Letzte Aktualisierung am 23. Oktober 2015.
Quelle: https://alertswiss.ch
«Ich liebe Übungen!» verriet Bundesrat Ueli Maurer in seinem Einstiegsreferat zur 2. Konferenz Sicherheitsverbund Schweiz am 28. Mai 2015 in Interlaken. Er begann dann aber nicht von herumrasenden Feuerwehrautos oder Panzern zu schwärmen; vielmehr begründete er seine Aussage nutzenorientiert: In den Übungen lerne man nicht nur seine Partner, sondern vor allem seine Schwächen kennen.
Erkenntnisse umsetzen
Viele Führungskräfte gingen Übungen aus dem Weg, um nicht «plötzlich ohne Hosen dazustehen», hielt er fest. Damit redete er seinem Publikum, bestehend aus 330 Führungskräften und Krisenmanagern aus Verwaltung, Politik und Privatwirtschaft, direkt ins Gewissen. Weiter appellierte er: «Ganz wichtig ist die Arbeit nach der Übung. Wir müssen die Erkenntnisse aus der Übung umsetzen!» Wie die Voten seiner Nachredner zeigten, hatte er mit dem Appel gleich die Losung der Veranstaltung in den Raum geworfen.
Mit gesundem Menschenverstand und positiver Einstellung
«Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es», variierte Toni Frisch die Aussage. Der Projekt- und Übungsleiter führte aus, dass es an Erkenntnissen aus der Sicherheitsverbundsübung SVU 2014 nicht fehlt. 16 Empfehlungen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Bund, Kantonen und den weiteren Partnern in Krisenlagen sind im Schlussbericht formuliert. Toni Frisch, bekannt als langjähriger Chef des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe SKH, bezeichnete den Aufwand für die Übung als lohnenswert. Durch einen Effizienzgewinn liessen sich nun sogar Ressourcen sparen. Dazu müssten sich die Verantwortlichen mit gesundem Menschenverstand und positiver Einstellung an die Aufgaben machen.
Sicheres Datenverbundnetz
Der Bundesrat hat bereits am 20. Mai das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS beauftragt, das Vorhaben für ein sicheres Datenverbundnetz voranzutreiben. Dieses Netz soll in Notlagen die Kommunikation zwischen den Partnern des Sicherheitsverbundes Schweiz sicherstellen. Die Führungsanlagen der Landesregierung, alle Departemente des Bundes, die Kantone und die Betreiber kritischer Infrastrukturen (wie Kernkraftwerke oder Landesflughäfen) sollen sich dereinst über dieses sichere Netz austauschen können.
BABS gefordert
Ein kurzer Blick in die Liste der Empfehlungen der Übungsleitung zeigt, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz BABS gleich auf mehreren Bühnen eine Hautrolle spielt: Die Elektronische Lagedarstellung, die allen Partnern jederzeit die Gesamtlage aufzeigen und so den Wissensgleichstand ermöglichen soll, sei weiterzuentwickeln. Ein Ressourcenmanagement Bund soll dafür sorgen, dass die wesentlichen Ressourcen (national und international, zivile und militärische Mittel) gezielt zugeteilt werden können. Und das Inventar zum Schutz kritischer Infrastrukturen soll für vorbeugende und einsatzbezogene Planungen genutzt werden.
Bundesstab ist weiterzuentwickeln
Eine Schlüsselrolle hat das BABS beim Bundesstab ABCN. Einst nur für den Fall erhöhter Radioaktivität (A) geplant, erweiterte er in den letzten Jahren sein Zuständigkeitsfeld auf die Bereiche Biologie (B), Chemie (C) und Naturgefahren (N). Nun soll er «bezüglich Mandat, Funktion, Struktur, Zusammensetzung und Bezeichnung überprüft und weiterentwickelt werden».
In einer von insgesamt drei Podiumsdiskussionen in Interlaken hatte Benno Bühlmann, Direktor BABS und Vorsitzender des Bundesstabes ABCN, die Gelegenheit, über den Bundesstab zu sprechen: «Je nach Ereignis sind unterschiedliche Kompetenzen gefragt. Der Bundesstab muss deshalb flexibel zusammensetzbar sein. Er benötigt aber eine fixe Basis, insbesondere in den Bereichen Information / Kommunikation und Ressourcenmanagement.» Der Handlungsbedarf sei relativ gross, es fehle vor allem an der Durchhaltefähigkeit.
Nach der Übung ist vor der Übung
Der Bundesrat hat das VBS und die Bundeskanzlei beauftragt, gemeinsam die Durchführung von grossangelegten Übungen in den nächsten Jahren zu prüfen. Jetzt heisst es für die Verantwortungsträger also: in die Hosen steigen. Nicht, dass sie dann bei der nächsten Übung ohne Hosen dastehen.
Kommentar
Ein sehr verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema Unsicherheit und mit möglichen strategischen Schocks. Nur so kann man die nötigen Erfahrungen gewinnen, um mit jeglichen Überraschungen besser umgehen zu können. Und die Schweizer Auseinandersetzungen betreffen nicht nur die Schweiz, sondern alle Länder in Europa gleichermaßen, da wir von den selben Rahmenbedingungen sprechen.
Dazu passt auch das Ö1 Interview mit dem Unternehmensberater Niels Pfläging, wenngleich er absolutistisch ist und häufig eine Polarisierung hervorruft. Aber das ist die Rolle von Vorreitern. Planung und Management wird auch weiterhin Bestandteil unserer Welt sein – aber nur dort, wo industriegesellschaftliche Strukturen die beste Lösung sind. Sie werden nicht restlos abeglöst, sondern durch neue, zusätzliche Methoden ergänzt werden. Siehe dazu auch die Netzwerkgesellschaft.