Gunther Dueck hat mit „Flachsinn – Ich habe Hirn, ich will hier raus“ wieder ein hervorragendes Buch geschrieben (siehe auch Schwarmdumm – So blöd sind wir nur gemeinsam oder Aufbrechen! Warum wir eine Exzellenzgesellschaft werden müssen), das die aktuellen Entwicklungen sehr gut beschreibt bzw. auch ein wenig aufs Korn nimmt. Damit hat er auch wieder für das „eigene Weltbild“ ein paar fehlende Puzzelsteine vervollständigt bzw. aktuellen Phänomenen einen Namen gegeben. Mit seiner Zustimmung darf ich hier einige Zitate bereitstellen.
Seine Erkenntnisse setzen leider die bereits in Schwarmdumm aufgezeigte Tendenz fort … wir steuern auf eine „Schöpferische Zerstörung“ zu, die uns wahrscheinlich nicht gefallen wird. Wir schaffen es aber leider nicht, die Zeichen der Zeit zu erkennen bzw. rechtzeitig die „unsichtbaren Fäden“ miteinander zu verbinden (vernetztes Denken), um aktiv und positiv unsere Zukunft zu gestalten.
Meine „Lieblingsabsätze“ habe ich auch gefunden, die ich in der Praxis immer wieder erlebe:
Die Botschaft der Wenigkönner ist: »Wir arbeiten schon dran. Geduld!«
»Das Problem ist doch schon längst erkannt, Herr Dueck!«, sagen sie in einem Ton, der suggeriert, dass Problemerkennung schon die halbe Lösung sei. »Hallo, wieso längst erkannt? Und nun? Ist nicht längst etwas geschehen?« – »Geduld!« Das höre ich in allen Konzernen und auch Parteien reihum, wenn ich einmal etwas anrege oder gar kritisiere. Ich könnte feststellen: »Eure Frauenquote ist schlecht!« – Und sie würden erwidern: »Oh, da sind wir dran, es ist bald erledigt.« Ich vermute einmal in den Wind hinein: »Die Produktion ist nicht nachhaltig!« – Antwort: »Wir haben diese Kritik schon früher wach und interessiert aufgenommen und haben bereits eine Kommission eingesetzt. Wir können leider von heute auf morgen nicht alles auf den Kopf stellen, bitte noch etwas Geduld.« S. 171f.
Die Situation ist immer dieselbe: Eine Kritik von außen kann durch Vorbringen pseudofachlicher Gründe entkräftet werden, weil die Kritiker über viel weniger Informationen verfügen als der Kritisierte. Der allein kann hinter die Fassade schauen. Wenn die Kritik aber absolut berechtigt ist, wird schnell gesagt, dass man sich entschuldige und schon an der Arbeit sei, alles im Sinne der Kritik zu beheben. Das dauere ein bisschen – »wir bitten um Verständnis«. »Wir sind schon an dem Problem dran!« signalisiert der Kritikseite hohe Kompetenz und aktives Interesse am Thema und damit: »Alles okay! Keine Aufregung!« S. 173f.
Viel Vergnügen beim Stöbern!
Unter dem massenhaften Flachsinn im Netz verblasst das Wichtige und Ernsthafte, das früher die Autorität beanspruchen konnte und die Kontrolle hatte. S. 19.
Im Ergebnis fühlen wir uns immer unfreier bei der Arbeit – wie Gefangene eben. Wir müssen uns alles genehmigen lassen, haben keine Entscheidungsfreiheit, alles wird uns von den Prozessen haarklein vorgeschrieben, vieles läuft gegen den gesunden Menschenverstand. S. 34.
Wir gehen also immer demotivierter zu unserer immer sinnleereren Arbeit, in der zunehmend die Zahlen zählen und eben nicht Vernunft und Sinn. S. 34.
Unsere Zeit verändert sich so rasend schnell, dass sich die Veränderungsprozesse nicht mehr in natürlicher Weise im Übergang neuer Generationen vollziehen können. S. 41.
Der Übergang in die Internet-Gesellschaft [Netzwerkgesellschaft] ist kein länger dauerndes »Generationenproblem«, dafür kommt sie zu schnell und mit zu großer Macht. S. 43.
Im Panopticon ist es gefährlich, auffällig zu sein. Im Attracticon ist es nicht so gut, unauffällig zu sein. S. 43.
Vorrangig entscheidet jetzt der Empfänger, was beachtet wird, und weniger der Sender. Genau darin liegt der Übergang vom System des Panopticons zum Attracticon. S.55.
Dagegen ist es sehr, sehr schwer, etwas Wichtiges und Ernsthaftes kurz so genial auf den Punkt zu bringen, dass es in uns tiefere Wirkungen auslöst. S. 61.
Was wir von den anderen erwarten, müssen wir nun auch einhalten. Kurz und interessant sein, damit wir die anderen nicht langweilen. S. 62.
Und ich merke daran, wie sehr alles rund um die 27 Sekunden herum die reine Wahrheit ist. Auch ich selbst gebe ja jedem Vorgang nur ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Was mich nicht auf der Stelle »einfängt«, kommt sofort weg und hat keine zweite Chance. S. 66.
Wir sind selbst eher schlecht in der Disziplin, das Wesentliche kurz, überzeugend, interessant und mitreißend vorzubringen. Von allen anderen aber verlangen wir das wie selbstverständlich. S. 66.
Auf YouTube finden sich immer mehr absolut sensationelle Videos (Musik, Kunst, Schnapp schuss-Filme), die sich kaum toppen lassen. Diese Inhalte sind allesamt neu, sie sind fast alle in der letzten Zeit entstanden. Wenn diese Tendenz noch ein paar Jahre anhält, gibt es im Internet so viel Hervorstechendes, dass wir uns überhaupt nichts Mittelmäßiges mehr »antun« müssen. Wer also unsere Aufmerksamkeit will, muss sich mehr und mehr anstrengen, mit uns in eine dauerhafte phatische Kommunikation einzutreten. S. 69.
Wir können unseren Willen nicht mehr gemeinsam darauf konzentrieren, uns auf einen Konsens zu verständigen und gemeinsam einen Weg zu gehen. Unsere Führenden geben dafür keine Vorbilder ab. Wir reagieren nur noch kurzfristig auf neue Impulse. Wie Goldfische, denke ich und lächle. S. 78.
Im Business spricht man von SABTA-Menschen: »Sicheres Auftreten bei totaler Ahnungslosigkeit.« S. 82.
Weiter. Es muss doch weitergehen, oder? Die öffentlichen Debatten werden durch die Medien absolut verzerrt und dabei unendlich verflacht. Die komplexere Wirklichkeit passt nicht mehr zwischen die Werbung auf den Webseiten, sie bringt keine Quote, keinen Kick und damit keinen Klick. Wir kommen vor lauter Bashing, Wrestling und Empörung nicht mehr dazu, die Realität zu verstehen. Noch schlimmer, wir finden das Irreale und Aufgebauschte langsam besser. Es belastet nicht, fordert nicht und unterhält bestens. S.84.
Sie werden also in ungeklärter Weise beurteilt – aus den zufälligen Informationsbruchstücken, die es von Ihnen im Netz gibt. Dabei sind Sie ganz und gar nicht »gläsern«, wie uns die unkundigen und nur spekulativen Medien glauben machen. Es ist nicht so, dass man alles oder auch nur viel über Sie weiß. Man hat nur Bruchstücke, Mosaiksteinchen, Ahnungen, Hinweise, Verbindungen und Milieuzugehörigkeiten. S. 91.
Das Netz kennt Sie, aber vollkommen verhunzt, verzerrt, unvollständig und aus Urteilen heraus, die von guten oder schändlich schlechten Apps getroffen werden. S. 91.
Die sogenannten Web-Inhalte (»Contents«) werden immer öfter vorrangig als Magnet für Aufmerksamkeit produziert und dafür ausgenutzt und im Extrem sogar missbraucht, um an der Werbung rund um die Inhalte zu verdienen. Immer häufiger »erstellt man etwas«, nur um Sie und mich zu einer Netz-Litfaßsäule zu locken. Web-Inhalte sollen »Werbe-Schleuser« sein. S.99.
Ich mache mir angesichts dieser Entwicklung Sorgen, dass wir im realen Leben kein gemeinsames Verständnis der Welt, keinen Common Sense, keinen gesunden Menschenverstand mehr erreichen, wenn wir uns medial so grässlich polar in den Haaren liegen. S. 199.
Die Möglichkeit für praktisch jeden, alles vollkommen zerstörerisch zu kommentieren, macht es immer schwerer, gemeinsam zu denken geschweige denn zu handeln. S. 120.
Schon immer war es der schwierigste Teil einer Debatte, sie konstruktiv in einem gemeinsamen Sinn zu beenden. Das Netz verschlimmert dieses Problem um Größenordnungen. S. 120.
Im Grunde haben alle diese Vorstellungen eine herbe Abneigung gegen die jetzt herrschende Realität. Die einen wollen sie durch eine ideale Idee wesentlich heilen, die anderen sehen die Schlechtigkeit der Welt durch bestimmte dunkle Fakten erzeugt, die sie nicht ändern, aber bitter anklagen können. Die einen fordern positive Veränderung, die anderen können sich keine solche vorstellen, außer eventuell durch Revolution. S. 122.
So wie ein Papst oder ein Kaiser vom Hofstaat abgeschirmt werden kann, so schirmt uns das Internet ab und kapselt uns ein – wenn wir es so mit uns geschehen lassen. Wir müssen uns nicht einmal absichtlich in eine Filterblase zurückziehen, es kann auch unbemerkt geschehen, wenn wir zu sehr nur mit Freunden im Netz verkehren. Dann halten wir die Meinungen unseres Kreises langsam für absolut wahr und schaudern über alles andere, wenn wir die Blase verlassen (müssen). S.124.
Den Konzernen wird oft ein Verschlafen vorgeworfen, aber ihr Fehler ist eher ein Verharren in der Filterblase. Sie sind in ihrem Denken, in ihren Methoden, in der Unternehmenstradition und ihrem Betriebshabitus gefangen. Sie versuchen die Revolution innerhalb ihres Filter Bubble und scheitern meist. S. 125.
Man beleidigt andere Menschen hundertmal schneller im Netz, als wenn man ihnen etwas Unangenehmes direkt in die Augen sagen müsste. S. 129.
Im wahren Leben sind wir ja auch flachsinnig genug, aber wir protokollieren nicht mit. Jetzt steht aber alles im Internet – voll kommen ungeläutert. S. 132.
Fazit: Wer etwas postet, im Netz sagt oder wer im Netz zitiert oder gezeigt wird, bekommt es mit den paar Prozent der Kakophoniker zu tun, die überall zufällig zugegen sind. Das sind nach meiner Meinung nicht so viele. Ich glaube, die Masse schweigt – wie auf Versammlungen ja auch. S. 135.
Wer könnte uns in unserer wachsenden Verschiedenheit doch irgendwie einigen? Auf Grundwerte einstimmen, einen Zusammenhalt herstellen und uns solidarisch sein lassen? Die Politik? Die Wirtschaftsführer? Die sind auch immer uneiniger und scheinen keine konsistenten Werte mehr zu vertreten, sie verkünden die Losung des Tages. Sie ersetzen Taten durch Ermahnungen, Appelle oder Aufrufe, sie versprechen Wunderheilung durch absolut sichere Patentrezepte und beteuern ständig, dass sie alles im Griff haben. Echte Wirkung wird kaum noch angestrebt, man setzt uns kleine Leuchtturmprojekte vor, die signalisieren sollen, dass »alles im Lot« ist. Man setzt Preise aus und kommt zum Preisverleihungsfoto für die Presse. Verantwortungsübernahme und Meisterschaft im Tun werden vorgegaukelt. So bekommen Profis Aufmerksamkeit. S. 145.
Cargo-Kult und Heilslehren: Kennen Sie die Cargo-Kulte aus Melanesien? Im zweiten Weltkrieg landeten die gegen Japan Krieg führenden Amerikaner auf kleinen Inseln im Pazifik, auf denen sie Landebahnen für Cargo-Flugzeuge planiert hatten. Die Amerikaner hatten damals fast keinen Kontakt zu den Ureinwohnern, die staunend an den Landebahnen starrten und die ankommende Flugzeuge mit den Gütern für etwas Göttliches hielten. Sie sahen, wie Amerikaner zuerst Landebahnen und einen Tower bauten und dann jedes Mal erstaunliche Wunder geschahen: Immer wenn ein Amerikaner den Tower bestieg und dort anscheinend (zu den Ahnen?) betete, passierte stets etwas Seltsames: Nach kurzer Wartezeit landeten Cargo-Flugzeuge auf den Landebahnen. Diese Flugzeuge kamen aber immer nur dann, wenn Amerikaner im Tower irgendetwas Geheimnisvolles sprachen! Aus dieser Beobachtung entstanden auf vielen Inseln die so genannten Cargo-Kulte. Die Ureinwohner erbauten hoffnungsvoll Landebahnen und dazu immer einen Tower, aus dem heraus sie nun seit langer Zeit die Flugzeuge heranrufen und darauf warten, dass ihre verstorbenen Ahnen ihnen aus dem Himmel Reichtümer schicken.
Er kennzeichnet (hoffnungslose) Versuche von Menschen, bestimmte Umstände genau so einzurichten, wie sie einmal waren, »als ein Wunder geschah«. Dann erwarten sie ein Wiedererscheinen des Wunders, was aber nie eintritt, weil sie etwas Wesentliches beim Beobachten des Wunders nicht begriffen hatten. S. 146.
Korrelationen – Kausalitäten: Viele Menschen schauen sich Superbeispiele vom Erfolg anderer an und versuchen dann, die Unterschiede zu sich selbst zu finden. S. 147.
Appelle funktionieren dann, wenn uns einer ermahnt, von dem wir uns etwas sagen lassen. S. 159.
Zur Verhaltensänderung muss auch das Herz überzeugt und der Wille aktiviert werden. Deshalb kommt es sehr darauf an, wer die Verhaltensänderung in welchem Ton anregt. S. 159.
In der Realität aber appellieren an uns alle möglichen Leute, die nicht wirklich als »Papa« legitimiert sind. Sie ermahnen uns, ohne sich vorher unser Vertrauen erworben zu haben. S. 159.
Wenn also jemand per Appell etwas von uns will, der von uns als nicht berechtigt empfunden wird, tun wir ihn als lästig ab. S. 160.
Wem, bitte, können wir am Ende fest vertrauen? Die Welt der Politik, Beratung und der Wirtschaft ist mit – ich sage es jetzt einmal so – Cargo-Priestern durchsetzt, mit Leuten, die sich als Auserwählte eines Cargo-Kults empfinden und ständig auf dem Tower zu ihren Ahnen beten. Wir haben Mühe, einen ehrbaren Kaufmann von einem professionellen Windhund zu unterscheiden. Diese professionellen Signalisierer sind oft schon verdammt gut! S. 179.
Ich möchte damit sagen: Die realen Erfolgsgeschichten orientieren sich eben nicht an Regeln. Die großen Menschen waren selten Engel oder perfekte Ritualisten. Sie gingen ihren eigenen Weg, der sich dem Leser als unwiederholbar darstellt. Die Zeit war günstig, das Glück gewogen, der Wille zum Erfolg unbändig. Jedes große Schicksal war und ist ein Unikat. S. 183.
»In jedem Jahr sterben 500 Menschen nach unglücklichem Verschlucken von Fischgräten – Fisch meiden ist besser als Terrorschutz.« Beides ist irgendwie flachsinnig, auf der einen Seite die zu große Angst und auf der anderen die mathematische Gleichgültigkeit – aber die beiden Haltungen liegen so irre schön weit auseinander! S. 188.
Die Medien sollten uns informieren und aufklären. Sie sollten uns erbauen, weiterbilden und mit uns Lebensfragen und Zukunftsszenarien besprechen. Wir hätten gerne Nachrichten und eine weise Einordnung der Vorkommnisse in das Ganze. Die Medien haben eine gesellschaftliche Verantwortung. Früher war es die größte Ehre, sorgfältigen und gut recherchierten investigativen Journalismus zu betreiben. Watergate aufdecken oder die CDU-Schwarzgeldaffäre! Edward Snowden interviewen! So etwas brachte ewigen Ruhm und natürlich auch Auflage. So viel Aufwand ist heute nicht mehr nötig. Politiker, Stars und Spitzensportler ringen um Aufmerksamkeit und sind gar nicht so sehr dagegen, wenn ihre Skandälchen in der Presse breitgetreten werden. S. 196.
»Urängste«
- Angst, wenn es Gründe gibt, sich bedroht zu fühlen
- Unwohlsein und große Vorsicht bei Unsicherheit
- Empörung über Ungerechtigkeit und Ungleichbehandlung
- Widerwille, wenn es neue Regeln geben soll
- Zweifel, wenn gravierende Entscheidungen notwendig sind
- Ärger und Bedrohungsgefühle, wenn sich jemand nicht an die Regeln hält
- Zorn bei Arroganz und Kritik von Höhergestellten
- Unbedingter Wille, stets den Schuldigen herauszufinden
- Hintanstellen von Lebenslust – erst die Pflicht! S. 197.
Das wirklich Bedrohliche ist, dass das Zocken mit Aufmerksamkeit in den Medien unter eifriger Mithilfe und Verstärkung der Medien jetzt absolut Beispiel macht. Das Aufmerksamkeitszocken würde nicht funktionieren, wenn alle ethisch wären. Um zu zocken, muss man unethisch werden. Zocken wird belohnt. Folglich schlittern wir in schlimme Zeiten. S. 200
Die Zocker konzedieren, dass die Börsenspekulation mit Nahrungsmitteln dem Menschen schaden. Warum schaden sie denn dann nicht insgesamt? Warum setzen sie ihr Tun anderswo fort? Warum lassen wir das zu? S. 202.
Heute muss man die Vernunft fast schon immer neu suchen und finden, weil sie zu wenig Aufmerksamkeit bekommt. Die Vernunft wird nicht mehr unterdrückt, sondern durch Spektakel überlagert. S. 207.
Freiheit ist nicht grenzenlos, sondern schließt ihren verantwortlichen Gebrauch ein. Es mag legal sein, Beleidigungen in satirischer Form zu publizieren und diese Freiheit von Gerichten bestätigen zu lassen. Die Gerichte entscheiden über die Grenze, die das Gesetz der Freiheit setzt. »Weiter hinaus ist verboten!« Die Ethik und die Verantwortung setzen keine Grenzen, sondern wissen um eine gesunde Mitte. Diese Mitte, die sein soll, haben wir aufgegeben. Wir schielen nur noch auf die Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen. Wir streiten nur noch, ob ein Facebook-Eintrag Hetze im Sinne des Gesetzes ist, das dann eine Löschung verlangt. Wir reden nicht so sehr davon, was verantwortlich oder auch nur angemessen ist. S. 208.
Freiheit verpflichtet. Freiheit hat Grenzen – die der Verantwortung. S. 209.
Stream Smarts sind solche Menschen, die gewisse Netzzentren von Diskursen bilden. Sie stehen in dauerhafter Verbindung mit einer größeren Community und tauschen Wissen und praktische Erfahrungen aus. Wer sich in einem »Stream« an den Diskussio nen beteiligt und vielen anderen hilft, wenn diese Probleme haben, macht sich langsam einen Namen – in dieser Region des Netzes. Wer viel gibt, dem wird im Netz auch viel zurückgegeben. Wer oft antwortet, dem wird auch geantwortet. Stream Smarts vereinen so das Lernen und Tun aus Büchern, aus Erfahrungen und praktischen Ratschlägen. Sie leben in virtuellen Gemeinschaften. S. 232.
»Digitalisierung« ist 2016/17 das Wort des Jahres. Es wird unfassbar inflationär genutzt. Alle denken gerade jetzt gleichzeitig über die »digitale Transformation« nach. »Sie müssen mit dem Denken raus aus Ihrem kleinen Kreis!« Die Lawine kommt von außen! Niemals war es wichtiger als heute, nach draußen und nach vorne zu schauen. »Draußen« in der Welt vollzieht sich die Digitalisierung. S. 234.
Aber wenn Sie das wollen – Bester in einer noch fremden Disziplin werden –, dann können Sie doch nicht intern in Ihrer Firma oder in Ihrer Gemeinde in Meetings per Brainstorming schlauer werden! Aber all das geschieht heute bei der Digitalisierung nicht. Sie sitzen in Meetings und beraten. Sie sehen sich nicht in der Welt um, studieren nicht die Meister auf den fremden Gebieten. Sie köcheln im eigenen Saft. S. 235.
Daher sind wir »dagegen«, so gut und so lange es geht. Die Unis entschließen sich eben nicht, jetzt beispielhafte Vorlesungen ins Netz zu stellen, die Lehrer halten neue Whiteboards und Tablets schon für die neue Zeit an sich – ohne dass die Inhalte dazu da wären. Auch sie sind wie die karikierten Manager, die vor einer weißen Wand oder eben einem leeren Whiteboard sitzen. S. 236.
Die Kluft zwischen Reich und Arm wird in der Verteilung des Geldes gesehen. Dort aber muss gar nicht die Ursache liegen. Die Volkswirtschaftler suchen aber nur auf dem Acker der Wirtschaft, und sie suchen mit den Methoden der Volkswirtschaft: Sie analysieren Daten der letzten Jahrzehnte. Die Digitalisierung aber steht noch nicht in den Datenbanken, sie ist mit Statistik, Simulation und Analyse von wissenschaftlichen Einfach-Modellen noch nicht fassbar. Volkswirtschaft neigt nicht dazu, Werkzeuge zu bieten, die in einer unklaren Zukunft helfen und Kompass sein können. Wissenschaft kommt doch immer erst nach den Pionieren. Heute versucht die Wissenschaft wohl, die Geschichte eines Landes zu schreiben, gerade nachdem es entdeckt worden ist. Wenn ich jetzt also ohne Wissenschaft einfach nur überzeugt bin – nach langem Nachdenken – dann sehen Sie mir bitte die vermeintliche Kühnheit nach. Nachdenken – einfach so – hilft im Wandel bestimmt besser! Es ist keine Kühnheit, sondern ein Versuch, die Stimme der Metis zu hören. S. 242f.
Die Schere zwischen den Professionellen und den Unprofessionellen öffnet sich. S. 244.
Es geht nicht mehr nur darum, die Wahrheit zu verkünden, sie muss auch attraktiv dargestellt werden, sonst nimmt sie keiner wahr. Tiefsinn bekämpft den Flachsinn nicht durch verachtende Abkapselung. Die heutigen Experten werden so aufgenommen: Tc;df – too complicated, didn’t follow – zu kompliziert, mag mich nicht darauf konzentrieren! S. 257.
Es geht immer darum, das Erfolgreiche zu imitieren, was oft in einen Cargo-Kult mündet. Manager sagen »best practices« dazu. Man schaut, was woanders gut läuft, und macht es nach. Das ist im Übergang in eine neue digitale Gesellschaft nicht der richtige Weg. Wir sollten grundlegender nachdenken:
- Metawork/Metaarbeit: Wie werden wir arbeiten und miteinander umgehen?
- Metamanagement: Wir organisieren wir in Zukunft Firmen und Institutionen?
- Metakultur: Wie gehen Menschen miteinander um? Wie entwickeln sich neue Staatsformen in der digitalen Welt?
Mit dem bloßen Kopieren können wir ja wieder anfangen, wenn die neue Richtung klar ist. Für neue kulturelle Richtungen brauchen wir neue Intellektuelle. Unternehmen erkennen nun langsam den Wert von Innovatoren an. Die Institutionen spüren, dass in instabilen Zeiten die Menge der Jasager in die falsche Richtung laufen könnte. Daher predigen sie wenigstens verbal die »Notwendigkeit von Querdenkern«, die auch einmal ungewohnte Denkwege ausprobieren und andere Ansichten haben, die frischen Wind in die Institutionen bringen und »aufrütteln«. S. 258.
Im Netz gilt: Wer die Stimme erhebt, bleibt nie mehr unverletzt. S. 259.
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