Letzte Aktualisierung am 29. August 2016.

Quelle: Die Presse

Zivile Krisenvorsorge ist wieder Thema. Nur gelebt wird sie selten. Dabei braucht es zur Bewältigung der meisten Katastrophen nur Verstand und einen Keller.

Reale Gefahr Blackout. „Angst ist ein ganz schlechter Ratgeber vor, während und nach Krisen.“ Krisen hat Herbert Saurugg zu seinem Beruf gemacht. Der karenzierte Offizier des Bundesheers berät als Experte Gebietskörperschaften und Einsatzorganisationen bei der Vorbereitung auf den Ausfall lebenswichtiger Infrastrukturen. Sein Spezialgebiet ist sozusagen die Mutter aller Krisen, der Blackout, also ein vollständiger Ausfall des Stromnetzes über einen längeren Zeitraum. Saurugg erlebte im Zuge seiner Tätigkeit, wie viele Unternehmen, aber auch Gemeinden und wichtige Helfer wie Feuerwehren erkannten, dass sie während eines Blackouts selbst rasch handlungsunfähig wären. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit von Chaosszenen auf den Straßen, wie sie Autor Marc Elsberg in seinem Bestseller („Blackout – Morgen ist es zu spät“) beschreibt, alles andere als Fiktion. Einer der Gründe, warum die deutsche Regierung ganz aktuell ihrer Bevölkerung zum Anlegen von Vorräten rät, ist die als real bewertete Gefahr, dass Unfälle, aber auch Hacker oder Terroristen gezielt der empfindlichen Strominfrastruktur den Stecker ziehen.

Da sich der Staat in Österreich bei Krisen zunächst nur selbst versorgt, vereinfacht gesagt nur Koordination und Einsatzmittel der Bevölkerung zur Verfügung stellt, macht die Vorbereitung zum Selbstschutz den Unterschied. Aber was ist sinnvoll?

Pandemien

Die Verbreitung ansteckender Krankheiten über Grenzen hinweg gab es schon immer. In unserer hochmobilen Welt ist die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs einer Pandemie jedoch gestiegen. Vogel- und Schweinegrippe, Sars, Ebola und aktuell das Zikavirus waren und sind plastisch greifbare Beispiele dafür. Die größte Gefahr geht bei Pandemien meistens von anderen Menschen aus. „Wer Menschenansammlungen meidet, senkt das Risiko, selbst angesteckt zu werden, daher erheblich“, sagt Saurugg. Natürlich sei das kein Exklusivwissen, wer jedoch in schwierigen Lagen die Ruhe bewahre, sich an entscheidende Informationen erinnere, könne mit minimalem Aufwand große Wirkung erzielen. Kleinporige Atemschutzmasken kosten nicht viel und schützen, wenn man während einer Pandemie doch einmal unter Menschen muss. Die Einlagerung von Desinfektionsmitteln hilft, nach der Rückkehr sich selbst und damit die Wohnung rein zu halten. Auf drei Prozent verdünntes Wasserstoffperoxid etwa ist kostengünstig und auch im Alltag zur Wundreinigung oder der Bekämpfung von Schimmel geeignet. Grundvoraussetzung, um überhaupt große Menschenansammlungen wie zum Beispiel in Supermärkten vermeiden zu können: Lebensmittelvorräte.

Naturkatastrophen

Starkregen, Hochwasser, Sturm, Schneefall und 2014 auch ein fataler Eisregen haben gezeigt, dass Naturkatastrophen Teile der Bevölkerung schnell isolieren und an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen können. Wer sich bereits vorher über die Gefahren der Schnee- oder Eislast erkundigt, wird lebensgefährliche Orte wie Wälder meiden. Die Bereithaltung von Dichtmaterialen und Sandsäcken ermöglicht bei Hochwasser das schnelle Schließen problematischer Gebäudeöffnungen wie Kellerfenster. Rückstauklappen im Kanal verhindern, dass bei überlasteten Systemen das Abwasser ins eigene Haus gedrückt wird. Sind Orte länger von außen nicht erreichbar, verhindert Beschäftigung den gefährlichen Lagerkoller. Saurugg denkt dabei an die Situation in Slowenien während der Eiskatastrophe, als ganze Fußballfelder von Eis und Schnee freigeschaufelt wurden, „nur damit niemand auf dumme Gedanken kommt“. Und auch hier essenziell: Vorräte.

Unruhen

Unruhen, Plünderungen und Ausschreitungen können die Folge von Pandemien, Naturkatastrophen oder eines Blackouts sein. Wie schnell sie aufgrund sozialer Probleme entstehen, sah man vor Jahren in Paris, zuletzt auch in den USA nach der Tötung mehrerer Schwarzer durch die Polizei. Ähnlich wie bei einer Pandemie ist der sicherste Ort bei Unruhen fast immer das eigene Haus, die eigene Wohnung. Hierzulande sorgten in den vergangenen zwölf Monaten fast 30.000 Bürger mit dem Kauf von Feuerwaffen vor. Herbert Saurugg glaubt, dass nachhaltige Sicherheit in solchen Lagen jedoch vor allem durch das vorherige Knüpfen sozialer Kontakte im unmittelbaren Lebensumfeld entsteht. Der Gedanke dabei: Wenn sich Nachbarn, Mitbewohner des Stockwerks oder der Wohnanlage persönlich kennen, geht von ihnen weniger Gefahr aus. Zudem machen gebündelte Kräfte stärker, lassen einen noch schwierige Situationen leichter bewältigen. Und ja: Um den Hochrisikort Straße zu meiden, sind erneut Vorräte ein Vorteil.

Blackout

Ein lang anhaltender Stromausfall ist für technologieabhängige Gesellschaften der GAU unter den Krisen. Binnen Stunden kollabiert die gesamte Telekommunikation. Mit ihr stehen Finanz- und Verkehrssystem. In Supermärkten streiken die Kassen, die Kühlung von Lebensmitteln versagt. Den Notstromaggregaten der Spitäler geht irgendwann der Treibstoff aus, Einsatzorganisationen fahren nicht mehr, weil die Pumpen der allermeisten Tankstellen stehen. Wer dann, so wie Saurugg mit Familie, über Vorräte für sieben bis 14 Tage verfügt, kann dem erwartbaren Chaos gelassener entgegenblicken. Dafür reicht ein Kellerregal. Aber womit soll man es füllen? Der 42-Jährige empfiehlt, sich einen längeren Campingurlaub fernab der Stadt vorzustellen. Neben Nahrung ist Information entscheidend für das Übeleben. Ein mit Batterien betriebenes Radio sollte nicht fehlen. Campingkocher machen unabhängig vom Strom, genügend Wasser ist ebenso wichtig. Wer Zugang zu Quellen oder Fließgewässern hat, kann mit einem Wasserfilter (fast) gefahrlos daraus trinken. Bargeld in kleinen Einheiten macht flexibel. Noch erheblich mehr Anregungen zur Krisenvorbereitung stellt der Zivilschutzverband in Broschüren zur Verfügung.

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