Quelle: www.staedtebund.gv.at – ÖGZ/06/2020 – Das Magazin des Österreichischen Städtebundes
Die COVID-19-Krise überschattet seit März so gut wie alles. Auch wenn Klimawandelanpassung oder Blackout-Vorsorge momentan in den Hintergrund gerückt sind: Die massive Trockenheit belastet nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Stromversorgung. BürgermeisterInnen stehen in der Verantwortung, für Krisensituationen vorzusorgen.
Im Jänner 2020 stellte das Österreichische Bundesheer im Rahmen seiner sicherheitspolitischen Jahresvorschau fest, dass binnen der nächsten fünf Jahre mit einem europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“) zu rechnen sei. Die Eintrittswahrscheinlichkeit einer Pandemie wurde deutlich geringer eingeschätzt. Wie rasch sich Dinge ändern können … Die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Blackouts steigt sogar mit dem Lockdown und dem erwartbaren Wirtschaftseinbruch.
Das Thema Personalsicherheit und -verfügbarkeit wird durch die Energiewirtschaft umfassend adressiert. Das ist aber nur ein mögliches Problem. Viel gravierender ist, dass die gesunkene Stromnachfrage die Systemstabilität gefährdet, da systemkritische Elemente aus dem Markt gedrängt werden. Dabei ist immer die europäische und nicht nur die österreichische Situation zu betrachten. Die Netzbetreiber leisten tagtäglich hervorragende Arbeit. Aber es wird immer schwieriger. Hinzu kommt, dass sich mit den gesunkenen Strompreisen Investitionen in die Infrastruktur und damit Zukunft kaum rechtfertigen lassen. Besonders für die Energiewende unverzichtbare Investitionen in Speichersysteme werden sich weiter verzögern.
Aber auch die massive Trockenheit führt dazu, dass viele Wasserkraftwerke nur mehr reduziert Strom produzieren können. Sollten die Niederschlagsmengen in Europa nicht deutlich steigen, ist zu befürchten, dass thermische Kraftwerke wieder ein Kühlproblem bekommen. Daher ist die Blackout-Gefahr real und eine Vorsorge dringend geboten.
Verwundbare Versorgungsketten
Wie schnell unsere Versorgungsketten an die Grenzen geraten, haben wir in Einzelbereichen in Folge der Coronakrise erleben dürfen. Leere Regale und Lieferengpässe waren für viele Menschen bisher unvorstellbar. Dabei hat eigentlich alles funktioniert, nur die erhöhte Nachfrage konnte nicht rasch genug gedeckt werden. Nehmen wir das Beispiel Germ: Grundsätzlich wurde genug produziert, da Germ aber zum Verpacken von Wien nach Deutschland geschickt wird, kam es zu einem Flaschenhals und somit zu ein geschränkter Verfügbarkeit. Das ist ein sehr einfaches Produkt. Es ist zu befürchten, dass es in den kommenden Monaten aufgrund der überregionalen und globalen Lieferketten häufiger zu Ausfällen kommen wird. Denn die hoch optimierte Just-in-time-Logistik hat aus Kostengründen nur sehr wenig Puffer. Das war aktuell etwa im Bereich der medizinischen Schutzausrüstung zu spüren, auch wenn einige Probleme hausgemacht waren, da zu spät reagiert wurde und die Vorsorge unzureichend war.
Vorkehrungen treffen
Während eine Pandemie eine schleichende Krise darstellt, wo noch viel koordiniert und ad hoc organisiert werden kann, bedeutet ein Blackout einen abrupten Zusammenbruch der Versorgung und damit der Gesellschaft. Damit sind die Gemeinden sofort und unmittelbar betroffen. Hilfe von außen wird kaum bis gar nicht möglich sein. Die BürgermeisterInnen stehen an vorderster Front, Städte und Gemeinden müssen die Hauptlast bei der Blackout-Vorsorge und Bewältigung tragen.
Diese wird aber nur funktionieren, wenn die Bevölkerung aktiv in die Vorsorge eingebunden wird, da niemand derart vielen Menschen helfen kann. Das erfordert eine wirksame Risikokommunikation und klare Aufforderung zur Eigenvorsorge. Hier wurde in den letzten Wochen eine Chance vertan. Denn im Zuge der „Hamsterkäufe“ wurde vielfach kommuniziert, das sei unnötig und falsch. Gleichzeitig war das eine normale Reaktion von Menschen, die bisher nicht vorgesorgt haben und sich nun zu Recht sorgten und überreagierten. Wenn sich jemand bereits in der Krise befindet, kommt es zu einem „Tunnelblick“ und für Außenstehende zu einem irrationalen Verhalten. Daher ist es jetzt umso wichtiger, die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Eigenvorsorge zu kommunizieren. Viele Menschen werden das jetzt aufgrund der jüngsten Eindrücke auch besser annehmen.
Vorbildwirkung
Die persönliche Vorsorge möglichst vieler ist die Voraussetzung, damit organisatorische Maßnahmen greifen können. Das Personal der Einsatzorganisationen, Unternehmen oder Kommunen selbst ist oft nicht besser vorbereitet als der Rest der Gesellschaft. So rechnet etwa ein Drittel der Bevölkerung damit, dass sie sich spätestens am vierten Tag nicht mehr ausreichend selbst versorgen kann. Nach einer Woche betrifft das bereits zwei Drittel der Menschen. Wenn sie aber zu Hause nicht mehr ausreichend zu essen haben oder die Wasserversorgung ausfällt, werden sie nicht in ihre Organisation kommen, um dort wichtige Aufgaben zu übernehmen. Ein Teufelskreis beginnt.
Gerade Städte und Gemeinden können durch eine positive Vorbildwirkung ihre BürgerInnen zum Mitmachen und zur Eigenvorsorge bewegen. Wenn die Verwaltung das Thema entsprechend kommuniziert, machen sich mehr Menschen darüber Gedanken. Ein besonders positives Beispiel ist die südoststeirische Stadtgemeinde Feldbach, in der in den vergangenen Jahren sehr viele Maßnahmen gesetzt wurden und auch die Bevölkerung aktiv eingebunden wurde (www.feldbach.gv.at/blackout). Diese Vorsorgemaßnahmen haben sich bereits bei der Bewältigung der Coronakrise bewährt. Die vorbereiteten dezentralen Anlaufstellen, sogenannte Selbsthilfe-Basen, wurden wie im Blackout-Fall darauf vorbereitet, um einen allfälligen Pflegenotstand bestmöglich vor Ort bewältigen zu können. Zum anderen hat sich gezeigt, dass sich die Bevölkerung wider oftmals geäußerten Befürchtungen kooperativ und solidarisch verhalten hat. Je besser wir uns darauf vorbereiten, desto länger ist mit einem solchen Verhalten zu rechnen. Das ist auch das wesentliche Ziel jeglicher Vorsorgemaßnahmen: Den Zeitpunkt, an dem der soziale Zusammenhalt kippt, hinauszuschieben.
Drei Phasen eines Blackouts
Immer mehr Kommunen setzen sich mit dem Thema Blackout auseinander, allerdings oft nur mit der ersten Phase, also der Zeit des Stromausfalls, was deutlich zu kurz greift. Denn es geht nicht um einen Sprint, sondern um einen Marathonlauf. Wir sollten erwarten, dass ein breiter Wiederanlauf der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern nicht vor der zweiten Woche beginnen wird. Daher sollten wir uns auf einen zumindest zweiwöchigen Notbetrieb (Phase 2 und Beginn der Phase 3) einstellen. Das muss aber bereits von Beginn an so geplant und durchgeführt werden. Ansonsten werden die Ressourcen nach wenigen Tagen zu Ende sein. Hier schließt sich der Kreis zur persönlichen Vorsorge: Wenn das notwendige Personal nicht ausreichend selbst vorgesorgt hat, wird es nicht für diese wichtigen Aufgaben des Wiederanlaufes zur Verfügung stehen.
Lokale Ressourcen
Wie sich immer wieder herausstellt, gibt es auf den lokalen Ebenen viele Ressourcen für eine Krisenbewältigung. Derzeit entstehen Initiativen zur Versorgung mit regionalen Lebensmitteln oder für die Nachbarschaftshilfe. Sie sollten gefördert und unterstützt werden, da sie zur regionalen Robustheit beitragen. Durch rechtzeitige Vorkehrungen kann so im Blackout-Fall auch eine Notversorgung aufrechterhalten werden. Denn ohne Kommunikationsmöglichkeiten funktionieren auch digitale Märkte kaum.
Ganz wichtig ist diese Vorbereitung bei verderblichen Waren, die ein zusätzliches Sicherheitsproblem schaffen, wenn die Entsorgung nicht funktioniert. Oft sind nur wenige Vorbereitungen notwendig, um eine geordnete Abgabe sicherstellen zu können. Diese wird aber nicht allein durch das Verkaufspersonal organisiert werden können. Hier ist wieder eine rasche und enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde erforderlich, die bereits jetzt abgestimmt werden muss.
Schutz von wichtigen Einrichtungen
Der Schutz von wichtigen Einrichtungen vor Zerstörung gehört zu den zentralen Aufgaben in einer Gemeinde. Aufgrund des schlechten Vorsorgegrades ist zu erwarten, dass verzweifelte Menschen relativ bald versuchen, Lebensmittel zu organisieren. Werden Verkaufsflächen, etwa Supermärkte, einmal zerstört, dauert es erheblich länger, bis dort wieder eine geordnete Versorgung anlaufen kann. Dadurch wären noch viel mehr Menschen betroffen.
Da nicht ausreichend Sicherheitskräfte zur Verfügung stehen werden, muss die Bevölkerung eingebunden werden. Einerseits durch die Propagierung von entsprechenden Vorsorgemaßnahmen und zum anderen etwa durch Abhaltewirkung – wenn sich organisiert Menschen vor Supermärkten aufhalten, erhöht das die Hemmschwelle. Wenn alle Menschen, die bereit sind zu helfen, eine Warnweste tragen, wird zudem die Sichtbarkeit von Strukturen deutlich erhöht. Damit steigt auch das Sicherheitsgefühl, was für die Krisenbewältigung sehr wichtig ist. Die Selbstorganisation in lokalen Strukturen ist im Fall eines Blackouts von zentraler Bedeutung.
Kreativität
Menschen sind kreativ, wenn sie verstanden haben, was alles auf dem Spiel steht. In Feldbach funktioniert etwa die Fernwärmeproduktion auch bei einem Netzausfall. Jedoch nicht die Abnahme in den Häusern, da die Umwälzpumpen nicht funktionieren. Daher wurden nun Servicefahrzeuge der Gemeinde mit stärkeren Lichtmaschinen und Batterien sowie mit einem Wechselrichter für eine fahrzeuggebundene Notstromversorgung ausgestattet. In den gemeindeeigenen Wohnhäusern wurden bei den Umwälzpumpen einfache Steckverbindungen montiert, so kann mit einem Verlängerungskabel die Notstromversorgung zwischen Auto und Pumpe hergestellt werden. Im rollierenden Betrieb wird damit sichergestellt, dass die Häuser nicht auskühlen. Mit den aufgerüsteten Servicefahrzeugen kann auch ein verbesserter Alltagsbetrieb bei Reparaturarbeiten sichergestellt werden. Ein gutes Beispiel, wie mit einfachen Überlegungen ein mehrfacher Nutzen geschaffen werden kann.
Wasserver- und Abwasserentsorgung
Wie sich ebenfalls in Feldbach gezeigt hat, wird die Problematik bei der Wasserver- und Abwasserentsorgung häufig unterschätzt. Bei Projektbeginn stellte sich heraus, dass binnen 24 Stunden rund 400 Keller durch Kanalabwässer überflutet würden! Mittlerweile wurden 43 von 46 Wasser- und Abwasserpumpstationen mit einer Notstromeinspeisemöglichkeit ausgestattet und mobile Zapfwellengeneratoren beschafft. Nun kann im rollierenden Betrieb die Wasserver- und Abwasserentsorgung im Gemeindegebiet aufrechterhalten werden. Bei der Wasserversorgung kommt es häufig zu Überraschungen.
Die Wasserverbände sind gut aufgestellt, aber das Problem tritt auf der letzten Meile auf, weil etwa im Gemeindegebiet oft noch Drucksteigerungsanlagen erforderlich sind, die womöglich nicht abgesichert sind. Für die Menschen zählt nur, was aus dem Wasserhahn kommt. Sie interessieren sich selten dafür, wie die Dinge zusammenhängen. Wenn aber die Wasserversorgung ausfallen sollte, wird es sehr rasch ungemütlich. Toiletten können nicht mehr benutzt werden. Sollten Rohre leerlaufen, drohen durch Unterdruck Rohrbrüche und langwierige Reparaturen. Lufteinschlüsse müssen aufwendig behoben werden, Ablagerungen können abblättern und die Siebe verstellen. Die Wasserversorgung ist die jeder Bürgermeister, jede Bürgermeisterin muss hier wissen, ob wirklich alles funktioniert. Wenn nicht, müssen die potenziell betroffenen Menschen informiert werden, damit sie eine entsprechende Eigenvorsorge treffen können.
Beginnen wir JETZT
Eine andere Beobachtung betrifft Treibstoffvorräte. Hier wird meist vom theoretischen Tankinhalt und selten von der Minimalmenge gesprochen. Die Differenz ist gravierend.
Es geht nicht darum, ob eine Einrichtung vorbereitet ist oder über eine Notstromversorgung verfügt, sondern darum, wie lange eine definierte Leistung aufrechterhalten werden kann. Nicht in einem Einzelbereich, wie etwa beim Notstrom, die Leistung, die damit ermöglicht wird, ist häufig von mehreren Aspekten wie der Personalverfügbarkeit oder Schichtfähigkeit abhängig. Wir wissen nicht, wie viel Zeit uns noch bleibt. Sie wird immer zu kurz sein. Der erste Schritt ist oft der schwierigste, aber auch der wichtigste. Wir können als Gesellschaft eine solch unfassbare Krise nur dann einigermaßen erfolgreich bewältigen, wenn wir eine ganzheitliche Vorsorge treffen. Dabei dürfen wir nicht auf die Bevölkerung vergessen, die viele Ressourcen bereitstellen kann und muss.
Auch wenn wir hoffen, dass es nicht so weit kommen mag, sollten wir nicht blauäugig sein. Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel. Die Coronakrise hat uns vor Augen geführt, wie sich von einem Augenblick auf den anderen alles ändern kann. Lassen wir uns nicht ein weiteres Mal überraschen.