Quelle: www.strom-resilienz.de, Folien
Was macht unsere Stromversorgung verwundbar? Und wie kann das künftige Stromsystem so gestaltet werden, dass es besser auf digitale Störfälle vorbereitet ist und sich zuverlässig davon erholen kann? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Abschlusstagung „Wie wird die digitale Stromversorgung resilienter?“ des Projekts Strom-Resilienz am 10. November 2017 in Berlin.
Die Digitalisierung bietet neue Möglichkeiten, um die Leistung des Stromsystems zu verbessern. Dadurch können erneuerbare Energien beispielsweise effizienter in das Stromsystem eingespeist und neue Geschäftsmodelle ermöglicht werden. Doch die zunehmende Kopplung des Stromsystems mit Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) führt auch zu Sicherheitsproblemen: Denn Fehler oder Cyber-Attacken können die Versorgungssicherheit bedrohen.
Auf der Abschlusstagung diskutierten rund 50 Teilnehmer/innen von Behörden, Fach- und Umweltverbänden sowie Forschungs- und Beratungseinrichtungen über die Verwundbarkeit des Stromsystems und mögliche Strategien. Die Tagung bestätigte die These des Vorhabens, dass Verwundbarkeiten im immer stärker zusammenwachsenden Strom-IKT-Nexus bestehen und tendenziell weiter ansteigen. Die Teilnehmenden unterstrichen daher die Empfehlung des Projekts, das Thema der Resilienz des Energiesystems in den politischen Diskurs zu tragen und dort zu Gehör zu bringen. Erfolgversprechende Resilienzstrategien, also Maßnahmen, die das Stromsystem dabei unterstützen, auch unter großer Belastung und Stress weiter zu funktionieren, müssen sowohl in der Digitalen Agenda der Bundesregierung als auch bei der zukünftigen Ausgestaltung des Energiesystems eine deutlich höhere Aufmerksamkeit erhalten.
Kopplung von Stromsystemen mit Informations- und Kommunikationstechnologien führt zu hoher Verwundbarkeit
Im Forschungsprojekt „Strom-Resilienz“, das von IÖW und der Universität Bremen durchgeführt wurde, zeigte sich, dass Stromsysteme, die mit Informations- und Kommunikationstechnologien gekoppelt sind, in hohem Maße verwundbar sind. Die Forschungsergebnisse wurden auf der Tagung präsentiert: Beispielsweise können verwendete Technologien veraltet oder Anlagen vieler Organisationen unzureichend gesichert sein. Außerdem können die Mitarbeiter/innen in der Stromversorgung oder die Nutzer/innen von Smartphones ein Sicherheitsrisiko sein: Häufig haben sie ihr Steuergerät nur schlecht gesichert – und ihnen fehlt das Bewusstsein für mögliche Sicherheitslücken der Anlagen. Das macht Cyber-Attacken möglich. So können großflächige System- und Stromausfälle ausgelöst werden, die eine massive gesellschaftliche Bedrohung darstellen. Dabei zeigt sich, dass dezentrale Systeme deutlich sicherer als zentrale sein können, da in letzteren über einen einzigen Angriffspunkt erhebliche Schäden angerichtet werden können.
Fundamentale Resilienzstrategien erforderlich
Das Projektteam hat aus diesen Ergebnissen Strategien abgeleitet, die die Resilienz der Systeme erhöhen. Beispiele für diese sogenannten Resilienzstrategien können zelluläre Strukturen sein, bei der Erzeugung und Verbrauch zunächst innerhalb einer angemessenen Zellgröße ausbalanciert werden, bevor ein weiterer Ausgleich mit Nachbarzellen stattfindet. Eine weitere Strategie sind dezentrale physikalische Backupsysteme, die auch bei Ausfall von zentralen IT- und Kommunikationssystemen eine stabile Mindestversorgung in dezentralen Strukturen aufrechterhalten können. Weitere Maßnahmen betreffen darüber hinaus die IKT-Sicherheit.
Unterschiedliche Empfehlungen für die Gestaltung des Stromsystems
Auf der Veranstaltung wurden diese unterschiedlichen Resilienzstrategien detailliert dargestellt und von den Teilnehmenden diskutiert. Deutlich wurde: Vor allem die Umsetzung, aber auch mögliche Geschäftsmodelle und Kosten sind noch nicht ausreichend beleuchtet. Außerdem müssten Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft wie Gesetze und Normen angepasst werden. Anlagen und Betriebsmittel müssen so konfiguriert sein, dass sie im Notfall in der Lage sind, nur auf der Basis von physikalischen Netzparametern intelligent zu arbeiten und so eine stabile Mindestversorgung in dezentralen Strukturen aufrechterhalten können.
Kommentar
Es freut uns natürlich besonders, wenn auch von wissenschaftlicher Seite unser Energiezellenansatz bestätigt wird! Vor allem auch die Erkenntnis: Außerdem müssten Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft wie Gesetze und Normen angepasst werden. Gerade hier beobachten wir sehr häufig, wie viele Akteure in ihrem bestehenden Denkrahmen gefangen sind. Ein System kann man jedoch nur verändern/anpassen, wenn man das Gesamtsystem betrachtet und nicht an Einzelelementen herumdoktert, was derzeit leider häufig der Fall ist. Zuerst die Einspeisförderung, jetzt die Speicherförderung, dort der Übertragungsnetzausbau, usw. Zudem fehlt eine plausible Gesamtzielsetzung auf europäischer Ebene, die auch wirklich gemeinsam verfolgt wird. Damit ist wieder eine dezentrale bottom-up Lösung – das Energiezellensystem – unumgänglich. Dieses kann einfach in das bestehende System implementiert und von untern her die Robustheit des Gesamtsystems erhöhen. Wesentliche Hinderungsgründe: Bestehende Regulative für das Großtechnische System und kurzsichtige, rein betriebswirtschaftliche Betrachtungen.
Erhöhung der Resilienz auf allen Ebenen
Klar zeigt sich dabei wohl auch, dass es um ein Sowohl-als-Auch gehen muss. Weder wird es einerseits ausreichend sein, alles durch Gesetze, Normen und Verordnungen regeln zu wollen. Andererseits werden nur Bottom-up-Lösung nicht zum Ziel einer Erhöhung der Widerstandsfähigkeit führen.
Ja, es braucht den starken Anstoß durch kräftige Bottom-up-Lebenszeichen. Wie etwa ein gut ausbalanciertes Energiezellensystem auf lokaler oder regionaler Ebene!
Es braucht mutige „Vorreiter“ aus der Zivilgesellschaft. Welche bereit sind, mit Weitblick und Mut voranzugehen.
Es braucht mutige Gemeinden und Regionen. Welche ganz im Sinne der Nachhaltigkeit auf Kreislaufwirtschaft und eine möglichst ausfallsichere Versorgung mit elektrischer Energie setzen. Damit werden Gemeinden und Regionen krisenfit. Es braucht mutige Gemeinden, welche als Vorzeigegemeinden die Zeichen der Zeit erkannt haben. Bürgermeister und Gemeinden, welche nicht nur großmäulig reden und versprechen, sondern tatkräftig und entschlossen handeln, jetzt Nägel mit Köpfen machen. Wie etwa die Vorzeige-Gemeinde Feldbach in der Steiermark mit Bgm. Ober, den lokalen Stakeholdern und der Bevölkerung.
Ja, und es braucht mutige politische Entscheidungen. Her mit einer gesamteuropäischen Klima- und Energiepolitik, welche diesen Namen auch wirklich verdient! Weg mit der unverständlichen Importabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Denn diese Abhängigkeit schwächt in vielen Bereichen auch unsere gesamtstaatliche Resilienz!
Ja, und es braucht auch weitblickende Politiker im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden, welche im Sinne der Nachhaltigkeit sowie der Erhöhung der Resilienz die richtigen Schritte tun. Richtungsweisende Gesetze beschließen und dazu notwendige Maßnahmen wirklich in die Tat umsetzen.
Ja, und es braucht dazu verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger. Denn diesen Weg, hin zu mehr Resilienz auf allen Ebenen, können wir nur alle gemeinsam gehen.