In den vergangenen Monaten hat sich wieder einiges getan. Mehrfach wurde 2019 ein drohender Kollaps des europäischen Stromversorgungssystems abgewendet. Von neun sicherheitsbedenklichen bis -kritischen Ereignissen führten acht an die Grenzen der Stabilität des Verbundsystems. Ein weiterer Vorfall ließ das Haupt- und Backup-System des europäischen Stromhandels für mehrere Stunden ausfallen. Im Juni haben die Nachbarländer Deutschlands einen Kollaps verhindert, da infolge fehlerhaftem Verhalten von Bilanzkreisverantwortlichen große Leistungsmengen fehlten. Es wurde fast die 3-fache Leistung der vorgehaltenen Reserve zur Deckung dieser Stromlücke benötigt. Einmal mehr hat sich das Verbundsystem bewährt und seine positive Seite gezeigt! Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es derartige Vorfälle bisher nicht gab. Sie sollten daher als „schwache Signale“ sehr ernst genommen werden. Die Netzbetreiber haben wie bisher eine hervorragende Arbeit geleistet, um Schlimmeres zu verhindern. Jedoch wird es immer schwieriger und aufwendiger!
Doch sollte uns klar sein, dass es Dinge gibt, die eintreten können, auch wenn wir das vorher nicht glauben wollen. Das hat etwa die schwerwiegende Großstörung im britischen Stromnetz am 9. August 2019 wieder einmal gezeigt: Es mussten über eine Million Kundenanlagen durch Automatiken abgeworfen werden, um ein Blackout zu verhindern. Der damit ausgelöste Stromausfall dauerte für die betroffenen Kunden zwischen 15 und 45 Minuten. Die dadurch ausgelösten Störungen in anderen Bereichen dauerten jedoch noch wesentlich länger. Hunderte Züge waren betroffen und bei 30 Zügen mussten sogar Servicetechniker zu den liegen gebliebenen Zügen kommen und diese manuell neu starten. Alles in allem ist der Vorfall glimpflich ausgegangen, auch wenn immer wieder in den Untersuchungsberichten betont wird: This, again, should not have happened. Ausgelöst wurde eine Verkettung von Ereignissen durch einen Blitzeinschlag in einem Umspannwerk. Grundsätzlich ein Routineereignis. Drei Unternehmen wurden vom Regulator zu einer Strafzahlung von 12 Millionen Euro verdonnert.
Verbesserungsmöglichkeiten erkannt
Diese Störung hat aber auch neue und wichtige Erkenntnisse für die Zukunft gebracht, um mit Hilfe des technologischen Fortschrittes das Risiko von Stromausfällen mindern zu können. Hier wurde offenbar, dass in Batteriespeichern bevorratete Energie zusammen mit entsprechend programmierter Leistungselektronik so rasch zur Systemstützung beitragen kann, wie dies mit keinem der konventionellen Kraftwerke möglich ist. Grundlage dazu war die Erkennung des Frequenzeinbruches infolge des ersten Kraftwerksausfalles. Offenbar erfolgte im Sekundenbereich eine Rückspeisung aus den vorhandenen Batteriespeichern ins Gesamtsystem mit einer Leistung von fast 500 MW.
Wenn an vielen Stellen im Netz derartige systemdienliche Einrichtungen rasch und mit entsprechend großer Leistung reagieren können, könnten derartige Situationen künftig beherrscht werden. Damit gewinnt die Bevorratung von zufließender Sonnenenergie in vielen und möglichst flächenhaft verbreitenden Speichern einen bisher nicht erkannten Gewinn bei der Risikovorsorge, der rein finanzielle Betrachtungen in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen. Rasch reaktionsfähige Speicher (Puffer) sind in einer zunehmend durch Volatilität gekennzeichneten Erzeugungslandschaft unverzichtbar. Dennoch wird diesem Aspekt noch viel zu wenig Augenmerk geschenkt, wie auch in dieser Dokumentation aufgezeigt wurde: Fehlende Systemsicht: Engpass Speicherkraftwerke. Ähnliches betrifft die PV-Anlagen, die nur mehrinselbetriebsfähig errichtet werden sollten, damit diese auch bei Netzausfall eine Not(strom)versorgung sicherstellen können. Hier ist noch ein breites Umdenken erforderlich.
Anpassung dringend erforderlich
Auch die Störung des österreichischen Notrufsystems am 14. Oktober 2019 hätte nicht passieren dürfen. Genauso wenig wie die unzähligen schweren Cyber-Sicherheitsvorfälle in Krankenhäusern, Gemeinden oder Unternehmen. Hinzu kommen aktuelle Meldungen über massive Sicherheitslücken in Kraftwerken. Leider oft zu beobachtende Reaktion auf bisherige Vorfälle: Alles schrecklich, aber man kann eh nichts tun. Weiter wie bisher. Leider falsch und ganz im Gegenteil: Wenn wir nicht völlig unvorbereitet erwischt werden wollen, dürfen wir uns nicht nur auf das Verhindern konzentrieren, sondern müssen uns auch mit der möglichen Schadensbewältigung beschäftigen. Das beginnt im Kleinen, in den Unternehmen und Gemeinden im Umgang mit Cyber-Angriffen und geht bis zur umfassenden Blackout-Vorsorge!
Österreich zählt wohl wie Südtirol mittlerweile zu den Vorreitern in Europa was eine umfassende Blackout-Vorsorge betrifft. Hier hat sich im vergangenen Jahr doch einiges getan, auch wenn noch viel zu tun bleibt! Denn im Anlassfall zählt nur das Gesamte und nicht nur optimierte Einzelteile! Zunehmend mehr Gemeinden und Unternehmen greifen das Thema auf und thematisieren es zumindest einmal. Wir benötigen aber noch viele Nachahmer, um eine wirkliche Breitenwirksamkeit zu erreichen.
MitarbeiterInnen-Information unverzichtbar
Wie leider immer wieder noch zu beobachten ist, wird bei der Blackout-Vorsorge all zu oft noch auf die MitarbeiterInnen vergessen bzw. als Eigenverantwortung abgetan. Wenn sich aber die eigene Familie nicht ausreichend selbst versorgen kann, werden die MitarbeiterInnen nicht zum Einsatz oder ins Unternehmen kommen. Es geht auch nicht nur um die Zeit des Stromausfalls, sondern um einen zumindest 1-2 wöchigen Notbetrieb (Phase 2!) nach einem solch einschneidenden Ereignis. Dieser Notbetrieb kann auch deutlich länger dauern, wenn wir es nicht rechtzeitig schaffen, die Systeme wieder hochzufahren! In der Regel werden die Wiederanlaufzeiten deutlich unterschätzt!
Eine Umfrage in einer Einsatzorganisation hat ergeben, dass man nur mit rund 1/3 des Personals fix rechnen kann. Zumindest in den ersten Tagen. Daher ist es umso wichtiger, dass die MitarbeiterInnen immer wieder auch mit der notwendigen Eigenvorsorge konfrontiert werden. In Feldbach haben dazu alle MitarbeiterInnen ein Schreiben vom Bürgermeister bekommen. Dieses Musterschreiben kann auch für alle anderen Organisationen herangezogen werden. Derzeit laufen mit weiteren großen Organisationen Gespräche, um diese Sensibilität auch in anderen Bereichen zu schaffen.
Wie mehrere Veranstaltungen im Gesundheitsbereich im letzten Jahr gezeigt haben, gibt es auch hier noch sehr viel zu tun, wenn wir wollen, dass eine Notversorgung aufrechterhalten werden kann. Nicht immer wird es so glimpflich ablaufen, wie beim 35-stündigen Stromausfall in einem Pflegeheim im Herbst 2019. Erfreulich ist, dass auch in diesem Bereich die Sensibilität steigt.
Arbeitsmappe für Gemeinden
Im Herbst 2019 wurde die Blackout-Arbeitsmappe für Gemeinden des Zivilschutzverbandes Steiermark fertig und allen steirischen Gemeinden zur Verfügung gestellt. Derzeit laufen zwischen den Zivilschutzverbänden Verhandlungen, ob diese Arbeitsmappe nicht auch für die anderen Bundesländer übernommen werden kann.
Leider gibt es bisher keine öffentlich frei zugängliche Version. Diese Arbeitsmappe enthält rund 300 Fragestellungen, die für eine Gemeinde bei der Blackout-Vorsorge relevant sein könnten. Sie ist damit das umfangreichste und holistische Werk, das es bisher zu diesem Thema gibt. Als vorläufige Alternative steht weiterhin ein abgespeckter Leitfaden „Blackout-Vorsorge in der Gemeinde“ zur Verfügung.
Nutzen Sie diese Hilfestellungen, um auch in Ihrer Gemeinde mal nachzufragen, wie es etwa mit der Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung aussieht.
Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2020
Hier ein aktuelles Zitat aus der Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2020 des österreichischen Bundesheeres:
Unter den technologischen Risiken nimmt das »Blackout«, ein überregionaler, länger anhaltender Stromausfall, eine herausragende Stellung ein. So ist nach Meinung der Experten die Wahrscheinlichkeit des Eintretens in den nächsten fünf Jahren mittlerweile sehr hoch. Zur hohen Wahrscheinlichkeit trägt die Mixtur aus Extremwetter, menschlichem Versagen, Cyberangriffen, Erdbeben oder einfach einer Komplexitätsüberlastung wesentlich bei. Da in Österreich weder der Staat noch die Bevölkerung auf dieses Szenario vorbereitet sind, besteht die Gefahr, dass der über Jahrzehnte aufgebaute Wohlstand binnen weniger Tage zerstört wird.
Dies gilt natürlich keineswegs nur für Österreich. So gut wie überall ist die Risikovorsorge selbst risikobehaftet und damit wächst die Gefährdung unserer Lebensgrundlage.
Österreichisches Regierungsübereinkommen 2020
Das Thema Blackout hat es auch in das neue österreichische Regierungsübereinkommen geschafft: „Stärkung des Zivilschutzes und der Eigenvorsorge bzw. des Selbstschutzgedankens in der Bevölkerung in Not- und Krisensituationen (z.B. Naturkatastrophen oder zivilisationsbedingte Gefahren wie Blackout); rechtliche Verankerung des Zivilschutzes und Sicherstellung der Basisfinanzierung“. Nun müssen nur noch entsprechende Taten folgen.
Internationales D-A-CH-L-Treffen zu „Strommangellage/Blackout“ in Wien
Anfang 2020 gab es in Wien ein internationales Treffen zum Thema „Strommangellage/Blackout“ mit einer überraschend offenen Klarstellung:
Es wurde deutlich, dass neue und innovative Wege im Katastrophenschutz für den Umgang mit „vernetzten Krisen“, wie jener einer Strommangellage oder eines Blackouts, notwendig sind. Die Experten unterstrichen, dass die bisherige Art der Herangehensweise und Problembetrachtung – bisher diente die Vorgehensweise im Falle von Naturkatastrophen als „Vorlage“ – nicht auf alle Herausforderungen anwendbar ist. So bedürfe es neuer Methoden bzw. Ansätze sowie einer verstärkten Bewusstseinsbildung und Einbeziehung der politischen Ebene, um umfassende, vorbereitende Maßnahmen setzen zu können.
Dazu sei es jedoch notwendig, auch in der Bevölkerung ein Risikobewusstsein zu schaffen, um gleichzeitig das Verantwortungsgefühl für den Selbstschutz und die damit verbundene Eigenbevorratung und Resilienz zu stärken. Das wiederum würde auch die Effektivität der Krisenbewältigung von staatlicher Seite deutlich unterstützen.
Der Prozess der Öffentlichkeitsarbeit und die diesbezügliche Koordination durch die verantwortliche Behörde gegenüber den Partnerbehörden, kritischen Infrastruktureinrichtungen und involvierten Organisationen muss in der Krise effizient verankert werden, um so einen wesentlichen Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten.
Weiterführende Informationen
Neue Leitfäden für die Vorsorge
In den letzten Monaten sind wieder neue Hilfestellungen für die Blackout-Vorsorge entstanden:
- Leitfaden „Blackout-Vorsorge in der Gemeinde“
- Beiträge für die Gemeindezeitung
- Konzept „Lokale Notradiosender“ (erweitert und angepasst)
- Musterschreiben an die MitarbeiterInnen zur Sensibilisierung und Erhöhung der Eigenvorsorge (Beispiel Feldbach)
- Leitfaden „Die Gesundheits(not)versorgung während eines Blackouts“ (überarbeitet)
Meine PV Anlage sendet genug Energie um einige Tage zu überbrücken. Nur sollte da im Interesse der PV Betreiber auch die Möglichkeit geschaffen werden, Back Up Anlagen kostengünstig zu Investieren.
Noch sitzen die Energieanbieter auf dem Hohen Ross. Bei Vertragsänderungen steht unten ganz klein gedruckt: „falls sie mit der Änderung einverstanden sind, brauchen sie nichts zu tun. Falls nicht dann teilen sie uns das mit und wir trennen das Netz zu ihnen innert 3 Wochen.