Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.

Quelle: Die Presse

Verhaltensökonom Matthias Sutter soll die Österreicher mit kleinen „Schubsern“ dazu bringen, Steuern zu zahlen und Energie zu sparen. Er erklärt, warum die Bürger trotzdem frei bleiben.

Sie sollen im Auftrag der Regierung die Österreicher mit kleinen Schubsern (Nudges) in die „richtige“ Richtung lenken: Da muss man vorsichtig sein. Wenn man Politik für die Menschen machen will, ist es nun einmal hilfreich zu verstehen, wie Menschen Entscheidungen treffen. Deshalb engagiert die Regierung Psychologen und Verhaltensökonomen wie mich.

Natürlich können wir das Problem lösen, indem wir die Kilowattstunde zehnmal teurer machen. Aber genau das wollen wir ja vermeiden. Wir können nicht ständig alles teurer machen. Deshalb sollen kleine Anreize helfen, Einsparungen zu erzielen. Studien zeigen auch, dass die Menschen dadurch nicht gleich grün leben. Aber das, was leicht geht, machen sie.

Viele Regierungen setzen auf die Schubser der Verhaltensökonomen, um Bürger zu lenken. Warum bildet sich der Staat eigentlich ein, besser zu wissen, was gut für mich ist? : Das ist ein wichtiger Punkt. Jeder Mensch muss selbst wissen, was das Beste für ihn ist. Jeder ist frei in seiner Entscheidung. Der Staat kann nur Orientierung bieten und entscheiden, was er für sinnvoll erachtet. Wenn es aber darum geht, Energieeffizienz, Steuerehrlichkeit oder Durchimpfungsraten zu erhöhen, ist das meist auch im Sinne des Einzelnen.

Und dafür werden Bürger manipuliert? : Es gibt keine Entscheidungssituation, die neutral ist. Die Rahmenbedingungen spielen immer eine Rolle. Ein Beispiel: Wenn der Staat befindet, dass in Kantinen Salate vorn stehen sollen, kommt der Aufschrei. Dabei entscheiden umgekehrt eben andere, dass die Süßigkeiten vorn stehen. Irgendwie wird unsere Wahl also immer beeinflusst. Entscheidend ist, dass jeder Mensch weiterhin tun kann, was er will. Es soll niemand zu etwas gezwungen werden. Es sollen allerdings die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Menschen leichter im eigenen Interesse handeln. Aber wer nicht verändert werden will, muss sich nicht verändern.

Wenn alles so gut ist, warum entscheiden wir uns nicht automatisch „richtig“? : Der Mensch ist weder ständig rational noch ständig irrational. Aber er ist träge. Jeder kennt bestimmte Verhaltensroutinen, die er nicht täglich hinterfragt.

Warum dringen Regierungen heute nicht mehr so einfach zu den Bürgern durch wie früher? : Meine persönliche Wahrnehmung ist, dass der Staat früher ein größeres Ansehen hatte. Heute wollen viele Bürger nur noch in Ruhe gelassen werden. Die Regierungen wollen zwar weiter gestalten, aber niemandem mehr lästig sein. Das ist in meinen Augen an sich ein gutes Ziel – und auch wirkungsvoll. Denn Gesetze allein verändern das Verhalten der Bürger nicht mehr unbedingt.

Es gibt Studien, die zeigen, dass man sich im Recht fühlt, nach einer „guten Tat“ das nächste Mal etwas weniger moralisch zu handeln.

Kommentar

Spannende Aussagen und Hinweise, wie man vielleicht auch das Thema Eigenvorsorge besser transportieren könnte.