Quelle: www.aerzteblatt.de, PDF-Version
Am 19. und 20. Februar 2019 kam es in Berlin-Köpenick zu einem 31-stündigen Stromausfall, von dem auch die DRK Kliniken Berlin Köpenick betroffen waren. Diese zogen in medizinischer und technischer Hinsicht ihre Lehren aus dem Vorfall.
Der Stromausfall im Berliner Stadtteil Köpenick war der großflächigste und längste Stromausfall, den Berlin in den vergangenen Jahrzehnten erlebt hat. Insgesamt waren 32 000 Haushalte und 2.000 Gewerbetreibende betroffen. Verursacht wurde er durch einen Baggerfahrer, der versehentlich zwei 110-kV-Hochspannungskabel durchtrennte, die den Stadtteil mit Strom versorgten. In der Folge sahen sich auch die DRK Kliniken Berlin Köpenick plötzlich der Notwendigkeit von Evakuierungsmaßnahmen gegenüber und mussten ihre Lehren für zukünftige Ereignisse dieser Art ziehen.
Medizinische Implikationen
Innerhalb der Klinik sprang mit dem Stromausfall die Energieversorgung auf das Notstromaggregat um und alle Geräte an den Notstromsteckdosen funktionierten problemlos. Nach dem Bekanntwerden der voraussichtlichen Dauer des Ausfalls wurde die Leistung im OP auf lebensbedrohliche Notfälle reduziert und die Notfallpatienten wurden in die Zentralen Notaufnahmen der nicht betroffenen Stadtgebiete umgeleitet. Im Haus waren die Intensivstation (25 Betten) mit 17 beatmeten Patienten und die Intermediate Care Station (24 Betten) voll belegt. Unbekannt war die Anzahl an medizinisch akut versorgungspflichtigen Patientinnen und Patienten in der Umgebung, deren Lebenserhaltung von der Stromversorgung abhängig war (zum Beispiel in Beatmungseinrichtung oder Patienten mit Heimbeatmungen) und die potenziell den Weg in die Notaufnahme der DRK Klinik als nächstgelegenes Krankenhaus suchen. Sofortmaßnahmen im Krankenhaus waren die Umlagerung von Blutkonserven, Plasmakonserven und zu kühlenden Medikamenten in Kühlschränke am Notstrom, um deren Haltbarkeit zu gewährleisten. Nachdem das Notstromaggregat im Verlauf des Abends instabil zu laufen begann, wurden alle Geräte (Monitore, Perfusoren, Beatmungsgeräte) auf der Intensivstation konzentriert und der Ärztliche Leiter vom Dienst entschied gemeinsam mit der Krankenhauseinsatzleitung und dem Leitenden Notarzt der Berliner Feuerwehr, die Intensivstation zu evakuieren. Es sind mithilfe der Organisation vom Leitenden Notarzt und Einsatzkräften insbesondere der Berliner Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk (THW), der Polizei und den Hilfsorganisationen 23 Patienten verlegt worden, davon 22 mit Notarztbegleitung. Das ist in einer Stadt wie Berlin aufgrund der dortigen Kapazität möglich, in anderen Gegenden jedoch kaum realisierbar.
Nachdem die Stromversorgung in der folgenden Nacht wieder sichergestellt war, wurden mit nicht minder hohem Personalaufwand zwölf Patienten nachts auf die Intensivstation zurückverlegt, da die Berliner Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt die Transportkapazität vorhalten konnte.
Technische Implikationen
Wie sich bei der Untersuchung des Notstromaggregates nach dem Stromausfall herausstellte, war ein Relais in der Steuerelektronik defekt, was wiederum zu einem Defekt der Sensorik für Kühl- und Öltemperaturen führte, sodass die Steuerelektronik keine oder fehlerhafte Werte erhielt. Dies wiederum führte zur wiederholten Abschaltung des Aggregats. Dieser Defekt wurde jedoch nicht durch die Steuerelektronik diagnostiziert. Die fehlerhafte Steuerelektronik wurde im Nachgang ausgetauscht. Das Notstromaggregat war erst im Januar 2019 fristgerecht gewartet worden und wurde ebenso fristgerecht monatlich ohne Beanstandungen getestet. Die Überprüfung durch den sachverständigen Prüfingenieur war vorschriftsgemäß im November 2018 erfolgt.
Die Tagesmitteltemperaturen lagen an diesen beiden Tagen zwischen 6 und 7 Grad Celsius. Da auch die Fernwärmeversorgung der Gebäude durch den Stromausfall betroffen war, kühlten die Gebäude allmählich aus. Der Versuch des Fernwärmeversorgers, Heißwasser von einer mobilen Heizstation in das Wärmenetz des Krankenhauses zu pumpen, scheiterte, da der hydraulische Abgleich nicht gelang. Wäre es an diesen Tagen kühler gewesen, wäre die Situation kritischer geworden.
Die Wasserversorgung war nicht beeinträchtigt, ein längerer Stromausfall hätte allerdings zu Problemen mit dem Abwasser geführt, da die Hebeanlage vollgelaufen wäre.
Kurzfristig lief die Stromversorgung auf der Intensivstation allein auf internen Akkus, nachdem das Notstromaggregat komplett ausfiel. Die Akkulaufzeit der medizinischen Geräte ist kurz und schlecht kalkulierbar. Auch Extraakkus haben nur eine sehr begrenzte Laufzeit, sodass eine frühzeitige Evakuierung kritisch kranker Patienten sinnvoll ist. An allen Beatmungsplätzen muss ein Beatmungsbeutel verbunden mit einer Sauerstoffflasche sofort einsetzbar angeschlossen sein.
Eine Notfallsituation wie beim Stromausfall in Köpenick ist personalintensiv, die Aktivierung von Mitarbeitenden, die in der Umgebung leben, ist aufgrund des ebenfalls ausgefallenen Mobilfunkempfangs nicht möglich. Mitarbeitende, deren Dienstzeit endet, sollten in einer solchen Situation nach Möglichkeit im Krankenhaus bleiben. Der Einsatz von BOS Funktelefonen ist empfehlenswert. Aktuelle Telefonlisten sollten papiergebunden vorgehalten werden, da nur wenige Rechner an die Notstromversorgung angeschlossen sind.
Im Nachgang bedurfte es vieler Gespräche mit Patienten auf der Intensivstation, die nicht verlegt wurden. Sie hatten den Eindruck, zurückgelassen zu werden. Außerdem bestand ein hoher Gesprächsbedarf bei den Angehörigen, dem Rechnung getragen werden musste.
Ortsnahe Wartung angestrebt
Eine Lehre hinsichtlich des Notstromaggregats ist, dass deren Wartung künftig durch eine Firma erfolgt, die Techniker und nach Möglichkeit auch Ersatzteile in räumlicher Nähe hat. Bis dato wurde die Anlage durch die Aufstellerfirma gewartet, die jedoch keine stationierten Techniker im Raum Berlin hatte, sodass kein Techniker kurzfristig herbeigerufen werden konnte.
Für die Notfallversorgung mit Fernwärmewasser muss im Dialog mit dem Wärmeversorger geklärt werden, wie im Wiederholungsfall die Wärmeversorgung bei längeren Stromausfällen sichergestellt werden kann.
Alles in allem konnte dank des unermüdlichen Einsatzes aller Mitarbeitenden der DRK Kliniken Berlin Köpenick und der Einsatzkräfte der Berliner Feuerwehr, dem THW und den zahlreichen Hilfsorganisationen die Versorgung der Patienten während dieses außergewöhnlich langen Stromausfalls sichergestellt werden.
Prof. Dr. med. Claudia Höhne und Prof. Dr.-Ing. Konstantin Lenz
Kommentar
Zum Glück hat es sich bei diesem Stromausfall um kein Blackout gehandelt, andernfalls hätte es wohl zahlreiche Tote gegeben, was im Fall eines wirklichen Blackouts in einer Größenordnung zu erwarten ist, die wir uns heute nicht vorstellen wollen. Im Blackout-Fall kann auch nicht erwartet werden, dass die MitarbeiterInnen im Krankenhaus bleiben werden, wenn die eigene Familie nicht in Sicherheit und gut versorgt gewähnt wird.
Siehe auch Symposium „Stromausfall in Berlin – Aus der Praxis für die Praxis“ oder Unserer medizinischen Versorgung fehlt es an der notwendigen Robustheit bzw. die Leitfäden zur Gesundheitsnotversorgung.