Der folgende Beitrag soll anhand von praktischen Beispielen verdeutlichen, wie leicht wir uns von Durchschnittswerten täuschen lassen und ein falsches Bild erhalten.
Lohnkluft in Österreich wächst rapide
Quelle: Der Standard
Auf den ersten Blick sieht alles so aus, als wäre die Welt in Ordnung: Das Medianeinkommen der unselbstständig Erwerbstätigen lag in Österreich im Jahr 1998 bei 20.040 Euro. Exakt die Hälfte der Menschen verdiente weniger, die andere Hälfte mehr. Fünfzehn Jahre später liegt der Wert bei fast 26.000 Euro, was einem satten Anstieg von 28 Prozent entspricht. Rechnet man allerdings auch die Inflation hinein, sind die Medianlöhne in Österreich in den vergangenen fünfzehn Jahren spürbar gesunken.
Stark verloren bei den unselbstständig Erwerbstätigen haben nämlich vor allem die Geringverdiener. Das Zehntel der Beschäftigten mit dem niedrigsten Lohn verdient inflationsbereinigt heute um rund ein Drittel weniger als 1998. Selbst wenn man diese Rechnung erweitert und die Gruppe der Geringverdiener auf die 25 Prozent der unteren Einkommensbezieher erweitert, ergibt sich ein klares Minus beim Nettoverdienst seit 1998. Nur die Spitzenverdiener schafften hier einen klaren Zuwachs.
Wie das Beispiel zeigt, lohnt es sich, hinter die reinen Zahlenwerte zu blicken. Entscheidend ist dabei auch die Varianz, also die Bandbreite zwischen den minimalen und maximalen Werten. Warum die Einkommensschere auseinander geht, liegt unter anderem auch daran, dass eine „x-Prozent Lohnerhöhung“ dazu führt, dass sich diese bei höheren Gehältern automatisch besser auswirkt, wie im unteren Bereich. Hinzu kommen exponentielle Entwicklungen, die sich erst im laufe der Zeit auswirken.
2014 war das wärmste Jahr seit Messbeginn
Quelle: Der Standard
2014 wird das wärmste Jahr in der 247-jährigen Messgeschichte der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Zehn Monate lagen zum Teil deutlich über dem vieljährigen Mittel. Nur Mai und August waren kühler als im Mittel.
Markant waren in diesem Jahr nicht lange Hitzewellen, sondern konstant überdurchschnittlich hohe Temperaturen. Erstmals in der Messgeschichte lagen fünf Monate mehr als 2,5 Grad über dem Mittel.
Gewohnt an die sehr überdurchschnittlich warm verlaufenden Sommermonate in den vergangenen Jahren, prägte der Sommer subjektiv dem gesamten Jahr 2014 eher einen kalten Stempel auf. Im Jahresverlauf gab es keine drastisch hohen Tagestemperaturmaxima, aber auch keine besonders tiefen Minima.
Auch dieses Beispiel zeigt, wie leicht wir zu täuschen sind. Subjektiv wären wir wohl zu einer anderen Einschätzung gekommen. Hier spielen schleichende Entwicklungen eine besondere Rolle, die von uns meist unterschätzt werden und daher einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von systemischen Risiken leisten.
»Lieber mal abwarten und sehen, ob es wirklich so schlimm kommt«, ist das gängige Reaktionsmuster auf diese Bedrohungen. Warum wir uns diese Haltung der Nonchalance gerade bei den schleichenden Bedrohungen unserer Lebensumstände nicht leisten können, werden Sie in dem folgenden dritten Teil des Buches erfahren. Das Risikoparadox, S. 327.
Es gibt viele Gründe dafür, dass wir die Wirkung systemischer Risiken unterschätzen: Zum Ersten sind diese Risiken schleichender Natur, d.h. wir nehmen die Auswirkungen nur als marginale Veränderungen unserer Umwelt wahr. (…) Zum Zweiten sind systemische Risiken durch komplexe Strukturen miteinander vernetzt, so dass scheinbar nicht zusammenhängende Lebensbereiche über die komplexen Ursache-Wirkungsbeziehungen an irgendeinem Glied der langen Kette aufeinander einwirken. Unsere intuitiven kausalen Denkformen sind, wie wir erfahren haben, nicht auf die Analyse komplexer Ursache-Wirkungsketten ausgerichtet. S. 335.
Daher ist beim Thema Klimawandel auch nicht der zu erwartende Anstieg der Durchschnittstemperatur relevant, sondern die damit verbundenen Varianzen. Denn bei der globalen Durchschnittstemperatur sind auch die Ozeane, die 75% der Erdoberfläche ausmachen und puffernd wirken, enthalten. Die Wetterextreme treten aber auf den Landflächen auf. Einen Einblick hierzu verschafft auch der österreichische Sachstandsbericht – Klimawandel 2014.