Letzte Aktualisierung am 21. Oktober 2015.
Quelle: www.industr.com
Ein autonom arbeitendes System steuert Hausgeräte, Batteriespeicher und Netzbausteine im Smart Grid und ermöglicht so, mehr Strom aus erneuerbaren Energien im Ortsnetz aufzunehmen.
Seit mehr als einem Jahr ist in der Siedlung Wertachau, einem Ortsteil der Stadt Schwabmünchen bei Augsburg, das Projekt „Smart Operator – das intelligente Stromnetz“ in Betrieb. Kürzlich stellten die Projektleiter der Lechwerke (LEW) und RWE Deutschland eine erste Zwischenbilanz vor. Demnach wird das Hauptziel des Projekts erreicht: Das vorhandene Ortsnetz in der Siedlung kann nun mehr Strom aus den Photovoltaikanlagen der Siedlung aufnehmen, weil die Smart-Operator-Steuerung Verbrauch in Zeiten verschiebt, in denen die Anlagen viel Strom erzeugen. In der Folge ist auch der Strombezug der Siedlung aus dem regionalen Mittelspannungsnetz zurückgegangen. Ebenso wird weniger überschüssiger Strom aus der Siedlung in dieses Netz zurückgespeist – dieser Wert soll um etwa ein Drittel zurückgegangen sein. Teilnehmende Haushalte mit intelligenten Hausgeräten, die Strom selbst mit einer Photovoltaikanlage auf dem Hausdach erzeugen, können durch den Einsatz der smarten Technologie einen größeren Anteil ihres selbsterzeugten Stroms im eigenen Haushalt nutzen.
Die Lechwerke und RWE Deutschland haben in dem gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekt eine der eigenen Aussage zufolge umfassendste Smart-Grid-Installationen überhaupt aufgebaut: Erstmalig sind intelligente Stromzähler, verschiedene intelligente Hausgeräte in Privathaushalten sowie Netzbausteine wie ein zentraler Batteriespeicher und eine autonom arbeitende Steuerung, der Smart Operator, zu einem Gesamtsystem verbunden. Mehr als 110 Haushalte beteiligen sich an dem Projekt. „Wir haben damit Neuland betreten“, berichtet Frank Kreidenweis, stellvertretender Projektleiter bei LEW für das Smart-Operator-Projekt. „Es ist eine enorme Herausforderung, das hochkomplexe Zusammenspiel der insgesamt rund 70 intelligenten Bausteine im Netz und in den Haushalten zu koordinieren. Wir mussten nicht nur bauliche Hürden in den einzelnen Haushalten meistern, sondern in vielen Fällen auch Schnittstellen zur Anbindung der einzelnen Bausteine neu entwickeln. Mit der Inbetriebnahme der Smart-Operator-Steuerung im Juli 2014 hatte die eigentliche Entwicklungsarbeit erst begonnen.“
In 23 der mehr als 110 teilnehmenden Haushalten arbeiten verschiedene Bausteine: Waschmaschinen, Wäschetrockner und Geschirrspüler, aber auch Wärmepumpen, Batteriespeicher oder E-Mobility-Ladeboxen. Für die Haushaltsgeräte können die Projektteilnehmer dem Smart Operator ein Zeitfenster zum Start ihrer Hausgeräte zur Verfügung stellen: Nach dem Befüllen der Geräte stellen sie die Maschinen so ein, dass sie von dem System gestartet werden können. Die Haushalte geben nur den Zeitpunkt ein, bis zu dem der Wasch-, Trocken- oder Spülvorgang spätestens abgeschlossen sein muss. Der Smart Operator kann dann den Gerätestart in jene Zeiten verschieben, in denen vor Ort viel Strom aus den Photovoltaikanlagen der Siedlung erzeugt wird. In drei Viertel der Anwendungen schalten die Teilnehmer ihre Hausgeräte auf Smart-Operator-Steuerung – am häufigsten die Spülmaschine, am wenigsten der Trockner. Batteriespeicher oder Wärmepumpen in den Haushalten steuert das System direkt.
Zusätzlich steuert das System einen großen zentralen Netzbatteriespeicher mit einer Kapazität von 150 Kilowattstunden (kWh) sowie einen regelbaren Ortsnetztransformator und fernsteuerbare Lastschaltleisten, um die Stromflüsse im Ortsnetz zu optimieren. Berücksichtigt werden auch drei Ladeboxen für Elektroautos in Haushalten sowie eine zentrale Ladesäule. Durch 160 intelligente Zähler in allen teilnehmenden Haushalten kennt der Smart Operator außerdem den aktuellen Verbrauch und die Erzeugung der 23 PV-Anlagen im Ort. Der Smart Operator kann insgesamt eine Kapazität von 315 kWh pro Tag ansteuern, davon 165 kWh pro Tag in den Haushalten. Dies entspricht etwa einem Viertel der Energie, die die Photovoltaikanlagen in der Wertachau an einem Sommertag durchschnittlich erzeugen. Für die Prognose von Erzeugung und Verbrauch im Netz greift das System außerdem auf Wetterdaten zu. Im Schnitt verarbeitet der Smart Operator pro Minute rund 200 Messsignale aus dem Netz und gibt 30 Steuersignale an Bausteine aus.
Intelligente Technik schöpft Ressourcen vorhandener Netze aus
„Die Energiewende findet im ländlichen Raum statt: 90 Prozent des regenerativ erzeugten Strom werden in die Verteilnetze eingespeist. Bisher reagieren wir auf die Zunahme der schwankenden Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit dem konventionellen Ausbau der Stromnetze, um weiterhin eine sichere Stromversorgung zu gewährleisten. Intelligente Technik in den Ortsnetzen kann uns künftig dabei helfen, die Ressourcen der vorhandenen Netze optimal auszuschöpfen und damit den Netzausbau zumindest lokal zu begrenzen“, sagte Stefan Willing, Leiter des Smart Operator-Gesamtprojekts bei RWE Deutschland. „Schon jetzt konnten wir aus dem Projekt konkrete Produktansätze für den Einsatz in der Praxis ableiten: etwa das sogenannte Netzscreening, mit dem sich Netzbetreiber eine höhere Transparenz über ein vorhandenes Ortsnetz verschaffen können oder aber die Erweiterung von Anwendungen und neuen Geräteschnittstellen für das SmartHome-System von RWE, mit dem sich Haushalte hinsichtlich ihres Eigenstromverbrauchs optimieren können.“
Kommentar
Ein positives Beispiel, das den Energiezellensystemansatz unterstreicht und zeigt, wie es gehen kann. Die Lösung der Zukunft liegt in der dezentralen „Intelligenz“ und Umsetzung. Der überregionale Netzausbau steht derzeit zu sehr im Fokus und widerspricht dezentralen Lösungen, wobei es wiederum um ein sowohl-als-auch geht.
In Österreich gibt es ein ähnliches Projekt in der Modellregion Salzburg.
Siehe zusätzlich Modellprojekt Smart Operator im Landkreis Trier-Saarburg.
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