Letzte Aktualisierung am 17. Dezember 2017.
Quelle: www.sueddeutsche.de (22.06.17)
Update 20.07.17: orf.at Ein drittel weniger Wasserstromproduktion in OÖ
Deutschlands Netzbetreiber müssen mittlerweile fast täglich eingreifen, um Blackouts zu verhindern. Denn vor allem im Norden wird zu viel Strom produziert, der nicht abfließen kann, weil die Trassen dafür fehlen.
Einen solchen Totalausfall der Stromversorgung gab es im Netz von 50 Hertz noch nie. Doch Philipp Nickus und seine Kollegen müssen immer häufiger eingreifen, damit das so bleibt. Um das Netz stabil zu halten, müssen sie Kraftwerke zwangsweise anfahren oder abschalten. Diese Maßnahmen, die bei den Energiekonzernen „Redispatch“ genannt werden, waren einmal für Notfälle gedacht. Heute gehören sie zum Alltag. Beinahe täglich müssen die Netzbetreiber eingreifen, damit der Stromfluss nicht zum Erliegen kommt.
Zwei Faktoren sind dafür verantwortlich. Aber es ist erst ihre Kombination, die Deutschlands Stromnetze an die Belastungsgrenze bringt: Auf der einen Seite ist der Anteil der erneuerbaren Energien rasant gewachsen. Gleichzeitig kommt der Bau der großen Stromautobahnen, die diese Energie transportieren sollen, nur schleppend voran. Frühestens 2025 sollen die neuen Trassen fertig werden.
Bis dahin könnten weiter hohe Kosten entstehen. Im Jahr 2015 kostete allein das angeordnete An- und Abschalten der Kraftwerke mehr als 400 Millionen Euro [siehe hierzu aber auch die Aussage aus dem Bundestag: „Die Kosten für Systemdienstleistungen sind 2015 deutlich gestiegen. Im Jahr 2015 lagen sie bei 1,6 Milliarden Euro, gegenüber 1,1 Milliarden Euro im Vorjahr.„] Im vergangenen Jahr gingen die Kosten zwar auf etwa 220 Millionen Euro zurück. Doch das lag nach Ansicht von Experten auch an schwachen Windverhältnissen. Entwarnung gibt es nicht.
Während im Norden und Osten riesige Windparks entstanden sind, gehen im Süden die großen Atomkraftwerke schrittweise vom Netz. Der Strom wird oft nicht mehr dort erzeugt, wo er verbraucht wird. Kein Problem könnte man meinen; dann muss der Strom aus dem Norden eben in den Süden geleitet werden.
Doch dafür sind die Stromtrassen nicht ausgelegt – zumindest noch nicht. An manchen Tagen führt das zu paradoxen Situationen, die die Regeln der Marktwirtschaft aushebeln: Wenn sich Deutschlands Windräder auf Hochtouren drehen und die Sonne auf die Photovoltaik-Module brennt, fällt der Strompreis an der Börse. Viele Kohle- und Gaskraftwerke sind dann nicht mehr rentabel. In der Theorie müssten die Netzbetreiber nun den günstigen Grünstrom von Nord nach Süd bringen. Doch in der Praxis können sie einen großen Teil dieses Stroms gar nicht abtransportieren. Die Netzbetreiber müssen dann – obwohl der Strompreis im Keller ist – herkömmliche Kraftwerke im Süden kostenpflichtig anfahren lassen. Eine teure Sache.
Und dabei bleibt es nicht: Wenn die Netzbetreiber den Strom im Norden nicht abtransportieren können, verstopft er dort die Leitungen. Um das Netz vor dem Kollaps zu bewahren, müssen sie dann Kraftwerke und Windräder abschalten. Die Verluste, die den Betreibern dadurch entstehen, zahlen die Stromkunden über ihre Netzentgelte mit.
50Hertz erhöhte seine Netzentgelte vergangenes Jahr um 45 Prozent. Bei Tennet stiegen sie sogar um 80 Prozent, für einen Dreipersonenhaushalt ist das ein Aufschlag von etwa 30 Euro pro Jahr.
Bei 50 Hertz hoffen sie, dass die Kosten dieses Jahr im Rahmen bleiben. Bislang sehe es gut aus, weil der Wind vergleichsweise schwach war. „Wenn der Herbst stürmisch wird“, sagt er, „kann alles wieder anders aussehen.“
Update 20.07.17: Ein drittel weniger Wasserstromproduktion in OÖ
Quelle: orf.at
Die wichtigste Stromproduktionsquelle Oberösterreichs – die Wasserkraft – ist momentan durch die Trockenheit massiv eingeschränkt. Im Juni und im Juli konnte etwa bei der Energie AG jeweils im Schnitt um ein Drittel weniger Strom durch Wasserkraft erzeugt werden. In Oberösterreich regnete es im Juni und im Juli 50 bis 80 Prozent weniger als im Durchschnitt. Zwei Drittel des Stroms werden in Oberösterreich aus Wasserkraft erzeugt.
Die Energie AG gibt für die Stromkunden Entwarnung: „Wir kaufen den notwendigen Strom über die Börse in Deutschland zu. Außerdem sind genügend Kapazitäten in den Gas- und Dampfkraftwerken in Oberösterreich vorhanden um den Bedarf zu decken“, sagt Frostel.
Kommentar
Ein sehr gut recherchierter Artikel! Er zeigt, dass mit Prognosen einiges gemacht werden kann. Aber uns sollte trotzdem Bewusst sein, dass es auch hier keine 100% Verlässlichkeit gibt, wie immer wieder Ausreißer zeigen. Diese sieht man in Österreich schöner, da der Durchschnittswert in Deutschland lokale Abweichungen in der Anzeige kaschiert. Immer wieder kam es in den letzten Wochen zu kurzfristigen Abweichungen von bis zu einem GW, was in etwa der Leistungsfähigkeit der halben Donauwasserkraftkette entspricht.
Ein anderes Problem, dass sich gerade anbahnt sind die niedrigen Wasserstände in den Flüssen (ZAMG)und die anhaltende Hitzewelle. Einerseits sinkt damit vor allem im Alpenraum die verfügbare Stromerzeugungskapazität von Wasserkraftwerken und zum anderen führt die dadurch raschere Aufwärmung des Wassers zu einer Abnahme der Kühlfähigkeit bei thermischen und nuklearen Kraftwerken. 2015 stand etwa Polen dadurch knapp vor dem Kollaps und damit wohl auch das restliche europäische System. Auch in Frankreich kommt es durch eingeschränkte Kühlfähigkeit immer wieder zu Problemen. Siehe auch: Trockenheit gefährdet Stromversorgung
Vergleich Laufwasserkraftwerk-Stromproduktion 2015-2017 (Jänner bis November)
Während 2015 (blau) die Varianz (Abweichung) bei der Stromproduktion relativ klein war, ist diese im 2. Quartal 2017 (rot) erheblich angestiegen, was auf steigende Netzeingriffe hindeutet. Bei der Stromproduktion wird aktuell das Niveau von 2015 erreicht, jedoch deutlich unter 2016 (grün).
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