Harari, Y. N. liefert in seinem Buch „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ spannende Blickwinkel auf die Geschichte und mögliche zukünftige Entwicklungen. Hierzu wieder einige Zitate daraus. Besonders spannend sind folgende Absätze, die auch für das Thema Krisenvorsorge besonders relevant sind:

Die Menschen mit mehr und genaueren Informationen zu versorgen wird die Sache wahrscheinlich nicht besser machen. Wissenschaftler glauben, falsche Ansichten durch bessere wissenschaftliche Bildung zerstreuen zu können, und Meinungsmacher hoffen, die öffentliche Meinung zu Fragen wie Obamacare oder dem Klimawandel zu beeinflussen, indem sie der Öffentlichkeit exakte Fakten und Expertenberichte vorlegen. Solche Hoffnungen beruhen auf einem falschen Verständnis davon, wie Menschen wirklich denken. Die meisten unserer Ansichten sind durch gemeinschaftliches Gruppendenken und nicht durch individuelle Rationalität geprägt. Und aus Loyalität zur Gruppe halten wir an diesen Ansichten fest. Bombardiert man die Menschen mit Fakten und macht damit ihr individuelles Nichtwissen sichtbar, so könnte dieser Schuss nach hinten losgehen. Die meisten Menschen mögen nicht zu viele Fakten, und sie mögen es mit Sicherheit nicht, sich dumm zu fühlen.

Die Macht des Gruppendenkens ist so tief verwurzelt, dass sie sich selbst dann nur schwer durchbrechen lässt, wenn die daraus resultierenden Ansichten reichlich willkürlich erscheinen.

Wir sind an diese Situation gewöhnt, also betrachten wir sie als selbstverständlich, dabei ist sie in Wirklichkeit höchst überraschend.

Denn eigentlich sollte man annehmen, dass Konservative sich viel stärker um die Bewahrung der alten ökologischen Ordnung und um den Schutz der Gebiete, Wälder und Flüsse ihrer Vorfahren sorgen. Dagegen könnte man von fortschrittlichen Menschen erwarten, dass sie radikalen Veränderungen der Landschaft gegenüber aufgeschlossener sind, insbesondere wenn das Ziel darin besteht, den Fortschritt zu beschleunigen und den menschlichen Lebensstandard zu heben. Doch sobald in diesen Fragen aufgrund verschiedener Launen der Geschichte eine parteipolitische Trennlinie gezogen wurde, ist es für Konservative zur zweiten Natur geworden, Ängste vor verschmutzten Flüssen und verschwindenden Vögeln als übertrieben abzutun, während linke Progressive jede Zerstörung der alten ökologischen Ordnung fürchten.

Selbst Wissenschaftler sind nicht immun gegen die Macht des Gruppendenkens. Insofern können Wissenschaftler, die glauben, Fakten könnten die öffentliche Meinung verändern, selbst Opfer wissenschaftlichen Gruppendenkens sein. Die wissenschaftliche Community glaubt an die Wirksamkeit von Fakten, weshalb diejenigen, die loyal zu dieser Gemeinschaft stehen, weiterhin davon ausgehen, dass sie öffentliche Debatten für sich entscheiden können, indem sie mit den richtigen Fakten um sich werfen, obwohl empirisch vieles für das Gegenteil spricht. Ähnlich kann der liberale Glaube an die individuelle Rationalität durchaus das Produkt liberalen Gruppendenkens sein.

Doch das Problem des Gruppendenkens und des individuellen Nichtwissens betrifft nicht nur gewöhnliche Wähler und Kunden, sondern auch Präsidenten und Unternehmensvorstände. Sie mögen über jede Menge Berater und riesige Geheimdienstapparate verfügen, doch das macht die Sache nicht zwangsläufig besser. Es ist extrem schwer, die Wahrheit herauszufinden, wenn man die Welt beherrscht. Man hat einfach viel zu viel zu tun. Die meisten politischen Oberhäupter und Wirtschaftsmoguln sind ständig beschäftigt. Doch wenn man sich eingehend mit einem Thema befassen will, braucht man viel Zeit, und vor allem braucht man das Privileg, Zeit verschwenden zu können. Man muss mit unproduktiven Wegen experimentieren, Sackgassen erkunden, Raum für Zweifel und Langeweile schaffen und zulassen, dass kleine Samen der Erkenntnis nur langsam gedeihen und blühen. Wer es sich nicht leisten kann, Zeit zu verschwenden, der wird die Wahrheit niemals finden. Schlimmer noch: Große Machtfülle verzerrt unausweichlich die Wahrheit. Denn Macht heißt vor allem, die Wirklichkeit zu verändern, und nicht, sie so zu sehen, wie sie ist. Wenn Sie einen Hammer in der Hand haben, sieht alles wie ein Nagel aus; und wenn Sie große Macht in Händen halten, sieht alles wie eine Einladung zur Einmischung aus. Selbst wenn Sie diesen Drang irgendwie überwinden, werden die Menschen um Sie herum nie den riesigen Hammer vergessen, den Sie in Händen halten. Jeder, der mit Ihnen spricht, wird ein bewusstes oder unbewusstes Anliegen haben, deshalb können Sie nie voll und ganz auf das vertrauen, was die Menschen sagen. Kein Sultan kann je sicher sein, dass seine Höflinge und Untergebenen ihm die Wahrheit sagen. Große Macht fungiert somit wie ein schwarzes Loch, das den Raum ringsum krümmt. Je näher Sie kommen, desto verzerrter wird alles. Jedes Wort wird extrem schwer, wenn es in Ihre Umlaufbahn eintritt, und jeder Mensch, den Sie treffen, versucht Sie zu umschmeicheln oder zu besänftigen oder will irgendetwas von Ihnen. Die Leute wissen, Sie haben nicht mehr als eine oder zwei Minuten für sie Zeit, und sie haben Angst, etwas Unangemessenes oder Wirres zu sagen, und so geben sie lieber leere Schlagworte oder die abgedroschensten Klischees von sich.

Revolutionäre Erkenntnis schafft es nur selten in die Mitte, denn die Mitte besteht aus bereits existierendem Wissen. Die Hüter der alten Ordnung bestimmen üblicherweise, wer in die Zentren der Macht gelangt, und sie sortieren in der Regel diejenigen aus, die irritierende, unkonventionelle Ideen im Gepäck haben. Natürlich filtern sie auch eine unglaubliche Menge an Schrott heraus.

Einleitung

Leider gewährt die Geschichte keinen Rabatt. Wenn über die Zukunft der Menschheit in unserer Abwesenheit entschieden wird, weil wir zu sehr damit beschäftigt sind, unsere Kinder zu ernähren und mit Kleidung zu versorgen, werden wir und sie dennoch nicht von den Folgen verschont bleiben. Das ist ausgesprochen unfair; aber wer will behaupten, die Geschichte sei fair?

Terror funktioniert, indem er tief in uns drinnen den Angstknopf drückt und die private Vorstellungskraft von Millionen Individuen in Geiselhaft nimmt.

Big-Data-Algorithmen könnten digitale Diktaturen schaffen, in denen sich die gesamte Macht in den Händen einer winzigen Elite konzentriert, während die meisten Menschen nicht unter Ausbeutung zu leiden haben, sondern unter etwas viel Schlimmerem – unter Bedeutungslosigkeit.

Das Buch will beileibe nicht sämtliche Auswirkungen der neuen Technologien darstellen. Auch wenn sie zahlreiche wunderbare Versprechen bereithalten, geht es mir hier in erster Linie darum, die Bedrohungen und Gefahren sichtbar zu machen. Da die Unternehmen und Unternehmer, welche die technologische Revolution anführen, naturgemäß dazu neigen, ein Loblied auf ihre Schöpfungen zu singen, bleibt es Soziologen, Philosophen und Historikern wie mir überlassen, Alarm zu schlagen und zu erläutern, inwiefern die Dinge auch ganz schrecklich schiefgehen können.

Ein Großteil des Buches handelt von den Defiziten der liberalen Weltsicht und des demokratischen Systems. Das hat nichts damit zu tun, dass ich der Meinung wäre, die freiheitliche Demokratie sei besonders problematisch; ich glaube vielmehr, dass es sich um das erfolgreichste und wandlungsfähigste politische Modell handelt, das die Menschen bislang entwickelt haben, um mit den Herausforderungen der modernen Welt fertig zu werden.

Nachdem ich ein wenig in mich gegangen bin, habe ich mich dazu entschlossen, die freie Diskussion über die Selbstzensur zu stellen.

I: Die technologische Herausforderung

Die Menschen denken eher in Geschichten als in Fakten, Zahlen oder Gleichungen, und je einfacher die Geschichte ist, desto besser.

Doch seit der globalen Finanzkrise von 2008 haben die Menschen überall auf der Welt zunehmend den Glauben an die liberale Erzählung verloren. Mauern und Firewalls sind wieder en vogue. Der Widerstand gegen Zuwanderung und Freihandelsabkommen wächst. Vorgeblich demokratische Regierungen höhlen die Unabhängigkeit des Justizsystems aus, schränken die Pressefreiheit ein und betrachten jegliche Form von Opposition als Verrat.

Die Menschen waren schon immer weitaus besser darin, Instrumente zu erfinden, als sie klug zu nutzen. Es ist leichter, einen Flusslauf zu regulieren, indem man einen Damm baut, als all die komplexen Folgen vorherzusagen, die das für das allgemeine Ökosystem haben wird. Und ganz ähnlich wird es leichter sein, unsere Gedankenströme umzulenken, als zu prognostizieren, was das mit unserer persönlichen Psyche oder unseren Gesellschaftssystemen anstellen wird.

Donald Trump warnte die Wähler davor, dass ihnen Mexikaner und Chinesen ihre Arbeit wegnehmen würden und dass sie deshalb eine Mauer an der mexikanischen Grenze bauen müssten. Dagegen warnte er die Wähler nie davor, dass ihnen Algorithmen ihre Arbeitsplätze klauen würden, und er schlug auch nicht vor, an der Grenze zu Kalifornien eine Firewall zu errichten.

Es ist viel schwerer, gegen Bedeutungslosigkeit zu kämpfen als gegen Ausbeutung.

Demokratie basiert auf Abraham Lincolns Grundsatz, der da lautet: «Es gelingt wohl, alle Menschen einige Zeit und einige Menschen allezeit, aber niemals alle Menschen alle Zeit zum Narren zu halten.»

Doch der Liberalismus hat keine offenkundigen Antworten auf die größten Probleme, vor denen wir stehen: den ökologischen Kollaps und die technologische Disruption. Der Liberalismus vertraute traditionell auf das Wirtschaftswachstum, um wie durch Zauberhand schwierige gesellschaftliche und politische Konflikte zu lösen. Der Liberalismus versöhnte das Proletariat mit der Bourgeoisie, die Gläubigen mit den Atheisten, die Einheimischen mit den Zuwanderern und die Europäer mit den Asiaten, indem er jedem ein größeres Stück vom Kuchen versprach. Solange der Kuchen ständig größer wurde, war das möglich. Doch das Wirtschaftswachstum wird das globale Ökosystem nicht retten – im Gegenteil, es ist die Ursache für die ökologische Krise. Und Wirtschaftswachstum wird auch nicht die technologische Disruption lösen – denn es beruht auf der Erfindung von immer mehr disruptiven Technologien.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts kam jede Generation – ob in Houston, Shanghai, Istanbul oder São Paulo – in den Genuss von besserer Bildung, besserer Gesundheitsversorgung und höheren Einkommen als die jeweilige Vorgängergeneration. In den kommenden Jahrzehnten jedoch dürfte die jüngere Generation dank einer Kombination aus technologischer Disruption und ökologischer Kernschmelze froh sein, wenn es ihr nicht deutlich schlechter geht als ihren Vorgängern.

Die nächsten Jahrzehnte könnten deshalb gekennzeichnet sein durch intensives Insichgehen und durch die Formulierung neuer gesellschaftlicher und politischer Modelle.

Die Menschen haben den Glauben an die alten Erzählungen verloren, verfügen aber noch über keine neuen.

Arbeiter mehr als nur ein gradueller ist. Zwei besonders wichtige nichtmenschliche Fähigkeiten, über die künstliche Intelligenz verfügt, sind die Konnektivität und die Aktualisierbarkeit. Da Menschen Individuen sind, ist es schwierig, sie miteinander zu verbinden und sicherzustellen, dass sie alle auf dem neuesten Stand sind. Computer hingegen sind keine Individuen und lassen sich ganz einfach in ein einziges flexibles Netzwerk integrieren. Es geht also nicht um die Ersetzung von Millionen individueller menschlicher Arbeitskräfte durch Millionen individueller Roboter und Computer. Vielmehr werden individuelle Menschen vermutlich durch ein integriertes Netzwerk ersetzt werden.

Denkt man über die Automatisierung nach, so ist es deshalb falsch, wenn man die Fähigkeiten eines einzelnen menschlichen Fahrers mit denen eines einzelnen selbstfahrenden Autos oder die eines einzelnen menschlichen Arztes mit denen eines einzelnen KI-Arztes vergleicht. Vielmehr sollten wir die Fähigkeiten einer Ansammlung menschlicher Individuen mit den Fähigkeiten eines integrierten Netzwerks vergleichen.

So sind beispielsweise viele Fahrer nicht mit den sich ständig ändernden Verkehrsregeln vertraut und verstoßen häufig dagegen. Da zudem jedes Fahrzeug ein autonomes Gebilde ist, könnte es sein, dass, wenn sich zwei Fahrzeuge gleichzeitig einer Kreuzung nähern, die Fahrer ihre Absichten falsch kommunizieren und zusammenstoßen. Selbstfahrende Autos hingegen können alle miteinander verbunden sein. Wenn zwei solche Fahrzeuge sich derselben Kreuzung nähern, handelt es sich nicht wirklich um zwei getrennte Einheiten – sie sind vielmehr Teil eines einzigen Algorithmus. Die Chancen, dass sie falsch kommunizieren und zusammenstoßen, sind deshalb viel geringer. Und wenn das Verkehrsministerium beschließt, irgendeine Verkehrsregel zu ändern, lassen sich alle selbstfahrenden Autos problemlos zum genau selben Zeitpunkt updaten, und sofern sich kein Programmfehler einschleicht, werden sie alle die neue Regel haargenau befolgen.

Ähnlich ist es im Gesundheitsbereich: Wenn die Weltgesundheitsorganisation eine neue Krankheit entdeckt oder wenn ein Labor einen neuen medizinischen Wirkstoff herstellt, so ist es fast unmöglich, alle menschlichen Ärzte auf der Welt bei diesen Entwicklungen auf den neuesten Stand zu bringen. Wenn Sie hingegen zehn Milliarden KI-Ärzte auf der Welt haben – von denen jeder die Gesundheit eines einzigen Menschen überwacht –, kann man sie alle in Sekundenbruchteilen updaten, und sie können alle untereinander ihre Erfahrungen mit der neuen Krankheit oder dem neuen Wirkstoff kommunizieren. Diese potenziellen Vorzüge von Konnektivität und Aktualisierbarkeit sind so enorm, dass es zumindest in einigen Arbeitsbereichen sinnvoll sein könnte, sämtliche Menschen durch Computer zu ersetzen, selbst wenn auf individueller Ebene manche weiterhin besser arbeiten als die Maschinen.

Nun könnten Sie einwenden, durch den Übergang von individuellen Menschen zu einem Computernetzwerk würden wir die Vorzüge der Individualität verlieren. Wenn beispielsweise ein menschlicher Arzt eine falsche Diagnose stellt, dann tötet er nicht alle Patienten auf der Welt und blockiert nicht die Entwicklung aller neuen Medikamente. Wenn hingegen sämtliche Ärzte in Wirklichkeit nur ein einziges System sind und dieses System einen Fehler macht, könnten die Folgen katastrophal sein. Tatsächlich jedoch kann ein integriertes Computersystem die Vorzüge der Konnektivität maximieren, ohne die Vorzüge der Individualität zu verlieren. Man kann zahlreiche alternative Algorithmen über das gleiche Netzwerk laufen lassen, sodass ein Patient in einem entlegenen Urwalddorf mittels Smartphone Zugang nicht nur zu einem einzigen zuverlässigen Arzt hat, sondern tatsächlich zu 100 verschiedenen KI-Ärzten, deren relative Leistung fortwährend verglichen wird.

Dank lernender Algorithmen und biometrischer Sensoren könnte ein armer Dorfbewohner in einem unterentwickelten Land über sein Smartphone eine weit bessere ärztliche Versorgung erhalten, als sie der reichste Mensch auf der Welt heute im fortschrittlichsten Krankenhaus bekommt.

Es wäre also schlicht verrückt, die Automatisierung in Bereichen wie Verkehr und Gesundheitsversorgung zu blockieren, nur um menschliche Arbeitsplätze zu retten. Denn schließlich sollten wir ja vor allem eines schützen, nämlich Menschen und nicht Jobs.

So hat beispielsweise die Ersetzung menschlicher Piloten durch Drohnen einige Jobs vernichtet, aber viele neue Stellen in den Bereichen Instandhaltung, Fernsteuerung, Datenanalyse und Cybersecurity geschaffen. Die US-Streitkräfte brauchen 30 Menschen, damit eine unbemannte Drohne vom Typ Predator oder Reaper über Syrien unterwegs sein kann, und um die Fülle der von ihr gelieferten Informationen zu analysieren, braucht man noch einmal mindestens weitere 80 Leute. Im Jahr 2015 fehlten der US Air Force ausreichend ausgebildete Menschen, um all diese Positionen zu besetzen, und so stand man ironischerweise vor dem paradox anmutenden Problem, dass man die unbemannten Flugkörper nicht bemannen konnte.

Das Problematische an all diesen neuen Jobs aber ist, dass sie vermutlich ein hohes Maß an fachlichem Wissen erfordern und deshalb die Probleme der ungelernten Arbeitslosen nicht lösen werden. Neue Jobs für Menschen zu schaffen könnte sich als leichter erweisen, als die Menschen umzuschulen, damit sie dann tatsächlich diese Arbeitsplätze besetzen. Bei früheren Automatisierungswellen konnten die Beschäftigten üblicherweise von einem Routinejob, der keine großen Fertigkeiten erforderte, in einen anderen wechseln.

Trotz der Schaffung vieler neuer Jobs für Menschen könnten wir deshalb die Entstehung einer neuen «nutzlosen» Klasse erleben.

Teams, die ausschließlich aus Menschen bestehen – wie etwa Sherlock Holmes und Dr. Watson –, entwickeln üblicherweise dauerhafte Hierarchien und Routinen, die Jahrzehnte Bestand haben. Doch ein menschlicher Ermittler, der sich mit dem Computersystem Watson von IBM zusammentut (das 2011 Berühmtheit erlangte, als es in der amerikanischen Fernsehquizshow Jeopardy! siegte), wird merken, dass jede Routine eine Einladung zur Disruption und jede Hierarchie eine Einladung zur Revolution ist. Der Assistent von gestern könnte sich in den Vorgesetzten von morgen verwandeln, und sämtliche Protokolle und Handbücher müssen jedes Jahr neu geschrieben werden.

Ein wichtiger Meilenstein war dabei der 7. Dezember 2017, als nicht ein Computer einen Menschen im Schach besiegte – das wäre nun wahrlich keine Nachricht wert gewesen –, sondern das Programm AlphaZero von Google über das Programm Stockfish 8 siegte. Stockfish 8 stand 2016 ganz oben auf den Ranglisten für Computerschach. Es hatte Zugang zu Jahrhunderten akkumulierter menschlicher Schacherfahrung und zu Jahrzehnten Computererfahrung. Es konnte pro Sekunde 70 Millionen Stellungen berechnen. AlphaZero hingegen schaffte nur 80.000 solcher Berechnungen pro Sekunde, und seine menschlichen Schöpfer hatten ihm keinerlei Schachstrategien beigebracht – nicht einmal die Standarderöffnungen. Stattdessen nutzte AlphaZero die neuesten Prinzipien maschinellen Lernens und brachte sich quasi autodidaktisch Schach bei, indem es gegen sich selbst spielte. Trotzdem gewann der Neuling AlphaZero von 100 Partien gegen Stockfish 28, weitere 72 endeten mit einem Remis. Er verlor also nicht eine einzige Partie. Da AlphaZero nichts von Menschen gelernt hatte, wirkten viele seiner erfolgreichen Züge und Strategien auf Menschen unkonventionell.

Wollen Sie raten, wie lang AlphaZero brauchte, um Schach von Grund auf zu lernen, sich auf die Partien gegen Stockfisch vorzubereiten und seine genialen Instinkte zu entwickeln? Vier Stunden.

AlphaZero schaffte es binnen nur vier Stunden von völliger Unkenntnis zu schöpferischer Meisterschaft, und das ohne die Hilfe und Anleitung irgendeines Menschen.

Die KI-Revolution wird keine klassische Wasserscheide sein, nach der der Arbeitsmarkt wieder in ein neues Gleichgewicht kommt. Wir werden es vielmehr mit einer Kaskade immer größerer Disruption zu tun haben.

Technologie ist niemals deterministisch, und die Tatsache, dass man etwas tun kann, bedeutet nicht, dass man es auch tun muss.

Doch selbst bei ausreichender staatlicher Unterstützung ist alles andere als klar, ob Milliarden Menschen sich immer wieder neu erfinden können, ohne ihr seelisches Gleichgewicht zu verlieren. Wenn somit trotz all unserer Bemühungen ein beträchtlicher Teil der Menschheit aus dem Arbeitsmarkt gedrängt wird, müssen wir neue Modelle für Post-Arbeitsgesellschaften, Post-Arbeitsökonomien und Post-Arbeitspolitik erkunden. Der erste Schritt besteht darin, ehrlich anzuerkennen, dass die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Modelle, die wir aus der Vergangenheit geerbt haben, angesichts dieser Herausforderung ungeeignet sind.

Einige mögen der Ansicht sein, die Menschen würden ökonomisch nie irrelevant werden, denn selbst wenn sie am Arbeitsplatz nicht mit künstlicher Intelligenz konkurrieren können, so werden sie doch stets als Verbraucher vonnöten sein. Es ist jedoch alles andere als sicher, dass die künftige Ökonomie uns zumindest noch als Konsumenten brauchen wird.

Tatsächlich fungieren Computer und Algorithmen schon heute nicht mehr nur als Produzenten, sondern auch als Kunden. An der Börse beispielsweise werden Algorithmen allmählich zu den wichtigsten Käufern von Anleihen, Aktien und Rohstoffen. Ähnlich ist es in der Werbebranche, auch dort ist der wichtigste aller Kunden ein Algorithmus: der Suchmaschinenalgorithmus von Google.

Der Google’sche Algorithmus hat einen sehr feinen und ausgeklügelten Geschmackssinn, wenn es darum geht, die Webseiten von Eisverkäufern zu «ranken», und die erfolgreichsten Eisverkäufer auf der Welt sind diejenigen, die der Google-Algorithmus ganz oben aufführt – und nicht diejenigen, die das leckerste Eis produzieren.

Diese Modelle sollten sich vor allem an einem Prinzip orientieren, nämlich Menschen und nicht Arbeitsplätze zu schützen. Viele Jobs sind öde Plackerei und gar nicht wert, dass man sie rettet. Kassierer zu sein ist niemandes Lebenstraum. Wir sollten uns deshalb darauf konzentrieren, die Grundbedürfnisse der Menschen zu befriedigen und ihren gesellschaftlichen Status und ihr Selbstwertgefühl zu schützen.

Mag der kommunistische Plan, eine Revolution der Arbeiterklasse anzuzetteln, auch tatsächlich veraltet sein, aber warum sollten wir nicht weiter versuchen, das kommunistische Ziel mit anderen Mitteln zu verwirklichen?

Wenn tatsächlich künstliche Intelligenz und 3D-Drucker die Aufgaben der Menschen in Bangladesch und Bangalore übernehmen, dann werden die Einnahmen, die zuvor nach Südasien flossen, nun die Schatullen einiger weniger Techgiganten in Kalifornien füllen. Statt dass das Wirtschaftswachstum die Situation überall auf der Welt verbessert, könnten wir erleben, wie in Hightechzentren wie dem Silicon Valley immenser neuer Reichtum entsteht, während viele Entwicklungsländer kollabieren.

Homo sapiens ist einfach nicht gemacht für Zufriedenheit. Das Glück des Menschen hängt weniger von objektiven Zuständen und stärker von den eigenen Erwartungen ab.

im Leben aller Menschen könnte die Suche nach Sinn und nach Gemeinschaft die Suche nach einem Arbeitsplatz in den Hintergrund drängen. Wenn es uns gelingt, ein allgemeines wirtschaftliches Sicherungsnetz mit starken Gemeinschaften und sinnvollen Tätigkeiten zu verknüpfen, könnte sich die Tatsache, dass wir unsere Arbeit an Algorithmen verlieren, in Wirklichkeit als Segen erweisen. Ein deutlich furchterregenderes Szenario ist allerdings, dass wir die Kontrolle über unser Leben verlieren.

Bei Referenden und Wahlen geht es immer um menschliche Gefühle, nicht um menschliche Rationalität.

Gefühle leiten nicht nur die Wähler, sondern auch die Politiker.

Gefühle sind vielmehr biochemische Mechanismen, die alle Säugetiere und Vögel nutzen, um rasch Wahrscheinlichkeiten des Überlebens und der Reproduktion zu berechnen. Gefühle beruhen nicht auf Intuition, Inspiration oder Freiheit – sie basieren auf Berechnung.

Wenn die Gefühle irgendeines urzeitlichen Vorfahren einen Fehler machten, wurden die Gene, die diese Gefühle bestimmten, nicht an die nächste Generation weitergegeben. Gefühle sind somit nicht das Gegenteil von Vernunft – sie verkörpern evolutionäre Rationalität.

Binnen weniger Jahrzehnte könnten Big-Data-Algorithmen, die fortwährend mit Unmengen an biometrischen Daten gefüttert werden, unsere Gesundheit rund um die Uhr überwachen.

Die Menschen werden die beste Gesundheitsversorgung bekommen, die es historisch gesehen je gab, aber aus genau diesem Grund werden sie wahrscheinlich die ganze Zeit krank sein. Irgendwo im Körper stimmt immer irgendetwas nicht.

Irgendetwas lässt sich immer verbessern.

beobachten, während wir fernsehen. Wenn wir Quentin Tarantinos gesamtes filmisches Schaffen zu Ende geschaut haben, haben wir vermutlich das meiste davon vergessen. Aber Netflix oder Amazon, oder wem auch immer der TV- Algorithmus gehört, wird unseren Persönlichkeitstyp kennen und wird wissen, welche emotionalen Knöpfe er bei uns drücken muss.

Nun kann man all die vielen Probleme aufführen, die mit Algorithmen verbunden sind, und zu dem Schluss kommen, dass die Menschen ihnen niemals trauen werden. Aber das ist ein wenig so, als würde man die Nachteile der Demokratie aufzählen und zu dem Schluss kommen, kein vernünftiger Mensch würde je ein solches System befürworten.

Sobald künstliche Intelligenz mit Blick auf unsere berufliche Laufbahn und vielleicht sogar unsere Beziehungen bessere Entscheidungen trifft als wir, wird sich unsere Vorstellung von Menschlichkeit und Leben ändern müssen.

Bis heute hatten diese Diskussionen beschämend wenig Auswirkungen auf das tatsächliche Verhalten, denn in Krisenzeiten vergessen die Menschen allzu oft ihre philosophischen Ansichten und folgen stattdessen ihren Emotionen und ihrem Bauchgefühl.

Wie alle Säugetiere nutzt er Emotionen, um rasch Entscheidungen über Leben und Tod zu treffen. Wir haben unsere Wut, unsere Angst und unsere Lust von Millionen Vorfahren geerbt, die alle die strengsten Qualitätskontrollen der natürlichen Auslese durchlaufen haben.

Angesichts der Tatsache, dass menschliche Fahrer jedes Jahr mehr als eine Million Menschen töten, ist das eine durchaus lösbare Aufgabe.

Aber sobald wir auf dem Arbeitsmarkt nach einem moralischen Standard entscheiden – dass es beispielsweise falsch ist, Schwarze oder Frauen zu diskriminieren –, können wir davon ausgehen, dass Maschinen diesen Standard besser umsetzen und strikter einhalten als Menschen.

Natürlich wird es nicht ganz einfach sein, einen Code für die Bewertung von Bewerbungen zu schreiben, und es besteht immer die Gefahr, dass die Ingenieure irgendwie ihre eigenen unbewussten Vorurteile in die Software einprogrammieren. Aber wenn wir solche Fehler entdecken, ist es vermutlich deutlich einfacher, die Fehler in der Software zu beseitigen, als Menschen ihre rassistischen und frauenfeindlichen Vorurteile auszutreiben.

Wir haben zu viele Science-Fiction-Filme über Roboter gesehen, die gegen ihre menschlichen Herren aufbegehren, in den Straßen Amok laufen und alle massakrieren. Doch das eigentliche Problem mit Robotern besteht im genauen Gegenteil. Wir sollten Angst vor ihnen haben, weil sie ihren Herren wahrscheinlich immer gehorchen und niemals rebellieren.

Nun ist blinder Gehorsam natürlich per se nicht weiter schlimm, solange die Roboter wohlmeinenden Herren dienen.

Das eigentliche Problem der Roboter ist nicht ihre künstliche Intelligenz, sondern vielmehr die natürliche Dummheit und Grausamkeit ihrer menschlichen Herren.

Bei einem tragikomischen Zwischenfall im Oktober 2017 postete ein palästinensischer Arbeiter auf seinem privaten Facebook-Account ein Bild von sich selbst an seinem Arbeitsplatz neben einem Bulldozer. Unter das Bild schrieb er: «Guten Morgen!» Ein automatischer Algorithmus machte bei der Umschrift der arabischen Buchstaben einen kleinen Fehler. Statt «Ysabechhum!» (was «Guten Morgen!» bedeutet) las der Algorithmus die arabischen Buchstaben als «Ydbachhum!» (was bedeutet: «Töte sie!»). Weil der Verdacht bestand, der Mann könnte ein Terrorist sein und mit seinem Bulldozer Menschen überfahren, nahmen ihn israelische

Sicherheitskräfte sogleich fest. Er wurde wieder freigelassen, als sie merkten, dass der Algorithmus einen Fehler begangen hatte. Aber der Facebook-Post wurde gleichwohl gelöscht. Man kann nie vorsichtig genug sein.

Demokratien verteilen die Macht, Informationen zu verarbeiten und Entscheidungen zu treffen, auf viele Menschen und Institutionen, während Diktaturen Informationen und Macht an einem Ort konzentrieren.

Angesichts der Technologie des 20. Jahrhunderts war das schlicht ineffizient. Niemand verfügt über die Fähigkeit, all die Informationen schnell genug zu verarbeiten und die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Tatsächlich könnte künstliche Intelligenz zentralisierte Systeme weit effizienter machen als dezentrale Systeme, denn maschinelles Lernen funktioniert umso besser, je mehr Informationen es analysieren kann. Konzentriert man sämtliche Informationen, die eine Milliarde Menschen betreffen, in einer Datenbank, und zwar ungeachtet aller Datenschutzbelange, kann man Algorithmen deutlich besser trainieren, als wenn man die individuelle Privatsphäre respektiert und in der Datenbank lediglich partielle Informationen über eine Million Menschen gespeichert hat.

Die Demokratie in ihrer gegenwärtigen Form kann die Verschmelzung von Biotechnologie und Informationstechnologie nicht überleben. Sie wird sich entweder radikal neu erfinden müssen, oder die Menschen werden künftig in «digitalen Diktaturen» leben.

Anstelle kollektiver Diskriminierung könnten wir es im 21. Jahrhundert also mit einem wachsenden Problem individueller Diskriminierung zu tun haben.

Intelligenz ist die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Bewusstsein ist die Fähigkeit, Dinge wie Schmerz, Freude, Liebe und Wut zu empfinden. Wir vermischen beides gerne, denn bei den Menschen und anderen Säugetieren geht Intelligenz mit Bewusstsein einher. Säugetiere lösen die meisten Probleme, indem sie Dinge empfinden. Computer jedoch lösen Probleme auf völlig andere Weise.

So wie Flugzeuge schneller fliegen als Vögel, ohne je Federn entwickelt zu haben, so können Computer Probleme viel besser als Säugetiere lösen, ohne je Gefühle zu entwickeln.

Bewusstsein ist dergestalt mit organischer Biochemie verbunden, dass es nie möglich sein wird, Bewusstsein in nichtorganischen Systemen zu erzeugen.

In den kommenden Jahrzehnten werden wir es vermutlich nicht mit einer Roboterrebellion zu tun haben, sondern eher mit Horden von Bots, die besser als unsere Mutter wissen, welche emotionalen Knöpfe sie bei uns drücken müssen, und die diese frappierende Fähigkeit nutzen, um uns in Versuchung zu führen und uns Dinge zu verkaufen – egal, ob ein Auto, einen Politiker oder gleich eine ganze Ideologie. Die Bots könnten unsere tiefsten Ängste, Hassgefühle und Gelüste ausfindig machen und diesen inneren Hebel gegen uns verwenden.

Wenn wir nicht aufpassen, haben wir am Ende verkümmerte Menschen, die mit Unterstützung verbesserter Computer sich selbst und der Welt ungeheuren Schaden zufügen.

Eigentum aber ist die Voraussetzung für langfristige Ungleichheit.

Weite Teile der Menschheit haben ohne Zweifel von der Globalisierung profitiert, aber es gibt Anzeichen dafür, dass die Ungleichheit sowohl zwischen Gesellschaften als auch innerhalb von Gesellschaften wächst. Einige Gruppen monopolisieren zunehmend die Früchte der Globalisierung, während Milliarden abgehängt werden. Schon heute gehört dem wohlhabendsten einen Prozent die Hälfte des weltweiten Reichtums. Noch alarmierender ist: Die reichsten einhundert Menschen besitzen zusammen mehr als die ärmsten vier Milliarden.

Und es könnte noch schlimmer werden. Wie schon gezeigt, könnte das Vordringen künstlicher Intelligenz den ökonomischen Wert und die politische Macht der meisten Menschen zunichte machen.

Gleichzeitig könnten es Verbesserungen im Bereich der Biotechnologie ermöglichen, ökonomische Ungleichheit in biologische Ungleichheit zu übersetzen.

Die beiden Prozesse – Biotechnologie gekoppelt mit dem Aufstieg künstlicher Intelligenz – könnten deshalb im Zusammenspiel dazu führen, dass sich die Menschheit in eine kleine Klasse von Übermenschen und eine riesige Unterschicht nutzloser Homo sapiens aufspaltet.

Diese ohnehin bereits düstere Lage könnte sich noch weiter verschlimmern, denn wenn die Massen ihre ökonomische Bedeutung und ihre politische Macht verlieren, dann könnte der Staat zumindest teilweise den Anreiz verlieren, in ihre Gesundheit, Bildung und Wohlfahrt zu investieren. Es ist höchst gefährlich, überflüssig zu sein.

Die Zukunft der Massen wird somit vom guten Willen einer kleinen Elite abhängen. Vielleicht besteht dieser gute Wille ein paar Jahrzehnte lang. Doch im Falle einer Krise – etwa

einer Klimakatastrophe – wäre es ziemlich verführerisch und nicht besonders schwer, die überflüssigen Menschen einfach über Bord zu werfen.

So gesehen ist das gegenwärtige populistische Ressentiment gegen «die Eliten» durchaus begründet.

Langfristig gesehen könnte ein solches Szenario die Welt sogar «entglobalisieren», wenn sich die obere Kaste in einer selbst ernannten «Zivilisation» zusammenschließt und Mauern und Gräben baut, um sich gegen die Horden der «Barbaren» draußen abzuschotten.

Vielleicht sollte man in manchen Teilen der Welt den eigenen Kindern beibringen, wie man ein Computerprogramm schreibt, während man sie woanders besser lehrt, schnell zu ziehen und sofort zu schießen.

Doch die Datenriesen verfolgen wahrscheinlich ganz andere, höhere Ziele als alle früheren Aufmerksamkeitshändler. Ihr eigentliches Geschäft besteht gar nicht darin, Anzeigen zu verkaufen. Vielmehr gelingt es ihnen, indem sie unsere Aufmerksamkeit kapern, Unmengen an Daten über uns anzuhäufen, die weitaus mehr wert sind als die Einkünfte aus Werbung. Wir sind nicht ihre Kunden – wir sind ihr Produkt.

Mittelfristig betrachtet eröffnet dieses Horten von Daten den Weg zu einem radikal anderen Geschäftsmodell, dessen erstes Opfer die Werbebranche selbst sein wird. Das neue Modell beruht darauf, Macht von Menschen auf Algorithmen zu übertragen, darunter auch die Macht,

Dinge auszuwählen und zu kaufen.

Einer beliebten App mag es an einem Geschäftsmodell fehlen und sie kann kurzfristig sogar Verlust machen, doch solange sie Daten absaugt, könnte sie Milliarden wert sein.

Gegenwärtig verschenken die Menschen mit Freuden gegen kostenlose E-Mail-Dienste und lustige Katzenvideos ihr wertvollstes Vermögen – ihre persönlichen Daten. Das erinnert ein wenig an Stämme in Afrika und an die amerikanischen Ureinwohner, die unwissentlich im Austausch für bunte Perlen und billigen Schmuck ganze Länder an die europäischen Imperialisten verkauften. Sollten

angewiesen sind. Menschen und Maschinen könnten so vollständig miteinander verschmelzen, dass die Menschen gar nicht mehr überleben können, wenn die Verbindung zum Netzwerk getrennt ist.

Sosehr wir die Macht großer Konzerne fürchten sollten, so sehr zeigt doch die Geschichte, dass es uns in den Händen übermächtiger Regierungen nicht unbedingt besser ergeht.

II: Die politische Herausforderung

Physische Gemeinschaften verfügen über eine Tiefe, die virtuelle Gemeinschaften niemals erreichen, zumindest nicht in naher Zukunft.

Wir haben unsere Fähigkeit verloren, darauf zu achten, was wir riechen und schmecken. Stattdessen sind wir von unseren Smartphones und Computern absorbiert. Das, was im Cyberspace passiert, interessiert uns mehr als das, was draußen auf der Straße geschieht.

Wenn etwas Aufregendes passiert, besteht das Bauchgefühl von Facebook-Nutzern darin, das Smartphone aus der Tasche zu ziehen, ein Foto zu machen, es online zu stellen und auf die Likes zu warten. Währenddessen bemerken sie kaum, was sie selbst fühlen. Vielmehr wird das, was sie fühlen, zunehmend von den Online-Reaktionen bestimmt. Menschen, die sich ihrem Körper, ihren Sinnen und ihrer physischen Umgebung entfremdet haben, fühlen sich leicht isoliert und desorientiert. Meinungsmacher schreiben solche Entfremdungsempfindungen oftmals dem Schwinden religiöser und nationaler Bindungen zu, aber wichtiger ist in diesem Fall wohl die Tatsache, dass die Menschen den Bezug zum eigenen Körper verloren haben. Über Jahrmillionen haben sie ohne Religionen und ohne Nationen gelebt – insofern können sie vermutlich auch im 21. Jahrhundert ganz gut ohne sie existieren. Doch sie können nicht glücklich leben, wenn sie nicht mehr mit ihrem Körper verbunden sind. Wer sich in seinem Körper nicht mehr zu Hause fühlt, wird sich auch in der Welt nirgends zu Hause fühlen.

Gemeinschaftsvision zu verwirklichen. Historisch gesehen waren Unternehmen nie das ideale Vehikel, um gesellschaftliche und politische Revolutionen anzuführen. Eine echte Revolution verlangt früher oder später Opfer, die Unternehmen, ihre Beschäftigten und ihre Aktionäre nicht bringen wollen. Deshalb gründen Revoluzzer Kirchen, politische Parteien und Armeen.

So wie in der Natur verschiedene Arten gemäß den gnadenlosen Gesetzen der natürlichen Auslese ums Überleben kämpfen, so sind die gesamte Geschichte hindurch Zivilisationen immer wieder zusammengeprallt, und nur die «Fittesten» haben überlebt, um davon zu erzählen. Wer diese düstere Tatsache übersehe – seien es liberale Politiker oder weltfremde Ingenieure –, tue das auf eigene Gefahr.

Der Krieg verbreitet Ideen, Technologien und Menschen weitaus rascher als der Handel.

Zahlreiche Guerillatruppen und Terrororganisationen haben es geschafft, neue Länder zu gründen oder bestehende zu erobern. Aber das gelang ihnen stets nur dadurch, dass sie die Grundprinzipien der politischen Weltordnung akzeptierten. Selbst die Taliban strebten als legitime Regierung des souveränen Landes Afghanistan nach internationaler Anerkennung. Keine Gruppe, die die Prinzipien der Weltpolitik ablehnt, hat bislang dauerhafte Kontrolle über irgendwelche bedeutsamen Territorien erlangt.

Trotz der Kriege in Syrien, in der Ukraine und an verschiedenen anderen Hotspots dieser Welt starben 2016 weniger Menschen durch menschliche Gewalt als aufgrund von Fettsucht, Autounfällen oder Selbstmord.

Leider haben wir uns inzwischen so sehr an diese Errungenschaft gewöhnt, dass wir sie für selbstverständlich halten. Das ist einer der Gründe, warum die Menschen wieder mit dem Feuer spielen.

Sobald diese Rückkopplungsschleife eine kritische Schwelle überschreitet, wird sie unausweichlich an Schwung gewinnen, und das gesamte Eis der Polarregionen wird schmelzen, selbst wenn die Menschen von heute auf morgen keinerlei Kohle, Öl und Gas mehr verbrennen. Insofern reicht es nicht aus, dass wir die Gefahr erkennen, vor der wir stehen. Entscheidend ist, dass wir jetzt wirklich etwas dagegen tun.

Das mag wie Science-Fiction klingen, aber der weltweit erste saubere Hamburger wurde 2013 aus Zellkulturen hergestellt – und anschließend verzehrt. Er kostete 330.000 US-Dollar. Vier Jahre Forschung und Entwicklung drückten den Preis pro Einheit auf elf US-Dollar, und binnen eines weiteren Jahrzehnts, so die Annahme, wird industriell produziertes sauberes Fleisch billiger als Schlachtfleisch sein.

Es gibt keine nationalistische Antwort. Wie im Falle des Klimawandels ist auch bei der technologischen Disruption der Nationalstaat schlicht der falsche Rahmen, um dieser Gefahr zu begegnen.

Wenn auch nur ein einziges Land beschließt, einen hochriskanten, aber auch extrem einträglichen technologischen Pfad einzuschlagen, werden andere Länder gezwungen sein, das Gleiche zu tun, denn niemand kann es sich leisten, abgehängt zu werden.

Jedes dieser drei Probleme – Atomkrieg, ökologischer Kollaps und technologische Disruption – reicht für sich genommen aus, um die Zukunft menschlicher Zivilisation zu gefährden. Doch zusammen addieren sie sich zu einer beispiellosen existenziellen Krise, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass sie sich wahrscheinlich gegenseitig verstärken und vermischen werden.

Wenn sich die ökologische Krise verschärft, wird sich die Entwicklung hochriskanter, vielversprechender Technologien vermutlich nur noch beschleunigen.

Wir haben heute eine globale Ökologie, eine globale Ökonomie und eine globale Wissenschaft – aber wir sind noch immer in nationaler Politik gefangen. Diese Diskrepanz verhindert, dass das politische System unsere Hauptprobleme wirksam angeht.

Doch es ist gerade ihre große interpretatorische Begabung, die Religionsführer benachteiligt, wenn sie mit Wissenschaftlern konkurrieren. Auch Wissenschaftler wissen, wie man fünf gerade sein lässt und Beweise zurechtbiegt, aber letztlich ist das Markenzeichen der Wissenschaft die Bereitschaft, Misserfolge einzugestehen und einen anderen Kurs einzuschlagen. Aus diesem Grund lernen Wissenschaftler nach und nach, wie man bessere Getreidesorten anbaut und bessere Medikamente herstellt, während Priester und Gurus lediglich lernen, wie man bessere Ausflüchte findet. Über die Jahrhunderte haben selbst die wahren Gläubigen diesen Unterschied bemerkt, weshalb die religiöse Autorität auf immer mehr technischen Feldern schwand. Das ist auch der Grund, warum die gesamte Welt zunehmend zu einer einzigen Zivilisation wurde. Wenn Dinge wirklich funktionieren, übernimmt sie jeder.

Die Menschheit bildet heute eine einzige Zivilisation, und Probleme wie der Atomkrieg, der ökologische Kollaps und die technologische Disruption lassen sich nur auf globaler Ebene lösen. Andererseits spalten Nationalismus und Religion unsere menschliche Zivilisation noch immer in verschiedene und oftmals feindselige Lager.

Einige Europäer fordern, Europa solle seine Pforten schließen: Verraten sie damit die multikulturellen und toleranten Ideale Europas, oder fordern sie einfach nur vernünftige Schritte, um eine Katastrophe zu verhindern? Andere verlangen, die Tore noch weiter zu öffnen: Glauben sie an die zentralen Werte Europas, oder machen sie sich schuldig, das europäische Projekt mit unmöglichen Erwartungen zu befrachten?

Um für ein wenig Klarheit zu sorgen, wäre es deshalb vielleicht hilfreich, Zuwanderung als einen Deal mit drei Grundbedingungen oder Klauseln zu betrachten: Klausel 1: Das Gastland nimmt Zuwanderer auf. Klausel 2: Im Gegenzug müssen die Immigranten die zentralen Normen und Werte des Gastlandes übernehmen, selbst wenn das bedeutet, ein paar ihrer traditionellen Normen und Werte aufzugeben. Klausel 3: Wenn sich die Zuwanderer ausreichend integrieren, werden sie mit der Zeit gleichberechtigte und vollwertige Angehörige des Gastlandes. «Sie» werden «wir».

Gerade weil Europa die Toleranz hochhält, kann es nicht zu viele intolerante Menschen hereinlassen. Zwar kann eine tolerante Gesellschaft

mit kleinen illiberalen Minderheiten fertig werden, doch wenn die Zahl solcher Extremisten eine bestimmte Schwelle überschreitet, verändert sich eine Gesellschaft von Grund auf. Wenn Europa zu viele Immigranten aus dem Nahen Osten aufnimmt, wird es am Ende aussehen wie der Nahe Osten.

Wenn Zuwanderer sich tatsächlich unverbesserlicher Intoleranz schuldig machen, werden viele liberale Europäer, die gegenwärtig Zuwanderung noch befürworten, früher oder später dazu übergehen, sich ihr erbittert zu widersetzen. Wenn sich umgekehrt die meisten Zuwanderer in ihrer Haltung zu Religion, Geschlecht und Politik als liberal und aufgeschlossen erweisen, wird dies den Zuwanderungsgegnern einige ihrer wichtigsten Argumente aus der Hand nehmen.

Es wäre falsch, alle Zuwanderungsgegner pauschal als «Nazis«zu verunglimpfen, so wie es falsch wäre, allen Zuwanderungsbefürwortern vorzuwerfen, sie würden «kulturellen Selbstmord» begehen. Deshalb sollte die Zuwanderungsdebatte nicht als kompromissloser Kampf um irgendeinen nicht verhandelbaren moralischen Imperativ geführt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Diskussion zwischen zwei legitimen politischen Positionen, die durch gängige demokratische Verfahren entschieden werden sollte.

Was Europa und der Welt insgesamt dabei helfen könnte, Zuwanderer besser zu integrieren und Grenzen wie Köpfe offenzuhalten, wäre weniger Hysterie im Hinblick auf den Terrorismus. Es wäre äußerst unglückselig, würde das europäische Experiment in Sachen Freiheit und Toleranz durch eine übertriebene Angst vor Terroristen zunichte gemacht. Damit hätten nicht nur die Terroristen ihre Ziele erreicht, es würde auch einer Handvoll Fanatiker viel zu viel Mitspracherecht einräumen, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht. Terrorismus ist die Waffe eines randständigen und schwachen Teils der Menschheit. Wie konnte es passieren, dass er die Weltpolitik beherrscht?

III: Verzweiflung und Hoffnung

Terroristen sind Meister der Gedankenkontrolle. Sie töten nur sehr wenige Menschen, schaffen es aber gleichwohl, Milliarden in Angst und Schrecken zu versetzen und riesige politische Gebilde wie die Europäische Union oder die Vereinigten Staaten zu erschüttern. Seit dem 11. September 2001 haben Terroristen in der Europäischen Union jedes Jahr rund 50 Menschen getötet, in den USA etwa zehn, in China etwa sieben und weltweit bis zu 25.000 Menschen (überwiegend im Irak, in Afghanistan, Pakistan, Nigeria und Syrien). Bei Verkehrsunfällen hingegen sterben jedes Jahr rund 80.000 Europäer, 40.000 Amerikaner, 270.000 Chinesen und 1,25 Millionen Menschen insgesamt. Diabetes und übermäßiger Zuckerkonsum töten bis zu 3,5 Millionen Menschen jährlich, während die Luftverschmutzung rund 7 Millionen Menschen das Leben kostet. Warum also haben wir vor dem Terrorismus mehr Angst als vor dem Zucker und warum werden Regierungen aufgrund sporadischer Terroranschläge und nicht aufgrund chronischer Luftverschmutzung abgewählt?

Indem Terroristen eine Handvoll Menschen umbringen, sorgen sie dafür, dass Millionen um ihr Leben fürchten. Um diese Ängste zu besänftigen, reagieren Regierungen auf dieses Theater des Terrors mit einer Sicherheitsshow, bei der ein ungeheures Gewaltarsenal aufgefahren wird, bis hin zur Verfolgung ganzer Bevölkerungsgruppen oder dem Einmarsch in fremde Länder. In den meisten Fällen bedroht diese Überreaktion unsere Sicherheit deutlich stärker als die Terroristen selber.

Wenn wir Terror wirksam bekämpfen wollen, müssen wir zuallererst begreifen, dass nichts von dem, was Terroristen tun, uns besiegen kann. Wir können uns nur selbst besiegen, wenn wir angesichts der terroristischen Provokationen falsch reagieren.

Der Staat hat einen riesigen Raum frei von politischer Gewalt geschaffen, und dieser leere Raum fungiert nun als Resonanzkörper, der die Wirkung jedes bewaffneten Angriffs, mag er auch noch so geringfügig sein, enorm verstärkt. Je weniger politische Gewalt in einem bestimmten Staat herrscht, desto größer ist der öffentliche Schock angesichts eines Terrorakts. Die Ermordung von ein paar Menschen in Belgien erfährt deutlich mehr Beachtung als die Ermordung Hunderter in Nigeria oder im Irak. Es ist also paradoxerweise so, dass gerade der Erfolg moderner Staaten bei der Verhinderung politischer Gewalt sie für Terrorismus besonders anfällig macht.

Deshalb weckt der Terror tiefsitzende Ängste vor Chaos und Anarchie, und die Leute haben das Gefühl, als stünde die Gesellschaftsordnung kurz vor dem Zusammenbruch. Nach Jahrhunderten blutiger Auseinandersetzungen sind wir aus dem schwarzen Loch der Gewalt herausgekrochen, aber wir spüren, dass es noch immer da ist und geduldig darauf wartet, uns erneut zu verschlingen. Ein paar Gräueltaten – und wir glauben, wieder in dieses Loch zurückzufallen. Um diesen Ängsten zu begegnen, fühlt sich der Staat genötigt, auf das Theater des Terrors mit seinem eigenen Theater der Sicherheit zu reagieren. Die effizienteste Antwort auf Terroristen dürften gute Geheimdienstarbeit und verdecktes Vorgehen gegen die finanziellen Netzwerke sein, von denen sie sich nähren. Aber das ist nichts, was die Bürger im Fernsehen sehen können. Die Bürger haben das Drama des einstürzenden World Trade Center erlebt. Und so fühlt sich der Staat gezwungen, ein gleichermaßen spektakuläres Drama mit noch mehr Feuer und Rauch zu inszenieren. Statt also ruhig und effizient zu agieren, entfacht er einen mächtigen Sturm, der nicht selten die kühnsten Träume der Terroristen in Erfüllung gehen lässt. Wie also sollte der Staat mit Terror umgehen? Eine erfolgreiche Terrorbekämpfung sollte an drei Fronten erfolgen. Erstens sollten sich Regierungen auf verdeckte Aktionen gegen die Terrornetzwerke konzentrieren. Zweitens sollten die Medien die Dinge nüchtern betrachten und jede Hysterie vermeiden. Ohne Publizität kann das Theater des Terrors keinen Erfolg haben. Leider liefern die Medien diese Publizität allzu oft frei Haus. Fast schon obsessiv berichten sie über Terroranschläge und blähen deren Gefahr enorm auf, weil sich Berichte über Terror nun einmal deutlich besser verkaufen als Berichte über Diabetes oder Luftverschmutzung. Die dritte Front ist die Vorstellungskraft eines jeden von uns. Terroristen besetzen unsere Fantasie und wenden sie gegen uns. Immer wieder proben wir den Terroranschlag auf der Bühne unseres Geistes – indem wir uns an den 11. September oder die jüngsten Selbstmordattentate erinnern. Die Terroristen haben 100 Menschen ermordet – und dafür gesorgt, dass 100 Millionen glauben, hinter jedem Baum lauere ein Mörder. Es liegt in der Verantwortung jedes Bürgers und jeder Bürgerin, seine oder ihre Vorstellungswelt von den Terroristen zu befreien und sich die wahren Dimensionen dieser Bedrohung bewusst zu machen. Es ist unser eigener innerer Terror, der die Medien zu obsessiver Berichterstattung über Terrorismus und die Regierung zu Überreaktionen veranlasst. Ob der Terror Erfolg hat oder scheitert, hängt somit ganz von uns ab. Wenn wir zulassen, dass Terroristen unsere Vorstellungskraft kapern, und dann auf unsere eigenen Ängste überreagieren – dann wird der Terror Erfolg haben. Wenn wir dagegen unsere Fantasie von den Terroristen befreien und mit kühlem Kopf reagieren – dann wird er scheitern.

Während also der heutige Terror überwiegend Theater ist, würde ein künftiger nuklearer Terror, Cyberterror oder Bioterror eine deutlich ernsthaftere Bedrohung darstellen und weitaus drastischere staatliche Reaktionen erfordern. Gerade deshalb sollten wir sehr darauf achten, solche hypothetischen Zukunftsszenarien von den tatsächlichen Terroranschlägen, wie wir sie bislang erlebt haben, zu unterscheiden. Die Befürchtung, Terroristen könnten eines Tages eine Atombombe in die Hände bekommen und New York oder London zerstören, rechtfertigt keine hysterische Überreaktion auf einen Terroristen, der ein Dutzend Unbeteiligte mit einem Schnellfeuergewehr oder einem Lkw tötet.

Natürlich müssen Regierungen radikale Gruppen überwachen und verhindern, dass diese in den Besitz von Massenvernichtungswaffen gelangen, aber sie müssen die Angst vor einem atomaren Terrorismus gegen andere Bedrohungsszenarien abwägen.

Wir können allerdings mit Sicherheit sagen, dass die Amerikaner und ihre Verbündeten mit ihrem Krieg gegen den Terror nicht nur weltweit für ungeheure Zerstörung sorgten, sondern auch das verursachten, was Ökonomen als «Opportunitätskosten» bezeichnen. Das Geld, die Zeit und das politische Kapital, die in die Bekämpfung des Terrors investiert wurden, flossen eben nicht in die Bekämpfung des Klimawandels, von Aids und Armut; es war kein Geld da, um Afrika südlich der Sahara Frieden und Wohlstand zu bringen oder für bessere Beziehungen mit Russland und China zu sorgen. Wenn New York oder London irgendwann einmal in den steigenden Fluten des Atlantiks versinken oder wenn die Spannungen mit Russland zu einem offenen Krieg führen, könnten die Menschen Bush, Blair und Obama durchaus vorwerfen, sich auf die falsche Front konzentriert zu haben.

Es ist schwer, in Echtzeit Prioritäten zu setzen, während es nur allzu leicht ist, rückblickend die Prioritätensetzung zu kritisieren. Wir werfen Politikern vor, sie hätten Katastrophen, die sich ereigneten, nicht verhindert, sind uns aber der Katastrophen, zu denen es nie kam, zum Glück nicht bewusst.

Unterschätze nie die menschliche Dummheit

Die einzige erfolgreiche Invasion einer Großmacht im 21. Jahrhundert war bislang die russische Eroberung der Krim.

Wenn Voraussetzung eines erfolgreichen Krieges ist, dass es an Gegnern fehlt, die bereit sind, sich dem Aggressor zu widersetzen, so schränkt das die verfügbaren Möglichkeiten deutlich ein.

Tatsächlich stieß Russland, als es den Erfolg auf der Krim in anderen Teilen der Ukraine zu wiederholen suchte, auf deutlich heftigeren Widerstand, und der Krieg in der Ostukraine blieb in einer unproduktiven Pattsituation stecken.

Tatsächlich waren aus russischer Sicht all seine angeblich aggressiven Vorgehensweisen in den letzten Jahren nicht die Eröffnungszüge eines neuen globalen Krieges, sondern vielmehr der Versuch, ungeschützte Verteidigungsflanken zu schließen. Russen können mit Recht darauf verweisen, dass sie nach ihrem friedlichen Rückzug am Ende der 1980er und in den frühen 1990er Jahren wie ein besiegter Feind behandelt wurden. Die USA und die NATO nutzten die russische Schwäche und dehnten trotz gegenteiliger Versprechungen das westliche Verteidigungsbündnis auf Osteuropa und sogar einige frühere Sowjetrepubliken aus. Der Westen ignorierte darüber hinaus russische Interessen im Nahen Osten, intervenierte unter zweifelhaften Vorwänden in Serbien und im Irak und machte Russland ganz generell deutlich, dass es nur auf eigene militärische Macht setzen kann, wenn es seine Einflusssphäre gegen westliche Einmischungen schützen will.

Warum ist es für Großmächte im 21. Jahrhundert so schwer, erfolgreiche Kriege zu führen? Das hat zum einen damit zu tun, dass sich das Wesen der Ökonomie verändert hat. In der Vergangenheit war wirtschaftliches Vermögen überwiegend materieller Art, weshalb es relativ einfach war, sich mittels Eroberung zu bereichern. Hatte man seine Gegner auf dem Schlachtfeld besiegt, konnte man absahnen, indem man ihre Städte plünderte, ihre Bürger auf Sklavenmärkten verkaufte und wertvolle Weizenfelder und Goldminen beschlagnahmte. Die Römer kamen zu Wohlstand, weil sie gefangene Griechen und Gallier verkauften, und das Amerika des 19. Jahrhunderts erlebte einen Aufschwung, als es die Goldminen Kaliforniens und die Rinderfarmen in Texas besetzte. Im 21. Jahrhundert jedoch lassen sich auf diese Weise allenfalls mickrige Gewinne erzielen. Wirtschaftliches Vermögen besteht heute überwiegend aus technischem und institutionellem Wissen und weniger aus Getreideäckern, Goldminen oder Ölfeldern, und Wissen kann man nun einmal nicht mittels Krieg erobern. Eine

Natürlich sind Unternehmen wie Apple, Facebook und Google Hunderte Milliarden Dollar wert, aber dieses Vermögen lässt sich nicht mit Gewalt in Besitz nehmen.

Doch wenn die USA heute ein Land angreifen, das auch nur über bescheidene Cyberkapazitäten verfügt, könnte der Krieg binnen Minuten nach Kalifornien oder Illinois getragen werden. Schadsoftware und Logikbomben könnten den Flugverkehr in Dallas lahmlegen, Züge in Philadelphia kollidieren lassen und die Stromversorgung in Michigan zum Erliegen bringen.

Atomwaffen und Cyberkrieg hingegen sind Technologien, die enormen Schaden anrichten und wenig Gewinn bringen. Mit diesen Mitteln kann man ganze Länder zerstören, aber keine profitablen Großreiche errichten. Insofern ist in einer Welt, in der immer lauter mit dem Säbel gerasselt wird und atmosphärische Störungen zunehmen, unsere vielleicht beste Friedensgarantie die, dass die Großmächte aus jüngerer Zeit keine Beispiele für erfolgreiche Kriege kennen.

Doch selbst wenn der Krieg im 21. Jahrhundert weiterhin ein wenig profitables Geschäft bleiben sollte, würde uns das keine absolute Friedensgarantie verschaffen. Denn wir sollten nie die menschliche Dummheit unterschätzen. Auf persönlicher wie auf kollektiver Ebene nämlich neigen Menschen dazu, sich in selbstzerstörerische Aktivitäten zu stürzen.

Menschliche Dummheit ist einer der wichtigsten Faktoren in der Geschichte, aber wir tun sie oft als unbedeutend ab.

Das Problem ist, dass die Welt viel komplizierter ist als ein Schachbrett und dass menschliche Rationalität nicht ausreicht, um sie wirklich zu verstehen. Insofern tun selbst rationale Anführer häufig sehr dumme Dinge.

Die Menschen in Israel sprechen oft von den «drei großen Weltreligionen» und meinen damit das Christentum (2,3 Milliarden Gläubige), den Islam (1,8 Milliarden) und das Judentum (15 Millionen). Der Hinduismus mit seiner einen Milliarde Gläubigen und der Buddhismus mit seinen 500 Millionen Anhängern – ganz zu schweigen vom Shintoismus (50 Millionen) und dem Sikhismus (25 Millionen) – erfüllen die dafür nötigen Anforderungen offenbar nicht.

Alle sozialen Säugetiere wie Wölfe, Delfine und Affen verfügen über Moralkodizes, die im Verlauf der Evolution so angepasst wurden, dass sie die Zusammenarbeit in der Gruppe beförderten.

Der Monotheismus trug kaum etwas zur Verbesserung der moralischen Standards der Menschen bei – oder glauben Sie wirklich, Muslime seien von Natur aus moralischer als Hindus, nur weil Muslime an einen einzigen Gott glauben, während Hinduisten viele Götter haben? Waren die christlichen Konquistadoren moralischer als die heidnischen Stämme der amerikanischen Ureinwohner? Was der Monotheismus zweifellos schaffte, war, dass viele Menschen deutlich intoleranter wurden als zuvor, was dazu beitrug, dass sich religiöse Verfolgung und heilige Kriege ausbreiteten.

Neben so bekannten Namen wie Albert Einstein und Sigmund Freud waren rund 20 Prozent aller Nobelpreisträger in den Naturwissenschaften Juden, obwohl Juden weniger als 0,2 Prozent der Weltbevölkerung stellen.

Die Juden mögen ein sehr interessantes Volk sein, aber wenn man sich das große Ganze anschaut, so muss man feststellen, dass sie nur sehr begrenzten Einfluss auf die Welt hatten.

Anders als manche Sekten, die darauf beharren, sie besäßen ein Monopol auf alle Weisheit und Güte, besteht eines der Hauptmerkmale säkularer Menschen darin, dass sie kein solches Monopol für sich beanspruchen. Sie glauben nicht, dass Moral und Weisheit an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Zeit vom Himmel herabkamen.

Glaubensführer stellen ihre Anhänger oftmals vor eine strikte Entweder-oder-Entscheidung – entweder du bist Muslim oder du bist es nicht. Und wenn du Muslim bist, solltest du alle anderen Glaubenslehren ablehnen. Säkulare Menschen hingegen haben kein Problem mit vielfältigen hybriden Identitäten.

Zwar gehen die Meinungen in Sachen wirtschaftlicher und politischer Gleichheit auseinander, aber säkulare Menschen misstrauen allen a priori bestehenden Hierarchien grundsätzlich.

Menschen, die Angst haben, ihre Wahrheit zu verlieren, sind tendenziell gewalttätiger als Menschen, die es gewohnt sind, die Welt aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Fragen, die wir nicht beantworten können, sind in der Regel weitaus besser für uns als Antworten, die man nicht infrage stellen darf.

Insbesondere in Notzeiten – etwa im Falle eines Krieges oder einer Wirtschaftskrise – müssen Gesellschaften rasch und bestimmt agieren, selbst wenn sie nicht sicher sind, wie die Wahrheit lautet und wie wirklich barmherziges Handeln aussieht. Sie brauchen klare Richtlinien, eingängige Schlagworte und mitreißende Schlachtrufe. Da es schwierig ist, aufgrund zweifelhafter Mutmaßungen Soldaten in die Schlacht zu schicken oder radikale Wirtschaftsreformen zu verordnen, verwandeln sich säkulare Bewegungen immer wieder in dogmatische Glaubensbekenntnisse.

Ob wir Stalin als säkularen Führer betrachten sollten, hängt deshalb davon ab, wie wir Säkularismus definieren. Halten wir uns an die negative Minimaldefinition – «säkulare Menschen glauben nicht an Gott» –, dann war Stalin definitiv säkular. Verwenden wir eine positive Definition – «säkulare Menschen lehnen alle unwissenschaftlichen Dogmen ab und sind Wahrheit, Mitgefühl und Freiheit verpflichtet» –, dann war Marx ein säkularer Leuchtturm, während Stalin alles andere als das war. Er war der Prophet der gottlosen, aber extrem dogmatischen Religion des Stalinismus. Der Stalinismus ist kein Einzelfall. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums begann auch der Kapitalismus als eine sehr unvoreingenommene wissenschaftliche Theorie, verfestigte sich aber nach und nach zu einem Dogma. Viele Kapitalisten beten unablässig das Mantra von den freien Märkten und vom Wirtschaftswachstum herunter, ganz gleich, wie es in der Wirklichkeit aussieht. Egal, welch schreckliche Folgen Modernisierung, Industrialisierung oder Privatisierung mitunter haben, tun kapitalistische Überzeugungstäter sie als bloße «Wachstumsschmerzen» ab und versprechen, das alles werde durch ein bisschen mehr Wachstum wettgemacht. Gemäßigte liberale Demokraten waren dem säkularen Streben nach Wahrheit und Mitgefühl stärker verpflichtet, aber selbst sie lassen mitunter zugunsten bequemer Dogmen davon ab. So vertrauen etwa Liberale, wenn sie mit dem Chaos brutaler Diktaturen und gescheiterter Staaten konfrontiert sind, oftmals unhinterfragt auf das großartige Ritual allgemeiner Wahlen. Sie führen Kriege und geben an Orten wie dem Irak, Afghanistan und dem Kongo Milliardensummen aus in der festen Überzeugung, die Abhaltung allgemeiner Wahlen werde diese Orte wie durch Zauberhand in sonnenscheinreichere Varianten Dänemarks verwandeln. Und das trotz wiederholter Misserfolge und ungeachtet der Tatsache, dass diese Rituale selbst in Ländern mit einer gefestigten Tradition allgemeiner Wahlen mitunter autoritäre Populisten an die Macht bringen und zu nichts Großartigerem als Mehrheitsdiktaturen führen. Wer aus diesen Gründen die angebliche Weisheit allgemeiner Wahlen infrage stellt, wird zwar nicht im Gulag landen, aber vermutlich einen ziemlich kalten Schwall dogmatischer Beschimpfungen abbekommen.

Heute, da wir vor den wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte des Lebens stehen, würde ich persönlich eher denjenigen trauen, die Unwissen einräumen, als denjenigen, die Unfehlbarkeit für sich beanspruchen.

IV: Wahrheit

Was Homo sapiens seinen Vorsprung gegenüber allen anderen Tieren verschaffte und uns zu Herren des Planeten machte, war nicht unsere individuelle Rationalität, sondern unsere beispiellose Fähigkeit, in großen Gruppen gemeinsam zu denken.

Wir glauben, wir wüssten heute viel mehr, aber in Wirklichkeit wissen wir als Individuen deutlich weniger. Bei fast all unseren Bedürfnissen vertrauen wir auf die Expertise von anderen.

Wir glauben, eine Menge zu wissen, auch wenn wir individuell sehr wenig wissen, denn wir behandeln das Wissen in den Köpfen anderer, als wäre es unser eigenes.

hat auch die Wissensillusion ihre Kehrseite. Die Welt wird immer komplizierter und die Menschen merken nicht einmal, wie wenig sie darüber Bescheid wissen, was vor sich geht.

Die Menschen bemerken ihre Unkenntnis nur selten, weil sie sich in einer Echokammer gleichgesinnter Freunde und das eigene Weltbild bestätigender Newsfeeds eingeschlossen haben, wo ihre Überzeugungen ständig bestärkt und nur selten infrage gestellt werden.

Politiker stecken somit in einer Zwickmühle. Wenn sie im Zentrum der Macht bleiben, werden sie eine extrem verzerrte Sicht der Welt haben. Wenn sie sich an die Ränder wagen, werden sie allzu viel ihrer wertvollen Zeit vergeuden. Dieses Dilemma wird nur noch schlimmer werden. In den kommenden Jahrzehnten wird die Welt noch komplizierter werden, als sie es heute schon ist

Das Gerechtigkeitsgefühl von Wildbeutern war so strukturiert, dass es mit den Dilemmata zurechtkam, die das Leben von ein paar Dutzend Menschen in einem ein paar Dutzend Quadratkilometer umfassenden Gebiet betrafen. Wenn wir hingegen versuchen, die Beziehungen zwischen Millionen Menschen über ganze Kontinente hinweg nachzuvollziehen, ist unser moralisches Empfinden überfordert. Gerechtigkeit erfordert nicht einfach nur ein Gefüge abstrakter Werte, sondern auch ein Verständnis konkreter Ursache-Wirkung-Zusammenhänge.

ie keinerlei Anstrengung unternehmen, etwas zu wissen, in einem Zustand seliger Ignoranz verbleiben können und dass es für diejenigen, die sich um Erkenntnis bemühen, ziemlich schwierig ist, die Wahrheit herauszufinden. Wie ist es möglich, Diebstahl zu vermeiden, wenn das globale Wirtschaftssystem unablässig in meinem Namen und ohne mein Wissen stiehlt?

Die größten Verbrechen in der modernen Geschichte resultierten nicht nur aus Hass und Gier, sondern noch viel mehr aus Unwissenheit und Gleichgültigkeit.

Wir alle sind Komplizen bei zumindest einigen dieser Ungleichgewichte, und wir haben schlicht nicht die Zeit und die Energie, um sie alle ausfindig zu machen.

Menschen können die Beziehungen zwischen zwei Wildbeutern, zwischen zwanzig Wildbeutern oder zwischen zwei benachbarten Clans begreifen. Doch sie sind schlecht gerüstet, um die Beziehungen zwischen mehreren Millionen Syrern, zwischen 500 Millionen Europäern oder zwischen all den sich überschneidenden Gruppen und Untergruppen auf dem Planeten nachzuvollziehen.

Beim Versuch, moralische Dilemmata dieses Ausmaßes zu verstehen und zu beurteilen, greifen die Menschen oftmals auf eine von vier Methoden zurück. Die erste besteht darin, das Problem zu «schrumpfen»:

Die zweite Methode besteht darin, sich auf eine anrührende menschliche Geschichte zu konzentrieren, die scheinbar für den gesamten Konflikt steht. Wenn Sie versuchen, Menschen die wahre Komplexität des Konflikts mittels Statistiken und exakter Daten zu erklären, haben Sie keine Chance; doch eine persönliche Geschichte über das Schicksal eines einzelnen Kindes aktiviert die Tränendrüsen, bringt das Blut in Wallung und sorgt für falsche moralische Gewissheit.

Die dritte Methode, um mit moralischen Dilemmata im großen Maßstab umzugehen, besteht in der Konstruktion von Verschwörungstheorien. Wie funktioniert die Weltwirtschaft, und ist sie gut oder schlecht? Das ist viel zu kompliziert, um es wirklich zu begreifen. Hingegen kann man sich viel leichter vorstellen, dass zwanzig Multimilliardäre hinter den Kulissen die Fäden ziehen, dass sie die Medien kontrollieren und Kriege anheizen, um sich selbst zu bereichern. Dabei handelt es sich fast immer um völlig haltlose Fantasien. Die heutige Welt ist zu kompliziert nicht nur für unser Gerechtigkeitsempfinden, sondern auch für unsere Führungsqualitäten. Niemand – nicht einmal die Multimilliardäre, die CIA, die Freimaurer und die Weisen von Zion – verstehen wirklich, was auf der Welt vor sich geht. Insofern ist niemand in der Lage, wirklich die Strippen zu ziehen. Diese drei Methoden versuchen die wahre Komplexität der Welt zu leugnen. Die vierte und letzte Methode besteht darin, eine Glaubenslehre zu entwickeln, auf irgendeine vermeintlich allwissende Theorie, Institution oder Führungspersönlichkeit zu vertrauen und ihr zu folgen, wohin auch immer sie uns führt. Religiöse und ideologische Glaubenslehren sind in unserem wissenschaftlichen Zeitalter gerade deshalb noch immer ausgesprochen attraktiv, weil sie uns angesichts der frustrierenden Komplexität der Wirklichkeit einen sicheren Hafen bieten.

Ich bin mir bewusst, dass viele Menschen womöglich empört aufschreien, wenn ich Religion mit Fake News gleichsetze, aber genau darum geht es. Wenn tausend Menschen einen Monat lang an irgendeine erfundene Geschichte glauben – dann handelt es sich um Fake News. Wenn eine Milliarde Menschen ein Jahrtausend lang daran glauben – dann haben wir es mit Religion zu tun, und man ermahnt uns, das nicht als Fake News zu bezeichnen, um die Gefühle der Gläubigen nicht zu verletzen (oder uns nicht ihren Zorn zuzuziehen).

Altehrwürdige Religionen waren nicht die Einzigen, die Fiktion nutzten, um Kooperation zu festigen. In jüngeren Zeiten hat jede Nation ihre eigene nationale Mythologie geschaffen, während Bewegungen wie der Kommunismus, der Faschismus und der Liberalismus ausgefeilte selbstverstärkende Glaubensbekenntnisse schufen.

Neben Religionen und Ideologien setzen auch Unternehmen auf Fiktion und Fake News. Zur Markenbildung gehört oft, die gleiche fiktionale Geschichte immer wieder zu erzählen, bis die Menschen zu der Überzeugung gelangen, sie sei wahr.

Andererseits kann man Menschenmassen nicht erfolgreich organisieren, ohne dabei auf irgendeine Mythologie zu setzen. Wenn Sie sich an die nackte Realität halten, wird Ihnen kaum jemand folgen.

Insofern besteht in der Praxis keine strikte Trennung zwischen «wissen, dass etwas nur eine menschliche Konvention ist» und «glauben, dass etwas in sich wertvoll ist». In vielen Fällen sind die Menschen ambivalent oder vergessen diese Unterscheidung ganz.

Menschen verfügen über die bemerkenswerte Fähigkeit, gleichzeitig zu wissen und nicht zu wissen. Oder genauer gesagt: Sie können etwas wissen, wenn sie wirklich darüber nachdenken, doch die meiste Zeit denken sie nicht darüber nach, und deshalb wissen sie nicht.

Menschliches Leid wird oftmals durch den Glauben an Fiktionen verursacht, aber das Leid selbst ist doch ganz real.

Eine der allergrößten Fiktionen besteht darin, die Komplexität der Welt zu leugnen und in absoluten Kategorien ursprünglicher Reinheit im Gegensatz zum satanischen Bösen zu denken. Kein Politiker sagt die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit, aber einige Politiker sind trotzdem weit besser als andere.

Ähnlich ist keine Zeitung frei von Voreingenommenheit und Fehlern, aber einige Zeitungen sind aufrichtig darum bemüht, die Wahrheit herauszufinden, während andere eine Gehirnwaschmaschine sind.

Es liegt in unser aller Verantwortung, dass wir Zeit und Mühe darauf verwenden, unsere eigenen Voreingenommenheiten zu erkennen und unsere Informationsquellen zu verifizieren. Wie in früheren Kapiteln schon erwähnt, können wir nicht alles selbst unter die Lupe nehmen. Aber genau deswegen müssen wir zumindest sorgfältig darauf achten, welches unsere bevorzugten Informationsquellen sind – ob nun eine Zeitung, eine Website, ein Fernsehsender oder eine Person.

Wenn Sie verlässliche Informationen haben wollen, dann zahlen Sie gutes Geld dafür. Wenn Sie Ihre Nachrichten umsonst bekommen, könnte es sein, dass Sie das Produkt sind.

Die zweite Faustregel lautet: Wenn irgendeine Frage Ihnen besonders wichtig erscheint, bemühen Sie sich, die einschlägige wissenschaftliche Literatur zu lesen. Und mit wissenschaftlicher Literatur meine ich seriöse Artikel, Bücher, die von angesehenen Verlagen veröffentlicht wurden, und die Schriften von Professoren renommierter Institutionen. Die Wissenschaft hat ganz offenkundig ihre Grenzen und in der Vergangenheit viele Fehler begangen. Trotzdem ist die wissenschaftliche Community seit Jahrhunderten unsere verlässlichste Wissensquelle. Wenn Sie glauben, die wissenschaftliche Community liege bei irgendetwas falsch, so ist das mit Sicherheit möglich, aber Sie sollten zumindest die wissenschaftlichen Theorien, die Sie ablehnen, kennen und über empirische Belege verfügen, die Ihre These stützen.

Die Menschen beherrschen die Welt, weil sie besser als jedes andere Lebewesen kooperieren können, und sie können so gut kooperieren, weil sie an Fiktionen glauben.

Wir glauben, dass es uns glücklich macht, wenn wir immer mehr Dinge kaufen, denn wir haben das kapitalistische Paradies mit eigenen Augen im Fernsehen gesehen.

Kaum jemand dürfte die aktuellsten Fachartikel aus den Bereichen maschinelles Lernen oder Gentechnologie lesen. Stattdessen bestimmen Filme wie Matrix und Her oder Fernsehserien wie Westworld und Black Mirror, wie Menschen die wichtigsten technologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen unserer Zeit verstehen. Das heißt auch: Science-Fiction muss bei der Art und Weise, wie sie wissenschaftliche Realitäten darstellt, deutlich mehr Verantwortung zeigen, denn sonst könnte sie den Menschen falsche Vorstellungen vermitteln oder deren Aufmerksamkeit auf die falschen Probleme lenken. Wie in einem früheren Kapitel bereits erwähnt, besteht die vielleicht schlimmste Sünde der heutigen Science-Fiction darin, dass sie gerne Intelligenz und Bewusstsein verwechselt. Infolgedessen beschäftigt sie sich übermäßig mit einem potenziellen Krieg zwischen Robotern und Menschen, während wir in Wirklichkeit eher vor einem Konflikt zwischen einer kleinen Elite von Übermenschen, deren Macht auf Algorithmen gründet, und einer riesigen Unterschicht entmachteter Homo sapiens Angst haben müssen.

sondern dass Authentizität ein Mythos ist. Die Menschen haben Angst davor, in einer Schachtel gefangen zu sein, merken aber gar nicht, dass sie es bereits sind – nämlich in der Schachtel ihres Gehirns –, die ihrerseits in eine größere Schachtel eingeschlossen ist – die menschliche Gesellschaft mit ihren unzähligen Fiktionen. Wer der Matrix entkommt, findet nichts anderes als eine größere Matrix.

Haben Sie irgendeine Vorstellung, wie viele Filme, Romane und Gedichte Sie im Laufe der Jahre konsumiert haben und wie diese Kunstwerke Ihre Vorstellung von Liebe geprägt und geschärft haben?

Wenn Sie glauben, Sie könnten irgendeinen Delete-Knopf drücken und sämtliche Spuren Hollywoods aus Ihrem Unterbewusstsein und Ihrem limbischen System löschen, so machen Sie sich etwas vor.

V: Resilienz

Die Menschheit steht vor nie dagewesenen Revolutionen, all unsere alten Erzählungen fallen in sich zusammen, und bislang ist noch keine neue entstanden, die sie ersetzen könnte.

Natürlich konnten die Menschen die Zukunft noch nie genau vorhersagen. Doch heute ist es schwieriger als je zuvor, denn sobald uns die Technologie in die Lage versetzt, Körper, Gehirne und Seelen zu manipulieren, können wir in keinerlei Hinsicht mehr sicher sein – nicht einmal bei Dingen, die früher als unverrückbar und ewig galten.

Computer eine beispiellose Revolution erleben. Ein Großteil von dem, was Kinder heute lernen, wird deshalb 2050 vermutlich irrelevant sein. Gegenwärtig konzentrieren sich viel zu viele Schulen darauf, die Schüler mit Informationen vollzustopfen. In der Vergangenheit war das sinnvoll, weil Information knapp war, und selbst das Durchsickern vorhandener Informationen wurde immer wieder mittels Zensur blockiert.

Überall auf der Welt sind die Menschen nur einen Klick entfernt von den jüngsten Schilderungen der Bombardierung Aleppos oder der schmelzenden Polkappen in der Arktis, aber es gibt so viele widersprüchliche Darstellungen, dass schwer zu entscheiden ist, was man glauben soll. Daneben sind unzählige andere Dinge nur einen Klick entfernt und machen es schwer, sich zu konzentrieren, und wenn Politik oder Wissenschaft zu kompliziert erscheinen, ist die Versuchung groß, sich irgendwelchen lustigen Katzenvideos, belanglosem Promigeschwätz oder billigen Pornofilmchen zuzuwenden. In einer solchen Welt ist ein Mehr an Informationen so ziemlich das Letzte, was ein Lehrer seinen Schülern vermitteln muss. Die Kinder haben ohnehin schon viel zu viel davon. Stattdessen benötigen Menschen die Fähigkeit, Informationen zu interpretieren, zwischen wichtig und unwichtig zu unterscheiden und vor allem viele Informationsstückchen zu einem umfassenderen Bild der Welt zusammenzusetzen. Tatsächlich war genau das jahrhundertelang das Ideal westlicher liberaler Bildung, doch bis heute waren selbst viele westliche Schulen recht nachlässig in dem Bemühen, diesem Ideal gerecht zu werden.

Bei den Entscheidungen, die wir in den nächsten Jahrzehnten treffen werden, wird es um die Zukunft des Lebens als solchem gehen, und wir können diese Entscheidungen nur auf der Basis unseres gegenwärtigen Weltbilds treffen. Wenn es dieser Generation an einer umfassenden Vorstellung vom Kosmos fehlt, so wird über die Zukunft des Lebens nach dem Zufallsprinzip entschieden werden.

Zahlreiche Fachpädagogen behaupten, Schulen sollten sich auf die Vermittlung der vier Ks verlegen – kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität.

Allgemeiner sollten Schulen weniger Wert auf technisches Können legen und stattdessen universell anwendbare Lebensfertigkeiten in den Mittelpunkt rücken. Am allerwichtigsten wird die Fähigkeit sein, mit Veränderung umzugehen, neue Dinge zu lernen und in unvertrauten Situationen das seelische Gleichgewicht zu wahren.

Wollen wir mit der Welt des Jahres 2050 Schritt halten, müssen wir nicht nur neue Ideen und Produkte erfinden – wir müssen vor allem uns selbst immer wieder neu erfinden.

Wie genau die Veränderungen aussehen werden, können wir nicht mit Sicherheit sagen, nur dass Veränderung selbst die einzige Gewissheit sein wird.

Seit urdenklichen Zeiten war das Leben in zwei komplementäre Teile geteilt: eine Phase des Lernens, gefolgt von einer Phase der Arbeit. Im ersten Teil des Lebens häufte man Informationen an, entwickelte Fertigkeiten, konstruierte ein Weltbild und baute eine stabile Identität auf.

Je härter sie gearbeitet haben, um etwas aufzubauen, desto schwieriger ist es, davon abzulassen und Platz zu machen für etwas Neues.

Da Fremdheit zur neuen Normalität wird, werden unsere vergangenen Erfahrungen wie auch die vergangenen Erfahrungen der Menschheit insgesamt weniger verlässliche Orientierung bieten. Menschen als Individuen und die Menschheit als Ganzes werden zunehmend mit Dingen zu tun haben, mit denen niemand je zuvor konfrontiert war: etwa superintelligenten Maschinen, gentechnisch veränderten Körpern, Algorithmen, die unsere Emotionen mit verblüffender Präzision manipulieren können, rasanten menschengemachten Klimakatastrophen und dem Zwang, alle zehn Jahre den Beruf zu wechseln. Was macht man am besten, wenn man sich mit einer völlig beispiellosen Situation konfrontiert sieht? Wie sollten Sie agieren, wenn Sie von enormen Mengen an Informationen überflutet werden und absolut keine Möglichkeit haben, all diese Informationen aufzunehmen und zu analysieren? Wie soll man leben in einer Welt, in der umfassende Ungewissheit kein Fehler, sondern ein Grundmerkmal ist?

Leider ist es viel schwerer, Kindern beizubringen, wie man das Unbekannte akzeptiert und das seelische Gleichgewicht behält, als ihnen eine physikalische Gleichung oder die Ursachen des Ersten Weltkriegs zu erklären. Resilienz lässt sich nicht lernen, indem man ein Buch liest oder einem Vortrag lauscht. Den Lehrern selbst fehlt in der Regel die geistige Flexibilität, die das 21. Jahrhundert verlangt, denn sie sind selbst Produkt des alten Bildungssystems.

Vertraue nicht zu sehr auf die Erwachsenen. Die meisten von ihnen meinen es gut mit dir, aber sie verstehen die Welt einfach nicht. In der Vergangenheit war es relativ sicher, den Erwachsenen zu folgen, denn sie kannten die Welt recht gut und diese veränderte sich langsam. Doch das 21. Jahrhundert wird anders sein. Aufgrund des zunehmenden Tempos des Wandels kannst du nie sicher sein, ob das, was die Erwachsenen dir sagen, zeitlose Weisheit oder veraltetes Vorurteil ist.

Technologie ist nicht per se schlecht. Wenn du weißt, was du im Leben willst, kann Technologie dir dabei helfen, es zu bekommen. Aber wenn du nicht weißt, was du im Leben willst, wird es für die Technologie nur allzu einfach sein, deine Ziele für dich zu bestimmen und die Kontrolle über dein Leben zu übernehmen. Insbesondere weil die Technologie Menschen immer besser versteht, könnte es am Ende sein, dass du ihr dienst und nicht sie dir. Hast du diese Zombies gesehen, die durch die Straßen laufen, die Augen fest auf ihre Smartphones geheftet? Glaubst du, sie kontrollieren die Technologie, oder kontrolliert die Technologie sie?

Heute, da Biotechnologie und maschinelles Lernen immer besser werden, wird es immer leichter, die tiefsten Emotionen und Wünsche der Menschen zu manipulieren, und es wird gefährlicher denn je, einfach dem eigenen Herzen zu folgen. Wenn Coca-Cola, Amazon, Baidu oder die Regierung

Vielleicht hast du davon gehört, dass wir in einer Zeit leben, in der Computer gehackt werden, aber das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Tatsächlich leben wir in einer Epoche, in der Menschen gehackt werden. Jetzt in genau diesem Augenblick beobachten uns die Algorithmen. Sie beobachten, wohin wir gehen, was wir kaufen, wen wir treffen. Schon bald werden sie all unsere Schritte, all unsere Atemzüge, all unsere Herzschläge überwachen.

Und sobald diese Algorithmen uns besser kennen als wir uns selbst, könnten sie uns kontrollieren und manipulieren, und wir könnten nicht viel dagegen tun.

Am Ende ist es eine simple Frage der Empirie: Wenn die Algorithmen tatsächlich besser als wir verstehen, was in uns abläuft, dann wird sich die Macht zu ihnen hin verschieben.

Wenn du aber noch irgendwie die Kontrolle über dein persönliches Dasein und die Zukunft des Lebens behalten willst, so musst du schneller sein als die Algorithmen, schneller als Amazon und die Regierung, und dich selbst erkennen, bevor sie es tun. Um schnell zu sein, solltest du nicht zu viel Gepäck mitnehmen. Lass all deine Illusionen zurück. Sie wiegen schwer.

Welche Art von Antwort erwarten die Menschen? Wenn sie nach dem Sinn des Lebens fragen, erwarten sie in fast allen Fällen, dass man ihnen eine Geschichte erzählt. Homo sapiens ist ein geschichtenerzählendes Lebewesen, das eher in Geschichten als in Zahlen oder Grafiken denkt und der Überzeugung ist, dass das Universum selbst wie eine Geschichte funktioniert, voller Helden und Schurken, Konflikte und Lösungen, Höhepunkte und Happy Ends. Wenn wir nach dem Sinn des Lebens suchen, wollen wir eine Geschichte, die erklärt, worum es in Wirklichkeit geht und worin meine spezifische Rolle im kosmischen Drama besteht. Diese Rolle macht mich zu einem Teil von etwas, das größer ist als ich selbst, und gibt all meinen Erfahrungen und Entscheidungen einen Sinn.

Wenn Sie an eine bestimmte Erzählung glauben, interessieren Sie sich noch für die kleinsten Details, während Sie für alles, was aus dem Rahmen der Geschichte herausfällt, blind bleiben.

In den meisten Fällen ist überraschend wenig vonnöten, um unsere Vorstellungskraft zu erschöpfen.

Versuche, irgendein kulturelles Vermächtnis zu hinterlassen, sind nur selten erfolgreich.

Wenn wir schon nichts Handfestes – wie etwa ein Gen oder ein Gedicht – hinterlassen können, reicht es dann nicht vielleicht, wenn wir einfach nur die Welt ein bisschen besser machen? Ich kann jemandem helfen, und dieser Jemand wird anschließend jemand anderem helfen – damit leiste ich einen Beitrag zur Gesamtverbesserung der Welt und bilde ein kleines Glied in der großen Kette der Freundlichkeit.

Eine gute Geschichte muss mir also eine Rolle zuweisen und muss meine Horizonte übersteigen, aber sie muss nicht notwendigerweise wahr sein.

Die meisten Menschen, die auf Identitätssuche gehen, sind wie Kinder, die sich auf Schatzsuche begeben. Sie finden nur, was ihre Eltern zuvor für sie versteckt haben. Zum Zweiten beruhen nicht nur unsere persönlichen Identitäten, sondern auch unsere kollektiven Institutionen auf dieser Geschichte. Folglich ist es extrem beängstigend, sie anzuzweifeln. In vielen Gesellschaften wird jeder, der das versucht, ausgestoßen oder verfolgt. Und selbst wenn das nicht der Fall ist, braucht man starke Nerven, um das Gewebe der Gesellschaft infrage zu stellen. Denn wenn die Geschichte tatsächlich falsch ist, dann ergibt die gesamte Welt, wie wir sie kennen, keinen Sinn. Staatliche Gesetze, soziale Normen, wirtschaftliche Institutionen – sie könnten alle in sich zusammenfallen. Die meisten Geschichten werden vom Gewicht ihres Daches und weniger durch die Stärke ihrer Fundamente zusammengehalten.

Sobald persönliche Identitäten und ganze Gesellschaftssysteme auf einer Erzählung errichtet werden, wird es undenkbar, sie in Zweifel zu ziehen, egal auf welche Belege sie sich stützt, weil ihr Zusammenbruch eine persönliche und gesellschaftliche Katastrophe auslösen würde. In der Geschichte ist das Dach mitunter wichtiger als die Fundamente.

Von allen Ritualen ist das Opfer das wirkmächtigste, denn von allen Dingen auf der Welt ist Leid am realsten. Es lässt sich niemals ignorieren oder anzweifeln. Wenn Sie also dafür sorgen wollen, dass Menschen wirklich an irgendeine Fiktion glauben, dann bringen Sie sie dazu, ein Opfer für diese Fiktion zu bringen. Sobald jemand für eine Geschichte leidet, reicht das in der Regel, um ihn davon zu überzeugen, dass die Geschichte wahr ist.

Wenn Sie sich für 2000 Euro einen gebrauchten Fiat kaufen, werden Sie sich wahrscheinlich bei jedem, der es hören will, über dieses Auto beklagen. Wenn Sie sich allerdings einen brandneuen Ferrari für 200.000 Euro leisten, so werden Sie überall in den höchsten Tönen davon schwärmen, nicht weil es sich um einen so tollen Wagen handelt, sondern weil Sie so viel Geld dafür bezahlt haben, dass Sie unbedingt glauben müssen, es handle sich um die wundervollste Sache auf Erden.

Während der Nationalismus mich lehrt, dass meine Nation etwas Besonderes sei und ich ihr gegenüber besondere Verpflichtungen hätte, behauptet der Faschismus, meine Nation sei allen anderen überlegen und ich hätte ausschließlich ihr gegenüber Verpflichtungen.

Der Sinn des Lebens ist kein Fertigprodukt. Es gibt kein göttliches Drehbuch, und nichts außerhalb von mir kann meinem Leben einen Sinn geben. Ich bin es, der durch seine freien Entscheidungen und durch seine eigenen Gefühle alles mit Sinn auflädt.

Für sich genommen ist das Universum nur ein sinnloses Sammelsurium von Atomen. Nichts ist schön, heilig oder sexy – erst die Gefühle der Menschen machen es dazu. Es sind einzig und allein menschliche Gefühle, die einen roten Apfel verführerisch und einen Scheißhaufen widerlich machen. Nimmt man die menschlichen Gefühle weg, bleibt nur ein Haufen Moleküle übrig.

Besonders vorsichtig sollte man bei den folgenden vier Wörtern sein: Opfer, Ewigkeit, Reinheit, Erlösung. Wenn Sie irgendeines dieser vier Wörter hören, sollten bei Ihnen alle Alarmglocken läuten.

Je bewusster man sich selbst wahrnimmt, desto offensichtlicher wird, dass nichts auch nur von einem Moment bis zum nächsten Bestand hat.