Ein Erfahrungsbericht von Steffen Belikat (hier als PDF mit Bildern) zur Situation in Deutschland (die in Österreich und anderen Ländern nicht wesentlich anders sein dürfte).
Als grundsätzlichen Ansatz der nachfolgenden Betrachtungen habe ich folgende Vorgehensweise gewählt: Annahme eines mehr als 72h stündigen großflächigen (Umkreis von 30 km) Ausfalls der Stromversorgung.
Danach bin ich an einige inhabergeführte Apotheker im Umkreis meines Heimatortes mit einigen Fragen freundlich herangetreten. (2.000 Einwohner, keine Apotheke, 1 niedergelassener Allgemeinmediziner, 1 Zahnarzt) – Nachbarort 25.000 Einwohner in 10 km Entfernung (leider nur über die BAB oder mit dem Fahrrad über eine kleine Brücke erreichbar) und nächstgrößere Nachbarstadt mit über 200.000 Einwohnern ebenfalls ca. 10 km entfernt.
Die Fragen
- Hat die Apotheke eine Notstromversorgung?
- Welche Lagerart wird angewendet?
- Gibt es einen Notfallplan?
- Wie sind rezeptpflichtige Medikamentenausgaben ohne Rezept im Notfall geregelt?
- Wie kann Kühlung und Herstellung von Rezepturen sichergestellt werden?
- Und dann noch die Frage, wie der Nachschub organisiert ist ohne IT-Netz und Telefon?
Ca. 50 % der besuchten Apotheker haben darauf dankender Weise (wenn auch nur teilweise) geantwortet.
Rechtliches
Rechtliche Basis für die Offenhaltung der Apotheken bilden das Apothekengesetz, das Ladenschlussgesetz und die Apothekenbetriebsordnung.
Während des Notdienstes dürfen von Apotheken nur Arznei-, Krankenpflege-, Desinfektions-, Säuglingspflege- und Säuglingsnährmittel und hygienische Artikel abgegeben werden. Da die Abgabe von Arzneimitteln im Notdienst eine pharmazeutische Tätigkeit darstellt, muss grundsätzlich ein Apotheker anwesend sein, in Vertretung kann diese Aufgabe ausnahmsweise durch einen Apothekerassistenten oder einen Pharmazieingenieur wahrgenommen werden. Während des Notdienstes kann der Apotheker nur auf das vorhandene Warenlager zurückgreifen und muss daher unter Umständen improvisieren, also etwa ein fehlendes Fertigarzneimittel durch eine Rezeptur ersetzen. Um in möglichst vielen Fällen die Versorgung sicherstellen zu können, hat der Apotheker im Notdienst erweiterte Austauschrechte, so darf er beispielsweise von der autidem-Regelung abweichen.
An einigen Standorten ist während des Notdienstes der normale Verkaufsraum der Apotheke geöffnet. Andere Apotheken bedienen die Kunden aus Sicherheitsgründen insbesondere nachts durch ein Notdienstfenster, zu dem das Apothekenpersonal mittels einer Klingel gerufen wird.
Auch im Katastrophenfall ist auf die Apotheke Verlass: Jede Apotheke hält den durchschnittlichen Wochenbedarf der wichtigsten Arzneimittel vorrätig sowie Antidote oder Antisera, also Gegengifte. Zwei Beispiele: Für den nuklearen Katastrophenfall sichern die Apotheker die Versorgung der Bevölkerung mit nicht-radioaktivem Jod. Bei der Influenzapandemie spielen Apotheker eine wichtige Rolle bei der Verteilung des Impfstoffs sowie bei der Herstellung und Verbreitung von antiviralen Arzneimitteln.
Unterscheidung zwischen Center- und Ärztehaus-/Krankenhausapotheken, Apotheken mit eigenem Zugang zum öffentlichen Bereich und mit oder ohne Notdienstfunktion.
Jetzt wird es spannend!
Ein guter Freund und Nachbar arbeitet beruflich im Bereich Apothekenautomatisierung, als Aufbau, Wartung und Betrieb von Kommisionierautomaten. Danke hier schon einmal für die Fachunterstützung.
Wie funktioniert eine Apotheke – früher (klassisch) bzw. modern?
Schwerpunkt ist ja im allgemeinen Lagerung und Ausgabe von Medikamenten.
Wenn man dann noch weiß wie die Automaten arbeiten (Chaotisches Lagersystem, Datenbank verwaltet zufälligen Lagerort im Regal) dann lässt sich schon mal die Frage beantworten, was im Notfall noch funktioniert und was wohl nicht.
Die Beantwortung der Fragen hat ergeben:
Notstromversorgung? – Für den Server/Datenbank und die Terminals gibt es eine oft eine USV (für kurzzeitigen Ausfall von <5h). Automaten haben hohe Kosten und Leistungsbedarfe. Werden bis auf eine Ausnahme nicht Notstromversorgt.
Welche Lagerart? – Ca. 50 % klassisch Schubladenboxsystem, 50 % Kommissionierautomat.
Gibt es einen Notfallplan? – JAIN – nur Festlegungen für die Ausgabe von Medikamenten. In diesem Zusammenhang auch die Frage nach Säuglingsnährmittel gestellt, viele Apotheker haben wegen fehlender Nachfrage KEINE mehr im Angebot.
Wie rezeptpflichtige Ausgabe ohne Rezept geregelt? – Die Frage, wie ein Bürger im KAT-Fall bei geschlossenen Praxen und Ärzten im Noteinsatz an ein Rezept kommt, wurde nicht untersucht. – keine Antworten erhalten.
Wie Kühlung und BTM Lagerung im Notfall geregelt. – Kühlung ohne Strom geht nicht, ist also nur wenige Stunden gewährleistet. BTM-Lagerung im verschlossenen Schrank, Problem sehen die Apotheker im Ausfall der Alarmanlage und möglicher Einbruchsversuche.
Herstellung und Ausgabe von hergestellten Rezepturen nur begrenzt möglich. Abhängig von Ausstattung der Drogerie und Abhängigkeit der eingesetzten Geräte (Manuell, Batteriebetrieb / Stromanschluss).
Nachschub im Falle des Ausfalls. – Nachdem die Möglichkeit der Nutzung des IT- und Kommunikationsnetzes zur Bestellung im Großhandel verneint wurde – war Ratlosigkeit vorherrschend und der Gedanke dann in den Großhandel zu fahren. Wie dort die Lagerung und Kommissionierung erfolgt, wage ich nicht zu beschreiben. Der Großhandel wird sicher nicht groß handeln können. (Vermutung).
Die AG Notfall- und Katatsrophenpharmazie der DPhG arbeitet seid vielen Jahren an dem Thema, aber leider mit bisher eher ernüchternder Resonanz. Dank der aktuellen Krise ist die Nachfrage seitens Apotheken derzeit erheblich und in diversen Kammerbezirken finden entsprechende Seminare durchgeführt durch AG Mitglieder statt, um Grundlagen der Krisenplanung zu vermitteln. Bei weitergehendem Interesse gerne Mail an