Quelle: Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP)
Zusammenfassung
Das Projekt umfasste eine mehrstufige Untersuchung. Zunächst wurde der Status quo der aktuellen Lagerhaltung erfasst und bewertet. Anschließend wurden mögliche alternative Bevorratungsstrategien identifiziert, die verschiedene Optionen hinsichtlich der Bevorratungsware sowie der Durchführung der Bevorratung berücksichtigen. Basierend auf der Bewertung dieser Alternativen erfolgte eine detaillierte Gegenüberstellung des Status quo in Deutschland mit den als am effizientesten bewerteten Systemen aus der Schweiz und Finnland. Dabei wurden die von den jeweiligen Nationen angewandten Strategien, die Einbindung der Interessengruppen, die wirtschaftlichen Aspekte sowie die Herausforderungen ausgewählter Krisenfälle auf die Lagerhaltung und Verteilung untersucht. Zudem wurde die Bevorratung von Lebensmitteln in privaten Haushalten in Deutschland mittels einer Befragung analysiert.
Die Ergebnisse zeigen unter anderem, dass die derzeitige Lagerhaltung in Deutschland sehr kosteneffizient ist und eine Versorgung der Bevölkerung für knapp vier Wochen ohne Fehlmengen gewährleistet werden könnte, unabhängig von Produktionskapazitäten oder möglichen Störungen. Dennoch sind die Zusammensetzung der Güter und die Berechnungsgrundlage für die gelagerten Mengen unklar. Zudem ist fraglich, ob ausreichende Produktionskapazitäten für die Verarbeitung und Ressourcen für die Verteilung im Krisenfall zur Verfügung stehen. Gemäß den Untersuchungen könnten diese Nachteile durch einzelne Elemente der Systeme aus der Schweiz und Finnland kompensiert und in einer Hybrid-Strategie umgesetzt werden, die beispielsweise staatliche Reserven, wie Getreide, mit kommerziellen Lagerbeständen und Sicherheitsvorräten kombiniert. Zudem sollte die Privatwirtschaft verstärkt in Systeme, Prozessabläufe, Logistikketten und Transportwege kritischer Güter integriert werden. Unbedingt notwendig ist hierfür eine Stärkung der Zusammenarbeit und eine engere Vernetzung aller Stakeholder sowie die Klärung juristischer Regelungen und finanzieller Aspekte. Eine Detailplanung der Strategie in einem sektorenübergreifenden Gesamtkonzept ist somit zu empfehlen. Darüber hinaus muss auch der Selbstschutz der Bevölkerung durch gezielte Maßnahmen weiter gestärkt werden, um die Bevölkerung zu sensibilisieren und das Bewusstsein für Krisen zu erhöhen. Weiterführende Forschungsprojekte sollten die Ergebnisse dieser Arbeit vertiefen und sich speziell auf die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen konzentrieren. Eine detaillierte juristische und wirtschaftliche Prüfung ist ebenfalls erforderlich, um die Konzepte rechtlich und finanziell abzusichern. Es ist wichtig zu betonen, dass aufgrund der Detailtiefe und der erforderlichen Fachkenntnisse in den verschiedenen Bereichen im Rahmen dieses Projekts keine tieferliegenden Empfehlungen gegeben werden können. Dies unterstreicht den Bedarf an weiterer Forschung, die das Potenzial hat, wertvolle Erkenntnisse zu liefern und die Umsetzung der Maßnahmen zu unterstützen.
Voraussichtlicher Nutzen und Verwertbarkeit der Ergebnisse
Der unmittelbare und mittelbare Nutzen, der aus den Projektergebnissen resultiert, umfasst die wissenschaftliche Verwertbarkeit der Ergebnisse nach Projektende und die Anschlussfähigkeit für andere Projekte. Alle geplanten Ziele des Projekts wurden erreicht und im Bericht festgehalten. Dazu gehören die Analyse und Bewertung der aktuellen Bevorratungsstrategie, die Analyse und Bewertung alternativer Bevorratungsstrategien sowie die Ableitung von Empfehlungen für öffentliche Entscheidungsträger. Die voraussichtlichen Ergebnisse des Projekts bieten einen erheblichen Nutzen sowohl für die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch für die Praxis. Im Bereich der Krisenvorsorge und Lagerhaltung dienen die entwickelten Modelle und Empfehlungen als wertvolle Grundlage für politische Entscheidungsträger und Logistikplaner, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen und Kosten zu optimieren. Insbesondere die simulationsbasierten Analysen und Handlungsempfehlungen zur optimalen Lagerstruktur und Ressourcenallokation ermöglichen eine flexiblere und effizientere Reaktion auf zukünftige Krisen. Darüber hinaus tragen die Erkenntnisse zur privaten Vorratshaltung zur Aufklärung der Bevölkerung bei und bieten Empfehlungen für individuelle Notfallvorsorge. Die gesammelten Handlungsempfehlungen für öffentliche Entscheidungsträger bieten wesentliche Anhaltspunkte für die Entwicklung einer umfassenden Strategie.
Lebensmittelbevorratung in Deutschland: Empirische Umfrage
Weiterhin können sich etwa 2⁄3 maximal eine Woche selbst versorgen.
Schlussfolgerungen der Umfrageergebnisse
Die Ergebnisse der durchgeführten Bevorratungsstudie zeigen, dass die Lebensmittelvorräte der befragten Personen der Stichprobe im Schnitt für fünf Tage ausreichen. Im Vergleich zu den Vorgaben des BBKs liegt das Vorsorgeniveau somit deutlich unterhalb der empfohlenen 10 Tage. Unterschiede sind dabei besonders zwischen frischen Produkten (Fleisch, Obst und Gemüse) und haltbaren Produkten (Getränke, Getreideprodukte) zu erkennen, da die Vorräte von haltbaren Waren im Durchschnitt etwa zwei Tage länger ausreichen. Dies deutet darauf hin, dass die befragten Haushalte auf langanhaltende Versorgungsengpässe nicht ausreichend vorbereitet sind.
Um das Bevorratungsverhalten der Befragten näher zu verstehen, wurden zusätzliche Einflussfaktoren wie die Risikowahrnehmung, der Wissensstand sowie bisherige Erfahrungen mit Lebensmittelengpässen untersucht. Anhand des Wissensstandes und der Meinung der Haushalte zur privaten Notfallvorsorge lässt sich feststellen, dass sich nur ein geringer Anteil der Befragten aktiv mit der privaten Notfallvorsorge befasst und die Mehrheit sich schlecht über die Notfallvorsorge informiert fühlt. Dies lässt darauf schließen, dass die befragten Personen dem Thema im Allgemeinen wenig Aufmerksamkeit schenken, was durch einen unzureichenden Wissensstand und ein fehlendes Risikobewusstsein begründet werden kann. Dem entgegenzustellen ist jedoch, dass entsprechende Informationsquellen des BBK und des BLE öffentlich zur Verfügung stehen, das Problem aber vermutlich bei der Verbreitung der vorhandenen Informationsquellen an die privaten Haushalte liegt.
Hinsichtlich der Risikowahrnehmung sieht die Mehrheit der Befragten weder sich selbst noch Deutschland in der Zukunft mit Lebensmittelengpässen infolge von Krisen oder Katastrophen bedroht. Dies zeigt, dass trotz der Covid-19 Pandemie und des Ukraine-Konfliktes das Risikobewusstsein der Befragten gegenüber potenziellen Gefahren als gering einzustufen ist. In Bezug auf das Bevorratungsniveau lässt sich somit deuten, dass die geringe Risikowahrnehmung ein bestimmender Einflussfaktor ist, da es für die befragten Haushalte keinen Grund gibt, Lebensmittelmengen entsprechend den staatlichen Vorgaben vorzuhalten. Die durchgeführte Umfrage liefert wesentliche Einblicke in das Bevorratungsverhalten von privaten Haushalten. Anhand der Ergebnisse lässt sich feststellen, dass sich zwar viele Haushalte eine ausreichende Notfallvorsorge als sinnvoll erachten, aber das Bevorratungsniveau dennoch unzureichend ist. Dies impliziert Verbesserungsbedarf in verschiedenen Bereichen, um die Widerstandsfähigkeit der Bevölkerung in Krisen weiter zu stärken. Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen der Studie können die folgenden Maßnahmen zur Stärkung des Selbstschutzes abgeleitet werden:
Höhere mediale Präsenz und stärkere Verbreitung der Informationsquellen:
- Um die Bevölkerung verstärkt auf das Thema der Bevorratung aufmerksam zu machen und den Wissensstand zu verbessern, empfiehlt es sich, die Informationsquellen und Materialien verstärkt zu verbreiten und an die Bedürfnisse der Bevölkerung anzupassen. [Siehe hierzu die aktuellen Erkenntnisse aus der Schweiz 🤔]
- Adressierung aller Zielgruppen: Um eine Verbesserung der Medienarbeit zu erreichen, sollten zunächst alle Zielgruppen adäquat adressiert werden. So sollte bei der Kommunikation stärker auf die verschiedenen Zielgruppen, wie Jugendliche, ältere Menschen, Familien sowie nicht deutschsprachige Mitbürger eingegangen werden. Um die Bedürfnisse der Bevölkerung zu beachten, sollte somit beispielsweise das Angebot der Vorsorgeempfehlungen in verschiedenen Sprachen ergänzt werden.
- Nutzung verschiedener Kommunikationskanäle: Zusätzlich empfiehlt sich die verstärkte Nutzung von unterschiedlichen Medienkanälen wie TV-Werbung, Radio oder insbesondere neue Medien wie Social-Media Kanäle.
Stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung gegenüber Krisen
- Proaktive und positive Kommunikation: Um die Bevölkerung für einen privaten Vorrat zu sensibilisieren, empfiehlt sich eine positive und proaktive Kommunikation. Diese Art der Kommunikation hat den Vorteil, dass die Botschaften eher im Bewusstsein bleiben und eine positive Aufmerksamkeit erzielt wird. Eine beispielhafte Umsetzung umfasst die Veranstaltung von Themenwochen über Social-Media Kanälen, in denen über potentielle Bedrohungslagen informiert wird.
- Offene Risikokommunikation: Für die Stärkung der Risikowahrnehmung sollte die konkrete Dauer, die seitens des Staats bis zur Aufnahme der Versorgung geschätzt wird, offen kommuniziert werden. [Anmerlung: Das könnte die Bevölkerung verunsichern …] Dies kann dazu führen, dass bei der Bevölkerung ein Bewusstsein geschaffen wird, dass sie in den Tagen bis zum Eintreffen staatlicher Hilfe, sowie der Wiederaufnahme der Versorgung selbst hauptverantwortlich sind. [Daher ist eine klare Sicherheitskommunikation so wichtig!]
- Regelmäßiges Erinnern: Da Krisenereignisse häufig wieder in Vergessenheit geraten, sollten regelmäßige Wiederholungen und Erinnerung an eine Vorsorge berücksichtigt werden. Hier hilft es nach amerikanischem Vorbild, einen Erinnerungszyklus zu etablieren. Ähnlich der amerikanischen Kampagne „set your clocks and check your stocks“ (American Public Health Association, 2024), die zum Zeitpunkt der Zeitumstellung daran erinnert den Vorrat zu überprüfen, könnte in Deutschland, neben dem Tag der Zeitumstellung, der jährliche bundesweite Warntag genutzt werden. Dieser wird jährlich auch in der Presse kommuniziert und kann dazu genutzt werden, die Bevölkerung auf die Überprüfung der vorhandenen Notfallvorräte hinzuweisen. Zusätzlich bietet sich die Nutzung von Lebensmittelpaketen an, die vom Staat oder von Supermärkten ausgeschrieben oder beworben werden können. Gemäß den Ergebnissen der Umfrage erfährt eine solche Maßnahme positive Zustimmung, weshalb deren Nutzung als sinnvoll erachtet wird.
- Einbindung in das Schul- und Bildungssystem: Um das Bewusstsein gegenüber Krisen zu stärken, sollte, wie in anderen Ländern bereits umgesetzt, die Katastrophenvorsorge bereits frühzeitig im Bildungswesen thematisiert werden. Im Zuge dessen sollte der (freiwillige) Einbezug des Themas der Katastrophenvorsorge in bestehende Bildungs- und Lehrpläne von Bildungseinrichtungen weiterhin forciert und entsprechende Materialien kostenlos und barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Kinder und Jugendliche könnten zudem auch als Multiplikator ihr Wissen im sozialen und familiären Umfeld teilen und weiterverbreiten.
- Einbindung in die Öffentlichkeitsarbeit von Kommunen: Nutzung der Bürgernähe und zu lokalen Institutionen zur Sensibilisierung insbesondere in Bezug auf besondere regionale Risiken (z. B. Sturmflutereignisse an der Küste). Erarbeitung von Schnittstellenkonzepten zwischen privater Lagerhaltung und kommunalen technischen Einrichtungen.
Reduzierung der empfohlenen Bevorratungsdauer: Zudem sollte auch die hohe Differenz zwischen den Gewohnheiten der Bevölkerung und den Ansprüchen der Behörden verringert und sich auf eine nachvollziehbare empfohlene Bevorratungsdauer geeinigt werden. Für eine angemessene und umsetzbare Vorratshaltung der privaten Haushalte wird empfohlen, die derzeitige behördliche Bevorratungsempfehlung zu reduzieren. [Anmerkung: Das halte ich für grundfalsch und gefährlich! Es entspricht der allgemeinen Nivellierung der Anforderungen nach unten, die oft zum Gegenteil des Erwarteten führt! Vielmehr geht es darum, sich an einem realistischen Szenario zu orientieren, wie z.B. der Wiederherstellung einer minimalen Grundversorgung nach einem möglichen Blackout, die zumindest länger als eine Woche dauern kann, weil es eben weder auf staatlicher noch auf privatwirtschaftlicher Seite Vorbereitungen gibt, die der Komplexität der zu erwartenden Wiederanlaufschwierigkeiten auch nur annähernd gerecht werden. Ganz zu schweigen davon, dass das Personal aufgrund der schlechten Eigenvorsorge wahrscheinlich nicht zur Arbeit kommen wird, um die Systeme wieder hochzufahren, wenn die eigene Familie nicht versorgt und in Sicherheit ist. Die derzeitige Empfehlung von 10 Tagen entspricht laut BBK den Erfahrungen aus der Vergangenheit, wo es jedoch nie um ein Flächenszenario ging.] Diese kürzere Bevorratung schließt vulnerable Bevölkerungsgruppen wie zum Beispiel einkommensschwache Haushalte mit limitierten finanziellen Ressourcen nicht länger aus. [Das ist häufig eine Ausrede, vor allem für jene, die nicht darunterfallen!] Außerdem werden die Herausforderungen verringert, die durch die Umsetzung einer Bevorratung für zehn Tage entstehen (u.a. Stauflächen für eingelagerte Lebensmittel für den Notfall, Umwälzung der eingelagerten Lebensmittel vor Ablauf der Haltbarkeit). [Ich wiederhole: Wir sollten uns nicht so sehr mit möglichen Ausreden beschäftigen, sondern damit, wie wir die Bevölkerung für die Notwendigkeit sensibilisieren und ihr entsprechende Hilfestellungen und Anleitungen geben können].
[Generell ist zu unterscheiden zwischen einem längerfristigen Szenario mit Versorgungseinschränkungen in Teilbereichen und einem kurzfristigen Szenario mit vollständiger Einschränkung der Verfügbarkeit von Gütern aufgrund des Ausfalls von Infrastrukturen und der Versorgungslogistik. Im ersten Fall greift die staatliche Vorsorge. Im zweiten Fall hilft nur die Eigenvorsorge, um einen ausreichenden Puffer für den Wiederanlauf zu schaffen. Und wie immer gilt: Wir müssen beide Szenarien beherrschen].