Letzte Aktualisierung am 17. Januar 2016.
Quelle: www.handelsblatt.com
Mit der Industrie 4.0 tun sich ganz neue Sicherheitslücken auf. Doch Cyberattacken werden die Digitalisierung nicht aufhalten.
Es ist eine schöne neue Welt, die uns gerade auf der weltgrößten Industriemesse in Hannover gezeigt wird: vernetzte Maschinen, wohin das Auge blickt. Kontinuierlicher Datenaustausch in immer größeren Netzwerken zwischen allen Mitgliedern einer Produktionskette. Die Informationsströme jederzeit abruf-, kontrollier- und steuerbar über Laptop, Smartphone oder iPad, von jedem Platz der Welt.
Die Unternehmen versprechen sich von der fortschreitenden Digitalisierung im Büro und in der Werkshalle eine massive Steigerung der Produktivität, weniger Ressourcenverbrauch, individuell zugeschnittene Produkte. Dazu winken neue Geschäftsmodelle rund um mehr Service und vorausschauende Wartung, die schon heute lukrativer sind als der simple Bau einer Maschine und künftig mehr als bisher im Gesamtpaket vertrieben werden.
Das entspricht aus Sicht der Cyberkriminellen einer gewissen Logik: je komplexer und größer die Netzwerke, desto höher der Schaden – und damit das Potenzial für mögliche Erpressungen, ein Motiv für Hackerangriffe. Und je mehr Geräte, Menschen und Maschinen miteinander kommunizieren, umso größer die Zahl der Einfallstore, was eine mögliche Wirtschaftsspionage erleichtert.
Braucht es also nur einen spektakulären Fall wie der Totalausfall eines Autowerks über mehrere Tage oder den Strom-Blackout einer ganzen Region nach der digitalen Kaperung einer Kraftwerkssteuerung, um die Digitalisierung der Industrie zu stoppen oder zumindest zu verzögern? So ein Vorfall wird irgendwann, irgendwo so kommen und entsprechende Diskussionen auslösen.
Als Aufgabe bleibt den Unternehmen nur, ihre Anstrengungen und Etats zu erhöhen, um sich bestmöglich gegen Attacken aus dem Internet zu schützen und die Auswirkungen auf Know-how und Produktion möglichst klein zu halten, sollte ein Hacker doch einmal die Barrieren durchbrechen.
Kommentar
Wie der letzter Satz zeigt, wird die Tragweite von systemischen Risiken in keinster Weise verstanden. Es geht nicht nur um Hacker und Daten, sondern, darum, dass unsere Gesellschaft massiv von den zunehmend vernetzteren Systemen abhänig und angreifbar wird. IT-Sicherheit reicht dabei bei weitem nicht aus.
Industrie 4.0 erreicht zwar gerade den Gipfel der überzogenen Erwartungen (Hype-Cycle), jedoch werden die Entwicklungen zur weiteren Vernetzung der Infrastrukturen wohl weiter voranschreiten – zumindest bis zum ersten großen Zwischenfall, wo vielleicht einige Fragen aufgeworfen werden, die man jetzt noch lieber nicht stellen möchte.
Das Problem ist ja nicht nur die Vernetzung, sondern dass so gut wie alles unter der Maxime der Effizienzsteigerung läuft. Systemische Aspekte finden dabei kaum Berücksichtigung.
Siehe auch: Wenn betriebswirtschaftliche Optimierungen systemgefährdend werden