen. Bei diesem Praxistest konnten die Unternehmen jedoch unter realen Bedingungen ihr Vorgehen erproben. „Beide Übertragungsnetzbetreiber haben einen Teil des Netzes aus dem Verbundnetz herausgelöst, komplett heruntergefahren und erfolgreich von null wieder aufgebaut“, so Jesberger.
EIN TEST IN DREI SCHRITTEN
Der Praxistest fand in drei Phasen statt. Nachdem ein Teil des Netzes komplett heruntergefahren wurde, starteten die Pumpspeicher der Schluchseewerk AG den Wiederaufbau, indem sie aus eigener Kraft hochfuhren. Als schwarzstartfähige Kraftwerke garantieren sie den Übertragungsnetzbetreibern TransnetBW und Amprion, dass sie im Fall eines Netzzusammenbruchs Energie liefern können. „Der Praxistest verdeutlicht einmal mehr die Systemrelevanz von Pumpspeicherkraftwerken, die schnell und in großen Mengen Strom bei Bedarf ins Netz leiten oder – bei Überschuss – aus dem Netz ziehen können“, betont Schluchseewerk-Vorstand Nicolaus Römer.
Nachdem die Kraftwerke wieder hochgefahren waren, setzten sie jeweils ein Hochfahrnetz von Amprion und von TransnetBW unter Spannung. Dies ist der erste Schritt, um das Netz wieder in Betrieb nehmen zu können. Nach der erfolgreichen Spannungsfahrt startete der Aufbau des vollständigen Hochfahrnetzes.
INTENSIVE VOR- UND NACHBEREITUNG
Der Aufbau des Versuchs unter der Projektleitung von Amprion erstreckte sich – auch bedingt durch die Corona-Pandemie – über vier Jahre. Die Unternehmen wurden dabei vom Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiemanagement der TU Kaiserslautern unterstützt. Dabei war die intensive Abstimmung zu technischen und organisatorischen Fragen zwischen den beteiligten Häusern nur ein Teil der Arbeit. Zusätzlich waren Verteilnetzbetreiber und andere Netznutzer in die Vorbereitung eingebunden, damit der Praxistest die Versorgung an keiner Stelle einschränkte. Darüber hinaus bereiteten die Netzbetreiber auch eine intensive analytische Begleitung des Hochfahrnetzes vor. Die Möglichkeit, ein Hochfahrnetz zu erproben, eröffnete auch die Chance, entsprechend aufwendige Messungen in einem solchen Netz zu machen. So sammelten die Unternehmen in allen Teilen des Netzes Daten, die nun gemeinsam mit dem Lehrstuhl Elektrische Energiesysteme der Universität Duisburg-Essen analysiert und aufbereitet werden.
ZUM HINTERGRUND:
Nach einem Netzzusammenbruch bauen die Übertragungsnetzbetreiber die Versorgung in mehreren Schritten wieder auf. Dazu nutzen sie vorkonzipierte Netze, sogenannte Hochfahrnetze. Hierbei werden einzelne Abschnitte des Netzes, ausgehend von schwarzstartfähigen Kraftwerken, schrittweise zusammengeschaltet und stabilisiert, bis das gesamte Verbundnetz wieder in Betrieb ist. Beim Aufbau werden Schritt für Schritt neue Lasten und neue Erzeuger an dieses Hochfahrnetz angeschlossen. Auch beim Wiederaufbau müssen Einspeisung und Entnahme immer im Gleichgewicht bleiben – für jede neue Energiequelle muss gleichzeitig ein neuer Energieverbraucher zugeschaltet werden.
Während des parallelen Tests haben die Systemführungsingenieurinnen und -ingenieure von Amprion und TransnetBW diese Balance im eigenen Netz gehalten und dabei mit dem anderen Netzgebiet kooperiert und sich gegenseitig unterstützt. Die Schluchseewerk AG bewies, dass sie die Leistung ihrer Pumpspeicherkraftwerke in enger Abstimmung mit den Netzbetreibern zum Netzwiederaufbau einsetzen kann.
Kommentar
Solche Tests sind in Österreich schon länger Standard und waren bisher von deutschen Netzbetreibern nicht bekannt. Daher wurde hier ein wichtiger Schritt gesetzt. Die Frage ist, wie das weiter nördlich funktioniert, wo es keine Pumpspeicherkraftwerke gibt. Auch wenn der Test sehr erfolgreich verlaufen zu sein scheint, sei hier auch auf die 4-jährige Vorbereitungszeit hingewiesen! Was wäre passiert, wenn es schon vorher zu einem Schwarzfall gekommen wäre? Zum anderen sind solche Tests wichtig, sie sollen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein tatsächliches Hochfahren eines Kundennetzes nochmals eine völlig andere Nummer ist! Den das Verhalten der Kundenanlagen im großen Stil lässt sich kaum simulieren, weil es dazu bei uns keine wirklichen Erfahrungen gibt.
Danke für die Info. Klingt erst einmal toll. Aber:
Zitat:
„Nun steht fest: Die Kommunikation und Abläufe funktionieren auch in der Praxis einwandfrei“, stellte TransnetBW-CTO, Michael Jesberger fest.“
Welche Art Kommunikation war denn das? Boten zu Pferd? Im echten Blackout gibt es über die bekannten Kommunikationskanäle keinerlei Kommunikation mehr. Aber vielleicht weiß Herr Saurugg hier mehr. Nur schade, dass diese Meldung gepostet wurde.
Dies erinnert mich an das aktuell neu geplante, schwarzstartfähige Gaskraftwerk Dradenau – ich glaube in in Geesthacht bei Hamburg -, das in einem umfänglichen Blackout vermutlich nutzlos ist. Denn wie kommen ohne Strom die Gasleitungen unter Druck, um dieses hochzufahren?
Link:
https://www.zeit.de/hamburg/2022-06/elbvertiefung-14-06-2022?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fzustimmung%3Furl%3Dhttps%253A%252F%252Fwww.zeit.de%252Fhamburg%252F2022-06%252Felbvertiefung-14-06-2022
Danke für Ihr berechtigtes Kommentar, das ich nur unterstreichen kann. Es war zumindest mal ein erster praktischer Test, den ich in Deutschland bisher immer vermisst habe.
Es bleiben viele Fragen offen …