Quelle: Salzburger Nachrichten, Der Standard, OTS OE, u. a.

Wenn es um die künftige Energie- und Klimastrategie für Österreich geht, wird hauptsächlich über den Klimaschutz geredet. Aber das Thema Versorgungssicherheit kommt viel zu kurz, kritisiert der Branchenverband Oesterreichs Energie und warnt vor der wachsenden Gefahr von „Blackouts“ in Europa.

Es klingt paradox und ist schwer zu verstehen: Strom gibt es europaweit zwar mehr als genug, aber ausgerechnet das macht die Stromnetze instabil wie selten zuvor. Grund sei der massive Ausbau erneuerbarer Energien, ohne dass gleichzeitig genügend Hochspannungsleitungen gebaut worden wären, wiesen Vertreter von Österreichs Energie Mittwochabend auf eine immer brenzliger werdende Situation hin.

Ökostromanlagen wie Windturbinen oder Photovoltaik gelten zwar als dezentrale Methoden der Stromproduktion, im europäischen Maßstab ist dies jedoch nicht der Fall, denn die häufig regional konzentrierten Anlagen an günstigen Standorten forderten die Übertragungsnetze stärker heraus als konventionelle Großkraftwerke [großtechnisches Denken].

„Es ist deutlich erkennbar, dass wir in Europa beim Systemführungsdesign Anpassungsbedarf haben. Die Systemführung ist im Normalbetriebsbereich hochstabil, kommt aber im liberalisierten Strommarkt an ihre operativen Grenzen.

„Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts ist zweifellos gestiegen“, sagte Klaus Schüller, der bei der Tinetz Tiroler Netze GmbH für die Systemführung Netze zuständig ist. Weil Leitungsverbindungen fehlen, um den Strom vom Ort der Erzeugung zum Ort des Verbrauchs zu bringen, könnten die Netze bei einem unvorhergesehenen Ausfall von Sonnen- oder Windenergie kollabieren. „Experten sagen heute, wenn ganz Europa wirklich durch so einen GAU betroffen wäre, dauert es circa sieben Tage, bis das Stromsystem wirklich wieder so dasteht, wie es zuerst gewesen ist“, so Schüller. „Wenn man sich heute bei den internationalen Netz-Simulatoren oder wo immer trifft und Blackout übt, dann schaut ganz Europa auf die Alpenländer und hofft, dass von dort aus die Wiederversorgung stattfinden wird.“

In Tirol „haben wir Swarovski in unserem Versorgungsgebiet. Der hat zwei Glasöfen und muss innerhalb von zwei Stunden wissen, ob er die Öfen absticht und einfach in der Halle das Glas rausrinnen lässt. Weil, wenn ihm die Öfen einfrieren, ist das Unternehmen tot, weil der braucht zwei Jahre, bis er die Öfen wieder in Betrieb nimmt.“

Oesterreichs Energie fordert auch eine Rückkehr zum System des regionalen Netzwiederaufbaus nach Blackouts, was laut Karl Wimmer von der Verbund Hydro Power GmbH nur geringe Mehrkosten gegenüber dem Status Quo erfordern würde. Zwei Speicherkraftwerksgruppen der Verbund Hydro Power seien als schwarzstartfähige Anlagen konzipiert (Anfahren des Kraftwerks unabhängig vom Stromnetz möglich, Anm.) und könnten im Falle eines Blackouts zum Netzwiederaufbau herangezogen werden. Durch einen regionalen Netzwiederaufbau könnte die Stromversorgung nach einem Blackout rascher wieder hergestellt werden, „dafür wäre lediglich eine kleine Änderung im ElWOG (Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz, Anm.) erforderlich“, sagte Strempfl.

Die Auswirkungen eines Blackouts würden vielfach grob unterschätzt, auch von der Politik.

Kommentar

Viel klarer kann es wohl nicht ausgedrückt werden. Sieben Tage für den Netzwiederaufbau auf europäischer Ebene wäre bereits eine absolute Horrorvorstellung, kommt doch das Büro für Technikfolgenabschätzung beim deutschen Bundestag zum Schluss:

Eine „nationale Katastrophe“ wäre ein langandauernder Stromausfall aber auch deshalb, weil weder die Bevölkerung noch die Unternehmen, noch der Staat hierauf vorbereitet sind. Spätestens am Ende der ersten Woche wäre eine Katastrophe zu erwarten, d. h. die gesundheitliche Schädigung bzw. der Tod sehr vieler Menschen sowie eine mit lokal bzw. regional verfügbaren Mitteln und personellen Kapazitäten nicht mehr zu bewältigende Problemlage.“

Gleichzeitig ist das Szenario völlig realistisch, auch wenn wir in Österreich mit einer wesentlich kürzeren Stromausfallszeit rechnen können. Aber die (Lebensmittel-)Versorgung ist großteils transnational organisiert, womit wir auch in Österreich massive Beeinträchtigen zu erwarten hätten (siehe Studie „Ernährungsvorsorge in Österreich„). Ganz abgesehen von den möglichen schweren wirtschaftlichen Langzeitfolgen (siehe Beispiel Swarovski) bis hin zu einem möglichen nuklearen Zwischenfall in Mitteleuropa. Wir gehen hier sehr leichtsinnig mit unserer Zukunft um.

Die Fähigkeit des regionalen Netzwiederaufbaus wurde auch ganz klar in der Sicherheitsforschungsstudie „BlackÖ.2“ herausgearbeitet. Zwar mag ein zentraler top-down Netzwiederaufbau wie derzeit vorgesehen effizienter sein, man berücksichtigt hier jedoch nicht, dass das Problem auch vom Übertragungsnetz ausgehen kann, womit keine Rückfallebene mehr gegeben wäre. Daher geht es auch hier um ein sowohl-als-auch-Denken. Zudem erfordert die Energiewende ganz klar auch eine dezentralisierte Systemstruktur (Energiezellensystem), um überhaupt gelingen zu können.