Der Heimleiter des Pflegeheims Stadl an der Mur hat mir dankenswerter Weise seinen Erfahrungsbericht nach dem 35 stündigen Stromausfall Mitte November 2019 zur Verfügung gestellt, damit auch andere daraus lernen können. Im Bericht ist zwar von einem „Blackout“ die Rede, de facto handelte es sich jedoch zum Glück nur um einen regionalen Stromausfall durch ein Extremwetterereignis, wie sie mittlerweile häufiger in Österreich auftreten. 

Hier einige Auszüge aus dem Bericht:

  • Zehn Minuten nach dem Stromausfall (um 02:45 Uhr!!) ist die Kommunikation mit GSM, Internet, etc. nicht mehr möglich gewesen.
  • Bei der Anfahrt vielen uns zahlreiche offene Türen (Bank, Kaufhäuser, etc.) auf.
  • Bei der FF Stadl an der Mur konnten die Tore nicht geöffnet werden.
  • Letzte Messung 16 Grad nach 35 Stunden bei rund null Grad Außentemperatur
  • Es wurde in Leoben in einem Baumarkt ein handelsübliches, aufblasbares und bis 40 Grad beheizbares Whirlpool besorgt und mit den Notstromaggregaten in Betrieb genommen, um damit 1.200 Liter warmes Wasser zu erzeugen und die BewohnerInnen waschen zu können.
  • Die Fluchtwegs-Beleuchtung hat nur 60 Minuten funktioniert, obwohl sie eigentlich für 4 Stunden ausgelegt ist. Die Leuchten waren unter 2 Jahre alt und halten normal 5 Jahre.
  • Energie Steiermark hat priorisierend die Versorgung des BOS-Digitalfunk-Basisfunkstationen durchgeführt. Zahlreiche Stationen sind ausgefallen und mussten mit Notstrom versorgt werden.

Eingeleitete Sofortmaßnahmen: Reaktion auf erste Erhebungen

  • Feststellung das alle Bewohner anwesend sind. (Wer ist im KH?)
  • Nochmalige Nachschau im Lift, Keller, Notausgänge.
  • Schiebetüren manuell entriegeln und verschließen.
  • Schnelles Verkochen der Vorräte (Priorität: Verderbliches Zuerst, Rücksprache)
    • Andenken: Schnee in die Kühlhäuser bringen. (Länger Kühl halten)
    • Andenken: Outdoorlagerung von Lebensmittel, wenn Kühlung gering.
    • Kunststoffgeschirr- Verbot restliches warmes Wasser massiv zu verbrauchen- Erhebung aktuelle Wasser und Raumtemperatur, von oben nach unten und von außen nach innen.
    • Erheben des Vorrat- Cateringküche- Dalmayr Produkte vorhanden?
      i. 70 PET Flaschen, 20 Tafel Schokolade, 10 Mannerschnitten;
      ii. Aufsperren und Lebensmittel und Getränke können entnommen werden.
      iii. Dalmayr Produkte vorhanden?
      iv. Reserven Getränke, Geschirr, Verwaltungsprodukte.
  • Wasser: Natürlicher Wasserdruck prüfen. Was funktioniert? Klo?
  • Hygiene: Verstärkte Hygienemaßnahme initiieren.
    • Hygienecenter aktivierten und bereithalten. (Hygieneturm, 1 Mal Handschuhe, Mundschutz, Schürze, Händedesinfektionsmittel bei Bedarf)
  • Wagen: Inkontinenz und Wäsche aktivieren. Einbahnsystem andenken. Verschmutzte Materialien, Wäsche, etc. Depot bei Kot, Urinsammelstelle in Plastiksack verschnüren.
  • Dokumentation ab sofort auf Papier und Formularen, schlanke Dokumentation durchführen.
  • Batterieradio sofort in Betrieb nehmen. Standort Cafeteria EG- Eingang.
  • Batterietaschenlampen in Betrieb nehmen. (auch Kopflampen in EH Kästen)
  • 3 Stromaggregate, Wärmekanone, Feldküche zum Einsatz gebracht

Infrastrukturschäden

  • Ausfall Server (Telefonanlage, Glocken) – Zu hohe Spannung bei der Wiederkehr der Stromversorgung
  • 20 Lichtquellen kaputt
  • 2 Kühlhäuser konnten nicht mehr gestartet werden!

Fazit größte Probleme

  • Kein „POC“ (Point of Communication) der Gemeinde.
  • Alle Räume waren leer in der Gemeinde. Kein Zettel mit Ansprechpersonen, etc.
  • Eine weitere Nacht wäre nur mit einer Teilevakuierung möglich gewesen.
  • Keine nahen Krankenhäuser hatten Kapazitäten! 

In der Nachbesprechung (nachdem nach 32 Stunden der Hr. Bürgermeister erstmals gekommen ist) wurde uns folgendes von der Seite des höchsten Gemeindevertreters mitgeteilt.

  • „Es steht jedem Bürger und jedem Pflegeheim frei zu, sich auf so eine Situation vorzubereiten.“
  • „Darüber hinaus hätte man als Heimbetreiber sowieso das selber zu lösen.“
  • „Wenn wir kühle Zimmer hätten, sollten wir ein paar Heizstrahler kaufen.“

Ein gutes Zusammenspiel mit dem FFKdt muss festgehalten werden. Diese Zusammenarbeit hat gut funktioniert. Leider wurde das einzige „kleine“ Stromaggregat der FF Stadl an der Mur nicht für das Pflegeheim als Vorhalt (auch nach dem Stromausfall) zu Verfügung gestellt.

Der Kontakt (telefonisch, persönlich) zur BH Murau war exzellent. Auch konnten wir produktiv unsere Lage beschreiben und es wurde ab hoc an einer Lösung gearbeitet.

Das größte Problem waren die auskühlenden Zimmer, da keine sichere Beheizung über 2 Stockwerke mit Notstrom möglich war. Nach 45 Stunden, mit Temperaturen um den Gefrierpunkt, hätten wir eine Teilevakuierung (10 hohe Pflegestufen) durchführen müssen. Alle gesetzten Maßnahmen ermöglichten eine Vorortversorgung und damit eine massive An- Flutung von Patienten in den umliegenden Krankenhäusern.

 

Kommentar Herbert Saurugg

Dieses lokale Ereignis hat wieder einmal gezeigt, wie rasch es in einer Krise ins Eingemachte gehen kann, wenn nicht jemand sofort reagiert und handelt. Das ein Pflegeheim bei einem Blackout über derart viele externe Ressourcen verfügen wird (3 Notstromaggregate, Wärmekanone, Feldküche) ist nicht zu erwarten. Auch in diesem Fall war es wohl nur der raschen Reaktion zu verdanken, dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind. Daher wie mir immer wieder Leute rückmelden: „Wir hoffen, dass es nicht so weit kommt, aber wir sollten auch nicht blauäugig sein und eine Vorsorge treffen! So wie die steirische Krankenanstaltengesellschaft(KAGes) das mit dem Auftaktworkshop am 26. November mit 165 TeilnehmerInnen aus allen steirischen Krankenhäusern getan hat. Die Veranstaltung wurde sogar durch beide Vorstände eröffnet. Das Thema Gesundheitsnotversorgung während eines Blackouts, also auch die Vorbereitung der Pflegeeinrichtungen, wird ebenso in der Arbeitsmappe für Gemeinden behandelt.