Sicherheitskommunikation
Ich möchte heute einige Auszüge aus dem Buch/der Dissertation von Daniela Giebel, „Integrierte Sicherheitskommunikation – Zur Herausbildung von Unsicherheitsbewältigungskompetenzen durch und in Sicherheitskommunikation“ bringen, die auch für das Thema „Blackout“ bzw. strategische Schocks generell von Relevanz sind. Daniela Giebel hat mit ihrem systemischen Ansatz viele interessante und wichtige Aspekte für die heutigen und zukünftigen Herausforderungen aufgearbeitet. Dieses Buch stellt aus meiner Sicht eine wichtige Basisliteratur für den Umgang mit den neuen Herausforderungen und der dazu erforderlichen Kommunikation dar. Dabei geht es nicht nur um Risiko- oder Krisenkommunikation, sondern um einen ganzheitlichen Ansatz und wie die Bevölkerung aktiv in eine Krisenvorbereitung und -bewältigung eingebunden, bzw. zur Selbstwirksamkeit ermächtigt werden kann.
Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass Rezipienten nur sehr wenig Interesse an Kommunikationsangeboten bekunden, die Hinweise zum Verhalten in sicherheitskritischen Zuständen beinhalten oder potentiell Betroffenen Handlungsratschläge erteilen; die Meinung von Experten hinsichtlich der Ursache und Konsequenzen eines Ereignisses wird demgegenüber viel höher bewertet. (…) Geäußert wurden hier vor allem Wünsche hinsichtlich besserer, schnellerer und umfassenderer Information zu Aspekten wie ‚what is happening‘ oder ‚how long it will take to resolve it‘. Auf der nach Häufigkeit der Nennung sortierten Liste findet sich der Wunsch ‚Provide more information on the way citizens should behave‘ erst auf einem der letzten Ränge. S. 136f
Auch an Sirenen können spezifische Handlungsimplikationen gebunden werden – Voraussetzung dabei ist nur, dass diese allen Adressaten bekannt sind. S. 142
Daher ist beim derzeitigen Informationsstand der Bevölkerung ein Zivilschutzalarm möglicherweise kontraproduktiv, da dies wahrscheinlich eine Blockade der noch verfügbaren Notrufnummern auslöst.
Eine Warnung, die ein Individuum erst in der Katastrophe, also im Fall nahezu maximaler Unsicherheit, erreicht, hat ihren Zweck gewissermaßen verfehlt. (…) Wirksam ist eine Warnung, wenn sie innerhalb eines Netzwerkes abgegeben wird, weil sie auf vertraute Kommunikationsmuster zurückgreifen kann. S. 145
Daher sind SIE als Multiplikator auch so wichtig! Wenn Sie als sensibiliserte Personen die Problematik in Ihren Netzwerken weiter kommunizieren, erreichen wir gemeinsam mehr!
Den Adressaten müssen in einer präventiven Phase erste bestimmte Mangellagen verdeutlicht werden, sie müssen auf ihre nicht vorhandenen Bewältigungskompetenzen aufmerksam gemacht werden. Erst dann kann davon ausgegangen werden, dass eine Motivation besteht, sich Angeboten präventiver Sicherheitskommunikation zuzuwenden. S. 153.
Auch hier spielt wieder Ihre Rolle als Multiplikator eine wichtige Rolle!
‚Mythos Panik‘: ‚Panic is often used as a justification by high-level decision makers to deny knowledge and access to the public, on the presumption that people cannot handle bad news.‘ S. 176.
Die Befürchtung von Interessensvertretungen, dass die Menschen in Panik geraten, wenn man sie über die drohende Gefahr eines Blackouts informiert, habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder gehört. Ich habe derartige Reaktionen bei Menschen jedoch nie auch nur im Ansatz erlebt. Ganz im Gegenteil. Man kann und muss den Menschen die Wahrheit zumuten!
Häufig wird vermeintlich Betroffenen absichtlich nur ein minimales Ausmaß an Informationen zur Verfügung gestellt. Somit kann weder die gegebenenfalls noch verfügbare Zeit bis zum tatsächlichen Ereigniseintritt für präventive Maßnahmen genutzt werden, noch können die zweifelsohne bis zu einem gewissen Ausmaß bei den Betroffenen vorhandenen Unsicherheitsbewältigungspotentiale aktiviert und zielführend eingesetzt werden. Häufig führen erst eine Verzögerung der Warnungen und eine unklare Botschaft dazu, dass eine geordnete Evakuierung nicht mehr möglich ist. S. 178.
Hier sei auf die „Kontrollierte Flutung“des Eferdinger Beckens 2013 verwiesen.
Die Bevölkerung ist nicht nur als Akteur anzuerkennen, sondern ihr muss im gleichen Zuge auch ein gewisses Maß an Vertrauen entgegengebracht werden: Man muss ihr zutrauen, Bedürfnisse selbst zu erkennen, zu kommunizieren und womöglich gar eigenständig für deren Befriedigung zu sorgen. Die Bevölkerung muss Sinn und Zweck für ein eigenes Aktivwerden in der Unsicherheitsbewältigung erkennen und dessen Notwendigkeit erfahren. Ohne diese Erkenntnis und den entsprechenden Antrieb kann weder ein Lernen noch eine Weiterentwickelung in diesem Bereich erfolgen. Um diese eigenmotivierte Auseinandersetzung zu erreichen, müssen notwendigerweise bestimmte Relevanzschwellen erst einmal überschritten werden. S. 221
Es ist daher höchst an der Zeit, dass die Bevölkerung aktiv in die Auseinandersetzung und Vorbereitung eingebunden wird. Nur so können viel unnötiges Leid sowie zusätzliche Schäden verhindert werden.
Verschiedene Meldungen und Berichte
- SVU’14 – Newsletter November: ‚Die vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema des Stromausfalles und der längeren Mangellage hat verschiedene Schwachstellen aufgezeigt, allein schon in der Kommunikation. Aber auch die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, in einer solchen Krise, ist eine gewaltige Herausforderung.‘
- SVU’14 – Newsletter Oktober: ‚Der Staat muss auf «Notbetrieb» umstellen und die Gesellschaft aus der Krise führen.‘
- Power Supply Dependencies in the Electronic Communications Sector – power cuts are a dominant cause of severe network and service outages in the EU’s electronic communications sector.
- Österreichischer Sachstandsbericht – Klimawandel 2014 – Sehr wahrscheinlich ist hingegen eine zusätzliche Herausforderung für die Energieinfrastruktur durch vermehrt auftretende Hitzewellen bzw. Dürren. Die Gefahr von Blackouts steigt.
- Parlamentarische Anfrage: Vorbereitung auf den Krisenfall ‚Blackout‘
- Internationale Krisenmanagementkonferenz in Wien
- Energiewende in SH: Der „Blackout“ rückt näher – Breite sich das Ausfallgebiet jedoch auf das ganze Land (Schleswig-Holsteinischer) aus, könne die Wiederherstellung bis zu fünf Tage dauern, im gesamten Bundesgebiet (DEU) bis zu acht Tage.
- Wenn für eine Woche der Strom wegbleibt – Es dauere sechs Tage plus X, die Stromversorgung nach einem europaweiten Crash wieder zu stabilisieren.
- NSA-Chef warnt von chinesischen Cyber-Angriffen auf US-Stromnetze – „Energetic Bear“ wurde so entwickelt, dass die Malware auch die Kontrolle über physikalische Systeme übernehmen könnte.
- (Nicht-)Resilienz der österreichischen Haushalte – Bei einem Blackout wird ein Großteil der österreichischen Haushalte nicht in der Lage sein, zu kochen.
- Sonnenfinsternis 2015 – keine reale Gefahr für das Stromversorgungssystem
Situation im europäischen Stromversorgungssystem
Die angeführten Beispiele stammen rein aus öffentlich verfügbaren Quellen. Sie zeigen die aktuellen Herausforderungen auf und sollten uns an die
Truthahn-Illusion erinnern.
- Redispatching – Während im bisherigen 4. Quartal die Eingriffe in Deutschland im Vergleich zu 2013 zurückgingen, sind diese in Österreich deutlich angestiegen.
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