Letzte Aktualisierung am 03. März 2018.
Quelle: derstandard.at
Das deutsche Stromnetz war in der klirrenden Kälte möglicherweise durch gewagte Handelsgeschäfte vom Zusammenbruch bedroht.
Was in Österreich Anfang Februar aufhorchen ließ, war folgende Meldung: Aufgrund eines drohenden Engpasses bei der Stromversorgung haben vier deutsche Netzbetreiber Reservekapazitäten in Österreich zurückgegriffen. Es handelte sich schon um den zweiten Zugriff in diesem Winter auf die sogenannte „Kaltreserve“. Der Grund damals schien offensichtlich: Die Kältewelle trieben den Verbrauch eklatant in die Höhe. Jetzt könnte sich diese Annahme allerdings als Irrtum herausstelllen.
Das deutsche Stromnetz ist in den kalten Wintertagen möglicherweise durch riskante Handelsgeschäfte von einem Zusammenbruch bedroht gewesen, schreiben deutsche Medien einhellig. Laut „Berliner Zeitung“ (Donnerstag) kritisierte die in Deutschland zuständige Bundesnetzagentur in einem Schreiben, dass es zu gefährlichen Defiziten im Stromnetz gekommen sei. Darin heiße es, das deutsche Stromnetz habe seit dem 6. Februar zu unterschiedlichen Tageszeiten „erhebliche, über mehrere Stunden andauernde Unterdeckungen verzeichnet„.
Im Störungsfall – etwa wenn ein Kraftwerke ausgefallen wäre – hätte das Netz kollabieren können. Nun wird die Sache laut der Aufsichtsbehörde untersucht. Die Aufsicht sprach von einer sehr ernsten Situation. Kolportiert wird nun folgende Variante: Kosten für extrem hohe Börsen-Strompreise infolge der langanhaltenden Minusgrade sollten gespart werden. Konkret geht es darum, dass Hunderte Stromhändler für Großverbraucher und Versorger den Strom zukaufen, der gerade benötigt wird. Sie schätzen dabei anhand von Erfahrungswerten ab, wie viel Strom gebraucht wird. Weil durch eine enorme Nachfrage, etwa auch in Frankreich, der Strompreis an der Börse auf teils weit über 350 Euro für die Megawattstunde hochschnellte, besteht der Verdacht, das die Händler Kosten sparen wollten und die Prognosen entsprechend kleinrechneten.
Weil aber durch eine höhere Nachfrage zu wenig Strom vorhanden war, musste über die für Notfälle als Absicherung des Systems vorgesehene Regelleistung zurückgegriffen werden, die mit Kosten von rund 100 Euro je Megawattstunde deutlich billiger ist. Diese Kosten werden den Stromhändlern im Nachhinein berechnet. Wenn keine Regelleistung mehr vorhanden ist, gibt es kaum noch Spielräume, einen Ausfall von Kraftwerken aufzufangen. In einem Schreiben des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, heißt es: „Insbesondere im Zeitraum vom 6. bis 9. Februar wies die Systembilanz von Deutschland eine deutliche, jeweils mehrere Stunden lang anhaltende Unterdeckung auf.“
Update 15.05.12
Siehe auch Bericht zum Zustand der leitungsgebundenen Energieversorgung im Winter 2011/12
Die Situation in den Stromnetzen war im Winter 2011/2012 sehr angespannt.
Darüber hinaus haben ebenfalls im Februar 2012 ungewöhnlich hohe Prognoseabweichungen zu einer Ausschöpfung der Regelenergiereserven geführt, sodass die Übertragungsnetzbetreiber zusätzliche Maßnahmen ergreifen mussten. Zur Verbesserung der Prognosen wird die Bundesnetzagentur durch Anpassungen im Ausgleichsenergiepreissystem entsprechende Anreize schaffen.
Die deutschen und österreichischen Reservekraftwerke wurde mehrmals angefordert. Teilweise dienten sie der Leitungsentlastung, teilweise der Aufstockung der ausgeschöpften Regelenergie. Die Reservekraftwerke werden in etwa gleicher Größenordnung auch im folgenden Winter benötigt.
Die Zusammenarbeit zwischen Netzbetreibern im Strom- und im Gasbereich muss verbessert werden, um der gewachsenen Bedeutung der Gaskraftwerke und somit der Gasversorgung derselben für die Systemsicherheit im Stromnetz Rechnung zu tragen. Auch hier empfehlen sich Änderungen des Rechtsrahmens.
Die Versorgungseinschränkungen mit Erdgas im Februar 2012 haben Schwachpunkte in den Erdgasnetzen offengelegt. Handlungsbedarf in den Gasnetzen besteht, dieser bleibt erfreulicherweise deutlich hinter dem Handlungsbedarf in den Stromnetzen zurück.
Update 27.11.12
Quelle: Monitoring-Bericht 2012 der deutschen Bundesnetzagentur vom 27.11.12
Im Februar 2012 traten während einer Kältewelle zwei potenziell kritische Rahmenbedingungen gleichzeitig auf. Zum einen konnten aufgrund von Engpässen im Gasnetz nicht alle deutschen Gaskraftwerke ausreichend mit Gas versorgt werden, zum anderen trat zeitweise eine erhebliche Unterspeisung der Bilanzkreise auf. Die Unterspeisung der Bilanzkreise führte in einigen Stunden zur vollständigen Ausschöpfung der Regelenergiereserven und überschritt sogar zeitweilig die vorgehaltene Kapazität deutlich. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, mussten die Übertragungsnetzbetreiber die Reservekraftwerke zur Ergänzung der Regelenergie heranziehen und zusätzlich Energie im Intraday-Markt in Deutschland und
im benachbarten Ausland beschaffen. Der Ausfall eines weiteren größeren Kraftwerks hätte in dieser Situation nur schwer kompensiert werden können. Aufgrund der insbesondere im Süden Deutschlands ausgefallenen Gaskraftwerke, sowie einer hohen Netzlast und erheblichen Exporten nach Frankreich, Österreich und in die Schweiz, war das Netz hoch ausgelastet, was die sog. (n-1)-Sicherheit in wenigen Stunden gefährdete.
Trackbacks/Pingbacks