Letzte Aktualisierung am 19. November 2024.

Wie der Übergang zu Erneuerbaren Energien unser Stromnetz revolutioniert – und welche Risiken dabei drohen

von Daniel Bleich, erschienen auf kernd.de bzw. atw

Mit einem ausführlichen Grundlagenkapitel zu den technischen und physikalischen Grundlagen der Systemstabilität

Abstract

Bleibt unser Stromnetz auch in Zukunft stabil? Das ist eine existenzielle und anspruchsvolle Frage. Der vorliegende Artikel bemüht sich um Klärung. In einem ausführlichen Grundlagenkapitel werden zunächst die technischen und physikalischen Grundlagen der Systemstabilität im elektrischen Energienetz dargestellt. In diesem Zusammenhang wird auch auf systemtheoretische Überlegungen sowie physikalische Phänomene wie beispielsweise Nichtlinearität eingegangen. Erläutert werden dann zentrale Herausforderungen, die der Umstieg von Synchronmaschinen auf leistungselektronische Erneuerbare Energie-Anlagen mit sich bringt.

Aufbauen hierauf wird nachfolgend die vom BMWK veröffentlichte „Roadmap Systemstabilität“ kritisch diskutiert. Positiv hervorgehoben werden die in der Roadmap dargestellten technischen Grundlagen sowie die Aufgabenbeschreibung, kritisiert werden jedoch die völlig unrealistischen Zeitpläne, die unterkomplexe Darstellung der Risiken sowie die Vernachlässigung der Anforderungen an Stromrichter, beziehungsweise deren Regelung. Außerdem wird betont, dass die Herausforderungen der Digitalisierung massiv unterschätzt werden.

Abschließend wird für einen realistischen, risikobewussten Ansatz plädiert, der die physikalischen Grenzen und den Bedarf an Forschung und Entwicklung anerkennt. Der Artikel betont, dass ein überstürzter Wandel ohne ausreichende Risikobewertung die Versorgungssicherheit gefährden könnte und ruft zu einer ausgewogenen Balance zwischen ambitionierten Zielen und praktikablen Lösungen auf. Vorschläge zur strukturellen Umsetzung sowie technische Anforderungen an Netzregelung und Leistungselektronik werden formuliert.

Zusammenfassung

Mit der Roadmap Systemstabilität liegt erstmals ein offizielles Papier vor, das die Anforderungen beim Umstieg von Synchronmaschinen auf Leistungselektronik beschreibt. Dies geschieht auf Grundlage der Annahme eines zu 100 % auf Erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems. Technisch liefert das Papier eine solide Grundlage und beschreibt Entwicklungsprozesse, die für einen stabilen Netzbetrieb mit leistungselektronischen Anlagen notwendig sind. Während die Aufgaben und Herausforderungen gut beschrieben werden, weist die Roadmap aber auch eklatante Schwächen auf: Die formulierten Zeitpläne sind

vollkommen unrealistisch, die Risikobewertung ist strukturell wie fachlich in kritischem Maße unzureichend und der Komplexität des Gesamtprozesses wird kaum Rechnung getragen. Insbesondere die Anforderungen an die Regelung und Netzintegration leistungselektronischer Anlagen werden nicht seriös auf Basis des heutigen Ist-Zustands und der Betriebsrealität von über 800 Netzbetreibern in Deutschland diskutiert. Zwar werden Ziele und Aufgabenpakete benannt, bei der Behandlung des hieraus abzuleitenden Arbeitsumfangs bleibt das Papier jedoch unterkomplex und eindimensional. Auch vernachlässigt die Roadmap die Herausforderungen, die der Mangel an Fachkräften, die Anforderungen an die Cyber Security und der notwendige Ausbau der Netzinfrastruktur mit sich bringen. Es ist evident, dass der vorgegebene Zeitrahmen unter politischem Druck festgelegt wurde, obwohl die technische Machbarkeit deutlich längere Zeit erfordert. In diesem Sinne könnte man die Zeitplanung zutreffend, als unseriös bezeichnen. Der Umstieg auf eine emissionsarme Energieversorgung und die Stärkung des ingenieurwissenschaftlichen Know-hows in diesem Bereich sind zentral für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein überstürzter Wandel, ohne der Dauer von Forschungs- und Entwicklungsprozessen angemessen Rechnung zu tragen, könnte die Versorgungssicherheit in Deutschland ernsthaft gefährden und so das Ziel einer stabilen, emissionsarmen Energieversorgung konterkarieren. Der Übergang zu einem von Leistungselektronik dominierten, dezentral aufgebauten Energiesystem, bringt nicht nur technische und physikalische Herausforderungen mit sich, sondern erfordert auch einen tiefgreifenden Wandel in der Zusammenarbeit y zwischen Netzbetreibern, Regulierungsbehörden und der Industrie. Hierzu werden zahlreiche Ansätze und Vorschläge zur strukturellen Umsetzung und zur Priorisierung technischer Lösungen aufgezeigt, etwa die Schaffung klarer Standards für die Regelung und Zertifizierung von leistungselektronischen Anlagen sowie die Notwendigkeit einer verbesserten digitalen Netzüberwachung und IT-Infrastruktur, um sowohl die Versorgungssicherheit als auch den Transformationsprozess zu unterstützen.

Der ganze Beitrag: Die Herausforderungen der Systemstabilität