Letzte Aktualisierung am 30. März 2017.
Quelle: http://karrierenews.diepresse.com Folge 44. Komplexität meistern.
Worauf jemand empfindlich reagiert, ist ein verlässlicher Indikator für den Grad seiner Professionalität. Im Management macht es einen großen Unterschied, ob es jemand als Profession mit bestimmten Grundlagen, Grundsätzen, Aufgaben und Werkzeugen betrachtet, oder ob er in Führungspositionen nur einen höheren sozialen Rang in Unternehmen sieht, den es zu verteidigen gilt. Wer die Profession im Auge hat, wird auf Probleme empfindlich reagieren, die früher oder später dem Unternehmen schaden. Wer nur den sozialen Status im Auge hat, reagiert nur auf Probleme, die ihm selbst unangenehm sind oder werden können.
Problemempfindlichkeit
Die guten Aussichten für den Einzelnen, Unternehmen und ganze Gesellschaften entscheiden sich durch das, was als Problem erkannt und gelöst wird. Für den Umgang mit hoher Komplexität und Dynamik schlage ich daher einen einfachen Leitbegriff vor, der zwar nicht cool klingt, aber sicher hilft: Problemempfindlichkeit.
Blind und taub
Mit dem veralteten mechanistischen Paradigma im Kopf bleibt man für die Probleme und Chancen durch hohe Komplexität und Dynamik stockblind und stocktaub. Es wird einem weiterhin vieles als Problem ins Auge springen, was Experten nicht stört. Zum Beispiel der Widerstand eines Mitarbeiters, ob er nun klug ist oder nicht.
Systemische Probleme
Ein Melanom ist kein lokales sondern ein systemisches Problem. Es streut seine Krebszellen sehr früh, es entstehen bald tödliche Metastasen in den wichtigsten Organen. In der Medizin setzte man daher erfolgreich auf die Aufklärung der Menschen. Man machte sie erfolgreich für das Problem des Melanoms empfindlich.
Je früher, desto besser
Je früher ein Melanom behandelt wird, desto höher sind die Heilungschancen. Patienten mit Melanomen kommen heute deutlich früher zum Arzt als noch vor ein paar Jahrzehnten. Frühstadien sind heute komplett heilbar. Mit systemischen Managementproblemen ist es genauso. Man muss sie früh erkennen und behandeln.
Lokale Probleme
Manche Fettgeschwülste der Haut sehen dramatisch aus, sind aber harmlose lokale Probleme, die sich mit geringem Aufwand nachhaltig entfernen lassen. So ist es auch mit lokalen Managementproblemen, die sich nicht auf den Unternehmenserfolg auswirken. Etwa mit vollen Papierkörben, die nicht sofort geleert werden.
Ein Symptom ist ein Zeichen, nicht das Problem
Doch auch die Symptome für systemische Managementmängel zeigen sich immer irgendwo lokal. Sie sind aber nur Zeichen für Probleme, nicht die tatsächlichen Probleme selbst. Sie ziehen wie schmerzhafte Gichtknötchen an Gelenken alle Aufmerksamkeit auf sich, obwohl das Problem von völlig anderen Stellen im System ausgeht.
Problem- statt Symptombehandlung
Der lokale Schmerz bei Gicht kann höllisch sein. Trotzdem hilft keine lokale Behandlung. Es ist eine systemische Behandlung nötig, die im ganzen Organismus wirkt. Auch die meisten Managementprobleme löst man nur über größere Veränderungen im ganzen System, bezogen auf die Qualifikation, Strategie und Organisation.
Kommentar
Ein toller Beitrag, der sich leider auch auf andere Bereiche außerhalb von Unternehmen übertragen lässt.
Durch die Vernetzung steigern wir unsere infrastrukturellen Abhängigkeiten und Verwundbarkeiten in einer bisher nicht bekannten Form und gleichzeitig fehlen uns die Rückfallebenen, sollte hier einmal etwas schief gehen. Der gesellschaftliche Schaden wäre immens, aber wir konzentrieren uns lieber auf die Dinge, die wir schon kennen … Vielleicht liefert dazu heute Abend die Dokumentation „Das große Unbehagen“ auf ORF DOKeins um 20:15 Uhr ein paar neue Gedanken.