Letzte Aktualisierung am 23. März 2018.
Schönwandt, Walter L.; Voermanek, Katrin; Utz Jürgen; Grunau, Jens; Hemberger, Christoph: Komplexe Probleme lösen: Ein Handbuch. Berlin: jovis Verlag, 2013
Ein sehr spannendes und lesenswertes Buch! Obwohl ich mich schon sehr viele Jahre mit diesem Themenkomplex befasse und viele Autoren zu diesem Thema kenne, war ich vom Inhalt äußerst positiv überrascht. Einerseits, weil die Dinge sehr präzise auf den Punkt gebracht werden und andererseits nur wenige mir bekannte Autoren im Literaturverzeichnis aufscheinen. Die Autoren kommen zudem aus einer völlig anderen Ecke: Architektur und Stadtplanung
Umso schöner die Bestätigung, dass sich die Fähigkeit, mit komplexen Problemen umzugehen, universell einsetzen lässt. Zur Verdeutlichung hier einige ausgewählte Zitate:
Viele Versuche, ein Problem zu beheben scheitern nicht an der „falschen“ Lösung, sondern weil die Problemstellung nicht hinreichend analysiert wurde und man sich deswegen von vornherein mit dem „falschen“ Problem beschäftigt hat. S. 17
Komplex ist eine Fragestellung dann, wenn:
- es eine Vielzahl an Faktoren gibt, welche die Komponenten eines Problems beeinflussen;
- diese Faktoren intransparent sind (zum Beispiel aufgrund mangelnden Wissens);
- eine Vielzahl an Beziehungen zwischen diesen Faktoren besteht (Vernetztheit), sie sich also wechselseitig beeinflussen und über ihre Wirkungszusammenhänge zunächst nur wenig bekannt ist;
- es eine Vielfalt an Zielen und möglichen Maßnahmen gibt, bei denen zudem eventuell unerwünschte Fern- und/oder Nebenwirkungen zu erwarten sind. S. 22.
Durch die Festlegung eines Ziels geben wir die Marschrichtung vor. So weit, so gut. Aber zugleich blenden wird andere Wege – die vielleicht zu wesentlich besseren Lösungen hätten führen können – vollkommen aus. S. 28.
„Das Problem zu erkennen, ist wichtiger als die Lösung zu erkennen, denn die genaue Darstellung des Problems führt zur Lösung“ Albert Einstein S. 33.
Es ist unerlässlich, nicht nur zu Beginn verschieden Problemstellungen zu überdenken, sondern auch die gefundenen Definitionen immer wieder zu überdenken. Während Sie sich durch den Entscheidungsprozess kämpfen, sollten Sie sich deshalb Zeit zu Zeit fragen, ob Sie immer noch am richtigen Problem arbeiten (…) Die Überprüfung des Problems ist besonders wichtig, wenn sich die Umstände rapide ändern oder neue Informationen zur Verfügung stehen. S. 34.
Wer denkt, das bisher Gelesene sei alles selbstverständlich, dem sei noch einmal kurz und knapp verdeutlicht, wie wenig üblich es tatsächlich ist, dass der zu behebende Missstand zum Ausgangspunkt des Problemlösungsprozesses gemacht wird. In der Praxis wird oft anders vorgegangen – und dabei die Phase der Erarbeitung hinreichender Missstandsformulierungen übersprungen. S. 39.
Kein Problem hat nur eine Ursache. Und gegen kaum etwas hilft nur eine Maßnahme. Die Lösung: Mehrere Maßnahmen bündeln statt nach dem einen „Allheilmittel“ suchen. S. 43.
„Für jemanden, der nur einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus.“ Abraham Maslow S. 44.
Ein wirksames Maßnahmenbündel sollte …
- eine Zusammenstellung möglichst konkreter Maßnahmen enthalten, die zur direkten Umsetzung oder als Leitlinie für das weitere Vorgehen bei der Lösung eines Problems geeignet sind.
- in expliziten Worten die möglichen Folgen einer Umsetzung der Maßnahmen beschreiben – das heißt, es sollte konkret benennen zu welchen neuen Zuständen die geplanten Maßnahmen führen könnten, wer begünstigt wird un wer unter Umständen Nachteile erleidet.
- eine abwägende Bewertung der Vor- und Nachteile der Maßnahmen enthalten und eine Begründung, weshalb die enthaltenen Maßnahmen (unter Umständen trotz bestimmter Nachteile) zur Anwendung kommen sollten.
- gegebenenfalls Maßnahmen enthalten, die den unerwünschten Nebenwirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen entgegenarbeiten.
- bei Bedarf Auskunft geben über die zeitliche Reihenfolge der Umsetzung der einzelnen Maßnahmen und Schritte. S. 49.
In vielen Problemlösungsprozessen fehlt es an genau diesen Vorgang des „Sichtbarmachens“ – man tut etwas, vielleicht hat es geholfen, vielleicht auch nicht. S. 53.
Die Frage nach demjenigen, der unter einem angenommen Missstand leidet, ist immer ein wichtiger Arbeitsschritt zur Präzisierung. S. 53.
Nur wer exakt formuliert, was er tun und bewirken will, kann später überprüfen, ob sein Tun erfolgreich ist – und daraus etwas lernen. S. 57.
„Woran könnte es noch liegen?“ ist die entscheidende Frage. Sie wirkt gegen „Monokausalitis“ und hilft gegen den Denkfehler, dass man mit einer plausiblen Ursache schon gute Arbeit geleistet hat. S. 60.
Mögliche Kriterien zur Bewertung von Maßnahmen und deren Folgen sind unter anderem:
- Effektivität
- Effizienz
- Realisierungschancen
- Unerwünschte Nebenwirkungen S. 87.
Das abschließende Maßnahmenbündel kann durchaus auch solche Maßnahmen enthalten, die in punkto Effizienz nicht allzu hoch bewertet sind, zum Beispiel weil sie sehr effektiv sind. S. 88.
Abschließend sollte man als Problemlöser immer prüfen, ob und in welchem Ausmaß mit den geplanten Maßnahmen eventuell unerwünschte Nebenwirkungen einhergehen. Eine Faustregel unter Planern besagt: Jede Wirkung hat eine Nebenwirkung. S. 88.
Zuallererst ist es wichtig, in der Landkarte vor dem Ableiten einer Maßnahme aus einer Ursache nicht jeweils nur zwei Zustände zu beschreiben, sondern explizit herauszuarbeiten und zu benennen, warum der eine beschriebene Faktor beim anderen eine Veränderung bewirkt. S. 90.
Eine fehlende Beschreibung solcher ursächlichen Zusammenhänge zwischen zwei Zuständen führt darüber hinaus häufig zu dem bereits beschriebenen Fehler, statistische Korrelationen mit Ursachen zu verwechseln („Koizidenzen sind keine Kausalitäten“). S. 90.
Nicht Zustände beschreiben, sondern kausale Zusammenhänge offenlegen. S. 90.
Man neigt außerdem häufig dazu, zwischen Rahmenbedingungen und Ursachen zu unterscheiden, das heißt nur „dynamische“, „hervorstechende“ Ursachen zu beachten und keine „statischen“ Rahmenbedingungen mit einzubeziehen. Will man Probleme wirkungsvoll lösen, ist es ratsam, die eigenen Annahmen daraufhin zu überprüfen, ob eine relevante, eventuell leicht zu ändernde statische Rahmenbedingung übersehen wurde. S. 90f.
Ferner neigt man dazu, tautologische – also nicht erkenntniserweiternde, sondern nur erläuternde, dasselbe auf zwei unterschiedliche Wiese wiedergebende – Beschreibungen mit Ursachen zu verwechseln. S. 91.
Man neigt dazu, wechselseitige Beeinflussungen in „Kreisprozessen“ zu übersehen. S. 91.
Irrtümlicherweise neigen wir außerdem dazu, Ursachen nur in unmittelbarer zeitlicher oder räumlicher Nähe zu den Wirkungen zu suchen. S. 92.
Kein Problemlösungsprozess kommt ohne bestimmte Schlüsselbegriffe aus. Diese beschreiben, was der Bearbeitungsgegenstand, sprich das Problem überhaupt ist. S. 96.
Der hier beschriebene „Problem-First“!-Ansatz erfordert also eine Auseinandersetzung mit den zentralen, das zu bearbeitende Problem definierenden Begriffen. S. 96.
Begriffe sind die Träger des Wissens. Und als solche bestimmen sie unsere Handlungen. Sie bestimmen was wir tun. S. 96f.
Es geht um die ganz fundamentale Erkenntnis, dass Begriffe unser Handeln bestimmen, gleichzeitig aber viel weniger eindeutig sind, als wir denken. S. 98.
„Der Hörer, nicht der Sprecher, bestimmt die Bedeutung einer Aussage.“ Heinz von Foerster S. 99.
Zuallererst geht es um etwas, das jedem Problemlöser zur Selbstverständlichkeit werden sollte: Er muss immer sehr präzise hinterfragen und differenziert betrachten, in welchem Kontext und mit welchen Kreditieren jemand einen Begriff verwendet, sprich mit welchen Verständnis eines Begriffs jemand operiert. Und umgekehrt muss er sich im Klaren darüber sein, dass Begriffe, die er selbst zur Beschreibung eines zu behebenden Missstandes benutzt, für andere auch etwas vollkommen anderes bedeuten können. Das heißt also, dass er sich überlegen muss, welche Schlüsselbegriffe er überhaupt verwendet und dass diese genau definiert und erklärt werden müssen. S. 100.
Problemlösungsversuche auf Grundlage unklarer Begriffe sind in der Regel zum Scheitern verurteilt und purer Aktionismus. Mit der Änderung von Begriffsdefinitionen lassen sich ganze Probleme „wegdefinieren“. S. 102.
Begriffe und ihre Definitionen sind ein potenzielles Macht- und Manipulationsinstrument, um die Aufmerksamkeit in eine bestimmte Richtung zu lenken, eine Dringlichkeit zu erzeugen, wo möglicherweise gar keine ist oder auch etwas zu verharmlosen, wo tatsächlich schnelles Eingreifen oder Gegensteuern angezeigt wären. S. 102.
Begriffe sind nichts Faktisches, sondern Fiktionen. S. 102.
Ein Begriff ist das, womit einem Wort Inhalt, Bedeutung oder Sinn zugeschrieben wird. S. 103.
Begriffe sind nicht „richtig“ oder „falsch“. S. 107.
Begriffe zu definieren heißt, Definitionsmacht auszuüben. S. 107.
Begriffe werden durch die Zuordnung von Merkmalen gebildet. S. 108.
Für den Problemlösungsprozess ist wichtig, dass die Anzahl der Merkmale, die einen Begriff definieren, im Prinzip unbegrenzt ist. S. 109.
„Über das Ergebnis einer Bewertung mache ich mir solange keine Sorgen, solange ich derjenige bin, der die Kriterien erfindet.“ Herbert Simon (Nobelpreisträger) S. 117.
Wichtig ist, sich folglich ab sofort immer eines Umstands bewusst zu sein: Man selbst hat die eigene „Brille“ ständig auf der Nase und zu gleich betrachten die Anderen die Welt in der Regel durch eine anderem nämlich ihre eigene „Brille“. In der Praxis scheitern Problemlösungen nicht selten, weil die Bedeutung fachlicher Hintergründe, Sichtweisen und Wertvorstellungen vernachlässigt wird und es nicht gelingt, eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zwischen den Beteiligten herzustellen. Oder Problemlösungsprozesse scheitern, weil man selbst in seiner Denkweise, im eigenen Kopf gleichsam gefangen ist, man andere Lösungswege für ein mögliches Problem gar nicht sieht und es wegen partout nicht auf bessere Lösungen kommt – ja gar nicht kommen kann. S. 119.
Zwischen den vermeintlich „harten Fakten“ und dem uneinlösbaren Wunsch nach Objektivität steht immer unsere „Brille“ als Filter. S. 119.
Wir sind nicht neutral und gehen niemals wie ein „unbeschriebenes Blatt“ ganz offen und unvoreingenommen an die Lösung eines Problems heran. Vielmehr sind unsere Eindrücke von einer Sachlage immer geprägt durch unsere Erfahrungen, die wir in früheren, mehr oder weniger vergleichbaren Situationen gemacht haben. S. 119.
Es ist kein Wunder, dass jeder Problemlöser das verkaufen möchte, was er am besten kann. Ein Ökonom sieht ökonomische Probleme, ein Ingenieur sieht technische Probleme, und ein Manager sieht Managementprobleme, während alle anderen Gesichtspunkte im Hintergrund bleiben. S. 120.
Wer eine wirkliche Arbeitshilfe beim Lösen komplexer Probleme haben möchte, den sei angeraten, sich in seinem Denken ab sofort von Disziplingrenzen nicht mehr einengen zu lassen. S. 129.
Mit jeder neuen Sichtweise können fast immer automatisch neue Lösungen ausgemacht werden, die man mit dem eigenen Ansatz nicht entdeckt hätte. Die Kunst besteht beim Lösen komplexer Probleme also auch darin, die Pluralität der Ansätze zu nutzen und die Auseinandersetzung mit den einzelnen Komponenten, die resultierenden Konflikte sowie divergierenden Sichtweisen als Werkzeug einzusetzen. S. 135.
Dabei ist zuweilen Fingerspitzengefühl gefragt und ein vertrauensvoller Rahmen hilfreich, denn niemand stellt gerne freiwillig seine Grundüberzeugung und Haltung infrage. S. 135.
Arena und Agenda sind zwei weitere Themen, die in komplexen (und erst recht in verfahrenen) Situationen eine genauere Untersuchung verdienen. Oftmals übersehen wir in einer vermeintlich „übersichtlichen“ Lage mit wem – oder mit wessen Interessen – wir es eigentlich zu tun haben, in wessen „Territorium“ wir eindringen, wenn wir zu Lösung eines bestimmten Problems bestimmte Maßnahmen vorschlagen. Sich die „Arena“ aller Beteiligte, auch der nicht auf den ersten Blick unerkennbaren Akteure, rund um eine Problemstellung möglichst detailliert vor Augen zu führen, kann eine große Hilfe auf dem Weg zu guten, sprich realisierbaren Lösungen sein. Zu wissen, wer welche Absichten verfolgt, das heißt, was auf wessen Agenda steht, ist ebenfalls nützlich. Denn sind Verbündete und Gegner bekannt, wird besser nachvollziehbar, wo Unterstützung und wo Widerstand zu erwarten ist. Weiß man, aus welchen Richtungen „Gegenwind“ gegen das eigene Vorhaben zu erwarten ist, kann man sich dagegen wappnen. Schließlich ist ein Blick auf Prognosen angebracht, ohne die kein Problemlösungsprozess auskommt. S. 137f.
Oftmals stecken in Prognosen aber irrige Annahmen darüber, wie sich was in Zukunft entwickelt, da bestehende Entwicklungen als zu stabil angenommen werden. S. 138.
Garantoren suggerieren Glaubwürdigkeit. Aber bei manchen sind Zweifel berechtigt. Hinterfragen Sie deshalb jeden Garantor! S. 139.
Wir erschaffen uns unsere jeweils subjektive Wahrheit in unserem Kopf, und dementsprechend stark kann das Bild der „gleichen“ Wirklichkeit im Kopf eines Gegenübers davon abweichen. S. 145.
Restriktionen werden gern als „Vehikel der Rechtfertigung“ missbraucht. Hinterfragen Sie Restriktionen deshalb kritisch. S. 148.
Wer den Mut hat, Restriktionen infrage zu stellen, wird herausfinden, dass vieles „Unmögliche“ gar nicht unmöglich ist. S. 150.
Geld gibt es also genug es ist nur die Frage, wofür man es ausgibt. Das sollte sich jeder Problemlöser, dessen gute Idee wegen mangelnder Ressourcen eine Absage erhält, immer bewusst machen. S. 152.
Wer ist mit wem verbündet, wer leistet gegen wen Widerstand? Welche Entscheidungskonstellationen kommen nur durch die jeweilige Zusammenstellung dieses Personenkreises zustande? Sich diese Fragen als Problemlöser explizit zu stellen und auch zu beantworten, kann entscheidende Einsichten bringen, kann unsichtbare Fronten aufdecken, aber auch „Verknüpfungen“ zwischen Personen über Themen hinweg. S. 153.
Um zu einer guten Problemlösung zu kommen, müssen wir nicht nur wissen, in wessen „Territorium“ wir damit ganz offensichtlich eindringen. Sondern auch, in welches wir ansonsten indirekt oder unwissentlich hinein geraten. Ein genauer Blick in die Arena kann eine davor bewahren, beim Problemlösen die Rechnung sprichwörtlich ohne den Wirt zu machen. S. 154.
Die Arena mit allen beteiligten Akteuren im Auge zu haben, hilft auch bei der besonders präzisen Bewertung der Folgen einer geplanten Maßnahme. Oft neigt man dazu, eine Maßnahme für wesentlich besser zu halten, als sie ist – einfach nur deswegen, weil man ihre negativen Auswirkungen für eine bestimmte Gruppe von Personen oder auch nur ein einzelnes Gegenüber nicht erkannt und nicht differenziert genug betrachtet hat. S. 155.
Wer Probleme lösen will, muss planen – also mögliche Ereignisse oder Handlungen und deren Auswirkungen gedanklich vorwegnehmen. S. 159.
Anders als bei physikalischen Prozessen, bei denen man sich mit einer gewissen Stabilität und Vorhersehbarkeit von Reaktionen und Abläufen in Sicherheit wiegen kann, ist das Erstellen von „Modellen“ schwierig, wenn der Mensch mit allen zu ihm gehörenden Unwägbarkeiten ins Spiel kommt. S. 160.
Extrapolative Prognosen basieren auf der Fortschreibbarkeit von Daten und Regelmäßigkeiten aus der Vergangenheit. Antizipative Prognosen versuchen, das Unvorhersehbare mit einzukalkulieren. S. 161.
Es liegen Auswertungen vor denen zufolge sich nicht mehr als 20 Prozent aller technischen Vorhersagen der Vergangenheit als richtig erwiesen haben, also waren vier von fünf falsch. Manchmal liegt es – wie in vielen der genannten Beispiele – daran, dass unterschätzt wurde, wie schnell sich eine technische Neuerung durchsetzen würde oder der Durchbruch schlichtweg nicht vorhersehbar war. S. 163.
Generell gilt – und das sollte man beim Problemlösen immer im Hinterkopf habe -, dass sich sehr viele Veränderungen in kleinen Schritten und eher schleichend vollziehen und nur ausgesprochen selten mit einem großen revolutionären Knall, bei dem sich alles auf einmal ändert. Es kommt höchst selten vor, dass etwas Neues etwas Bestehendes schnell, sofort und vollständig ersetzt, da sich der Übergang meistens fließend vollzieht. S. 164.
Es ist riskant, in die Zukunft zu schauen. Aber es ist verantwortungslos, es nicht zu tun – und ein Planen dann schlicht unmöglich. Entsprechend sensibel sollte man dabei vorgehen. S. 165.
Denkfallen kann man also nicht einfach „abschalten“. Aber man kann lernen sie zu identifizieren und besser auf Situationen vorbereitet zu sein, in denen eine Denkfall droht. S. 167f.
Unser menschliches Denkorgan ist immer bemüht, aus Ungewissheit quasi automatisch Gewissheit herzustellen, und zwar auch ohne guten Grund, ohne Zufuhr von Sachverstand und vor allem ohne dass wir uns dessen bewusst sind. S. 168.
In Gruppen ist eine Denktendenz, die auch jedes Individuum betrifft, in verstärkter Form wirksam: Die Informationsselektion; das heißt, wir ziehen nur wenige, bevorzugte und unsere Auffassung bestärkende Informationen überhaupt in Betracht. S. 168.
Wir übersehen viel, vereinfachen zu stark, können schlecht schätzen, merken uns gern Anschauliches und finden am liebsten Informationen, die unsere Sicht auf die Dinge bestätigen. Soviel zum Thema der „objektiven Bestandsaufnahme“ … S. 171.
Wir sind insbesondere bei komplexen Problemstellungen oftmals nicht in der Lage, die möglichen Nach- und Nebenwirkungen einer Maßnahme abzusehen und diese in unsere Bewertung mit einzubeziehen. Gegen diese Denkfalle hilft in erster Linie Misstrauen gegen „lupenreine“ Maßnahmen ohne Nebenwirkungen. S 177.
Eine Erinnerung ist keine präzise Kopie eines Ereignisses, sonder das Ergebnis eines schöpferischen Prozesses, zu dem das bewusste und unbewusste Weglassen einzelner Aspekte ebenso gehört wie das hinzufügen. S. 180.
Vielen Menschen scheint die Selbstreflexion bei Erfolg unnötig zu sein. Aus diesem Grund sei Erfolg gefährlich und trage oftmals die Wurzel künftigen Misserfolges in sich. S. 180.
Je mehr wir über die Existenz solcher Denkfallen wissen, je mehr wir sie als unvermeidliches „Phänomen“ erkennen und annehmen, umso besser sind wir für das Problemlösen gewappnet. S. 182.
Die drei Grundregeln im Umhang mit Denkfallen lauten:
- Die Tendenzen kennen
- Sich beim Denken beobachten lernen
- Gegensteuern S. 182.
Wenn der erste entscheidende Schritt im Problemlösungsprozess – nämlich die Problembestimmung – misslingt, besteht für reine erfolgreiche Problemlösung wenig Hoffnung. Dass ein Problem nicht ohne gründliche Untersuchung der Ursachen für sein Zustandekommen gelöst werden kann, ist eine zweite Kernaussage dieses Buches. S. 185.
Über Begriffe und Begriffsbildung wird im Kontext von Problemlösungsprozessen oftmals zu wenig nachgedacht. Es zeigt auf, wie der bewusste Umgang mit diesem Thema den Lösungsraum erweitert, in dem mögliche Maßnahmen zur Beseitigung eines Missstands gefunden werden können. S. 185.
Nicht alles zu glauben, was einem mit Verweis auf einen besonders klug oder übermächtig erscheinenden Garantor gesagt wird, nicht vorschnell angesichts von Restriktionen die Flinte ins Korn zu werfen, ein Sensorium für Gegner und Verbündete in der Arena sowie den Gegen. Und Rückenwind der Agenda zu entwickeln, schließlich auch noch gesunden Zweifel an der Belastbarkeit eigener und fremder Prognosen zu hegen – das sind wichtige Arbeitsempfehlungen. S. 185.
Wir müssen lernen, unseren beinahe zwanghaften „Lösungsreflex“ zu unterdrücken und gründlicher auf das Problem zu schauen. Wenn der zu behebende Missstand unklar ist, wird jeder Problemlösungsprozess zu purem Aktionismus. Dann ist das Risiko groß, dass wertvolle Ressourcen wie Geld und Zeit verschwendet werden oder dass als Ergebnis eine Planung zwar etwas anders ist als vorher, aber keineswegs besser. S. 186.
Daher ist es wichtig, möglichst viele relevante Ursachen zu kennen, bevor man Maßnahmen vorschlägt. In der Praxis läuft dieser Prozess oft anders herum: Ein Problemlöser schlägt zuerst Lösungen vor, und zwar ohne dass er sich zuvor über die Ursachen hinreichend Gedanken macht. S. 189.
Man neigt dazu, anstelle von Ursachen nur Zustände zu beschreiben, ohne dass erkennbar ist, warum das eine beim anderen die Veränderung bewirkt. S. 190.
Planungen scheitern, weil man in seiner Denkweise, seinem Kopf gleichsam „gefangen“ ist, andere Lösungswege für ein mögliches Problem gar nicht sieht und deswegen partout nicht weiter kommt. S. 193.