Letzte Aktualisierung am 29. August 2016.

Quelle: www.blick.ch – Warten auf das grosse Beben

Experten des Bundes: Erdbeben wie in Italien sind in der Schweiz jederzeit möglich. Sie rechnen mit Tausenden von Toten, Hunderttausenden Obdachlosen – und einem landesweiten Blackout. Sie warnen: «Wir sind nicht vorbereitet.»

Das Erdbeben letzte Woche in Mittelitalien war verheerend. Die Zahl der Todesopfer ist auf über 290 gestiegen, die der Verletzten auf rund 500. Die Schäden dürften mehrere Milliarden Franken betragen.

In der Schweiz wäre ein ähnliches oder noch stärkeres Beben ebenfalls möglich. Mit fatalen Folgen. Das sagen Seismologen der ETH in Zürich und Experten des Bundes in Bern.

«Von keiner anderen Naturgewalt geht hierzulande ein grösseres Risiko aus als von Erdbeben.»

Und zwar ständig. «Es kann in drei Minuten oder in vierzig Jahren passieren», so Seismologe Florian Haslinger (50) vom Schweizerischen Erdbebendienst an der ETH. Alle 50 bis 100 Jahre komme es in der Schweiz zu einem Beben mit Stärke 6 oder mehr, letztmals 1946 in Sierre VS. «Es ist aber auch möglich, dass zwei oder drei grosse Beben kurz nacheinander kommen.»

Das Unheimliche, so Haslinger: «Es ist unmöglich, den Zeitpunkt und die Wucht vorauszusagen.»

Vorbereitet ist das Land nicht. «In der Schweiz ist für ca. 90 Prozent der Gebäude nicht bekannt, ob sie erdbebengerecht gebaut worden sind», so der Erdbebendienst.

Nicht nur Häuser sind gefährdet. «Das Stromnetz ist in der Schweiz sehr verletzbar», so Heunert. «Schaltet ein Erdbeben zwei wichtige Unterwerke aus, besteht die grosse Gefahr eines schweizweiten Blackouts.» Dann fliesst kein Strom mehr. Züge und Fabriken stünden still, das Licht ginge aus, Bankautomaten gäben kein Geld mehr, Spitäler wären auf Notstrom angewiesen.

Hirngespinste sind das nicht, sagt Heunert. Nur: «Das Bewusstsein für das Erdbebenrisiko ist in der Schweiz gering.» Viele glaubten, hiesige Bauten seien sicher.

Kommentar

Ein Szenario, das Gänsehaut auslösen kann und das wir bisher auch nicht am Radar hatten. Das Schweizer Stromnetz gehört wie das österreichische zum Kern- bzw. Zentralnetz in Europa. Eine Großstörung in diesem Bereich könnte sich leicht auf Europa ausbreiten (Dominoeffekte) und zum gefürchteten europaweiten Strom- und Infrastrukturausfall („Blackout“) führen. Und gerade die Schweiz und Österreich sind für den raschen europaweiten Netzwiederaufbau besonders wichtig! Siehe auch Wahrscheinlichkeit eines Blackouts gestiegen

Daher macht es aus vielen Perspektiven Sinn, ein dezentralisiertes Energiezellensystem zu etablieren, um das Stromversorgungssystem gegen viele mögliche Störungen abzusichern bzw. robuster zu machen.

Anmerkung Franz Hein

Es ist schlicht unmöglich, das Stromversorgungssystem gegen jegliche Störung abzusichern. Was angestrebt werden muss (und was aus meiner Sicht auch durch das Energiezellenkonzept erreicht wird) ist ein deutlich höherer Grad an Robustheit durch die Vielzahl autonom handelnder einzelner Energiezellen. Dazu kommt, dass diese Energiezellen (ggf. sogar nur mehrheitlich aber überwiegend) einem einheitlichen Verhaltenscodex folgen, der eine hohe Versorgungssicherheit als oberste Prämisse hat – und das in allen relevanten Zeitbereichen der Energieversorgung. Zur Umsetzung des Verhaltenscodex braucht es allerdings Energieassistenzsysteme (inklusive der Messeinrichtungen und Aktoren), damit informationsverarbeitende Komponenten.

Das ist auch gleich die Achillesferse (z. B. bei marktbeherrschenden Lieferanten solcher Komponenten – auch schon bei den Bestandteilen, mangelnde Sorgfalt besonders beim Testen, fehlende Redundanz gepaart mit Diversität, Überheblichkeit vereint mit Dummheit, „Einkanaligkeit“ bei der Kommunikation, usw.). Und ein Sonnensturm dürfte unsere informationsverabeitenden Techniken entweder komplett lahmlegen oder zumindest gewaltig stören.

Wir können nur den Grad der Robustheit steigern, so dass wir mit Gelassenheit in die Zukunft schauen können – wenn wir gravierende, sich flächenhaft ausbreitende Störungen immer noch als möglich ansehen und uns dafür vorbereitet haben (durch rasches Erkennen, auch rasches Einschätzung der Brisanz, rasches Informieren (wie auch immer) und immer wieder geübtes Umgehen mit solchen (dann noch selteneren) Ereignissen. Letzteres ist das Schwierigste, da unser Gehirn mit sehr selten Ereignissen „ignorant“ umgeht. So sind wir „gestrickt“!