Einsam oder gemeinsam? Wie zerbrechlich ist unsere Gesellschaft?
In den vergangenen Monaten beschäftigt mich immer wieder eine Erfahrung, die mich sehr nachdenklich stimmt: In Gesprächen mit Leuten stellt sich oft heraus, dass Menschen, die Vorsorgemaßnahmen treffen, um Ihre Sicherheit fürchten. Das Argument: Die anderen machen ja nichts, bzw. machen sich dann auch noch darüber lustig. Daher kommt dann relativ häufig auch das Thema Waffen, was wiederum durch aktuelle Meldungen wie „Österreicher kauften 2019 Rekordmenge an Schusswaffen“ bestätigt wird. Ferner existiert eine häufig anzutreffende Erwartung, dass im Falle eines Blackouts ziemlich rasch Chaos und Anarchie eintreten werden, obwohl das eher den Katastrophenmythen zuzuordnen ist (siehe auch das Buch „Im Grunde gut“).
Natürlich gibt es auch die andere Seite! Je länger das Ereignis dauert, desto kritischer wird es, wenn viele Menschen nichts mehr zum Essen haben. Daher ist das Ziel, diesen Kipppunkt möglichst weit nach hinten zu schieben! Das geht aber nur durch eine breite, individuelle Vorsorge! Siehe weiter unten.
Viele Dinge werden nicht zu Ende gedacht!
Ein Schusswaffengebrauch bedeutet eine völlige Eskalation, wo es keinen Rückweg mehr gibt.
- Wie möchten wir dann wieder in eine bisher gewohnte Normalität zurückkehren, wenn wir zuvor jemanden bedroht oder sogar verletzt haben?
- Was, wenn das Gegenüber besser mit der Waffe umgehen kann, als man selbst?
- Die Waffe soll nur abschrecken? Auch wenn ich jemanden im ersten Schritt abhalten kann, wann kommt er wieder? Oder wie viele kommen dann? Unbewaffnet?
- Ein Schusswaffengebrauch stellt auch immer eine Gefährdung für Dritte dar, vor allem im bebauten Gebiet.
- Und wer hat schon einmal ohne Gehörschutz in einem Raum geschossen?
Sind Waffen daher Teil der Lösung oder eher Teil des Problems?
Vertrauensverlust und Ohnmacht
Wir müssen davon ausgehen, dass es im Fall eines Blackouts für viele Menschen ein böses Erwachen geben wird. Sie werden völlig unvorbereitet überrascht. Dinge, die im Alltag für selbstverständlich wahr- und hingenommen werden, stimmen auf einmal nicht mehr. Erwartungen an Dritte (Einsatzorganisationen, „der Staat“) werden enttäuscht werden. Es wird sich eine nicht beschreibbare Ohnmacht einstellen. Die Schuldigensuche und Verzweiflung beginnt. Ein tiefer Vertrauensverlust ist zu erwarten.
Ein Blackout kann sich zu einer unvorstellbaren Katastrophe entwickeln, wenn die Bedrohung und Vorsorge nicht ernst genug genommen werden! Also genau so, wie wir das derzeit machen, auch wenn es in Österreich (oder Südtirol) mittlerweile zahlreiche Aktivitäten gibt. In der Gesamtschau wird das aber kaum ausreichen, wenn wie zu erwarten, die Versorgungsunterbrechungen zumindest 1-2 Wochen dauern werden, und dann nur mehr rund 1/3 der Bevölkerung in der Lage ist, sich selbst versorgen zu können (siehe Ernährungsvorsorge in Österreich oder Kritische Infrastrukturen-Resilienz als Mindestversorgungskonzept“ (KIRMin)). Es wird zwar immer häufiger von Resilienz gesprochen, aber in der Realität sind wir weit davon entfernt.
Das wirkliche Problem
Also sind die Grundbefürchtungen real und nachvollziehbar! Jedoch sind die Ableitungen falsch!
Wir verfallen hier leicht in einen Tunnelblick. Das wirkliche Problem beginnt bereits jetzt! Indem einerseits zu wenig über dieses Thema gesprochen und debattiert wird (Info-Folder sind zu wenig, siehe KIRMin). Meist auch im besten Glauben der Verantwortungsträger, damit keine „Panik“ erzeugt wird (siehe Katastrophenmythen). Aber genau damit wird der Grundstein gelegt, dass es frühzeitig zu Eskalationen und Übergriffen kommen kann! In Einzelfällen werden diese mit Sicherheit auch so und frühzeitig auftreten! Aber im Generellen ist zunächst einmal mit einem Zusammenhalt und einer gemeinsamen Problemlösung zu rechnen (siehe etwa Bevölkerungsverhalten in Krisen und Katastrophen). Daher ist trotz aller Bedrohlichkeit des Szenarios auch eine gewisse Gelassenheit erforderlich. Aber nicht ohne entsprechender Vorsorge!
Wo liegt unser Fokus?
Wir wissen, dass sich unsere Aufmerksamkeit dort hinrichtet, wo unser Fokus liegt. Wenn wir daher mit raschen Eskalationen rechnen und vielleicht auch selbst dazu beitragen, sowohl als Einzelne als auch als Organisationen, dann werden wir genau das sehen und erleben! Es wird sich eine selbsterfüllende Prophezeiung einstellen!
Ich bin sicher nicht blauäugig und naiv. Ganz im Gegenteil. Mir macht genau diese egoistische Grundhaltung Sorgen! Wir überlegen gar nicht mehr, wie wir gemeinsam Lösungen finden könnten, sondern igeln uns von vornherein mental ein und schaffen dadurch erst Recht die Basis für das, was wir eigentlich verhindern wollen! Wobei es auch hier nicht um entweder-oder, sondern um sowohl-als-auch geht! Denn natürlich gibt es auch einen Kipppunkt, wo sich das dann ändert und wo zumindest der gefühlte persönliche Überlebenskampf beginnt. Aber genau diesen Kipppunkt können wir hinausschieben und das muss auch unser Ziel sein, wenn wir eine solche Krisenlage als Gesellschaft und nicht als Einzelkämpfer überstehen wollen!
Der Kipppunkt
Dieser Kipppunkt hängt von mehreren wesentlichen Fragestellungen ab:
- Wie viele Menschen wissen über die Folgen eines Blackouts Bescheid und können sich im Fall des Falles auf die Situation einstellen und besonnen reagieren?
- Wie viele Menschen haben eine ausreichende Vorsorge getroffen, um sich und die eigene Familie zumindest zwei Wochen selbst über die Runden bringen zu können?
- Welche Maßnahmen wurden in der Gemeinde getroffen, damit zumindest eine minimale Notversorgung mit Wasser (Abwasser), Gesundheitsnotdienstleistungen, Informationen aufrechterhalten werden kann (siehe die Arbeitsmappe für Gemeinden)?
- Welche Maßnahmen wurden in der Gemeinde getroffen, damit die vorhandenen Lebensmittelvorräte (Supermärkte, Produzenten etc.) geordnet abgegeben werden können und damit vor allem der Verderb von Waren oder die Zerstörungen von Einrichtungen verhindert wird?
- Wie können wir in einer solch chaotischen Situation alle gemeinsam dazu beitragen, dass eine gewisse Grundordnung und Selbstorganisation aufrechterhalten bzw. wiederhergestellt wird (siehe etwa Sichtbarkeit im Krisenfall: Warnwesten als Kennzeichen für hilfsbereite Menschen)?
Was können wir nun tun?
Entscheidend ist, dass wir uns jetzt mit möglichen Lösungswegen beschäftigen, um gemeinsam eine derart absehbare Krise bestmöglich bewältigen zu können! Und der erste Schritt beginnt im eigenen Kopf, indem wir nicht das durchaus greifbare Negative in den Vordergrund stellen, sondern wie wir dieses reduzieren können.
Wenn man zum Beispiel das Geld für eine Waffe, Munition, Schießtraining, Waffenpass usw. in einen zusätzlichen Vorrat investiert, den man dann auch herschenken könnte, hat man wahrscheinlich wesentlich besser für die eigene Sicherheit vorgesorgt. Wenn man das gemeinsam mit anderen macht, dann braucht man auch viel weniger. Und eine Gemeinschaft ist immer stärker und abschreckender, als Einzelkämpfer. Natürlich wird man nicht immer auf offene Ohren und Verständnis stoßen. Aber man muss es versuchen. Eine Erfahrung ist auch, dass sich wesentlich mehr Menschen Gedanken machen, als man glaubt oder wahrnimmt! Nur die meisten fühlen sich isoliert und alleine und kommen daher auch nicht wirklich ins Handeln. Daher geht es auch um die Vernetzung und Sichtbarmachung, also um eine offene Sicherheitskommunikation, damit mehr Menschen aktiv werden und das Thema besser sichtbar wird.
Zum anderen braucht es gerade in Krisensituationen Menschen, die die Führung und Selbstorganisation auf lokaler Ebene übernehmen und so eine gemeinsame Richtung vorgeben und ein Grundvertrauen wiederherstellen. Dies sollte natürlich in der Gemeinde koordiniert werden, was jedoch bereits jetzt vorbereitet werden muss. Denn wenn das nicht Menschen mit guten Absichten machen, dann werden das früher oder später andere übernehmen, die vielleicht andere Absichten verfolgen. Die Mehrheit wird sich eher passiv verhalten und den jeweils vorhandenen Strukturen anschließen. Daher haben wir alle es in der Hand, in welche Richtung sich das Ganze entwickelt. Wir sind immer Teil der Lösung oder auch des Problems. Jede(r) Einzelne von uns entscheidet mit, in welche Zukunft wir gehen! Siehe dazu auch Sichtbarkeit im Krisenfall: Warnwesten als Kennzeichen für hilfsbereite Menschen).
Kippschalter im Kopf
Die wahrscheinlich schwierigste Aufgabe und Herausforderung im Fall eines Blackouts wird es sein, rechtzeitig in den Krisenmodus (Plan B) umzuschalten. Menschen versuchen grundsätzlich auch in Krisen die Normalität aufrechtzuerhalten. Auch, weil damit eine gewisse Sicherheit („Bekanntes“) verbunden ist. Aber gerade bei einem Blackout würden damit wichtige Ressourcen verschwendet werden, beispielsweise Lebensmittel, die dann nach ein paar Tagen fehlen könnten, oder Zeit, die nur mehr schwer aufgeholt werden kann. Gerade anfänglich harmlos erscheinende Entwicklungen könnten rasch in eine Eskalation führen, da die erwartbaren exponentiellen Entwicklungen unterschätzt werden. Daher ist der bewusste Übergang in den Krisenmodus von zentraler Bedeutung. Dieser könnte und sollte von staatlicher Seite unterstützt bzw. ausgelöst werden, was derzeit aber fraglich ist. Zum Glück kann aber jede(r) Einzelne von uns mit den vier wesentlichen Erkennungsmerkmalen ein Blackout ziemlich rasch erkennen: Kein Strom, kein Handynetz, Radio einschalten, Privatradiosender fehlen schon und auf Ö3 hört man, dass alle Tunnel gesperrt werden.
Geben wir den Anstoß und bringen auch andere in Bewegung!
Wie auch das Forschungsprojekt KIRMin wieder gezeigt hat, geht es darum, die vielen falschen Erwartungen zu reduzieren und die Selbstwirksamkeit zu stärken! Nur dann haben wir als Gemeinschaft eine Chance, weitreichende Infrastruktur- und Versorgungsausfälle mit möglichst geringen Schäden zu überstehen! Versuchen Sie diese Gedanken auch in Ihren Netzwerken zu verbreiten, damit wir eine kritische Masse erreichen.
Einfach tun!
O. L.
Sehr geehrter Herr Saurugg,
mit großem Interesse war ich bei Ihrem Seminar (TÜV AUSTRIA, Qualitätsmanagement) zum Thema Blackout anwesend.
In der Zwischenzeit habe ich sowohl versucht familiär, als auch natürlich als QM Vorbeugemaßnahmen im Unternehmen zu treffen, Konzepte geschrieben und kommuniziert.
Unser Unternehmen ist in der Planung für Haustechnik und Elektrotechnik tätig. Unsere Elektrotechnik-Experten nehmen diese Thematik mehr als sehr ernst.
Ich bedanke mich über diesen Weg für Ihren wertvollen Input und Informationen.
Des Weiteren habe ich auch alles Wesentliche an die gesamte Hausgemeinschaft weitergegeben, die auch für die Infos sehr dankbar sind.
FOLGEN SIE MIR