Quelle: nzz.ch
Der Epidemienforscher Christian Althaus:
Es geht aber nicht nur um die zu erwartenden Todesfälle, sondern auch um die drohende Überlastung der Spitäler.
Deshalb muss auch die Schweiz mit beträchtlichen Konsequenzen für die Gesundheit, die Wirtschaft, die Mobilität und das gesellschaftliche Leben rechnen.
Sie kritisieren das BAG harsch und sprechen von einer «unverantwortlichen Fehleinschätzung der Gefährlichkeit» des Coronavirus. Die Aussage, die Gefährlichkeit sei etwa so hoch wie bei einer saisonalen Grippe, ist absurd und basiert nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Fast alle internationalen Experten, auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO), sehen das komplett anders. Die Chinesen, die auch etwas von der Sache verstehen, hätten sicher nicht all die Massnahmen wie die Abriegelung ganzer Städte getroffen, wenn die Sterblichkeit wie bei einer Grippe wäre.
Aber auch viel mehr schwere Erkrankungen sind möglich, was das Gesundheitssystem an den Anschlag bringen kann. Das Gefährliche beim neuen Coronavirus ist, dass es keine Immunität in der Bevölkerung gibt. Das kann dazu führen, dass sich vielleicht 30, 40 Prozent oder mehr der Leute anstecken.
Es könnte also drei Millionen Infizierte in der Schweiz geben. Bei einer Sterblichkeit von einem Prozent sprechen wir von 30 000 Toten. Ja. Ein solches Worst-Case-Szenario ist nicht ausgeschlossen.
Ein Menschenleben ist ein Menschenleben. Und dennoch: Die neue Krankheit betrifft vor allem ältere Leute, die oft schon geschwächt sind. Das relativiert doch die Gefahr des Virus. Es ist sicher eine gute Nachricht, dass junge Erwachsene und Kinder in den allermeisten Fällen eine milde Erkrankung durchlaufen.
Die Sterblichkeit zu beurteilen, ist sehr schwierig. Das zeigte sich 2009 bei der Grippepandemie, die auch unter dem Namen Schweinegrippe bekannt ist. Im Nachhinein stellten sich die ersten Einschätzungen als viel zu pessimistisch heraus. Haben Sie nicht die Hoffnung, dass dies nun auch so sein könnte? Ich wäre sehr froh, wenn ich und all die anderen Experten total falsch liegen würden. Die Wahrscheinlichkeit ist aber leider sehr klein. 2009 hat man anfänglich überreagiert, das kann man rückblickend sagen. Nur sind wir derzeit in einer komplett anderen Situation. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) diese Geschichte nachwirkt. Deshalb geht man dort, wohl aus einem Bauchgefühl heraus, davon aus, dass die heutige Epidemie ähnlich verlaufen wird wie jene vor elf Jahren.
Durch eine Verlangsamung der Ausbreitung würde man Zeit gewinnen, um den Anstieg der Patientenzahlen in den Spitälern besser zu verkraften.
Pandemien sind eine der grössten Gefahren für unsere Gesellschaft, grösser wohl als Terrorismus oder Krieg.
Virologe: Behörden in Europa reagieren zu gemächlich
Quelle: www.deutschlandfunk.de
Gesundheitsminister Jens Spahn habe den Ernst der Lage nicht früh genug erkannt, sagte Virologe Alexander Kekulé im Dlf. Seine Behörden würden das Coronavirus immer noch harmloser als die Grippe darstellen. Das Virus sei aber für den Infizierten zehn Mal gefährlicher als eine Grippe-Infektion.
Natürlich ist es so, dass die Grippe in mancher Saison in Deutschland mehrere Tausend – es gab sogar mal einen Fall, wo es über 20.000 Tote verursacht. Ja, das macht die Grippe, aber man muss das immer ins Verhältnis stellen. Wir haben in Deutschland natürlich auch über zehn Millionen Infizierte gehabt in dem Jahr, wo es mal so hoch war. Wenn Sie das dann runterrechnen, ist die Sterblichkeit der Grippe bei 0,1 Prozent oder eins zu 1.000, und zwar maximal eins zu 1.000, und die Sterblichkeit von diesem Coronavirus liegt bei 0,5 bis 1,5 Prozent, irgendwo in dem Bereich, das heißt, ich sag mal so grob eins zu 100. Das heißt, das Virus ist für denjenigen, der die Infektion bekommt, zehnmal gefährlicher.
Wir haben auch keinen Impfstoff, wir haben kein Medikament im Gegensatz zur Grippe, und deshalb sehe ich das überhaupt nicht, warum man das bisher so auf die leichte Schulter genommen hat.
Also wenn man in der U-Bahn oder woanders etwas angefasst hat, was jemand angehustet haben könnte, danach wasche ich mir die Hände. Dieser Mundschutz – vielleicht darf ich das noch loswerden – auf der Straße ist natürlich sinnlos.