Am 21. Juni 2024 kam es in mehreren Ländern des Westbalkans zu einem überregionalen Stromausfall, der von den europäischen Übertragungsnetzbetreibern (ENTSO-E) als sogenanntes Blackout eingestuft wurde. Obwohl das Thema Blackout in den letzten Monaten und Jahren immer wieder heiß diskutiert wurde und mittlerweile wieder in den Hintergrund getreten ist, blieb dieses Ereignis hierzulande weitgehend unbemerkt. Dies dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass durch die erfolgreiche internationale Zusammenarbeit der Netzbetreiber die Störung innerhalb von zwei Stunden behoben werden konnte. Also Entwarnung für das bisher skizzierte länger andauernde Szenario?

Zu dieser Schlussfolgerung neigt man im Allgemeinen, aber sie ist vielleicht etwas voreilig. Ein Blackout, das bisher aufgrund der großen Anstrengungen der europäischen Übertragungsnetzbetreiber als sehr unwahrscheinlich galt, ist eingetreten. Wie zu erwarten war, kam es zu einer Vielzahl von kumulierenden Einzelereignissen, die für sich genommen kein Problem dargestellt hätten. Eine hohe Netzbelastung durch einen hohen Stromverbrauch aufgrund der Temperaturen um die 40 °C, hohe internationale Lastflüsse und ein Ausfall an einer wichtigen Stelle sowie weitere Einzelereignisse führten, soweit bisher bekannt, zu einem kaskadierenden Ausfall, der Albanien, Mazedonien, Bosnien-Herzegowina und Teile Kroatiens betraf. In Podgorica, der Hauptstadt von Montenegro, kam es auch zu Wasserversorgungsausfällen.

Regionale Akteure sprechen von weiteren großen Herausforderungen in den kommenden Wochen und Monaten, da die Infrastruktur veraltet ist und auch durch immer mehr dezentrale Einspeiser stark belastet wird. Der Netzausbau – ähnlich wie in Österreich – hält mit den Anforderungen nicht Schritt.

Erst dritte Blackout in Europa!

Am 21. Juni erlebten wir damit das bisher erst dritte Blackout im europäischen Verbundsystem Zentraleuropa. Das erste ereignete sich am Ostermontag 1976, als Teile Süddeutschlands, Österreichs und der Schweiz betroffen waren. Das zweite Blackout ereignete sich am 28. September 2003, als ganz Italien für bis zu 18 Stunden ohne Strom war. Nun das Dritte. Aufgrund der kurzen Dauer blieben viele der sonst erwarteten Folgen aus.

Kritiker behaupten jetzt, dass die Warnungen vor einem möglichen länger andauernden Blackout übertrieben und damit mehr oder weniger widerlegt seien. Es könnte jedoch auch eine Selbsttäuschung sein. Denn wie ein solches Ereignis verläuft, hängt von vielen Faktoren und ein wenig Glück ab. Am 21. Juni erlebten wir wohl einen Best-Case-Fall. Doch was passiert, wenn ein solches Ereignis mitten in Europa auftreten sollte oder wenn die Umstände eine schnelle Wiederherstellung nicht zulassen?

Unterschätzte Auslöser

Was würde passieren, wenn Sabotageangriffe auf kritische Infrastrukturen, wie sie von russischer Seite angekündigt wurden, tatsächlich umgesetzt werden? Solche Angriffe sind Teil der hybriden Kriegsführung, von der immer wieder zu hören ist. Auch die Energiewirtschaft ist seit langem Ziel von steigenden Cyber-Angriffen, die im schlimmsten Fall eine Großstörung auslösen könnten. Ferner stellt die steigende Komplexität und Vernetzung im Stromversorgungssystem (Stichwort Flexibilisierung) eine zusätzliche Herausforderung dar. Alles externe Faktoren, die man kaum mehr im Griff haben kann.

Missachtung von Warnsignalen

Trotz Verbesserungen in der generellen Blackout-Vorsorge in den vergangenen Jahren gehen viele Menschen weiterhin sorglos mit diesem Thema um und vertrauen darauf, dass schon nichts passieren oder im Ernstfall jemand anderer helfen wird. Doch bei einem überregionalen Ausfall ist das, wie bereits mehrfach ausführlich dargestellt, mehr als unwahrscheinlich, da weder die Kommunikation funktionieren noch genügend Ressourcen zur Verfügung stehen werden, um vielen Menschen helfen zu können.

Wollen wir dazulernen?

Daher bleibt eine allgemeine Vorsorge unverzichtbar, um auch mit möglichen großflächigen Versorgungsausfällen – gleich welcher Ursache – umgehen zu können. Denn Prävention ist wichtig, aber noch wichtiger ist es, mit möglichen Ereignissen und den zu erwartenden Folgen umgehen zu können, die nicht verhindert werden konnten. Denn genau das macht eine resiliente Gesellschaft aus. Wer sich nur auf den besten Fall vorbereitet, wird immer wieder unangenehm überrascht werden. Und davon haben wir in den letzten Jahren genug erlebt. Es stellt sich also die Frage, ob wir dazulernen oder uns weiter in Scheinsicherheit wiegen wollen.

Wie bereits mehrfach betont, geht es nicht um mögliche Wahrscheinlichkeiten, sondern um unsere Fähigkeit, mit Überraschungen umzugehen. Also krisenfit zu sein. Die Herausforderungen im Stromversorgungssystem sind jedenfalls nicht kleiner geworden und Selbsteinschätzungen können auch falsch sein, wie ein kürzlich veröffentlichter Bericht zum Sommerausblick 2024 bestätigt: Demnach wurden für diesen Sommer keine besonderen Herausforderungen durch die nun betroffenen Balkanländer erwartet. Wunsch und Wirklichkeit sind oft nicht deckungsgleich.

Weitere Aufklärungsarbeit unverzichtbar

Es bedarf daher weiterhin einer entsprechenden Aufklärungsarbeit und unaufgeregten Vermittlung der notwendigen Minimalanforderungen: Wasservorräte für mehrere Tage, eine Erste-Hilfe-Ausrüstung, Medikamente und Lebensmittel für mindestens 14 Tage. Dieser Puffer ermöglicht eine Selbstversorgung mit dem Nötigsten und entlastet die Versorgungsketten und Einsatzkräfte beim Wiederanlauf. Diese Vorsorge ist auch für viele andere mögliche Ereignisse nützlich und dient nicht nur für das hier beschriebene Worst-Case-Szenario. Die persönliche Vorsorge möglichst vieler Menschen ist und bleibt die Basis für unsere Krisenbewältigungsfähigkeit, auf der alle anderen erforderlichen Maßnahmen aufsetzen.

Was ist in den Gemeinden zu tun?

Hier wurde bereits in zahlreichen Beiträgen alles Wesentliche gesagt: Es geht im Kern um die Aufrechterhaltung einer minimalen Grundversorgung, was vor allem die Wasserver- und Abwasserentsorgung betrifft. Es geht aber auch um die Vorbereitung von dezentralen Anlaufstellen und Strukturen (Selbsthilfebasen oder ähnliche Bezeichnungen), um eine dezentrale Gesundheits- und Lebensmittelnotversorgung, oder um eine angemessene Sicherheitskommunikation vor und während eines möglichen Ereignisses und um besondere Herausforderungen wie einen möglichen Notbetrieb in Schulen und Kindergärten, damit die Eltern, die für den Notbetrieb oder den Wiederanlauf benötigt werden, den Kopf frei haben. Aber auch die mögliche Betreuung und Notversorgung von eingeschlossenen Personen (Schüler, Pendler, Touristen etc.).

Entscheidend ist, dass nicht wie bei anderen möglichen Krisen eine Ad-hoc-Organisation erfolgreich sein wird, sondern dass nur das funktionieren wird, was jetzt vorbereitet und abgestimmt wird. Es reicht auch nicht, etwas auf einem Stück Papier zu haben, sondern der Prozess bis dahin ist entscheidend. Denn sonst hat man ein tolles Papier, aber keinen funktionierenden Prozess, der auch mit wenig Kommunikationsaufwand funktioniert. Und das erfordert viel Kommunikations- und Abstimmungsarbeit im Vorfeld und weniger, große Investitionen in Technik.

Es geht auch nicht darum, das glimpflich ausgegangene Ereignis aufzubauschen oder die hervorragende Arbeit der Übertragungsnetzbetreiber zu schmälern, sondern darum, das allgemeine Bewusstsein zu schärfen, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, schon gar nicht in einem Umfeld so fundamentaler Umbrüche, wie wir sie derzeit erleben. Eine Katastrophe entsteht erst dann, wenn ein vorhersehbares oder überraschendes Ereignis auf eine unvorbereitete Gesellschaft trifft, seien es Starkregenereignisse, wie wir sie derzeit erleben, oder im schlimmsten Fall ein überregionaler Infrastrukturausfall. Wir alle haben es selbst in der Hand, wie stark wir von einem Ereignis überrascht und in Mitleidenschaft gezogen werden können. Sehen wir dieses Ereignis als ein weiteres Frühwarnsignal.

Erschienen auf www.kommunalnet.at.