Quelle: www.dw.com
Fehlende Notfallpläne, massive Versorgungsengpässe: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz warnt vor den Folgen eines flächendeckenden Stromausfalls. Zu Recht, meint Blackout-Experte Thomas Leitert im DW-Interview.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe mahnt ihn einem internen Positionspapier, das durch Medienberichte bekannt wurde, eine bessere Notfallplanung an. Denn: Ein großräumiger Stromausfall führt nach letzten Berechnungen immer noch zu erheblichen Versorgungsmängeln. Die Auswirkungen wären „katastrophal“.
DW: In dem Positionspapier des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz heißt es, die Stromversorgung Deutschlands sei grundsätzlich sicher, dennoch wären die Auswirkungen bei einem Stromausfall katastrophal. Teilen Sie diese Einschätzung?
Leitert: Ja, hundertprozentig. Die Auswirkungen wären im Grunde genommen eine nationale Katastrophe. Das hat der Bundestag schon 2010 erkannt, indem er das Büro für Technikfolgenabschätzung beauftragt hat, genau dieses Szenario zu untersuchen. Und die kamen genau zu dem Schluss: Wir wären nicht mehr in der Lage, dieses Szenario in Deutschland zu beherrschen.
Gibt es immer noch keine ausreichenden Notfallpläne in Deutschland?
Im Grunde nicht. Das hat was mit dem Föderalismus in Deutschland zu tun. Für den Katastrophenschutz in Deutschland ist genaugenommen die Kommune zuständig, also die unterste Gebietskörperschaft. Der Landrat beziehungsweise der Gemeinderat ist eigentlich der erste Katastrophenschützer. Und der wäre mit einem flächendeckenden Blackout vollkommen überfordert. Insofern tut er sich auch schwer, für dieses Szenario Vorsorge zu treffen. Letztlich liegt die Verantwortung aber bei ihm, und er müsste sich eigentlich darum kümmern, handlungsfähig zu bleiben.
Ist Deutschland ausreichend aufgestellt, um solche Cyberangriffe abzuwehren?
Ein ganz klares Nein. Wir bemühen uns natürlich durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, entsprechende Vorsorgen zu treffen, laufen aber aus meiner Perspektive der Entwicklung hinterher. Andere Staaten wie die USA, China oder Russland sind deutlich weiter. Wir haben einen hohen Aufholbedarf. Allerdings ist kritische Infrastruktur nur ganz schwer zu schützen. Mit einem sehr geringen Maß an Gewalteinwirkung kann ein extrem großer Schaden erzielt werden, und die Infrastrukturen in Deutschland sind einfach nicht auf Schutz ausgelegt, sondern auf Funktionalität und Weiterentwicklung.
Käme es zu einem längeren flächendeckenden Stromausfall wie 2005, was müsste man in der Bevölkerung vordringlich beachten? Wie sollte man reagieren?
Die Bevölkerung muss das befolgen, was das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heute schon vorschlägt, um selber Vorsorge zu treffen. Die Bevölkerung müsste für mindestens 14 Tage Lebensmittel und Wasservorräte vorhalten, um zumindest am Anfang keine Not zu leiden. Und dann müssten Katastrophenschutz-Organisationen viel mehr in Prävention und Vorsorge investieren. Flächendeckende Notfallpläne müssten erstellt werden. Man muss sich auf so ein Szenario zielgerichtet vorbereiten. Bis jetzt machen das die wenigsten.
Falls es zu einem massiven Stromausfall in Deutschland kommt, hätte das Auswirkungen auf unsere europäischen Nachbarn?
Auf jeden Fall! Wir sprechen von einem europäischen Stromverbund, und sehr wahrscheinlich wird sich ein solcher Stromausfall nicht an die Grenzen Deutschlands halten. Es kann auch umgekehrt sein, dass beispielsweise bei einem Stromausfall in Frankreich, Österreich oder in Italien auch wir hier einen Blackout bekommen. Wie gesagt, wir sprechen von einem europäischen Energieverbund. Und der führt dazu, dass wir davon betroffen sind, wenn anderswo der Strom ausfällt.