Letzte Aktualisierung am 04. Januar 2016.
Das europäisches Stromversorgungssystem wurde für einfach berechenbare und steuerbare Großkraftwerke errichtet. In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen jedoch massiv verändert. So ist etwa in Deutschland die Anzahl der Erzeugungsanlagen in den letzten 10 Jahren von rund 1.000 auf über 1,3 Millionen angestiegen. Zudem haben die vielen neuen Kleinkraftwerke eine unangenehme Eigenschaft. Sie können nicht konstant Strom liefern, sondern sind auf Wind- und Sonnenverhältnisse angewiesen. Die konstante Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch ist jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Systemsicherheit. Die Netzsteuerung wird daher seit Jahren anspruchsvoller und teurer, da entsprechende Maßnahmen zur Netzstabilisierung durchgeführt werden müssen. Der rasche Ausbau der dezentralen Erzeugungsanlagen wurde lange unterschätzt, da sie im Rauschen untergegangen sind. Mittlerweile wurde jedoch ein Leistungsniveau erreicht, das systemrelevant ist. Ursprünglich sinnvolle regulatorische Maßnahmen, wie die bevorzugte Einspeisung, führen heute immer häufiger zu „Stresssituationen“ im Gesamtsystem.
Systemische Betrachtungen
Bei einer systemischen Betrachtung ist rasch festzustellen, dass bei der bisherigen „Energiewende“ systemische Aspekte offensichtlich zu kurz kommen. Denn ein System ist mehr als die Summe der Systemelemente. Entscheidend sind die „unsichtbaren Fäden“ zwischen den Systemelementen. Etwa, dass zwischen den Erzeugungsanlagen und den Energienutzern („Verbrauchern“) Leitungen erforderlich sind, oder Speicher und Puffer, um die Volatilität der Erzeugung ausgleichen zu können. Aber auch die Netzsteuerung zählt dazu. Leicht übersehen werden die sehr unterschiedlichen Zeithorizonte, die sich bei einer volatilen Erzeugung anders als bisher auswirken. Beginnend im Millisekundenbereich (Schutz), über Sekunden/Minuten (Netzregelung bzw. Ersatz der bisherigen rotierenden Massen), Energiebilanz (Stunden/Tage/Wochen) und Nachhaltigkeit (Jahre/Jahrzehnte). All das wird beim derzeitigen Markt- und Preisfokus kaum berücksichtigt.
Komplexität
Kognitive Grenzen
Aus der Forschung ist bekannt, dass unser Hirn über eine entscheidende kognitive Grenze verfügt. Demnach sind wir in der Lage, maximal drei bis vier Faktoren und deren Wechselwirkungen aufeinander zu überblicken. In der realen Welt haben wir es aber fast immer mit deutlich mehr Faktoren zu tun. Dabei steigt die Anzahl der möglichen Wechselwirkungen exponentiell an. Ohne Hilfsmittel und Visualisierung besteht keine Chance, die Zusammenhänge umfassend zu erfassen. Dennoch wird im realen Leben häufig so agiert, als wäre das alles kein Problem und man könnte sich noch auf das bisher bewährte Bauchgefühl verlassen. Das funktioniert bei einfachen Systemen und Situationen ganz gut, an sonst hätten wir häufig nicht überlebt. Aber in der von uns künstlich geschaffenen vernetzten Welt funktionieren diese Heuristiken immer schlechter. Zudem werden viele negative Seiten der Vernetzung erst zeitverzögert wirksam. Ein unmittelbares Feedback auf die Ursache fehlt damit. Daher funktioniert unser einfaches Ursache-Wirkungsdenken nicht mehr.
Die Energiewende
Lesen Sie mehr in: Wenn betriebswirtschaftliche Optimierungen systemgefährdend werden
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