Letzte Aktualisierung am 02. Juni 2017.

Quelle: www.luzernerzeitung.ch

Kälte, wenig Sonne und abgeschaltete Kernkraftwerke: Wie sich jetzt zeigt, konnte im Januar in Europa ein Netzabsturz knapp verhindert werden – auch dank der Schweiz. Experten warnen vor steigender Blackout-Gefahr.

Und dann wird es am Morgen des 20. Januar plötzlich sehr kritisch: In Frankreich besteht Gefahr eines Blackouts. Ausgerechnet während der Kältewelle fallen bis zu 23 Kernkraftwerke (KKW) aus. Gleichzeitig sind weitere KKW in anderen europäischen Ländern, auch in der Schweiz, nicht in Betrieb. Wenn jetzt andere Staaten unserem westlichen Nachbarn nicht aushelfen, drohen ungeheizte Zimmer, stehende Züge und andere Unannehmlichkeiten, die ein Netzabsturz mit sich bringt. Frankreich braucht um 8.45 Uhr 93800 Megawatt Leistung – 4800 mehr, als das Land selber produzieren kann.

Die umliegenden Länder müssen aushelfen. Auch die Schweiz steuert mit ihren Speicherkraftwerken 900 Megawatt bei. Die Wasserkraft hat am 20. Januar einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistung der Netzstabilität geleistet. Im Januar und Februar herrschte in Europa generell eine schwierige Situation.

«Dunkelflaute». Es braucht also zum Beispiel Speicherseen und verfügbare Generatoren, um die Netzstabilität angesichts des unregelmässig anfallenden Stroms zu gewährleisten. Bircher befürchtet, dass die vorhandenen Reserven in Schweizer Stauseen, die nötig sind, um Schwankungen auszugleichen, in ähnlichen Situationen künftig nicht mehr genügen werden – mit einem Blackout als Folge. Erschwerend komme hinzu, dass die Schweiz im Winter von Importstrom abhängig sei. Bircher plädiert für den Ausbau von Speicherkraftwerken. Ein Problem lautet derzeit: Die Wasserkraft ist unrentabel.

Hohe Stromtransite durch die Schweiz, ungeplante Lastflüsse und insbesondere limitierte Grenzkapazitäten würden die Netzinfrastruktur zunehmend an ihre Belastungsgrenze bringen.

Swissgrid geht auch davon aus, dass die Herausforderungen für einen sicheren Netzbetrieb durch den Wegfall von Bandenergie und die Zunahme der volatilen Produktion aus erneuerbaren Energiequellen zunehmen werden. Dazu kommt, dass die Schweiz mit 41 grenzüberschreitenden Leitungen eine Stromdrehschreibe und ein Transitland ist. Swissgrid-Sprecher ­Patrick Mauron sagt, was das bedeutet: «Steigender Transit aufgrund hoher Importe und Exporte aus Nachbarländern birgt die Gefahr von Überlastungen von Transformatoren und Leitungen in der Schweiz.» Für Swissgrid ist klar: Die enge Vermaschung im europäischen Verbundnetz trägt stark zur Netzstabilität bei. Um einen sicheren Netzbetrieb und die Versorgungssicherheit zu garantieren, müssen aber diverse Projekte im Rahmen des «Strategischen Netzes 2025» unverzüglich umgesetzt werden

Kommentar

Ja, die enge Vermaschung im europäischen Verbundnetz trägt stark zur Netzstabilität bei. Sie kann jedoch auch zu einer raschen Ausbreitung von Störungen beitragen, wenn man sich zu sehr darauf verlässt, dass die anderen schon einspringen werden, wenn es im eigenen Bereich zu eng wird. Die physische Infrastruktur hat jedoch ihre klaren Grenzen. Wenn diese überschritten werden, dann reagiert der Selbstschutz – die Netztrennung zur Vermeidung von physischen Schäden – und ein Dominoeffekt kann ausgelöst werden. Mit dem Anstieg des Stromtransits steigt auch die Gefahr für ein solches Ereignis. Infrastrukturprojekte sind Langfristprojekte – wir haben jedoch nicht mehr die Zeit, um entsprechend auf die raschen Veränderungen in der Erzeugungslandschaft zu reagieren!

Siehe etwa, welche Mengen (84,6 TWh) an Kernenergie in Deutschland bis 2022 ersetzt werden müssen! Gleichzeit muss man wissen, dass heuer im Jänner alle noch verfügbaren Kraftwerke am Netz waren, um kurzfristig einspringen zu können. Es gibt kaum noch einen Spielraum für einzelne Stunden im Jahr. Die Erzeugung muss aber zu jedem Augenblick mit dem Verbrauch übereinstimmen! Der Atomausstieg ist wünschenswert und anzustreben. Aber wir sollten dabei nicht versuchen, die Realität mit Wunschvorstellungen auszugleichen.

 

 

(c) EW-Medien/EnBW

 

Derzeit sind noch 8 Atomkraftwerke in Deutschland aktiv